Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 9,00 €
  • Gebundenes Buch

Hochwohlgeboren, sogar, als Angehöriger eines alten preußischen Offiziersgeschlechts, mit Verbindungen zum Königshaus. Unterordnung war ihm unerträglich, dabei hat die Herkunft seinen Willen beschädigt.Als Offizier ist Heinrich von Kleist über den zweitniedrigsten Rang nicht hinausgekommen. Die akademische Laufbahn war nach drei Semestern Studium beendet. Zweimal versuchte er, Beamter zu werden, und schied während des Vorbereitungsdienstes wieder aus. Mit seinen publizistischen Unternehmungen ist er gescheitert. Zwei seiner acht Theaterstücke wurden, solang er lebte, nicht gedruckt, fünf nicht…mehr

Produktbeschreibung
Hochwohlgeboren, sogar, als Angehöriger eines alten preußischen Offiziersgeschlechts, mit Verbindungen zum Königshaus. Unterordnung war ihm unerträglich, dabei hat die Herkunft seinen Willen beschädigt.Als Offizier ist Heinrich von Kleist über den zweitniedrigsten Rang nicht hinausgekommen. Die akademische Laufbahn war nach drei Semestern Studium beendet. Zweimal versuchte er, Beamter zu werden, und schied während des Vorbereitungsdienstes wieder aus. Mit seinen publizistischen Unternehmungen ist er gescheitert. Zwei seiner acht Theaterstücke wurden, solang er lebte, nicht gedruckt, fünf nicht aufgeführt.Er war schwierig im Umgang. In Gesellschaft benahm er sich oft, als wäre er allein. Er war allein. Freunde sind nicht geblieben, sosehr er an ihnen hing. Eine Frau hat er nicht fürs Leben gefunden, nur für den Tod.Aber er schrieb wie keiner. Solche Texte hatte man noch nicht gelesen, solche Stücke noch nicht gesehen. Seine Analysen waren der Geschichte, seine Bilder der Literaturgeschichte voraus.Wie Herbert Kraft das Leben Kleists erzählt, wird das Buch zu einer spannenden Unterhaltung. Auch die Bedeutung der Werke stellt er erzählend dar, in anschaulichen und genauen Beschreibungen.
Autorenporträt
Herbert Kraft, geboren 1938 in Walsum am Niederrhein, ist seit 1972 Ordinarius für Neuere deutsche Literaturgeschichte in Münster. Dr. h.c. der Universität Sheffield. Mitherausgeber der Schiller-Nationalausgabe. Bücher u.a. über Schiller, Hebbel, Kafka und zuletzt Annette von Droste-Hülshoff.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2007

Risse, Küsse, Bisse
Bringt das Leid der Dichter das Glück der Buchmesse?

Wem auf Erden nicht zu helfen ist, der wird auch auf der Buchmesse nicht glücklich. Wenn wir uns Heinrich von Kleist nur für eine Sekunde in einer der Messehallen vorstellen, fällt uns sofort jener berühmte Satz ein, den Kleist an seinen Schwager schrieb: "Ich bitte Gott um den Tod und dich um Geld." Kürzer und drastischer ist das Künstlerdrama der zwischen Erlösungssehnsucht und Verarmungsangst, zwischen Transzendenz und schnödem Diesseits hin und her geworfenen Dichterseele nicht auf den Punkt zu bringen. Gleich drei Biographien versuchen in diesem Bücherherbst das Phänomen Kleist zu erhellen. Knapp und solide tut dies Herbert Kraft ("Kleist". Leben und Werk, Aschendorff Verlag), während Jens Bisky mit Leidenschaft und feuilletonistischem Schwung Kleist zum "größten politischen Dichter der Deutschen" ausruft und nachzeichnet, welch heikle Konstellationen die Ideale der Aufklärung und der Französischen Revolution in Kleists Leben und Werk eingingen ("Kleist". Rowohlt Berlin). Mehr dem Leben als dem Werk gilt das Interesse von Gerhard Schulz ("Kleist". Eine Biographie, C. H. Beck), der manches Rätsel auf dem Lebensweg des Dichters, etwa die nebulöse Würzburg-Reise, wie einen Luftballon behandelt: Leichthändig lässt er die Luft heraus. Bei aller kalten Logik im Lebensdetail wahrt Schulz aber den Respekt vor dem Rätselhaften der Gesamtexistenz.

Wenn Kleist es überhaupt auf einer Buchmesse aushalten könnte, dann also auf dieser. Allerdings müsste er ertragen, dass es noch weitere Dichterbiographien gibt: Helmuth Kiesel ("Ernst Jünger. Die Biographie", Siedler-Verlag) hat sich ebenso wie Heimo Schwilk ("Ernst Jünger", Piper) einer Jahrhundertfigur gewidmet, Holger Hof schildert Gottfried Benns "Leben in Bildern und Texten" (Klett-Cotta), und Thomas Karlaufs vielbeachtete Biographie eines charismatischen Charakters ("Stefan George", Blessing) setzt in der George-Forschung neue Maßstäbe. Die wichtigste Neuausgabe eines Klassikers gilt Stendhal: Elisabeth Edl hat "Die Kartause von Parma" (Hanser) glanzvoll neu übersetzt.

Dass man kein Dichter sein muss, um am Leben zu scheitern, beschreibt eindrucksvoll Katja Lange-Müller. Sie hat mit "Böse Schafe" (Kiepenheuer & Witsch) eine bitterzarte Liebesgeschichte geschrieben, von der schnoddrigsten Sentimentalität, mit geradezu selbstmörderischer Furchtlosigkeit vor Klischees und von großer Glaubwürdigkeit und Würde. Der Roman spielt im Berliner Sozialhilfe- und Fixermilieu der Vorwendezeit, und selten erschien das alte West-Berlin so klein, kaputt und reizlos wie hier. Umso erstaunlicher, welche Kraft Katja Lange-Müller in diese Liebesgeschichte zu legen vermag, von der bis zum Schluss nicht deutlich wird, ob es sich nicht doch nur um die mit Zähnen und Klauen verteidigte kleine Illusion eines großen Herzens handelt.

Derart realistische Schilderungen sozialer Milieus sind selten geworden in der deutschen Gegenwartsliteratur. Vor allem die Arbeitswelt jenseits schicker Werbeagenturen und polierter Redaktionsräume in den Hochglanzmagazinen kommt kaum noch vor. Das Romanpersonal der Gegenwart führt hauptberuflich ein Privatleben, der Job ist allenfalls Nebenbeschäftigung, gerade noch geeignet, die Figur in einem bestimmten Milieu zu verorten. Annette Pehnt stößt jetzt mit einer beklemmenden Charakterstudie von großer Virtuosität in diese Lücke. Ihr Roman "Mobbing" schildert mit der Intensität des Kammerspiels einen Fall, wie er sich im deutschen Büroalltag unzählige Male ereignet: Ein Angestellter kommt nicht mehr klar, nicht mit seiner Vorgesetzten, nicht mit seinen Kollegen. Er fühlt sich ausgebremst, geschnitten, kujoniert, erniedrigt, gedemütigt. Annette Pehnts entscheidender Kunstgriff liegt in der Wahl der Perspektive. Sie beschränkt sich allein auf die Ich-Erzählerin, die alles, was sie erfährt, von dem Opfer weiß. Und sie kann nichts relativieren oder in Frage stellen, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, sie würde dem Ehemann das verweigern, was er gerade jetzt am nötigsten braucht: die unbedingte Loyalität seiner Frau.

Annette Pehnts Buch gehört zu den seltenen Fällen, in denen eine Familiengeschichte ganz in der Gegenwart angesiedelt ist. Oft geht der Blick in diesem Bücherherbst zurück in die Vergangenheit. Michael Lentz leiht den deutschen Emigranten an der amerikanischen Westküste seine Stimme ("Pazifik Exil", S. Fischer), Erich Hackl spürt dem Schicksal Gisela Tenenbaums nach, die 1977 in der argentinischen Militärdiktatur spurlos verschwand ("Als ob ein Engel", Diogenes), und auch Julia Franck nimmt eine reale Begebenheit zum Anlass ihres neuen Buches: Der Vater der Autorin wurde 1945 als Kind von der eigenen Mutter verlassen. Im Zentrum ihres Romans "Die Mittagsfrau" (S. Fischer) steht aber nicht das unglückliche Kind, sondern die Mutter. Über etwa vier Jahrzehnte hinweg schildert die siebenunddreißigjährige Autorin das Schicksal ihrer Hauptfigur, um spürbar werden zu lassen, wie es zu einer solchen unerhörten Handlung kommen konnte. Helenes Gefühle sind ausgelöscht, und Julia Franck erkundet behutsam, mit viel Geduld und großer erzählerischer Sorgfalt, wie es zu dieser Auslöschung kam.

Das große Geschichtspanorama hat Julia Franck, anders als der schon mit dem Titel ("Abendland", Hanser) weit ausgreifende Michael Köhlmeier, nicht im Sinn. Köhlmeier erweist sich als glänzender Erzähler, dem es jedoch leider erheblich an Ökonomie gebricht. Dass große Bücher Schwächen und Mängel aufweisen dürfen und dennoch große Bücher bleiben können, weiß jeder Leser. Und wer es nicht weiß, dem ist auf Erden und auf dieser Buchmesse leicht zu helfen. Er lese nur "Day" (Wagenbach), einen Roman über einen englischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg, geschrieben von der schottischen Autorin A. L. Kennedy, die 1965 das Licht der Welt erblickt hat, zweiundzwanzig Jahre nachdem Männer wie Alfred Day Städte wie Hamburg bombardiert und ein Loch in den Himmel gebrannt haben, das sich nie wieder schließen sollte.

HUBERT SPIEGEL

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Gerhard Neumann hat vier neue Kleist-Biografien gelesen, die er alle für ihre ganz unterschiedlichen Verdienste zu schätzen weiß und das, obwohl dieses Feld in der Germanistik bereits stark beackert wurde. Herbert Kraft hat sich vorgenommen, Kleists Leben und Werk in einer nicht einmal 300 Seiten langen Monografie darzustellen und dieses ambitionierte Vorhaben gelingt ihm laut Rezensent auch durchaus. Indem er die These stark macht, dass es dem Dichter stets um "Selbstbestimmung" und Selbstwerdung ging, deutet er sowohl Kleists Lebensstationen als auch seine literarischen Werke im Spiegel der zeitgenössischen "Philosophie des Subjekts" von Kant und Fichte, so der Rezensent ganz einverstanden. Beeindruckend findet Neumann Krafts akribische Quellenauswertung und ihm ist der nüchterne und knappe Stil des Autors angenehm. Besonders aber glänzt Kraft in seinen kurzen, durch ihre Prägnanz und Pointiertheit überzeugenden Werkinterpretationen, lässt der Rezensent wissen.

© Perlentaucher Medien GmbH