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"Berl Weinstein hatte sich wieder einmal taufen lassen, und diesmal mit besonderem Erfolg." So beginnt einer der originellsten Romane des 20. Jahrhunderts. 1920 erschienen, erlebte er bis 1925 sechzehn Auflagen. Das "Tohuwabohu" beginnt damit, dass ein junger Ostjude nach Berlin und ein vornehmer, getaufter Berliner Jude nach Borytschew kommen. Mit von der Partie sind Ostjuden und Reformierte, Getaufte und Antisemiten, Fromme und Liberale.

Produktbeschreibung
"Berl Weinstein hatte sich wieder einmal taufen lassen, und diesmal mit besonderem Erfolg." So beginnt einer der originellsten Romane des 20. Jahrhunderts. 1920 erschienen, erlebte er bis 1925 sechzehn Auflagen. Das "Tohuwabohu" beginnt damit, dass ein junger Ostjude nach Berlin und ein vornehmer, getaufter Berliner Jude nach Borytschew kommen. Mit von der Partie sind Ostjuden und Reformierte, Getaufte und Antisemiten, Fromme und Liberale.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.06.2000

Ein Hellseher
Sammy Gronemanns Roman „Tohuwabohu” aus dem Jahre 1920
Die Erstausgabe des Romans Tohuwabohu von Sammy Gronemann ist 1920 in Berlin erschienen. Das Buch beginnt mit den Worten: „Berl Weinstein hat sich wieder einmal taufen lassen, und diesmal mit besonderem Erfolg. Alles in allem hatte er dabei wohl an die 800 Mark erübrigt. Die Spesen waren diesmal ziemlich gering gewesen. ”
So was Verrücktes. Das liest man doch weiter!
Sammy Gronemann, Sohn eines Rabbiners, wurde 1875 in Westpreußen geboren. Nach dem Studium lebte er als Rechtsanwalt in Berlin und wurde überzeugter Zionist. 1933 emigrierte er nach Paris, 1936 nach Tel Aviv. Dort ist er 1952 gestorben.
Was vor dem Hintergrund dieses Lebenslaufs sich abgespielt hat, war infernalisch. Es wurde deutsche Geschichte und demonstriert, was zu Zeiten des Nationalsozialismus aber auch vorher den jüdischen Bürgern und notgedrungenen Assimilanten des „arischen” Machtbereichs widerfuhr.
 Der Romancier Sammy Gronemann hat das hellseherisch wahrgenommen. Er bringt es als eine schwarze Humoreske zur Sprache in einem Deutsch, das schön zum Heulen ist. Wobei sich jedoch in Gestalt des jüdischen Helden (er heißt Heinz) die substantielle Gewichtung auf die Figuration jenes sakral fundierten Zionismus verlagert, der dann zur Basis des „modernen” Staates Israel wurde. Eines Staates, der sich mit Fug als das hebräische Vaterland präsentiert. Hervorzuheben, dass am Ende dieser Entwicklung das Tohuwabohu, wie es Sammy Gronemann vorschwebt, vielleicht auch dort triumphiert.
Noch einmal: Gronemanns Prosa ist schön. Sie stilisiert die Tragödie des Judentums in der Gestalt seines Protagonisten Heinz geradezu meisterhaft.
K. H. KRAMBERG
SAMMY GRONEMANN: Tohuwabohu. Roman. Mit einem Nachwort von Joachim Schlör. Reclam Verlag, Leipzig 2000. 378 Seiten, 19,50 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2000

Tohuwabohu
Sammy Gronemann erzählt vom jüdischen Alltag in Deutschland

Das Grauen der jüngeren Geschichte hat sich vor die ältere gedrängt. Fast können wir nur noch an den Nationalsozialismus, an die Emigration und Auschwitz denken, wenn von jüdischem Leben in Deutschland die Rede ist. Wie es davor, vor dem Holocaust, aussah, wie es zuging im Berliner Scheunenviertel bei den russischen Juden und bei den Assimilierten, die den Sprung in den vornehmen Tiergarten geschafft hatten, vermag sich kaum jemand noch vorzustellen. Historisch erstarrt, folkloristisch verfremdet bisweilen ist die lebendige Erinnerung. Niemand weiß mehr, was es bedeutet haben mag, in einer Gesellschaft zu leben, die Anpassung verlangte, ohne daß sie bereit gewesen wäre, die Angepaßten dann wirklich aufzunehmen. Weitgehend entfallen ist dem Gedächtnis der Nation, was sich dem wohlfeilen, dem antifaschistischen Mitleid entzieht: jener Alltag vor der Katastrophe, in dem schon der Keim der Vernichtung steckte. Wie tief er saß, wie er genährt wurde auch durch den jüdischen Selbsthaß der Konvertiten, das hat der Jurist Sammy Gronemann bereits Anfang der zwanziger Jahre in seinem Roman "Tohuwabohu" gezeigt. Und erfolgreich war das jetzt wieder erschienene Buch schon seinerzeit nicht zuletzt deshalb, weil es diese wie jene, Deutsche wie Juden, in fremde Bereiche führte, in Kreise, die sie gegenseitig mieden.

Nichts, was zum Leben der Juden in Deutschland gehörte, hatte der Autor in seinem Rückgriff auf die Jahrhundertwende vergessen - nicht den Schnorrer, der sich mit Bettelbriefen durchschlägt, und auch nicht den adligen Antisemiten, wie er nach der jüdischen Mitgift schielt. Alle sind sie in der Geschichte vertreten, der liberale Rabbiner und der orthodoxe Fanatiker ebenso wie der getaufte Landgerichtspräsident, ein Assimilierter, der mit dem Glauben gleich noch den jüdischen Namen hergab, um am Ende doch wieder als Jude, diesmal als entlaufener, vorgeführt zu werden. In "Wucherer- und Erpresserhände", sagt seine Tochter, habe sich der Vater mit der Abkehr begeben. Daß er die Ruhe, die er suchte, so nicht finden wird, steht für den Erzähler außer Frage. "Ihr seid auf der Flucht vor euch selbst", läßt er eine seiner Figuren zu den Juden sagen.

Aus Erfahrung wußte der 1875 geborene Sohn eines westpreußischen Rabbiners, daß man der eigenen Geschichte nicht entkommen kann. Von ihrer Verleugnung hielt der überzeugte Zionist sowenig wie von demütiger Unterwerfung oder orthodoxer Versteifung. Alle Sympathie gehört allein den jungen Leuten, die er am Ende seiner Geschichte zum Zionistenkongreß nach Basel reisen läßt. Leuchtend erscheint die Vision eines tätigen Lebens auf eigenem Grund, fernab in Palästina, wohin es den Autor nachher als Emigranten verschlagen sollte, wo er 1952, vier Jahre nach der Gründung des Staates Israel, verstarb. In dem Roman, den er hinterließ, hat er ein Stück der Vorgeschichte dieses Landes eingefangen, ein Abbild des jüdischen Alltags in Deutschland, etwas von dem, woran wir uns nach Auschwitz kaum mehr zu erinnern wagen.

THOMAS RIETZSCHEL

Sammy Gronemann: "Tohuwabohu". Roman. Mit einem Nachwort von Joachim Schlör. Reclam Verlag, Leipzig 2000. 377 S., br., 19,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Beatrix Langner nutzt die Besprechung der beiden Romane, um allgemein die Situation von Juden in Berlin vor 1933 zu beschreiben. Sie empfiehlt, die beiden Bücher zusammen zu lesen, da sie zwei Seiten jüdischen Lebens beleuchteten. Auch finde man in beiden Büchern Argumente für eine internationale zionistische Bewegung.
1.) Sammy Gronemann: "Tohuwabohu"
Diesen Roman, der bereits 1920 in Berlin erschien und nun neu aufgelegt wurde, lobt die Rezensentin als präzisen Blick auf die "Nahtstelle zwischen assimilierten und traditionellen Judentum". Er spielt auf "engstem Raum", nämlich im Berliner Scheunenviertel und beleuchtet, so Langner, vor allem das Zusammentreffen der ansässigen Juden mit den meist bettelarmen Zuzüglern aus Osteuropa. Gronemann schildere auch, wie erfinderisch Letztere waren, um ihren Glauben mit kapitalistischen Geschäftspraktiken unter einen Hut zu bekommen.
2.) Martin Beradt: "Die Strasse der kleinen Ewigkeit"
Dieser Roman, der ebenfalls im Berliner Scheunenviertel spielt, zeigt die Innenperspektive jüdischer Gemeinschaft, wie Langner meint. Die Rezensentin weist auf die "sanfte Melancholie jiddischer Alltagspoesie" hin, die den Ton dieses Buches ausmacht. Abschließend wendet sie sich noch dem "umfangreichen", wenn auch schwierigen Nachwort von Eike Geisel zu, das sich u. a. mit der touristischen Wiederbelebung des Scheunenviertels beschäftigt und seine "Wut" über städtebaulichen Entscheidungen in dem Bezirk nicht verhehlen kann.

© Perlentaucher Medien GmbH
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