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Die Existenz der DDR war seit ihrer Gründung stets gefährdet. Gerhard Beil sicherte sie über Jahrzehnte auf dem Gebiet der Außenwirtschaft. Er besorgte dieses Geschäft mit Umsicht, Intellekt, Loyalität und politischer Überzeugung. Als er 1987 mit Honecker und dem Regierungstross zum Staatsbesuch in die Bundesrepublik reiste, gab ihm die Bonner Protokollabteilung das Kärtchen mit der Nr. 4. Diese Ziffer benannte ziemlich genau seinen Platz in der Hierarchie der politischen DDR. Beil berichtet über die Geschäfte mit dem Westen, über die Diplomatie bei Reisen und Messerundgängen, bei…mehr

Produktbeschreibung
Die Existenz der DDR war seit ihrer Gründung stets gefährdet. Gerhard Beil sicherte sie über Jahrzehnte auf dem Gebiet der Außenwirtschaft. Er besorgte dieses Geschäft mit Umsicht, Intellekt, Loyalität und politischer Überzeugung. Als er 1987 mit Honecker und dem Regierungstross zum Staatsbesuch in die Bundesrepublik reiste, gab ihm die Bonner Protokollabteilung das Kärtchen mit der Nr. 4. Diese Ziffer benannte ziemlich genau seinen Platz in der Hierarchie der politischen DDR. Beil berichtet über die Geschäfte mit dem Westen, über die Diplomatie bei Reisen und Messerundgängen, bei Jagdausflügen und unter vier Augen. Sein Buch verrät, was heute verschwiegen wird: die Seriosität der DDR.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.2010

Überall respektvoll behandelt?
Der letzte Minister für Außenhandel der DDR trauert dem Honecker-Regime nach

Die Kette von Funktionären des SED-Regimes, die ihre Erinnerungen vorlegen, reißt nicht ab. Jetzt präsentiert Gerhard Beil - Staatssekretär, Mitglied des Ministerrats, Mitglied des ZK der SED und seit 1986 der letzte Minister für Außenhandel - seine Sicht der Dinge. Seit 20 Jahren, so klagt er, werde gegen die DDR "aus allen Propagandarohren gefeuert", und dieser "Dauerbeschuss" scheine erfolgreich zu sein. Auch wenn er sich nicht sicher sei, ob er etwas ausrichten könne, sei ihm, Jahrgang 1926, bewusstgeworden, dass er Memoiren vorlegen müsse. Allerdings habe er nicht vor, "von meinem ersten Schrei bis zu meinem vorletzten Schnaufer Mitteilung zu machen".

Sein Rückblick auf die DDR ist auch nach 20 Jahren noch ganz unverändert. Der Bau der Mauer im August 1961 wird als "Grenzmaßnahme" beschrieben. Die Hintergründe der Misere der DDR-Ökonomie werden eher verschleiert als aufgedeckt. Beil berichtet, dass der Umfang des Handels der DDR mit den anderen sozialistischen Ländern durch die gemeinsame Mitgliedschaft im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) bestimmt gewesen sei. Die DDR habe jedoch auch Erzeugnisse benötigt, die man aus dem eigenen Wirtschaftssystem nicht beziehen konnte: "Dazu gehörten neben anderem Kaffee, Tabak, Obst oder Häute, komplette Industrie-Anlagen, hochleistungsfähige Maschinen für die Datenverarbeitung und Bürotechnik und chemische Erzeugnisse. So mussten entsprechende Waren aus Entwicklungs- und kapitalistischen Industrieländern importiert werden."

Warum das eigene Wirtschaftssystem denn nicht diese Produkte liefern konnte, darüber verliert Beil kein Wort. Das sozialistische Missmanagement mit seinem von der globalen Konkurrenz abgeschotteten wirtschaftlichen System verhinderte, dass technisches Know-how sich entfalten konnte - davon erfährt der Leser nichts. Beiläufig wird eingestreut, dass die wissenschaftlich-technischen Revolutionen in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Japan und in Westeuropa erfolgten, weil die Sowjetunion ihr Forschungspotential "vorwiegend in der Rüstungsindustrie" einsetzte und die Innovationen "nicht in die zivile Produktion einfließen" ließ. Immer wieder wird unterschwellig der Sowjetunion eine Teilschuld in die Schuhe geschoben.

An anderer Stelle verrät Beil, dass die DDR schon in den siebziger Jahren im Werkzeugmaschinenbau und in der Mikroelektronik eigene Wege beschreiten musste. Er schildert dann den bekannten Umstand, dass die Selbstkosten eines 256-Kbit-Speicherchips in der DDR 534 Mark betrugen, während vergleichbare Einheiten auf dem Weltmarkt für 6 DM zu haben waren. Tiefer ergründen möchte er dieses eklatante Missverhältnis allerdings nicht. Er erwähnt lieber nebulös "Engpässe und Disproportionen in der eigenen Wirtschaft", die überwunden werden mussten. Anschließend wendet er sich seinem Lieblingsthema zu: mit welchen westlichen Unternehmen und mit welchen westlichen Regierungen er und Honecker alles Geschäfte gemacht haben. Sein Stolz ist unverkennbar. Es sei ganz nützlich, sich daran zu erinnern, dass die DDR und ihre Vertreter "überall auf der Welt gleichberechtigt und respektvoll beurteilt und behandelt wurden. Wir waren weder die Hungerleider noch Kretins, als die wir heute in manchen Darstellungen erscheinen." Illustriert wird dies durch Privatfotos, die ihn mit westlichen Staatsmännern und Managern zeigen.

An manchen Stellen ist die Darstellung sicherlich für diejenigen interessant, die über die ersten Begegnungen der SED-Kader mit der westlichen Welt forschen. Beil beschreibt, dass die Ulbricht-Generation nur eine "Innenansicht der DDR" gekannt habe, geprägt vom Internationalismus der zwanziger Jahre, vom Exil, von der Emigration und den Internationalen Brigaden im spanischen Bürgerkrieg. Er selbst gehörte zur nachfolgenden Generation, fühlte sich geschmeichelt von der Anerkennung, die mittlerweile die DDR genoss, und blieb doch ein standhafter Parteianhänger: "Der uns bislang verschlossene andere Teil der Welt sah anders aus, roch anders, man ging anders miteinander um. Man lebte nach anderen Maßstäben, hatte andere Werte. Die Fassade war bunt, der erste Blick überwältigend. Nur wenn man genau hinschaute, sah man, dass Marx recht hatte und Lenin sich nicht irrte: es war faulender, parasitärer, Menschen wie Ressourcen vernichtender Kapitalismus mit sozialen Problemen, die er nicht lösen konnte." Beil erwähnt natürlich nicht, dass er zu den wenigen Privilegierten gehörte, die überhaupt in den Genuss einer Vergleichsmöglichkeit der Lebenswelt von Ost und West kommen durften.

Das Buch ist eine einzige Anklage mit einem allerdings entlarvenden Resümee. Die Frage, warum das SED-Regime in den achtziger Jahren auch von westlichen Regierungen hofiert worden sei, beantwortet Beil damit, dass die DDR in erster Linie durch ihre wirtschaftliche Schwäche für die Nachbarstaaten der Bundesrepublik von Vorteil war. Die Einschätzung in den europäischen Hauptstädten habe gelautet: "Im deutsch-deutschen Bruderkampf gefesselt, war der Wirtschaftsriese BRD gebunden wie Gulliver unter den Zwergen. Gäbe es diese DDR nicht mehr, wäre der Konkurrent von seiner Fessel befreit. Das würde Folgen für seine Nachbarn haben." Was für ein Armutszeugnis Beil seinem bankrotten Regime damit nachträglich ausstellt, ist ihm in letzter Konsequenz wohl gar nicht bewusst.

JOACHIM SCHOLTYSECK

Gerhard Beil: Außenhandel und Politik. Ein Minister erinnert sich. Verlag Edition Ost, Berlin 2010. 287 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass der Autor die wirtschaftliche Schwäche der DDR als Stärke verkaufen will und gar nicht merkt, welches Armutszeugnis er "seinem" Staat dabei ausstellt, scheint Joachim Scholtyseck zu amüsieren. Empfehlen kann er das Buch des ehemaligen Staatssekretärs und letzten Ministers für Außenhandel der DDR, Gerhard Beil, aber noch lange nicht. Die unfreiwillige Entlarvung gehört nämlich zu den witzigeren Stellen im Buch. Ansonsten liest der Rezensent Anklage über Anklage. Gegen die Sowjets, gegen den Westen. Oder mit Fotos belegte Prahlerei, die die internationale Anerkennung der DDR belegen soll. Für Scholtyseck belegt der Band indes nur eines: die Unbelehrbarkeit des Autors auch nach 20 Jahren.

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