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  • Buch mit Leinen-Einband

Bilder sind zum Augenblick gebannte Leidenschaften. In diesem festgehaltenen Moment auf der Leinwand, dem Papier oder im Stein konzentrieren sich oft ganze Lebensgeschichten, die der Figuren oder des Künstlers, und zuweilen durchdringen sich beide. Traditionen, Stile, Motive schlagen räumlich und zeitlich weite Brücken, manchmal demonstrativ-vordergründig, oft geheimnisvoll verschlüsselt und verborgen. Erst unter dem Blick des Betrachters wird das zum Augenblick Erstarrte lebendig wie Dornröschen nach dem Kuss des Prinzen. Alberto Manguel ist ein solcher Prinz: In seinem Buch beginnt die…mehr

Produktbeschreibung
Bilder sind zum Augenblick gebannte Leidenschaften. In diesem festgehaltenen Moment auf der Leinwand, dem Papier oder im Stein konzentrieren sich oft ganze Lebensgeschichten, die der Figuren oder des Künstlers, und zuweilen durchdringen sich beide. Traditionen, Stile, Motive schlagen räumlich und zeitlich weite Brücken, manchmal demonstrativ-vordergründig, oft geheimnisvoll verschlüsselt und verborgen. Erst unter dem Blick des Betrachters wird das zum Augenblick Erstarrte lebendig wie Dornröschen nach dem Kuss des Prinzen. Alberto Manguel ist ein solcher Prinz: In seinem Buch beginnt die gesamte Welt der Bilder zu leben. Und mehr noch: Ohne den Zeigefinger zu heben, lehrt uns Manguel, Bilder zu lesen. Dabei schöpft er aus einer reichen Quelle von Geschichten und Kenntnissen. Ausgehend von einem Foto der Tina Modotti erfahren wir, was die Füße in der Bildkunst bedeuten, und Exkurse wie beispielsweise über die Milch Marias, der Mutter Gottes, bieten en passant eine Kultur- ode r Religionsgeschichte durch die Jahrhunderte. Sinnenfroh und gedankenreich, unterhaltend und informativ zeigt uns Manguel: Wer Bilder lesen kann, bleibt nicht allein, denn selbst die scheinbar individuellsten Künstlererfahrungen haben eine universale Seite, sie bewegen sich zwischen Liebe und Hass, zwischen Unterdrückung und Sehnsucht. Manguel beleuchtet unbekanntere Genies wie Marianna Gartner oder Aleijadinho und läßt vielbetrachtete Größen wie Caravaggio und Picasso in einem neuen Blickwinkel erscheinen. Nie vergisst er, was Künstler und Betrachter verbindet, was den Augenblick zur Ewigkeit macht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.07.2001

Bilder und Seiten
Alberto Manguels Handbuch zur
Lektüre der großen Gemälde
Jeder, der in ein Museum mit Gemälden alter Meister geht, kennt die Unsicherheit des Betrachters. Man sieht auf den Bildern nur wenig. Mantegna zum Beispiel: Figuren in einem flächigen Raum zusammengedrückt. Süßlich lockende Madonnen – sind die nicht von Raffael? Und erst das hieroglyphische Durcheinander bei Hieronymus Bosch: man ist ohne Deutungshilfe verloren. Das Studium der Bilder strandet in einem Irrweg und in Tölpelei, wenn es nicht von der bescheidensten aller denkbaren Behauptungen ausgeht, die lauten könnte: Mit den Augen allein können wir nichts entziffern. Wir müssen die Bilder lesen lernen. Erst das Vorwissen holt sie ins Leben. Ohne Kenntnis der Ikonografie, der Technik, der Epochensprache und der Besonderheiten des Künstlers sind sie zwar dem Augenschein preisgegeben, aber versiegelt.
Der geheimnisvollen Kunst des sich selbst begreifenden Lesers widmet der in Argentinien geborene, in Kanada lebende Essayist und Erzähler Alberto Manguel seine enzyklopädischen Streifzüge durch die Kunst. Er nimmt ein Bild als Protagonisten, versammelt um es her andere Bilder und kursorische Zeichen sowie entlegene Lesefrüchte, als seien sie alle Mitspieler und Nebenbuhler auf einer Bühne des Verstehens, um nach dieser weitausgreifenden Geste wieder auf den Helden zurückzukommen.
Plato meets van Gogh
Fischerboote von Vincent van Gogh werden mit der platonischen Idee verbunden, dass alles Wissen Erinnerung sei. Die Vorstellung von dem, was der Niederländer gemalt hat, ruht demnach in unserem Vorwissen, was Manguel zu der Behauptung verführt: „Was wir sehen, ist die Übersetzung des Bildes in unsere eigene Wahrnehmung.”
Mit dieser provokant einseitigen Annahme versucht er, indem er auf den Betrachter blickt, tiefer in die Bilder hineinzusehen. In zwölf Kapiteln, die jeweils einem Bild und seinem Hofstaat an Hinweisen, Vergleichen, Bezüglichkeiten, Assoziationen gelten, entwickelt Alberto Manguel eine Art Schichtenlehre. Es gibt Kapitel über Beunruhigungen durch das Bild als „Abwesenheit”, als „Rätsel”, als „Subversion”, und auf der anderen Seite die Suggestion von Verlässlichkeit wie im einzelnen Bild als „Zeugen”, als „Übereinkunft”, als „Spiegelbild”, als „Theater”. Die Streifzüge gleichen weiten Gedankenfluchten in die entlegensten Gebiete: die Milch Mariens, alchimistisches Geheimwissen, die Kabbala, Farbmystik.
Manguels Reisen in die Wüsteneien des verschollenen Wissens haben alles andere als einen Kanon zum Ziel. Das behaarte Mädchen Lavinia Fontana folgt auf den mittelalterlichen Maler Robert Campin, und davor fällt die Aufmerksamkeit auf die abstrakte Expressionistin
Joan Mitchell, es folgt die kanadische Hyperrealistin Marianne Gartner, die schwarzweiß malt, dann das Mosaik der Schlacht von Issos und so fort – das Irreguläre und Elliptische, das die Beziehung des Betrachters zum Bild ausmachen kann, findet in diesem gesteuerten Taumel seine Methode.
Alberto Manguel entwirft eigenwillige Geschichten, durchstreift Bedeutungsfelder, gibt seinen Paradebildern kulturgeschichtliche Lebensläufe, die durch Jahrhunderte reichen. Nie können, so die Botschaft dieses Blickkünstlers, Bilder ausgelesen werden, weil wir uns selbst nicht ganz zu lesen verstehen. Es ist das Programm eines Erzählers, der sich in der Kunst wie in einem Wald aus Episoden bewegt, eine mit geradezu romantischem Überschuss vorgetragene Botschaft: „Bild und Bedeutung reflektieren einander in einem Spiegelkabinett, das wir durchwandern, immer im Wissen, dass unsere Suche kein Ende hat – selbst wenn wir uns ein festes Ziel gesetzt haben.” Dazu kommen der Umschlag von den objektivierten Bedeutungen in die private, unzugänglich erscheinende Ikonografie, das Zusammenspiel von Spiegel und Porträt, die esoterischen Felder; für Tüfteleien, Spekulationen und Verstiegenheiten aller Art ist in diesem Buch reichlich gesorgt.
Betrachten narrativ
Manguel suggeriert die Botschaft von der Unerschöpflichkeit der Welt, weil ihre Bilder, die sie uns anbietet, nur unseren Kontext aktivieren. Die gleiche Auffassung durchwirkte seine „Geschichte des Lesens” (deutsch 1998, Rowohlt Verlag): Lesen und Betrachten sind für ihn narrative Vorgänge, die nicht auf ein definitives Ende abzielen, sondern darauf, Bedeutungen in Bewegung zu halten, das Ganze gleichsam enzyklopädisch zu verzaubern statt zu erklären und festzulegen. Aber das vorausgegangene Buch ist ungemein lebendiger und farbenfroher. Es fehlt in dem neuen an den ironischen Lichtern, die seiner Bücherkunde aufgesetzt waren. Die zwölf Etappen seiner Reise durch die Kunstbilder haben, da sie alle die gleiche Bewegung vollziehen, etwas Mechanisches. Manche von ihnen, wie das über die Fotografin Tina Modotti oder über den gewalttätigen Picasso, bilden nur ein anderes Krakeelen über bekannte Inhalte. Und am Schluss, wenn der Pfau seine Räder geschlagen hat, fragt man sich, geblendet von so viel Wiederholungskünsten, verstohlen, was diese schweifende Gelehrsamkeit eigentlich vollbracht hat.
WILFRIED F. SCHOLLER
ALBERTO MANGUEL: Bilder lesen. Aus dem Englischen von Chris Hirte. Verlag Volk & Welt, Berlin 2001. 336 Seiten, Abbildungen, 58 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Alberto Manguel, der argentinische Autor, der 1998 Leser wie Kritiker mit seiner Geschichte des Lesens begeisterte, hat mit seinem neuen Buch eine "spannende, leidenschaftliche und eigenwillige Kulturgeschichte des Bildes" geschrieben, meint Aimée Torre Brons. Geradezu "leichtfüßig" flaniere der Autor durch Bildergalerien, denn Kunstwerke seien der Ausgangspunkt seiner Betrachtungen. Im Zentrum des Buches steht die Frage nach der Beziehung von Sprache und Bild, das heißt die Frage danach, ob sich Bilder in eine begriffliche Sprache übersetzen lassen oder was mit Bildern jenseits der Sprache passiert, so Brons. Man spüre jedoch, dass Manguel ein "Buchbesessener" sei und bleibe, somit an die "Kraft des geschriebenen Wortes" glaube, denn Manguels Bildbetrachtungen seien "Bildlesungen". An diesem Punkt setzt dann auch die Kritik an: Brons findet, dass das Buch als "Bilderbuch" eine Enttäuschung ist, da die Illustrationen mangelhaft untertitelt und zudem von schlechter Qualität seien. Das fällt aber nicht so sehr ins Gewicht, urteilt Brons, da Manguel einfach ein "glänzender Geschichtenerzähler" ist.

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