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"Leichte Zeiten gibt es nicht", seufzt Kohoutek. Eigentlich könnte er rundum zufrieden sein. Ja, wäre da nicht Justyna. Seine aktuelle Freundin. Mit ihrer ganzen Bibliothek und allerlei Habseligkeiten im Koffer kommt sie plötzlich angereist - und schon ist es vorbei mit der Beschaulichkeit. Flugs muss er sie auf dem Dachboden der alten Schlachterei (und manchmal sogar auf dem Apfelbaum) verstecken, damit niemand erfährt, dass er ein alter Wüstling ist, besessen vom "unersättlichen Dämon der Tastlust" und von noch ganz anderen Begierden. Kohoutek sitzt in der Falle, die er sich selbst gestellt…mehr

Produktbeschreibung
"Leichte Zeiten gibt es nicht", seufzt Kohoutek. Eigentlich könnte er rundum zufrieden sein. Ja, wäre da nicht Justyna. Seine aktuelle Freundin. Mit ihrer ganzen Bibliothek und allerlei Habseligkeiten im Koffer kommt sie plötzlich angereist - und schon ist es vorbei mit der Beschaulichkeit. Flugs muss er sie auf dem Dachboden der alten Schlachterei (und manchmal sogar auf dem Apfelbaum) verstecken, damit niemand erfährt, dass er ein alter Wüstling ist, besessen vom "unersättlichen Dämon der Tastlust" und von noch ganz anderen Begierden. Kohoutek sitzt in der Falle, die er sich selbst gestellt hat. Sein Versuch, die aktuelle Freundin vor Oma, Eltern, Frau und Nachbarn geheim zu halten, führt zu unvergleichlich komischen Szenen. Am Ende bleibt Kohoutek nur noch die Flucht aus seinem Dorf im Teschener Ländchen, dieser protestantischen Enklave in Polen, wo man es mit Sitte, Anstand und Bibel ohnehin ein bisschen strenger nimmt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2000

Begierden eines Veterinärs
Jerzy Pilch stellt uns einen „ganz gewöhnlichen Lustmolch” vor
Der Veterinärberuf scheint sich zur Zeit in unseren Nachbarländern eines gewissen literarischen Interesses zu erfreuen: Nachdem die Holländerin Margriet de Moor in ihrem neuen Roman Die Verabredung einen Tierarzt in eine unverhoffte Liebesbeziehung verwickelt hatte, präsentiert nun der Pole Jerzy Pilch als Protagonisten seines satirischen Kurzromans Andere Lüste einen Provinzveterinär mit dem ebenso unpolnischen wie anspielungsträchtigen Namen Pawel Kohoutek. Dieser Kohoutek versucht, mittels einer Liebeseskapade aus seinem Alltag auszubrechen, nur wirkt er dabei, anders als de Moors Held, ausschließlich tollpatschig und komisch. Seine Amouren haben zudem einen notorischen Charakter, und er hat die Angewohnheit, jeder Frau, deren nähere Bekanntschaft er macht, die Vision eines gemeinsamen Lebens auszumalen. Daher rührt sein Erfolg (auf sein Konto gehen unzählige Eroberungen), dafür ereilt ihn schließlich aber auch eine gerechte Strafe.
In der protestantischen Enklave einer beschaulichen Kleinstadt, in der Kohoutek samt Ehefrau und restlicher Familie ein ruhiges Leben führt, taucht plötzlich seine „aktuelle Freundin” auf: eine Intellektuelle (und damit Kreisen zugehörig, die Kohoutek völlig fremd sind) mit einer Schwäche für Milan Kundera und einem Namen, der auf die Verwandtschaft mit Witold Gombrowicz hindeuten könnte. Unter abenteuerlichen Umständen – er versteckt sie auf dem Dachboden einer alten Schlachterei, manchmal auch auf einem Apfelbaum – entgeht er nur knapp dem drohenden Skandal. Seine gelegentlichen Selbstzweifel („Ich bin ein ganz gewöhnlicher Lustmolch, der gewöhnlichste Ehebrecher der Welt . . .”) vertraut er Doktor Oyermah an, einem Freund und Mentor, „der ungezählte Generationen protestantischer Haustiere geheilt hatte”. Die befürchtete Kompromittierung bleibt aus, dafür nimmt die Situation eine überraschende Wende: Die Geliebte richtet sich im Ort ein, und die Ehefrau erweist sich wider Kohouteks Erwartungen als gütig, verständnisvoll und weitsichtig. Zu einem richtigen Happy End kommt es dennoch nicht, was ausschließlich auf Kohouteks schwache Nerven zurückzuführen ist: Er verlässt Hals über Kopf den Ort.
Der 1952 geborene Autor, bis vor kurzem fest in der Krakauer Literaturszene verankert, nun in Warschau ansässig und als Feuilletonist der Wochenschrift Polityka tätig, gehört mittlerweile zu den erfolgreichsten Prosaautoren Polens. In seinen witzigen, sprachlich fulminanten Romanen, mit denen er die beste Tradition der polnischen Satire fortsetzt und Namen wie Gombrowicz und Mrozek auf den Plan ruft, verbindet er oft ein ironisches Sittenbild der polnischen Gegenwart mit nostalgischem Erinnern an die Welt seiner Jugend, an die kleine Gemeinschaft der polnischen Protestanten im Teschener Ländchen, wo es zwar etwas strenger zugeht als anderswo, wo die Menschen aber noch Zeit finden, um endlose Dispute über Fragen des Glaubens und des Lebens zu führen. Mit untrüglichem Gespür für Paradoxa und Absurditäten, aber auch viel Verständnis für menschliche Schwächen spöttelt Jerzy Pilch mal über die Makel des polnischen Nationalcharakters, mal über die Verderbtheit einer postkommunistischen Gesellschaft, mal über die falschen Denkmuster der heutigen Intelligenz. Dabei lässt er sich immer wieder genüsslich über die Pikanterie der Geschlechterbeziehungen aus (Bekenntnisse eines Dichters heimlicher erotischer Literatur lautet der Titel eines seiner früheren Werke). So ist auch Andere Lüste ein witziger, skurriler kleiner Roman, an dem alle Leser, die insgeheim von einer Karriere als Frauenheld träumen, ihre Freude haben dürften.
MARTA KIJOWSKA
JERZY PILCH: Andere Lüste. Roman. Aus dem Polnischen von Albert Lempp. Verlag Volk & Welt, Berlin 2000. 172 Seiten, 28 Mark.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Was auf den ersten Blick wie billiger Klamauk wirkt, eine Provinzposse um Ehebetrug und den Schwierigkeiten der Vertuschung, ist, darf man der Besprechung von Gregor Ziolkowski Glauben schenken, in Wahrheit viel mehr. Denn von Beginn an unterlaufe der Autor diese Lesart durch "Momente abgründiger Ernsthaftigkeit" und "schaurige Elemente". Das Resümee des Rezensenten lautet denn auch: "Und so ist es der Mikro-Kosmos einer schräg beleuchteten Abgeschiedenheit, in dem sich die makabre Komödie um die Selbstbehauptung des Individuums ihre Bühne sucht." Aber dem noch nicht genug: "Dem überdrehten Versteck- und Verzweiflungsspiel um Liebe, Eifersucht und Selbstbehauptung korrespondiert ein ironisch-pathetischer Ton auf der Ebene der tieferen historischen Deutungen." Um diesem Interpretationsansatz folgen zu können, muss man das Buch von Jerzy Pilch wohl selber lesen.

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