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"Ein Triumph der Vorstellungskraft, urkomisch und herzzerreißend." Gary Shteyngart
Leningrad in den frühen 80er Jahren: Das Schachwunderkind Alexander Besetow gibt seine Ideale zugunsten des Luxus auf, den die Kommunisten ihm bieten. Cambridge, Massachusetts im Jahr 2006: Bei der jungen Dozentin Irina Ellison wird Chorea Huntington diagnostiziert – eine Krankheit, die schon ihrem Vater den Verstand geraubt hat. Vor seinem Tod hat er dem Schachweltmeister Alexander Besetow eine alles entscheidende Frage gestellt: Wie kann man weitermachen, wenn die Niederlage nicht abwendbar ist? Um die…mehr

Produktbeschreibung
"Ein Triumph der Vorstellungskraft, urkomisch und herzzerreißend." Gary Shteyngart

Leningrad in den frühen 80er Jahren: Das Schachwunderkind Alexander Besetow gibt seine Ideale zugunsten des Luxus auf, den die Kommunisten ihm bieten. Cambridge, Massachusetts im Jahr 2006: Bei der jungen Dozentin Irina Ellison wird Chorea Huntington diagnostiziert – eine Krankheit, die schon ihrem Vater den Verstand geraubt hat. Vor seinem Tod hat er dem Schachweltmeister Alexander Besetow eine alles entscheidende Frage gestellt: Wie kann man weitermachen, wenn die Niederlage nicht abwendbar ist? Um die Antwort zu erhalten, reist Irina zu Alexander. Dieser hat sich ebenfalls einer aussichtslosen Sache verschrieben: Er tritt bei den Wahlen gegen den russischen Präsidenten an. Irina unterstützt ihn dabei und sucht mit ihm die lebenswichtige Antwort auf die Frage: Wie weiterleben, wenn die Niederlage unausweichlich ist?

"Präzise, unsentimental und mit zauberischer Sicherheit bewegt sich Jennifer duBois zwischen Kontinenten, Geschichten und Schicksalen." The New Yorker
Autorenporträt
Jennifer duBois, geb. 1983 in Northampton, Massachusetts, hat Politik und Philosophie studiert und ihren Abschluss als Stipendiatin am Iowa Writers' Workshop erworben. Die Stanford University, wo sie heute unterrichtet, hat sie mit dem Stegner Fellowship ausgezeichnet. 2012 wurde sie von der National Book Award Foundation als eine der fünf besten Nachwuchsautorinnen geehrt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.03.2013

Schachspiel des Lebens
Was zu erreichen ist: Das Debüt von Jennifer DuBois

Verschwinde!", bellt die grauhaarige Frau und schüttelt drohend die Fäuste. Ein junger Mann, dessen Habseligkeiten allesamt in einen abgerissen Koffer passen, stiehlt sich unter den Flüchen der Hausverwalterin davon. Er ist homosexuell und passt nicht in die Kommunalka, jene gemeinschaftliche Wohnform, die es in der Sowjetunion so oft gab. Die Bezeichnung "Habseligkeit" hingegen passt ebenso wenig in dieses Milieu, denn die Bewohner der Kommunalka sind weder selig noch habend. Vielmehr wirken sie "unausgeschlafen und latent feindselig" wie alle, die Alexander seit seiner Ankunft getroffen hat.

Wir schreiben das Jahr 1979, und Alexander Kimowitsch Besetow kommt nach Leningrad, um das zu tun, worin er unschlagbar ist: Schach spielen. Jeder, der da an Garri Kasparow denkt, tut dies zu Recht. Die 1983 in Massachusetts geborene Jennifer DuBois lässt ihren Helden in die Biographie des russischen Schachwunders schlüpfen, ganz so, als würde er den Mantel eines großen Bruders auftragen: Anfangs schlackert er ein wenig, später passt er wie angegossen. In ihrem Erstling "Das Leben ist groß" hat sich die Autorin Großes vorgenommen. Wie der Schachgroßmeister Kasparow wird ihr Protagonist einem der größten Oligarchen unserer Zeit, Wladimir Putin, die Stirn bieten. Wie Kasparows Karriere findet auch Alexanders ein jähes Ende, als er gegen den Schachcomputer "Deep Blue" von IBM verliert. Und ebenso wie sein nichtfiktionales Vorbild plant auch Alexander seine weiteren Schachzüge auf der politischen Bühne. Der Roman spielt nicht nur in einem unermesslich großen Land, sondern darüber hinaus zu der Zeit großer Utopien, als sich viele damit abfanden, ihr Glück im Kleinen zu suchen. Und keiner wirkt zunächst kleiner als Alexander, wie er zwischen von der Küchendecke baumelnden Strumpfhosen steht und von seiner Mitbewohnerin träumt. Ihre Geschichten kreuzen sich kurz, dann heiratet sie einen Parteifunktionär. Alexanders Leben ist nicht angenehm, aber auch nicht unerträglich. Und stille Kompromisse sind ohnehin an der Tagesordnung: "Der Kommunismus war für ihn so etwas wie eine kollektive Notlüge, wie das stillschweigende Abkommen aller Menschen, nicht über die Tatsache zu sprechen, dass jeder einmal sterben muss."

Jahre später und am anderen Ende der Welt sieht sich die junge Dozentin Irina mit dieser Tatsache konfrontiert. Mit zwölf Jahren schlägt sie ihren Vater im Schach. Die Diagnose: Chorea Huntington. Als sein Idol Alexander Besetow gegen einen Computer verliert und nicht nur der Mythos vom menschlichen Geist, sondern auch die Idee des Kommunismus entzaubert ist, hat sein Verstand den Kampf gegen die Krankheit verloren. Bei Irina werden erste Symptome bereits mit dreißig auftreten, schätzen die Ärzte. Eine Erinnerung hat sich ihr eingebrannt: Auf der Mattscheibe flimmert eine Schachpartie Besetows, als ihr der Vater zuflüstert: "Siehst du, du kannst eine Menge erreichen, bevor du dreißig bist." Wie schafft man es, das Leben groß zu machen, wenn es kleiner ist, als man ertragen kann? Dies ist die kapitale Frage, die der Roman verhandelt.

Nach dem Tod ihres Vaters findet sie einen unbeantworteten Brief an Besetow: wie man weiterspiele mit dem Wissen, dass die Partie verloren sei. Natürlich geht es nicht um Schach, sondern um das Leben. Schach ist höchstens eine Metapher, ein Spiel, und immer bleibt die Möglichkeit zur Revanche. Dass es sich im Leben anders verhält, zieht sich als existentielles Problem durch den Roman. Das Schachspiel des Lebens kann man nicht gewinnen, der Tod ist ein zu großer Gegner. Wie also plant man angesichts der sicheren Niederlage den nächsten Zug?

Erzählmächtig schultert die junge Autorin in ihrem Debüt große Themen, ohne klein zu wirken. Ihr überwältigend unsentimentaler Roman zeigt, dass sie die Schachzüge beherrscht, die es braucht, um dem Pathos auszuweichen. Die Erkenntnis des Romans ist nicht neu und beschreibt dennoch den einzigen Weg, ein aussichtsloses Spiel mit Würde zu verlieren. Man kann sein Leben vielleicht nicht größer machen, aber breiter denken.

NADYA HARTMANN

Jennifer DuBois: "Das Leben ist groß". Roman.

Aus dem Englischen von Gesine Schröder. Aufbau Verlag, Berlin 2013. 448 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Nadya Hartmann feiert das Romandebüt "Das Leben ist groß" von Jennifer DuBois, deren Geschichte über Alexander Kimowitsch Besetow sie stark an den Schachgroßmeister Gari Kasparow erinnert: DuBois mache sich dessen Biografie zu eigen, kleide ihre Figur in sie ein. Alexander wächst zur Zeit der großen Utopien in einer sowjetischen Kommunalka auf, in der ihm seine Homosexualität nicht nur latent feindselige Blicke einheimst, erzählt Hartmann. Im Schach ist er ein Ausnahmetalent, seine Karriere endet erst als er vom Schachcomputer "Deep Blue" bezwungen wird, so die Rezensentin weiter. Wie Kasparow zieht es ihn anschließend auf die politische Bühne. Im Grunde speist sich das Buch aus einer zentralen Metapher, erklärt Hartmann: Wie ein Spiel würdevoll beenden, wenn man weiß, dass man verliert? Wie ein großes Leben leben, "wenn es kleiner ist, als man ertragen kann"? Besonders lobt die Rezensentin, dass DuBois nicht nur erzählmächtig ist, sondern auch ein reichlich pathetisches Thema erfreulich unsentimental anpackt. Ein gelungenes Debüt, findet sie.

© Perlentaucher Medien GmbH