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Mit wenigen Worten beschwört Hansjörg Schertenleib die zauberhafte Atmosphäre des sommerlichen Amsterdams herauf, malt farbenfrohe Bilder einer Kindheit in der Schweiz. Er erzählt von Musik, den niemals auszulöschenden Spuren der Erinnerung und einer Poesie des Augenblicks. Ein virtuoser Versuch über das Glück, seine lichten und schattigen Seiten, geschrieben in einer federleichten, bewegenden Sprache.

Produktbeschreibung
Mit wenigen Worten beschwört Hansjörg Schertenleib die zauberhafte Atmosphäre des sommerlichen Amsterdams herauf, malt farbenfrohe Bilder einer Kindheit in der Schweiz. Er erzählt von Musik, den niemals auszulöschenden Spuren der Erinnerung und einer Poesie des Augenblicks. Ein virtuoser Versuch über das Glück, seine lichten und schattigen Seiten, geschrieben in einer federleichten, bewegenden Sprache.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.11.2005

Jazz und Hund
Hansjörg Schertenleibs Novelle „Der Glückliche”
Wer Kitschgeschichten mag, der wird mit dem Buch von Hansjörg Schertenleib nicht glücklich werden. Er wird es langweilig finden. Wer hingegen glaubt, dass das Leben nun einmal seine kitschigen Momente hat, der wird es gerne lesen. Und wer gar meint, dass der allerkitschigste Moment gar nicht im Leben selbst liegt, sondern dort, wo es schon nicht mehr und der Tod noch nicht ist - der wird die letzten wunderbaren Seiten dieses schmalen Bandes verschlingen.
Am Ende stirbt also einer, aber man verrät nicht zu viel, wenn man das verrät. Wer so glücklich ist wie This Studer, dieser 48-jährige, stets lächelnde Jazzmusiker aus der Schweiz, dem gönnt die Literatur in der Regel kein langes Leben. Auch deutet sie gern früh das Schicksal ihres Helden an, wie hier auf Seite 29, wo eine Windböe die glatte Wasseroberfläche in „Tausende glitzerte Scherben” zersplittert. Dass die Natur zeichenhaft ist, dass die kleinsten Dinge bedeutsam sind: darauf baut eine Novelle, und als solche wird „Der Glückliche” ausgewiesen. Es ist dann freilich die Kunst von Schertenleib, dieser Bedeutsamkeit auch wieder den Wind aus den Segeln zu nehmen, sie leicht zu machen. So leicht, bis es droht, läppisch zu werden. Aber dann wird das Läppische gleich wieder federleicht, wenn es auf den „saublöden” Namen Kerosin Budnitz hört, mit dem This und seine Frau Daniela im engen Nachtzugbett wie zwei Backfische herumalbern.
Jukebox und Blechtischchen
Sie sind auf der Fahrt von Zürich nach Amsterdam, wo This für ein paar Auftritte in der Combo seines alten Freundes Henk spielen soll. Es geht viel um Jazz - „Nuff Said” mit Ben Websters Quintett, „eingespielt am 8. Februar 1944”, Dave Brubeck im Dezember 1963 in Amsterdam -, aber man muss kein Jazz-Kenner sein, um diese Novelle zu mögen. Es genügt, dass man sich ihrem Rhythmus überlässt. In Amsterdam verbringen Daniela, This und Henk ein paar gemeinsame, unbeschwerte Tage. Dann reist Daniela ab. Zu Hause wartet nicht nur die Arbeit, sondern auch die pubertierende, renitente Tochter Anna, die allerdings dann doch einmal Jazzmusik hört.
Der erste Teil der Novelle endet mit der Sentenz: „Das Leben ist leicht. Schwer ist nur die Angst davor.” Ein Spruch wie aus dem Poesiealbum, nicht der einzige auf den 132 Seiten. Es kommt allerdings darauf an, wo solche Sprüche stehen. Zum Beispiel wäre ein Poesiealbum ohne sie eine traurige Sache. Und auch dieser Novelle, die voller Poesie ist, würde etwas fehlen: jener Teil der lakonisch leichten Dialoge, in denen sie fallen, besonders dort, wo die beiden Freunde am Haschpfeifchen ziehen.
Poesie meint hier, dass die Vergangenheit einen hauchdünnen Schleier trägt und verführerisch zurücklächelt. Schon die Nennung eines Songtitels von Paolo Conte genügt, um in This das „Bild eines sonnenüberfluteten Platzes” zu erwecken, „eine Bar mit Jukebox und Blechtischchen, darauf zwei Espressotassen und ihre Hände, die nacheinander greifen”. Tiefer zurückreichende Erinnerungen tauchen im zweiten Teil der Novelle auf: an das Aufwachsen am Stadtrand von Zürich, an den stillen Großvater, der ihm die Liebe zum Jazz gab, an das Summen im Transformatorenhäuschen auf dem Weg zu dessen Schreinerei, an die verschrumpelten Apfelbutzen auf dem Fenstersims. Und da ist der Hund des Bauern Züst, der Rex, der ihn böse anschaut, oder besser gesagt, mit einem Blick schläfrig „und doch hellwach”, sanft „und doch aggressiv”, so wie eben nur Hunde schauen können. This wirft mit Steinen nach ihm, später fällt der Hund ihn an, wird eingeschläfert.
Jahrzehnte später, This schlendert durch das erwachende Amsterdam, die „Welt sah aus, als sei sie noch nicht ganz bei sich”, ist da wieder ein Hund, der geschlagen wird. This Studer will die alte Schuld begleichen - und bezahlt mit seinem Glück. MICHAEL ANGELE
HANSJÖRG SCHERTENLEIB: Der Glückliche. Novelle. Aufbau-Verlag, Berlin 2005. 132 Seiten, 16, 90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.09.2005

Glück ist ein heller Herrenschuh
Jazz im Sägewerk: Eine Novelle von Hansjörg Schertenleib

Vom Glück ist in diesem Buch viel die Rede, und manches davon klingt so, als stamme es aus einem der vielen optimistischen Ratgeber, die ihren Lesern ein Leben in ungetrübtem Rosarot versprechen. "Das Leben ist leicht. Schwer ist nur die Angst davor", verrät ein etwas kumpelhafter Erzähler, und weiter: "Man muß das Glück erkennen, wenn es einem begegnet." Dagegen läßt sich schwer etwas einwenden.

Muß man aber diese Novelle lesen, wenn sie einem begegnet? Es wäre nicht die schlechteste Idee für ein verregnetes Wochenende oder einen vor sich hin dümpelnden Urlaubstag. Denn Hansjörg Schertenleib hat in diesem schmalen Buch mehr zu bieten als aufdringliche Glücksmaximen. Mit leichter Hand zeichnet er das Porträt eines liebenswürdigen Lebenskünstlers. Ein regelrechter Hans im Glück scheint dieser This Studer zu sein: Als Jazztrompeter bekommt der Achtundvierzigjährige interessante Engagements, seit Jahren ist er glücklich mit der Töpferin Daniela verheiratet, die Pubertätsnöte der Tochter Anna vermögen das Familienglück nicht wirklich zu trüben, und sein alter Kumpel Henk in Amsterdam ist ein verrückter Kerl, aber zugleich ein verläßlicher und treuer Freund.

Mit ihm plaudert This beim Rauch einer Haschischpfeife entspannt von alten Zeiten; und mit ihm kann er ungeniert das tun, was gemeinhin als typische Frauensache gilt. Ein gemeinsamer Schuhkauf der beiden nicht mehr ganz jungen Freunde demonstriert die Befreiung von alten Rollenzwängen. Denn auch Männer, so bringt es uns Schertenleib nahe, haben Lieblingsschuhe, mögen es Mokassins oder grellbunte Turnschuhe sein. Als die beiden Freunde glücklich mit ihrem neuen, leuchtenden Schuhwerk an den Füßen durch Amsterdam bummeln, scheint die Welt für sie fraglos in Ordnung zu sein.

Das alles klingt unspektakulär. Tatsächlich hat sich Schertenleib mit diesem Buch weit von dem reißerischen Stil entfernt, der seine letzten Romane, etwa den antiklerikalen Thriller "Die Namenlosen" (2000), dominiert hat. Diesmal hat er einen spielerischen Ton gefunden, um von der unbeschwerten Reise seines Helden aus der Schweiz nach Amsterdam und ihrem unerwarteten Ende zu erzählen. Mit zarter Ironie schildert er die Erlebnisse seines glücklichen Jazztrompeters, die sich zu einem großen Dreiklang aus Liebe, Freundschaft und Musik zusammenfinden.

Doch so, wie sich jede Idylle von einem düsteren Hintergrund abhebt, gibt es auch im Leben von This Studer dunkle Momente. Ein zottiger Hund, dem er in den unbeschwerten Amsterdamer Tagen mehrfach begegnet, bringt ihm die Erinnerung an seine Kindheit zurück. Allmählich schieben sich im Erzählen zwei Zeitebenen übereinander, Freundliches und Bedrohliches treten in enge Nachbarschaft. Versöhnlich sind Studers Erinnerungen an seinen Großvater, der den Knaben im Büro seines Sägewerks mit den großen Namen des Jazz vertraut gemacht hat - ungetrübte Momente des Einverständnisses zwischen Jung und Alt entstehen in der Rückbesinnung.

Ambivalenter, also interessanter ist indes eine andere Kindheitserinnerung, die der Erzähler mit reichlich Symbolkraft versieht: Ein aggressiver Kettenhund auf einem Nachbarbauernhof wurde für den heranwachsenden Knaben zur faszinierenden Herausforderung, gleichermaßen gefürchtet und bewundert: "In seiner Erinnerung ist der Hund immer da: schwarz, schwer, mit mächtigem Schädel und tropfenden Lefzen." Auch ungeübte Novellenleser erkennen schnell den Zeichencharakter dieser Szene. In der Konfrontation mit dem wütenden Tier erlebt der Junge seine eigenen schwer kontrollierbaren Aggressionen, wird er aus Angst und Faszination selbst zum Angreifer, der den angeketteten Hund mit Steinwürfen traktiert.

Zugegeben, die Metaphorik könnte aus einem Leitfaden für kreatives Schreiben stammen: Schwarzes Tier meint dunkle Triebe. Dennoch gelingt es Schertenleib, immer wieder zurück zu dem heiteren Grundton seiner Sommererzählung zu finden, in der die Jazzkneipen Amsterdams zur Bühne für erfüllte Lebensmomente und unbeschwerte Begegnungen werden. Allerdings wird der Glückspilz This Studer die von Musik getränkte Metropole nicht mehr verlassen, weil er einem fremden Hund das Leben retten will und darüber sein eigenes verliert. Das aber, versichert uns der Erzähler, ist kein tragisches Ende, sondern nur eine neue Manifestation der großen Harmonie, in der sich sein trompetender Held seit langem bewegt: "Das Glück ist nicht blind. Blind sind die, die es nicht sehen können, die es nicht sehen wollen." Man mag es glauben oder nicht, an den liebenswerten This mit seinen bunten Turnschuhen aber wird man sich erinnern wie an einen fernen, heiteren Ferientag.

SABINE DOERING

Hansjörg Schertenleib: "Der Glückliche". Novelle. Aufbau Verlag, Berlin 2005. 134 S., geb., 16,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Nanu, kein "Getriebener" wie sonst bei Schertenleib? Ein "Glücklicher" gar? Warum nicht, meint Gieri Cavelty - wenn ein so schönes Buch dabei herauskommt. Zumal der Glückliche - ein Jazzmusiker, der ganz mit sich und seinem Leben zufrieden scheint - natürlich im Laufe der Novelle mit Erinnerungen konfrontiert wird, die ihn in seinem ruhigen Gang stolpern lassen. Dennoch: Hier gibt es weder eine "komplexe Handlung" noch "intellektuellen Tiefsinn", und Cavelty findet das gut so. Dafür bekomme man nämlich einen "berückend leichten Text" geboten: "Die Sätze fließen in einem sanften Rhythmus dahin, der lockere Erzählton und die eingängigen Bilder entfalten auf den Leser eine nachgerade suggestiv-entspannende Wirkung." Und an der richtigen Stelle wird man auch mal kurz gepiesackt, so der Rezensent.

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