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Unter dem Decknamen "Hermann Wunderlich" studierte Hermann Weber von 1947-1949 an der Parteihochschule "Karl Marx" in Liebenwalde und später in Kleinmachnow. Zu seinen Dozenten gehörten Victor Stern, Frida Rubiner, Anton Ackermann, Hermann Duncker. Walter Ulbricht, Oberst Tulpanow, Wilhelm Pieck halten Vorträge. Nach dem Aufbau-Geist der Nachkriegszeit erlebt er, wie die Lehre zunehmend doktrinäre Züge annimmt, Denunziation und "Selbstkritik" den Alltag bestimmen - die Trotzkismus-Phobie um sich greift. In diese Zeit fällt auch die Flucht von Wolfgang Leonhard, der zu dieser Zeit an der…mehr

Produktbeschreibung
Unter dem Decknamen "Hermann Wunderlich" studierte Hermann Weber von 1947-1949 an der Parteihochschule "Karl Marx" in Liebenwalde und später in Kleinmachnow. Zu seinen Dozenten gehörten Victor Stern, Frida Rubiner, Anton Ackermann, Hermann Duncker. Walter Ulbricht, Oberst Tulpanow, Wilhelm Pieck halten Vorträge.
Nach dem Aufbau-Geist der Nachkriegszeit erlebt er, wie die Lehre zunehmend doktrinäre Züge annimmt, Denunziation und "Selbstkritik" den Alltag bestimmen - die Trotzkismus-Phobie um sich greift. In diese Zeit fällt auch die Flucht von Wolfgang Leonhard, der zu dieser Zeit an der Parteihochschule unterrichtete.
Dieser erste detaillierte Einblick in die Anfänge der "Kaderschmiede" der SED spiegelt zugleich entscheidende Abschnitte der deutschen Geschichte: die Stalinisierung der SED und den schrittweisen Aufbau der Parteiherrschaft, den sich verschärfenden Kalten Krieg und die Spaltung Deutschlands.
Autorenporträt
Hermann Weber, geb. 1928, Dr. phil., Dr. h. c., ist em.Professor für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität Mannheim.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2002

Säubern und Lügen
Hermann Webers Erfahrungen als SED-Parteihochschüler bis 1949

Hermann Weber (in Zusammenarbeit mit Gerda Weber): Damals, als ich Wunderlich hieß. Vom Parteihochschüler zum kritischen Sozialisten. Die SED-Parteihochschule "Karl Marx" bis 1949. Aufbau-Verlag, Berlin 2002. 445 Seiten, 91 Abbildungen, 25,- Euro.

Am 7. Oktober 1947, auf den Tag genau zwei Jahre vor der DDR-Gründung, eröffnete im brandenburgischen Liebenwalde Otto Grotewohl - neben Wilhelm Pieck einer der beiden SED-Vorsitzenden - den ersten Zweijahreslehrgang der SED-Parteihochschule "Karl Marx". Unter den 79 Teilnehmern befanden sich sieben Parteischüler aus den Westzonen. Darunter die von der KPD-Bezirksleitung Baden entsandten, damals eng befreundeten Mannheimer Jungkommunisten Herbert Mies (späterer DKP-Vorsitzender) und der 19 Jahre alte Hermann Weber, der heutige Nestor der deutschen Kommunismus- und DDR-Forschung.

Nach der Ankunft in Liebenwalde erhielten die westdeutschen Kursanten aus konspirativen Gründen Decknamen. Aus Hermann Weber wurde für zwei Jahre der mit einem amtlichen Personalausweis ausgestattete "Hermann Wunderlich". Weber war damals geprägt durch sein vom nationalsozialistischen Regime verfolgtes kommunistisches Elternhaus und stürzte sich deshalb sofort nach Kriegsende enthusiastisch in die theoretische und praktische Jugendarbeit der KPD. Anfang Juni 1946 bestimmte man ihn, nur weil er sich gerade auf einem FDJ-Lehrgang in der SBZ aufhielt, zum Delegierten Badens beim FDJ-Gründungsparlament in Brandenburg/Havel.

Zu Beginn des Jahres 1947 wurde die SED-Parteihochschule in das an der Stadtgrenze von Berlin-Zehlendorf gelegene Kleinmachnow verlegt. Dort, in der Neuen Hakeburg und in dem benachbarten großzügigen Gebäudekomplex der einstigen, im "Dritten Reich" für geheime Rüstungsforschung genutzten Reichspostforschungsanstalt, veränderte sich bald der von Weber anfangs teilweise noch als liberal empfundene Lehrbetrieb. Nachdem zu Beginn des 3. Semesters 1948/49 Stalins berüchtigter "Kurzer Lehrgang" der Geschichte der KPdSU Pflichtlektüre wurde, sei jedoch der endgültige Wandel der Parteihochschule zur "Indoktrinationsanstalt stalinistischen Typus" vollzogen worden.

Die Flucht des "hoffnungsvollsten Dozenten der Parteihochschule", Wolfgang Leonhard, nach Jugoslawien im März 1949 vergiftete das Klima an der SED-Kaderschmiede vollends. In stundenlangen Versammlungen mußten Kritik und Selbstkritik wegen mangelnder Wachsamkeit geübt werden. Direktor Rudolf Lindau beschimpfte Leonhard als "Schurken, Schuft, Mistkerl und Agenten". In einer einstimmig angenommenen Resolution der Schüler und Dozenten bezichtigte man sich der Unterschätzung der "trotzkistischen Gefahr". Dies habe Leonhard erst ermöglicht, "als niederträchtiger trotzkistischer Agent der imperialistischen Reaktion an der Parteihochschule sein Unwesen" zu treiben.

Zu Beginn des Studiums hatten alle Kursanten in der Bibliothek noch Zugang zu Westzeitungen und zu älteren, nicht unbedingt noch auf der Parteilinie liegenden Schriften kommunistischer Autoren. Weber stieß dort auf die Protokolle der Moskauer Schauprozesse aus den dreißiger Jahren. Sein Entsetzen über die "Säuberungen" und die Liquidierung von Unschuldigen war grenzenlos. Für ihn war es der Anstoß zu seinen späteren jahrzehntelangen Forschungen über die "weißen Flecken" des roten Totalitarismus. Bevor Weber nach 1989 Originaldokumente in den Archiven einsehen konnte, hielt er sich erfolgreich an die Devise Trotzkis, man könne die Wahrheit vielleicht finden, wenn man die veröffentlichten Lügen vergleiche. Zur Wahrheit gehört Webers Feststellung, daß in der jüngeren Geschichte der Kommunismus die einzige Bewegung gewesen sei, "die mehr ihrer eigenen Führer, Funktionäre und Mitglieder ermordet hat, als das ihre Feinde taten".

Der besondere Reiz der Erinnerungen Webers an sein Parteihochschulstudium liegt darin, daß er sie durch Befragungen einiger Mitschüler und Dozenten sowie durch ausgiebige Archivrecherchen auf ein solides Fundament gestellt hat. Auf diese Weise trug er minutiös viele Mosaiksteine über das weitere, häufig im gesellschaftlichen Abseits endende Schicksal seiner Kommilitonen und Lehrer zusammen. Viele von ihnen hofften ebenso wie der Autor auf die Errichtung eines demokratischen sozialistischen Gesellschaftssystems. Doch sie zerrieben sich in den stalinistischen Strukturen der SED und der westdeutschen KPD.

In Kleinmachnow sollte die Parteielite herangebildet werden. Die Absolventen von Webers Kurs gehörten später nur in Ausnahmefällen dazu. Nach der Rückkehr in die Bundesrepublik entfremdeten sich die einstigen Jugendfreunde Mies und Weber. Mies leitete zunächst die FDJ-Schule in Hirsau im Schwarzwald. Weber übernahm in Frankfurt die Chefredaktion des FDJ-Organs "Das Junge Deutschland", bis ihn Erich Honecker im Juni 1950 absetzte und zum Kulturredakteur degradierte. Er hatte eine Botschaft Stalins an die Teilnehmer des FDJ-Deutschlandtreffens in seinem Blatt zu knapp behandelt. Webers Mannheimer KPD-Ortsgruppe "entlarvte" ihn 1954 als "politischen Agenten" und wandte sich "mit Abscheu" von ihm ab, obwohl man im Vorjahr noch seine zeitweilige Inhaftierung wegen angeblicher illegaler FDJ-Arbeit propagandistisch ausgeschlachtet hatte. Mies, der keinen Wert auf die Erwähnung seines Parteihochschulbesuchs legt, ist bis heute Stalinist geblieben.

Weber blickt nicht mehr im Zorn auf sein Parteistudium zurück, obwohl "Wunderlich" unter dem Widerspruch von Theorie und Praxis beim Übergang zum primitiven Stalinismus an der Parteihochschule gelitten habe und fast daran zerbrochen wäre.

GUNTER HOLZWEISSIG

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.06.2002

Schüler, Jünger, Überzeugungstäter
Wie die ersten Absolventen der SED-Parteihochschule „Karl Marx” lernen mussten, dass der große Josef Stalin unfehlbar ist
HERMANN WEBER: Damals, als ich Wunderlich hieß. Vom Parteihochschüler zum kritischen Sozialisten, Aufbau-Verlag, Berlin 2002. 400 Seiten, 25 Euro.
1947 „delegierte” die KPD zwei junge Mannheimer Kommunisten zum ersten Zweijahres-Lehrgang an die gerade eröffnete SED-Parteihochschule „Karl Marx”. Herbert Mies und Hermann Weber waren Freunde. Mies blieb bis 1989 als Vorsitzender der DKP Mitarbeiter des Westapparates der SED. Weber erlebte als FDJ-Funktionär den 17. Juni 1953 in einem westdeutschen Gefängnis, nach seiner Haftentlassung 1954 brach er mit der SED und wurde Sozialdemokrat. Er wurde Wissenschaftler und entwickelte sich zum kritischen Historiker des deutschen Kommunismus.
Die „Kursanten” aus den westlichen Besatzungszonen hatten Decknamen bekommen, weil die Ausbildung kommunistischer Funktionäre aus den Westzonen ein Parteigeheimnis bleiben sollte; aus Weber wurde „Wunderlich”. Im zerstörten, besetzten und hungernden Nachkriegsdeutschland war diese Hochschule, untergebracht zunächst in Liebenwalde und ab 1948 in Kleinmachnow, erst einmal vor allem ein Ort, an dem es keinen Hunger gab. Der Leser wird nun vom Autor eingeladen, noch einmal die SED-Kaderschmiede dieser Jahre zu besuchen, um ihre Veränderung von einer sozialistischen Bildungseinrichtung zur Indoktrinationsanstalt des Stalinismus in Deutschland mitzuerleben.
Indoktrination statt Bildung
Wer waren die Mitschüler, wer ihre Lehrer, welche Lebenswege kreuzten sich in diesen zwei Jahren und was wurde aus den Absolventen in den 40 Jahren DDR, die nach diesem Lehrgang noch folgten? Weber schildert das Lehrprogramm der vier Semester und verknüpft es mit biographischen Porträts. Auf diese Weise gelingen ihm in seiner Doppelrolle als Zeitzeuge und Historiker eine Reihe prägnanter Studien zur mittleren Funktionärsebene der SED. Hier zeigt sich ein analytischer Ansatz des Historikers Weber besonders deutlich; für ihn bleibt die Arbeiterbewegung ein Beziehungsgeflecht von Menschen.
Die Besonderheit dieses Lehrgangs war seine Zusammensetzung. Die SED bot jugendlichen Aktivisten aus der „Partei der Arbeiterklasse” ohne gymnasiale Vorbildung die Chance einer wissenschaftlichen Ausbildung. Zu dieser Gruppe zählten Weber und seine spätere Frau Gerda Röder. Teilnehmer waren aber auch Funktionäre, die bereits vor 1933 der KPD oder der SPD angehörten. Hinter ihnen lagen Illegalität und Verfolgung, Haft oder Emigration. Beide Gruppen vertrauten 1947 der SED, dass sie Deutschland auf einem „besonderen Weg” zum Sozialismus führen würde.
Die SED benötigte dringend qualifizierte Kader für den Aufbau ihres Staates und der sozialistischen Gesellschaft. Wie wichtig die Kursanten waren, wurde ihnen von der Parteiführung nachhaltig demonstriert. Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Otto Grotewohl und sowjetische Besatzungsoffiziere referierten und kündigten vor dem Parteinachwuchs manchen Linienwechsel an. Weber studierte in der philosophischen Sektion, aber sein zentrales Interesse galt bereits der kommunistischen Parteigeschichte.
Noch war 1947/48 eine Diskussion über Knotenpunkte und Katastrophen der gespaltenen deutschen Arbeiterbewegung möglich. Noch waren Fragen zur Geschichte von KPD, SPD und der Sowjetunion gestattet. Noch war die Bibliothek der Schule nicht gesäubert.
Mit der sich 1948 beschleunigenden Teilung Deutschlands wurde die Abgrenzung zur SPD in den Westzonen und der Kampf gegen den „Sozialdemokratismus” in der SBZ ein zentrales Thema. 1948 ändert sich das Klima auf „Karl Marx”. Der besondere deutsche Weg zum Sozialismus der Einheitspartei wurde verworfen. An der Schule konfrontierte man Dozenten und Kursanten nun mit dem geheimen Lehrplan der Kaderschmiede: der ideologischen Ausrichtung der Nachwuchskader auf das Vorbild Sowjetunion, deren kommunistische Partei und ihren unfehlbaren Führer Josef W. Stalin. Sein „Kurzer Lehrgang der Geschichte der KPdSU” prägte die beiden letzten Semester, und Weber erinnert sich, wie erstmals Ernst Melis die Moskauer Schauprozesse und den vorbildlichen Kampf Stalins gegen die trotzkistischen Agenten pries. In Kleinmachnow wurde diese Geschichte sehr aktuell, als einer aus dem Moskauer Exil, der junge Wolfgang Leonhard, nach der Verdammung der jugoslawischen Kommunisten durch die KPdSU nach Belgrad floh und offen für die jugoslawischen Nationalkommunisten Partei ergriff. Neben die Trotzkisten als Parteifeinde traten nun die Anhänger von Tito, die jetzt in der SED aufgespürt werden mussten.
Kritik und Selbstkritik prägten nun das Klima der Schule. Der ideologischen Indoktrination folgte das ängstliche Schweigen im Unterricht und die vorsichtige Auswahl der Gesprächspartner. Die Angst vor der „Abweichung” grassierte, sie wurde begleitet von der öffentlichen Akklamation des als Doktrin vorgetragenen Lehrstoffes. Und als der Atheist Weber erkannte, „dass der Marxismus-Leninismus lediglich Glaube und Ersatzreligion” war, da wurde er „endgültig ungläubig”.
Die Vision, mit der „Wunderlich” sein Studium an der SED-Hochschule begann, war das große Ideal der Sozialisten, eine „Gesellschaft ohne Klassen und Ausbeutung, ohne Entbehrung und Zwang, ohne Rassenhass und Völkerkriege”. Dies war für ihn der Kern des Kommunismus. Aber gerade „Karl Marx” weckte in ihm die Erkenntnis, „dass der diktatorische Stalinismus” diese Ziele in ihr Gegenteil verkehrte und die Methoden den Kommunismus als Bewegung zur Befreiung der Menschheit zerstörten.
Der Historiker Weber hat sich mit der vorliegenden Autobiographie auf die Weichenstellung konzentriert, die sein Leben bestimmten. Die zwei Jahre waren aber zugleich die Zeit, die über Aufstieg und Fall des SED-Staates entschieden. Der Kern des geheimen Lehrplans in Kleinmachnow war die Ausbildung ergebener SED-Kader, die gegen „nationalistische Abweichung” gefeit waren. Kurt Hager, 1948 Leiter der Abteilung Parteischulung im Apparat der SED, erinnert sich noch 1996 daran, wie oft er mit der politischen Verwaltung der sowjetischen Militäradministration (SMAD) „über Probleme unser Bildungsarbeit” gesprochen hat, und untertänig vermerkt er: „Natürlich konnten die Hinweise und Ratschläge der sowjetischen Gesprächspartner nicht missachtet werden.”
Weber wollte 1949 kein Dozent an der Parteihochschule werden. Genau 40 Jahre später, nach der friedlichen Revolution in der DDR, änderte sich das Verhältnis der SED-Historiker zu dem jahrzehntelang angefeindeten „Renegaten”. Nun wird er als Autorität auch von ihnen akzeptiert. Allzu gern greifen sie nun auf seine Unterscheidung zwischen der sozialen Bewegung der Arbeiter, deren Teil die Kommunisten in den kapitalistischen Gesellschaften waren, und dem „Stalinismus” zurück. Ihn hat der Wissenschaftler Weber immer als totalitäres Verbrechen beschrieben, und sein vorliegendes Buch ist ein Beitrag zu einer Grundfrage seines Werkes: Wie konnte aus einer Emanzipationsbewegung der Arbeiter ein diktatorisches Verbrechen werden?
Die Parteihochschulen der regierenden kommunistischen Parteien waren ein notwendiges Werkzeug, um die Kader zu schmieden, die der Parteiapparat für seine Herrschaft brauchte. Von 1946 bis 1986 haben 15336 Kursanten die Parteihochschule absolviert. Wenn jetzt einige der Absolventen sich Weber wieder zuwenden, so ist das eine Ironie der Geschichte, die der Mannheimer Historiker genießt.
MANFRED WILKE
Der Rezensent ist Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin.
Marx, Engels, Lenin – die ideologische Ausrichtung der Nachwuchskader stützte sich auf Klassiker des Kommunismus.
dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Mannheimer Historiker und Sozialdemokrat Hermann Weber erinnert sich an seine Zeit als 'Kursant' an der der SED-Parteihochschule Karl Marx, die er von 1947 bis 1949 besuchte, berichtet Manfred Wilke. Der Lehrgang an der "Kaderschmiede" veranlasste Weber, dem man an dieser Schule den Decknamen "Wunderlich" verlieh, der SED den Rücken zu kehren und sich der Sozialdemokratie zuzuwenden. Die beiden Jahre hatten ihn außerdem so sehr geprägt, dass er fortan das Thema Stalinismus und Kommunismus zu seinem Forschungsschwerpunkt machte, weiß der Rezensent. Der findet diese Biografie sehr aufschlussreich. Denn der Insider und Experte Weber wisse, worüber er schreibe. Gerade wegen dieser "Doppelrolle" als Zeitzeuge und Historiker sei ihm eine "prägnante" Studie über die "mittlere Funktionärsebene" der SED gelungen. Mit dem Buch habe er auch einen wichtigen Beitrag für die Beantwortung der Frage geleistet, warum eine auf Befreiung angelegte Arbeiterbewegung in eine Diktatur umgeschlagen sei. Denn die Funktionärsschule bei Berlin, die zwischen 1946 und 1986 15.336 Kursanten absolviert hatten, spielte bei diesen Entdemokratisierungsprozessen eine entscheidende Rolle, ist Wilke überzeugt.

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