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Produktdetails
  • Fortune de France
  • Verlag: Aufbau-Verlag
  • Originaltitel: Les roses de la vie
  • Seitenzahl: 395
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 576g
  • ISBN-13: 9783351023836
  • ISBN-10: 3351023839
  • Artikelnr.: 24353668
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2000

Und täglich grüßt der Adabei
Robert Merle erzählt Geschichte aus der Vordertreppenperspektive

Die Jahre zwischen 1550 und 1650 zählen zu den aufregendsten der an Exaltationen nicht armen französischen Geschichte. Am Beginn des Zeitalters wand sich das Land in den Krämpfen der Glaubenskriege, in der Mitte wurde es vom besten seiner Bourbonenkönige regiert, und zum Schluß war es die Vormacht Europas. Zahllose Historiker und Romanciers haben sich von jener Zeit faszinieren lassen, und mit Heinrich Manns "Jugend und Vollendung des Königs Henri Quatre" hat auch die deutsche Literatur ihren Teil an der Gestaltung der Epoche. Schon lange ist das Thema - siehe die unendlichen Neuverfilmungen der "Drei Musketiere" oder zuletzt Patrice Chéreaus "Bartholomäusnacht" - ans Kino überwiesen. Man könnte es für erledigt halten. Aber irgendwann kommt immer ein Buch, das noch den auserzähltesten Gegenstand in einer neuen Beleuchtung zeigt. Robert Merles "Die Rosen des Lebens" ist allerdings kein solches Buch.

Merles Roman ist der sechste einer mehrteiligen Serie, an der der Autor immer noch schreibt. Ein siebter Band ist in Vorbereitung; ob ein achter folgen wird, hängt wohl von der Rüstigkeit des 91 Jahre alten Schriftstellers ab. Schließt man von den "Rosen des Lebens" auf die Gesundheit ihres Verfassers, dann wird Merle freilich noch viele Bücher schreiben können. Selten hat man, zumal im Genre des historischen Romans, so ausgeruhte und nervenschonende Prosa lesen dürfen. Der Rezensent kann das Buch zwar nicht aus literarischen, aber desto wärmer aus hausmedizinischen Gründen zur Lektüre empfehlen: Über Wochen half es ihm zuverlässig in den Schlaf.

"Die Rosen des Lebens" sind der in Ich-Form gehaltene Bericht des Chevalier Pierre-Emmanuel de Siorac, eines aus arrivierter bürgerlicher Familie stammenden Kleinadligen, über die ersten Regierungsjahre Ludwigs des Dreizehnten, die Zeit von 1617 bis 1623. An wen genau Siorac seinen Bericht adressiert, ist unklar: Mal spricht er zur "lieben Leserin" oder raunt gar: "Schöne Leserin, ich höre ..."; dann wieder wendet er sich an den Leser, der sich, "vielleicht", an dies und das erinnern möge. Zu erinnern gibt es viel, denn die Geschichte der Sioracs dauert nun schon fünf Romane lang. Andererseits kann man seine Erinnerung getrost im "Großen Ploetz", Abteilung Frankreich, auffrischen, denn für sich allein erleben die Sioracs recht wenig; sie stehen nur immer gerade in der Nähe und schauen zu, wenn die Weltgeschichte wieder irgend etwas ausbrütet. Dies aber gründlich: "Um sieben Uhr klopfte es, und strahlend führte die Witwe mir Bassompierre herein..." - "Ludwig diktierte mir mit abgehackter Stimme drei Briefe." - "Am nächsten Tag begegnete ich Luynes auf der großen Treppe im Louvre."

Wer immer in "Die Rosen des Lebens" etwas zu melden hat, begibt sich schleunigst ins Kaminzimmer des Herrn von Siorac. So bleiben die Füße des Erzählers warm, während sich der Kopf des Lesers mit historischen Fakten füllt. Wir erfahren von den Schwierigkeiten des jungen Königs Ludwig, mit seiner Gattin, einer spanischen Prinzessin, ein Kind zu zeugen und zu gleicher Zeit sein von mancherlei Intrigen zerrissenes Reich zusammenzuhalten; von den Bemühungen des Kardinals Richelieu, in den Kronrat aufgenommen zu werden; von Ministern und Konkubinen, Schranzen und Schränzchen in der großen Wunderkiste des Louvre.

Nur eines erfahren wir nicht: warum wir dies alles lesen sollen. Wer historische Unterweisung braucht, wird sich an die Lexika wenden; wer unterhalten werden will, schlägt nach bei Dumas père oder Heinrich Mann. Merles Buch erreicht den Gipfelpunkt seines Humors, als der Erzähler mitteilt, daß seine Leibsoldaten Poussevent und Pisseboeuf heißen. Später dann bemerkt Siorac erschüttert, daß ihn ein Ausspruch der Herzogin von Guise "ein bißchen lächerte". Soll man darüber lächern oder weinen? Den tapferen Lektoren vom Aufbau-Verlag sei im übrigen die Anschaffung einer aktuellen Straßenkarte, erhältlich an jeder besseren Tankstelle, empfohlen; darin könnten sie recherchieren, daß es sich bei dem geheimnisvollen Ort Verceil, der auf den ersten Seiten des Buches auftaucht, um die oberitalienische Stadt Vercelli handelt. So viel Faktenwissen darf schon sein.

Seit fünfzig Jahren schreibt Robert Merle populäre Literatur. Einige seiner Romane ("Malevil", "Der Tod ist mein Beruf") wurden mit Erfolg fürs Kino adaptiert. Merles jüngstem Buch dürfte diese Ehre erspart bleiben. Diese Rosen sind eher ein Fall für den Kompost.

ANDREAS KILB

Robert Merle: "Die Rosen des Lebens". Roman. Aufbau-Verlag, Berlin 2000. 395 S., geb., 39,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andreas Kilb mag sich der Sinn dieses Buchs nicht so recht erschließen. Denn wer an historischen Fakten interessiert ist, wird seiner Ansicht nach eher einen Blick in ein Lexikon werfen. Und wer Unterhaltung sucht, ist bei "Dumas pére oder Heinrich Mann" besser aufgehoben, findet er. Darüber hinaus mutet ihm seltsam an, dass Siorac, der Erzähler im Roman, wie ein Zuschauer wirkt und in seinem "Kaminzimmer" bleibt, während Frankreich eine Zeit der Wirren und Intrigen durchmacht. Kilb kann das Buch nur aus einem einzigen Grund empfehlen: "Über Wochen half es ihm zuverlässig in den Schlaf".

© Perlentaucher Medien GmbH