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"Das letzte Jahr der DDR" erzählt, was 1989/90 wirklich geschah. Dabei werden Verschwörungstheorien ebenso der Lächerlichkeit preisgegeben, wie aller Apologetik und Mythisierung der "deutschen Einheit" der Boden entzogen wird. Hier berichten Historiker und Politikwissenschaftler aus Ost und West über Revolution und Anschluß, Euphorie und Katzenjammer, die großen Gefühle und die niederen Instinkte, über die Erwartung des großen Glücks und das Erwachen als Bürger zweiter Klasse. Larmoyanz und Aufgeregtheit sind der Wissenschaftler Sache nicht. In diesem Buch wird analysiert: Sowohl die…mehr

Produktbeschreibung
"Das letzte Jahr der DDR" erzählt, was 1989/90 wirklich geschah. Dabei werden Verschwörungstheorien ebenso der Lächerlichkeit preisgegeben, wie aller Apologetik und Mythisierung der "deutschen Einheit" der Boden entzogen wird. Hier berichten Historiker und Politikwissenschaftler aus Ost und West über Revolution und Anschluß, Euphorie und Katzenjammer, die großen Gefühle und die niederen Instinkte, über die Erwartung des großen Glücks und das Erwachen als Bürger zweiter Klasse.
Larmoyanz und Aufgeregtheit sind der Wissenschaftler Sache nicht. In diesem Buch wird analysiert: Sowohl die Verschiebungen auf deutschem Boden als auch die Auseinandersetzungen in der Sowjetunion, in den USA und Großbritannien, aber auch in den oft vergessenen Satellitenstaaten des Ostblocks werden ausgeleuchtet. Aus der Sachlichkeit entspringt die Spannung.
1989/90 war das Jahr, als im deutschen Osten die sowjetischen Bajonette durch die D-Mark ersetzt wurden; als sich die Menschen in der DDR die Freiheit, ohne staatliche Bedrohung ihre Meinung zu äußern, erkämpften und darüber vergaßen, mit der sozialen Sicherheit sorgsam umzugehen; als die Demokratie weltumspannend zu werden schien und sich wenig später als Globalisierung und Neoliberalismus entpuppte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2005

Endzeitfreuden
Traum und Trauma - zweierlei Erfahrung im Sozialismus

Hans Krech: Das letzte Jahr der DDR. Das Tagebuch eines Bürgerrechtlers aus Halle/S. (1988-1989). Verlag Dr. Köster, Berlin 2005. 206 Seiten, 24,80 [Euro].

Stefan Bollinger (Herausgeber): Das letzte Jahr der DDR. Zwischen Revolution und Selbstaufgabe. Karl Dietz Verlag, Berlin 2004. 528 Seiten, 29,80 [Euro].

Was die einen als Befreiung empfanden, war für andere das Ende ihrer großen Zeit. Unter demselben Titel - "Das letzte Jahr der DDR" - belegen zwei Bücher, wie ungleich Zeitgenossen die Geschichte erlebt und verarbeitet haben. Hans Krech wünschte sich den Untergang des SED-Regimes von ganzem Herzen. Sein "Tagebuch eines Bürgerrechtlers aus Halle" enthält Erlebnisse aus den Jahren 1988 und 1989, die sich für den Autor ganz logisch und unmittelbar mit der Analyse des Verfalls der DDR und seiner Wahrnehmung des internationalen Geschehens verschränken.

Die Niederlage der sowjetischen Interventionsarmee in Afghanistan steht aus Krechs Weltsicht in einem direkten Zusammenhang mit der Alltagserfahrung des Siechtums der späten DDR. Im November 1988 vertraute er seinem Tagebuch an, er könne "dieses Dahinvegetieren in völliger Hoffnungslosigkeit" nicht länger ertragen. "Am Nachmittag habe ich im Bett gelegen, traurig wütend, mich nach meiner Freiheit sehnend. Ob ich sie jemals erreichen werde? Ich hasse die Mauer!" Zu diesem Zeitpunkt hatte Krech, dem die zuständigen DDR-Behörden keine Arbeit mehr gaben, bereits seinen 38. Ausreiseantrag gestellt. Um sich fit zu halten, absolvierte er täglich im Wald Langstreckenläufe. Nachts träumte er von einer Karriere als Fußballspieler beim FC Bayern oder von seiner Auswanderung in die Vereinigten Staaten, wo er es zum Außenminister bringen wollte, um den Kommunismus zu bekämpfen. Am 20. September 1989 war es dann endlich soweit, er durfte die DDR verlassen und freute sich im Nachtzug gen Westen auf ein neues Leben.

Als für Hans Krech das Trauma im eingemauerten Land endete, sahen sich Stefan Bollinger und seine Mitautoren kurz vor dem Ziel ihrer Träume. Die damals überwiegend in nachgeordneten Einrichtungen der SED-Führung beschäftigten Akademiker litten unter dem verkrusteten Regime. Im Unterschied zur Mehrheit ihrer Mitbürger, für die mit dem Mauerfall am 9. November 1989 ganz andere lang ersehnte Veränderungen in greifbare Nähe rückten, begann für die SED-Erneuerer nach einer kurzen Zeit der Reformeuphorie der unaufhaltsame Niedergang. "Nicht ein erneuerter demokratischer Sozialismus, sondern eine Ausbeutergesellschaft mit erheblichen Benachteiligungen für die abhängig Beschäftigten wie für Klein- und Mittelunternehmer" sei die Folge einer seit der Wiedervereinigung vorangetriebenen "neoliberalen Umprofilierung der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft", schreibt Bollinger. Doch die Chance eines neuen Versuches liegt auf der Hand: "Die menschliche Zivilisation steckt in der Krise", und da drängen auch in Deutschland die Verhältnisse letztendlich auf einen "größeren, radikaleren Umbruch" hin.

Die meisten der achtzehn Autoren, die in Bollingers Sammelband über die von den Bürgern verschmähten Chancen eines reformierten Realsozialismus räsonieren, arbeiten heute in nachgeordneten Einrichtungen oder im Umfeld der PDS. Als sie ihre Beiträge schrieben, war von Neuwahlen und einer Verbindung der PDS mit Oskar Lafontaine noch keine Rede. Doch nun - am Ende des rot-grünen Projektes - könnten fast schon vergessene Glasperlenspiele aus dem letzten Jahr des zerfallenden Realsozialismus mit der neuen "Linkspartei" einen unerwarteten Bedeutungszuwachs erringen. Warum eigentlich, fragt am Ende des einleitenden Beitrages der Herausgeber, sollten "emanzipatorische Ansätze", die im letzten Jahr der DDR als "neues Entwicklungsmodell" hervortraten, "nicht Ideen für einen Neubeginn in Deutschland sein"?

JOCHEN STAADT

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass die Erfahrungen des realexistierenden Sozialismus doch sehr unterschiedlich ausfielen, dokumentieren für Rezensent Jochen Staadt zwei Bücher gleichen Titels über das "letzte Jahr der DDR". Während für den Bürgerrechtler Hans Krech mit der Wende ein Traum in Erfüllung ging, betrachten Stefan Bollinger und seine Mitautoren die Ereignisse um den Mauerfall vor allem skeptisch. Zwar hätten die damals überwiegend in nachgeordneten Einrichtungen der SED-Führung beschäftigten Akademiker auch unter dem verkrusteten Regime gelitten, berichtet Staadt. Aber für die SED-Erneuerer, die einen reformierten demokratischen Sozialismus anvisierten, habe nach einer kurzen Zeit der Reformeuphorie der unaufhaltsame Niedergang begonnen. Und so räsonierten Bollinger und seine achtzehn Mitautoren in diesen Band über die von den Bürgern verschmähten Chancen eines reformierten Realsozialismus.

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