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Im "Weißen Haus", in einem Dorf im Nildelta, sind Gamila und Salma gemeinsam aufgewachsen. Heute kommt Gamila als Studentin im kurzen, schwarzen Kleidchen daher und trägt Luis Vuitton. Salma führt ein bürgerliches Leben und will aus der Enge ihrer unerfreulichen Ehe ins Schreiben flüchten. Salma fasst den Mut, ihre Familiengeschichte zu schreiben. Sie kehrt zurück ins Weiße Haus. Dort ist es still geworden. Nur Mutter und Tante sitzen noch auf der Veranda und tuscheln. Früher war dieses Haus eine Bühne für die Kämpfe und Dramen der weit verzweigten Fabrikantenfamilie, ihrer Dienstboten und…mehr

Produktbeschreibung
Im "Weißen Haus", in einem Dorf im Nildelta, sind Gamila und Salma gemeinsam aufgewachsen. Heute kommt Gamila als Studentin im kurzen, schwarzen Kleidchen daher und trägt Luis Vuitton. Salma führt ein bürgerliches Leben und will aus der Enge ihrer unerfreulichen Ehe ins Schreiben flüchten.
Salma fasst den Mut, ihre Familiengeschichte zu schreiben. Sie kehrt zurück ins Weiße Haus. Dort ist es still geworden. Nur Mutter und Tante sitzen noch auf der Veranda und tuscheln. Früher war dieses Haus eine Bühne für die Kämpfe und Dramen der weit verzweigten Fabrikantenfamilie, ihrer Dienstboten und Arbeiter. Die Ziegelfabrik machte die Familie reich, die Revolutionen des Landes ruinierten sie wieder.
Salma vergräbt sich im Zimmer, das einst ihr Kinderzimmer war. Zuletzt dringt sie vor zu jenen Ereignissen, durch die sie und ihre engste Freundin Gamila auf immer in Schuld verstrickt sind.
Autorenporträt
Mansura Eseddin, 1976 im Nildelta in Ägypten geboren, studierte Journalismus an der Universität Kairo und arbeitet bei Akhbar al-Adab, einem der wichtigsten Literaturmagazine Ägyptens. Ihre Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2010 wurde sie als eine der besten arabischsprachigen Autoren unter 40 ausgewählt. 2010 war sie als einzige Frau für den International Prize for Arabic Fiction nominiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2012

Im Delta der Freiheit für Frauen
Ägypten als Erinnerungs- und Zukunftslandschaft: Mansura Eseddins Roman "Hinter dem Paradies"

Den letzten Anstoß zu diesem Roman, das hat Mansura Eseddin vor kurzem selbst gesagt, gab ein trauriges Ereignis in ihrem Leben. Vor ein paar Jahren starb ihre Mutter. Sie lebte in einem kleinen Dorf im Nildelta, das umgeben war von Feldern, auf denen Kartoffeln und Mais wuchs, und das zeit ihres Lebens das Zentrum ihrer Welt gewesen ist. Die Mutter kannte keine andere Ordnung als die ihrer Umgebung, und dementsprechend hat sie ein Leben geführt, das sie deren Sitten und Geboten anpasste. Was aber wäre gewesen, wenn die Mutter in ein anderes System hineingeboren worden wäre? Wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, sich zu bilden, sich frei zu bewegen, sich hemmungslos auszutoben?

Diese Fragen, die hierzulande, wie überhaupt in der gesamten westlichen Welt sicher nicht zu den dringlichsten gehören, sind für eine Frau wie die Ägypterin Mansura Eseddin von zentraler Bedeutung. Sie selbst ist in jenem Dorf nahe dem Nil groß geworden, hat es aber, anders als die Mutter, eines Tages in Richtung Kairo verlassen. Wenn die Protagonistin ihres Romans "Hinter dem Paradies" nun nach dem Tod des Vaters und einem daraufhin erlittenen Nervenzusammenbruch an den Ort ihrer Kindheit zurückkehrt, dann dürfte dies also eine Reise in eine Vergangenheit sein, wie sie nicht nur die Autorin dieses Buches, sondern eine ganze Reihe junger Ägypterinnen auch in Wirklichkeit antreten könnten. Salma, die Heldin, darf hier als Vertreterin einer Generation gelten, die zwischen der Sehnsucht nach Freiheit und der Prägung durch traditionelle Werte nach einem gangbaren Weg sucht. Durch den Blick, den die etwa dreißig Jahre alte Salma in die Geschichte ihrer Familie wirft, hofft sie Hilfe für eine bessere Zukunft zu finden. Ihre Ehe zu dem aus Kashmir stammenden, aber in Manchester aufgewachsenen Sija ist gescheitert. Kinder hat sie keine, was ungewöhnlich genug ist in ihrem Alter, und nun möchte sie einen Roman schreiben, wofür den Angehörigen in ihrem Dorf natürlich jedes Verständnis fehlt.

Doch Salma ficht das nicht an. Wochenlang verbarrikadiert sie sich in einem Zimmer des elterlichen Hauses, wo sie tagträumt, grübelt und schreibt. Aus diesem Gedankenstrom erwächst der Roman, der sich zunächst reihum einzelnen Familienmitgliedern und Nachbarn widmet und sich allmählich zu einem Gesellschaftspanorama des ländlichen Ägyptens in den siebziger und achtziger Jahren weitet. Diese fern der arabischen Metropolen liegende kleine Welt, in der es lange keine Elektrizität und kein fließendes Wasser gibt, erfährt einen ersten Aufschwung, als die Bauern die Qualität des Lehms entdecken, der ihre Felder so fruchtbar macht. Die erste Lehmziegelei am Platz, die Salmas Onkel Gabir bauen lässt, bringt ungeahnten Wohlstand. Doch sie verführt auch dazu, die Ressource mit Blick auf schnelles Geld hemmungslos auszubeuten, so dass schon bald aller Lehm von den Feldern abgekratzt ist und darunter der unfruchtbare Sand zum Vorschein kommt. Nicht nur an dieser Episode zeigt sich, woran es den Menschen im Nildelta fehlt. Die meisten können weder schreiben noch lesen, und wenn sie Letzteres können, dann ist die erste und einzige Lektüre häufig der Koran.

Zur mangelnden Bildung gesellt sich auf diese Weise eine Religiosität, die starke abergläubische Züge trägt. Feen und Geister spielen in den Vorstellungswelten der Dorfbewohner eine große Rolle, und auch der Argwohn gegenüber Andersgläubigen ist eine Eigenschaft, in der sich Muslime und christliche Kopten gegenseitig in nichts nachstehen. So hat Mansura Eseddin in ihrem Roman gleich mehrere Themen aufgegriffen, die in Dörfern wie jenem am Nil lange als Tabus gehandelt wurden. Dazu gehört neben sozialer Diskriminierung, die eine vergleichsweise wohlhabende Familie wie jene Salmas etwa gegenüber den Kindern eines armen Nilfischers pflegt, natürlich auch die nicht enden wollende Verbotsliste, mit der den Frauen das Leben schwergemacht wird. Über Liebe, Männer und Sex wird hier niemals geredet. Dies muss unbedingt im Kopf haben, wer den Schock, den eine unerlaubte Begegnung mit einem Mann bei den jungen Frauen in diesem Roman auslöst, begreifen will.

Nur vor diesem Hintergrund ist auch zu verstehen, warum Mansura Eseddin selbst ihren Roman als einen Versuch bezeichnet, eine Sprache für weibliche Bedürfnisse, Sehnsüchte und Ängste zu finden. Häufig, so sagte sie unlängst, würden ägyptische Autorinnen über ihre Körper so schreiben, wie sie glauben, dass die Männer sie sehen. Eseddin wollte sich von diesen Einschränkungen befreien. Sowohl inhaltlich, in der expliziten Darstellung einer Liebesszene beispielsweise, als auch formal, in einem (nicht immer gelungenen) Spiel mit den Erzählperspektiven, veranschaulicht ihr Roman den Wunsch nach einer neuen Ordnung der ägyptischen Lebensweisen. Dazu passt, dass Mansura Eseddin ihr Engagement über das Feld der Literatur hinaus mit journalistischen Artikeln und der Arbeit als Menschenrechtsaktivistin verbindet. In der Wirklichkeit bleibt ihr da noch einiges zu tun. Ihre Texte aber zeigen, wohin es gehen soll.

LENA BOPP

Mansura Eseddin: "Hinter dem Paradies". Roman.

Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich. Unionsverlag, Zürich 2011. 190 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Das Erscheinen eines Romans dieser Autorin in deutscher Übersetzung scheint für Rezensentin Angela Schader ein kleines Fest zu sein. Als fantasievoll und eigenwillig kennt sie Mansura Eseddins Schreiben, dabei dennoch mit genug Realitätssinn ausgestattet, um nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Allerdings weiß Schader auch um die Aufgabe des Lesers in diesem Fall: Ohne ein bisschen Mitarbeit beim Knüpfen der losen Handlungsfäden, meint sie, geht es nicht. Dann aber, beruhigt uns Schader, wird die Geschichte einer seelischen Krise nach dem Tod des Vaters der Hauptfigur eine runde, packende Sache, der mitunter etwas wackeligen psychologischen Ebene zum Trotz.

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»Mansura Eseddin hat in ihrem Roman gleich mehrere Themen aufgegriffen, die in Dörfern wie jenem am Nil lange als Tabus gehandelt wurden. Dazu gehört neben sozialer Diskriminierung, die eine vergleichsweise wohlhabende Familie wie jene Salmas etwa gegenüber den Kindern eines armen Nilfischers pflegt, natürlich auch die nicht enden wollende Verbotsliste, mit der den Frauen das Leben schwergemacht wird. Sowohl inhaltlich, in der expliziten Darstellung einer Liebeszene beispielsweise, als auch formal, in einem Spiel mit den Erzählperspektiven, veranschaulicht ihr Roman den Wunsch nach einer neuen Ordnung der ägyptischen Lebensweisen. Dazu passt, das Mansura Eseddin ihr Engagement über das Feld der Literatur hinaus mit journalistischen Artikeln und der Arbeit als Menschenrechtsaktivistin verbindet. In der Wirklichkeit bleibt ihr da noch einiges zu tun. Ihre Texte aber zeigen, wohin es gehen soll.« Lena Bopp Frankfurter Allgemeine Zeitung