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In seinem zweiten Roman aus dem Jahr 1930 nimmt Waugh sich die Londoner Society vor, die im eleganten Mayfair der zwanziger Jahre ein äußerlich sorgloses Leben über einem Abgrund von Heuchelei und Verzweiflung führt. Es ist ein Tanz auf dem Vulkan, die Figuren bewegen sich nur noch auf einer brüchig gewordenen Oberfläche, die beim Ausbruch des Krieges sofort zerbirst.

Produktbeschreibung
In seinem zweiten Roman aus dem Jahr 1930 nimmt Waugh sich die Londoner Society vor, die im eleganten Mayfair der zwanziger Jahre ein äußerlich sorgloses Leben über einem Abgrund von Heuchelei und Verzweiflung führt. Es ist ein Tanz auf dem Vulkan, die Figuren bewegen sich nur noch auf einer brüchig gewordenen Oberfläche, die beim Ausbruch des Krieges sofort zerbirst.
Autorenporträt
Evelyn Waugh (1903-1966) war nach dem Studium (Geschichte und Kunst in Oxford und London) als Lehrer und Journalist tätig und unternahm ausgedehnte Reisen in Europa, im Nahen Osten und in Amerika. 1930 konvertierte er zum Katholizismus.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In seinem Gesellschaftsroman "Lust und Laster", der anlässlich des hundertsten Geburtstags des Autors in einer Neuausgabe erschienen ist, entwickelt Evelyn Waugh (1903-1966) eine Art Typologie der Partys im London der Zwanziger Jahre, berichtet Lothar Müller. Der Katholik und Reaktionär Waugh, der dem modernen Roman die kalte Schulter gezeigt habe, treibe darin seine Lust am "ästhetisch Halbseidenen in der Mimikry mit dem Gestus des Klatschreporters ins Manierierte". Er lasse seine exzentrischen, moralisch zweideutigen Figuren um den Mahlstrom geistiger Leere kreisen, eine nach Müllers Ansicht "zeittypische Größe", die in der europäischen Zwischenzeit mit Visionen einer neuen Orthodoxie gefüllt worden sei. Im Falle Waughs mit Katholizismus. George Orwells Urteil, wonach Katholiken keine guten Romane schreiben könnten, sieht Müller durch Waughs Romane nichtsdestoweniger widerlegt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2015

Der Mann, der täglich im Saft seiner Galle badete

Jeder kennt "Wiedersehen mit Brideshead". Jetzt ist Evelyn Waugh, der große Stilist und Satiriker mit durchdringendem Blick, in drei frühen Romane wiederzuentdecken.

Er sei ein recht cleverer kleiner Kerl gewesen, hat Evelyn Waugh im Rückblick auf seine Schulzeit gesagt. Allerdings war er wohl auch ein übler Raufbold, der schwächere Jungen bis aufs Blut zu quälen pflegte. Einer seiner Mitschüler, der Fotograf Cecil Beaton, der durch seine Porträts der feinen Londoner Gesellschaft berühmt wurde, soll die Schikanen und Torturen, die er dem cleveren kleinen Evelyn zu verdanken hatte, sein Leben lang nicht vergessen haben, wie Selina Hastings berichtet. Sie hat eine der bislang sechs Biographien verfasst, die Arthur Evelyn St. John Waugh gewidmet wurden. Man muss sie nicht alle gelesen haben, um einen Eindruck von diesem begnadeten Schriftsteller zu bekommen: ein faszinierendes Ekel von brillanter Intelligenz und zynischem Witz. Ein Mann, der jeden Morgen ein ausgiebiges Bad im Saft seiner eigenen Galle nahm. Danach setzte er sich an den Schreibtisch.

Was dort entstand, gehört zum Witzigsten und Elegantesten, was die englische Literatur hervorgebracht hat. Waugh ist ein grandioser Satiriker und Gesellschaftskritiker, der in seinen besten Momenten den Vergleich mit Swift und Dickens nicht scheuen muss und dessen Stärke vor allem in der Zeichnung seiner Figuren liegt. Seine Liebe gilt ihren Details, den zahllosen kleinen Eigenheiten, mit denen er seine Charaktere ausstattet, seine Spottlust, seine Häme und auch sein Hass aber zielen fast immer auf die gesamte Person. Mitleid kennt er nicht.

Nehmen wir nur den jungen Lord Balcairn, der in Waughs "Lust und Laster" sein Geld als Klatschreporter verdienen muss, wobei er sich weder auf sein Glück noch auf seinen Verstand verlassen kann. Als er das Ende seiner Karriere gekommen sieht, schreibt er einen fulminanten Artikel, in dem die begehrtesten Objekte aller Londoner Gesellschaftsblätter ihren skandalösen Auftritt haben. Er reiht eine ungeheuerliche Lüge an die andere und bringt es damit zum ersten und letzten Mal in seinem Leben auf die Titelseite. Dann steckt er den Kopf in den Backofen seiner schäbigen Küche und dreht das Gas auf: "So kehrte der letzte Earl of Balcairn, wie es so schön heißt, heim zu seinen Vätern (die in vielen Ländern und für viele Ideale gestorben waren, wie es ihnen die Verschrobenheiten britischer Diplomatie und ihre eigene Unrast auferlegt hatten, in Akkon, Agincourt und Killiecrankie, in Ägypten und Amerika; einen hatten die Fische weißgenagt, als die Wellen ihn zwischen die Wellen eines Unterwasserwalds spülten; andere waren von der tropischen Sonne versengt und nicht mehr identifzierbar gewesen, viele aber lagen in extravaganten Marmorgrüften)." So ist die Lage im London der zwanziger Jahre: Das Empire steht vor dem Zerfall, die Ideale sind aufgebraucht oder verrottet, das edle Haupt des letzten Earl of Balcairn steckt im Backofen, während Waughs eigener Kopf sich bei seinem Tod in einer Kloschüssel befunden haben soll, in die er infolge eines Herzinfarkts kopfüber gestürzt sein muss. Das war 1966. Knapp vier Jahrzehnte zuvor, am Ende jener Dekade, in der Waugh seine ersten Romane ansiedelte, hatte er einen Selbstmordversuch unternommen: Er hinterließ seine Kleidung und einen Abschiedsbrief am Strand, schwamm ins offene Meer hinaus und kehrte nach einer unerfreulichen Begegnung mit einer Qualle zum Ufer und ins Leben zurück, um für kurze Zeit als Lehrer an der Privatschule Acton Hill zu arbeiten. Dort wurde er hinausgeschmissen, weil er im Suff und ungeachtet seiner homosexuellen Neigungen versucht hatte, eine der Hausmütter zu verführen. Da war er Mitte zwanzig.

Von diesem Rauswurf führt ein mehr oder weniger direkter Weg zu seinem ersten Roman: "Verfall und Untergang" erschien 1928 im Original und im vorigen Jahr in einer gelungenen neuen Übersetzung von Andrea Ott bei Diogenes, wo seitdem mit "Eine Handvoll Staub" und "Lust und Laster" noch zwei weitere der frühen Romane von Evelyn Waugh erschienen sind, beide ebenfalls glänzend ins Deutsche übertragen von Pociao. Alle drei Romane spielen in Waughs bevorzugten Milieus, also in englischen Privatschulen, im Universitätsleben, in der gehobenen Londoner Gesellschaft.

An allen drei Orten treffen wir auf dieselben Typen und Charaktere: ausgekochte kleine Teufel, unfähige Lehrer, schrullige Exzentriker, bornierte ehemalige Offiziere, Mitgiftjäger und Kupplerinnen, gelangweilte Ehefrauen, arme Schlucker und mondäne Erbinnen, skrupellose Politiker und Geschäftemacher der übelsten Sorte. Zwei Mal schickt Waugh sein Personal nach Südamerika, wo Lady Metroland, eine der angesehensten Damen der Londoner Gesellschaft, ihr Vermögen durch den florierenden Handel mit jungen Mädchen aufbessert. Als die Sache aufzufliegen droht, werden die trüben Geschäfte kurzerhand ihrem Bräutigam, dem armen Paul Pennyfeather, in die Schuhe geschoben.

Pennyfeather kommt ins Gefängnis, aber Lady Metroland tröstet sich im Handumdrehen. Sie heiratet einen Politiker, der seine Beziehungen spielen lässt, um dem Sündenbock aus der Klemme zu helfen: Pennyfeather stirbt bei einer fingierten Operation, um unter anderem Namen wiederaufzuerstehen und an jenen Ort zurückzukehren, von dem man ihn zu Beginn des Romans verjagt hatte: die Universität. Im zweiten Leben studiert Pennyfeather, der durch sein erstes Leben getorkelt war wie ein Parzival, der ein bisschen zu viel trinkt, nun Theologie.

Waugh, der etwa dreißig Romane, Erzählungsbände, Reiseberichte und Biographien verfasst hat, ist in Deutschland fast nur noch durch seinen unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstandenen Roman "Wiedersehen mit Brideshead" bekannt, der auch in England durch die gleichnamige Fernsehserie aus dem Jahr 1981 wiederentdeckt wurde. Bis dahin war Waughs Nachruhm eher spärlich ausgefallen, was viel mit seinen erzkonservativen politischen Ansichten zu tun haben dürfte. Als erklärter Gegner des Wohlfahrtstaats hatte er im England der Jahre vor Margaret Thatchers Amtsantritt mehr Feinde als Freunde. Jetzt gibt uns der Diogenes Verlag die Gelegenheit, den frühen Waugh wiederzuentdecken, den Zeitgenossen von F. Scott Fitzgerald, den anderen großen illusionslosen Chronisten der zwanziger Jahre.

Der erste Teil des Debütromans "Verfall und Untergang" ist, man kann es nicht anders sagen, zum Brüllen komisch. Aber dann wird es dunkler, bitterer, bei gleichbleibend glanzvollem Stil allerdings. Waugh musste während der Arbeit an dem Roman die Trennung von seiner ersten Frau Evelyn Gardner verkraften. Nach der Scheidung von "She-Evelyn", wie sie im Freundeskreis genannt wurde, konvertierte "He-Evelyn" zum Katholizismus, was vor allem in dem auch von Waughs Kriegserlebnissen geprägten "Wiedersehen mit Brideshead" spürbar wird. Der frühe Waugh bleibt jedoch immer der Satiriker mit dem durchdringenden Blick. Seine Helden scheitern - an sich selbst, an ihrer Unbeholfenheit und Weltfremdheit. Dass sie es mit Gegnern zu tun haben, die zur Not auch über Leichen gehen, schwant ihnen viel zu spät.

Eine Ausnahme macht Tony Last in "Eine Handvoll Staub". Er ist - wie sein Name schon zeigt - der Letzte seiner Art: ein anständiger Mann, guter Vater, treuer Ehemann, der sich seinem Erbe, dem Herrenhaus Hetton Abbey samt den zugehörigen Ländereien, verpflichtet fühlt. Er besitzt, um zu bewahren, ist mehr Traditionalist als Reaktionär und betrachtet seine bescheidenen Tugenden wie harmlose Marotten, die man pflegen darf, weil sie keinem schaden. Folglich ist das Leben mit ihm nicht sehr aufregend, und seine junge, bildschöne Frau stürzt sich bei einem ihrer seltenen Besuche in der Hauptstadt in eine Affäre mit einem anderen Langweiler, der überdies nicht einmal Geld hat. Von Liebe ist auch diesmal keine Rede. Es geht eher um den Zeitvertreib. In "Lust und Laster" führt diese Haltung zu Dialogen wie dem folgenden: ",Lass uns bald heiraten, Nina', sagte Adam. ,Was meinst du?' ,Ja, es ist langweilig, nicht verheiratet zu sein.'" Evelyn Waughs frühe Romane erzählen nicht zuletzt von Menschen, die kaum etwas anderes so sehr fürchten wie die Langeweile und die es sicherlich ungeheuer aufregend fänden, wenn sie wüssten, wie modern sie mit dieser lächerlichen Sorge noch heute wirken.

HUBERT SPIEGEL.

Evelyn Waugh: "Lust und Laster". Roman.

Aus dem Englischen von Pociao. Diogenes Verlag, Zürich 2015. 285 S., geb., 23,90 [Euro].

Evelyn Waugh: "Eine Handvoll Staub". Roman.

Aus dem Englischen von Pociao. Diogenes Verlag, Zürich 2014. 352 S., geb., 22,90 [Euro].

Evelyn Waugh: "Verfall und Untergang". Roman.

Aus dem Englischen von Andrea Ott. Diogenes Verlag, Zürich 2014. 304 S., geb., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.07.2015

Ablästern und
Tee trinken
Zu Evelyn Waughs 50. Todestag im kommenden Jahr soll sie abgeschlossen sein, die Neuausgabe seiner Romane und Erzählungen im Diogenes Verlag. Eine wahrhaft heroische Tat, ist doch Waugh, das brillanteste Ekel der Weltliteratur, ein wenig in Vergessenheit geraten – trotz „Downton Abbey“, der Kult-Serie für Wachsjacken-Monarchisten, die sich gerne bei ihm bedient. Als Einstieg in Waughs gesammeltes Partygeflüster empfiehlt sich der jüngst erschienene Band „Lust und Laster“, wie alle frühen Bücher Waughs Sittenbild der britischen Upperclass und satirisches Säureattentat zugleich. „Vile Bodies“, so der Original-Titel, ist eine gnadenlos komische Roman-Sause über die Spaßgesellschaft der Roaring Twenties. Nur böse Menschen können so gute Bücher schreiben. CHRISTOPHER SCHMIDT
  
Evelyn Waugh:
Lust und Laster. Roman. Aus dem Englischen von Pociao. Diogenes Verlag, Zürich 2015. 288 Seiten,
23,90 Euro. E-Book 21,99 Euro.
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»Einer der großen Meister der englischen Prosa... Es ist nie zu spät, Evelyn Waugh zu lesen oder wiederzulesen.« Time Magazine Time Magazine