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Was haben Biertrinker und Wrestlingfans mit der großen Politik in Washington zu tun? Antwort: alles - Stimmen entscheiden, wer gewählt wird. John Mapother, Sohn der mächtigsten Familie im Provinznest Bashford, will in den amerikanischen Kongress, er hat nur keine Ahnung von der Welt seiner Wähler. Die hat aber sein jüngerer Bruder Blue Gene, das schwarze Schaf der Familie. Ein großer amerikanischer Roman, hochintelligent, voller Witz und Melancholie.

Produktbeschreibung
Was haben Biertrinker und Wrestlingfans mit der großen Politik in Washington zu tun? Antwort: alles - Stimmen entscheiden, wer gewählt wird. John Mapother, Sohn der mächtigsten Familie im Provinznest Bashford, will in den amerikanischen Kongress, er hat nur keine Ahnung von der Welt seiner Wähler. Die hat aber sein jüngerer Bruder Blue Gene, das schwarze Schaf der Familie. Ein großer amerikanischer Roman, hochintelligent, voller Witz und Melancholie.
Autorenporträt
Joey Goebel, geb. 1980 in Henderson, Kentucky, schrieb mit fünf Jahren seine erste Story, erträumte sich jedoch bald ein Leben als Punkrocker. Als Leadsänger mit seiner Band 'The Mullets' tourte er dann tatsächlich fünf Jahre lang durch den Mittleren Westen bis nach Los Angeles. Joey Goebel hat einen B.A. in Anglistik vom Brescia College in Owensboro, Kentucky.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Am Ende rät Rezensentin Evelyn Finger (die 714 Seiten Roman in achtzig Zeilen Zeitung abhandelt) von der Lektüre ab. Sie misst Goebels Erstling "Heartland" an zwei Novellen des Autors, "Freaks" und "Vincent", die sie zum Bösesten in der Popliteratur zählt, und kreidet dem Roman dann das Fehlen der Kürze an: Er ist einfach zu ausführlich. Goebel, so meint Finger, kennt seinen mittleren Westen zu gut, er will zuviel darüber erzählen. Dass der Roman komische und treffende Szenen enthält und dass Goebel ein Meister der Peinlichkeiten ist, konzediert Finger immerhin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.05.2009

Rubbellos für Reiche
Joey Goebel schimpft auf Amerika und preist Vokuhilas

MacGyver, Rudi Völler, George Michael - in den achtziger Jahren verband den Erfinder aus einer amerikanischen Fernsehserie, den deutschen Fußballer und den britischen Musiker schon auf den ersten Blick eine Gemeinsamkeit: ihre Frisur. Alle drei trugen damals den sogenannten "Vokuhila". Diese wohlklingende Abkürzung bezeichnet einen Haarschnitt, der vorne kurz und hinten lang ist und wie so vieles aus dieser Zeit nicht unbedingt zu den ästhetischen Glanzleistungen zählt. Der Autor Joey Goebel spielte einst in einer etwas beliebigen, aber keinesfalls unsympathischen Punkrockband namens "The Mullets", was auf Deutsch eben "Die Vokuhilas" heißt. Blue Gene, die Hauptfigur von Goebels jüngstem Roman, trägt ebenfalls vorne kurz, hinten lang - obgleich "Heartland" keinesfalls in den Achtzigern spielt, sondern in der Gegenwart. Als Ausdruck des Zeitgeistes geht die Haarpracht also keinesfalls durch. Anachronismus im Speziellen und Unangemessenheit im Allgemeinen beeindrucken Blue Gene, der "irgendwo mitten in Amerika lebt", nicht sehr.

Wenngleich Goebel seitenlang Indifferenz suggeriert, der Protagonist seines dritten Romans trägt die Frisur nicht zufällig, sondern aus Überzeugung. Ebenso lebt er aus Überzeugung im Wohnwagen und arbeitet auf einem Flohmarkt. Blue Genes Herz schlägt für Junk Food, Wrestling und Monster-Truck-Rennen. Die Zigarettenpause sieht er als die Freiheit des kleinen Mannes. Vor allem aber liebt Blue Gene sein Land. Er unterstützt vorbehaltlos jeden Krieg, den Amerika führt: "O Mann, das hör ich echt ungern. Jemand fliegt zum zweiten Mal rüber, und ich habe kein einziges Mal gekämpft. Aber wenigstens hab ich's probiert. Ich war bei der Nationalgarde und habe denen erzählt, sie könnten meine Fitness überprüfen oder so was, was sie auch getan haben." Kurzum, Blue Gene führt ein Leben, das viele seiner Landsleute, auch seine Familie, als "White Trash" bezeichnen. Denn Blue Gene ist Sprössling der Industriellendynastie Mapother, und somit sehr reich. Die Unterkunft im Trailer Park ist frei gewählt und von seiner Familie nicht gern gesehen, ebenso wenig seine Lebensart. Nach einem Zerwürfnis vor vier Jahren beginnt "Heartland" mit einer Annäherung, bei der Welten aufeinanderprallen. Blue Gene nimmt in der Villa seiner Familie am Esstisch Platz, im T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln. Er soll die Wahlkampagne seines älteren Bruders als Bindeglied zum Volk unterstützen.

Der 1980 in Kentucky zur Welt gekommene Goebel versucht sich mit seinem dritten Roman an einer großangelegten Milieustudie. Sie führt in die Unterschicht, zu der sich Blue Gene hingezogen fühlt, ebenso wie in die Oberklasse, aus der er stammt. "Heartland" hat große Sympathie für die Merkwürdigen und Andersdenkenden und ein starkes Ressentiment gegen Politik und Macht. So entsteht das sterile Szenario eines amerikanischen Wahlkampfs, in dem Stereotypen sich aneinander abarbeiten. Besonders im ersten Drittel konstruiert Goebel, der in Kentucky "Creative Writing" lehrt, seine Figuren holzschnittartig und überzeugt nicht eben durch dramaturgische Brillanz. Blue Genes Schwarm Jackie Stepchild etwa steckt in der Schublade, auf der "alternatives Mädchen mit Chucks-Turnschuhen" steht, ist exzentrisch, extrovertiert, links und sagt Sätze wie: "Ich falle auch auf ihre Tricks rein. Ich kaufe unheimlich gern Rubbellose. Doch wenn man in den Zeitungsladen geht, wen sieht man Rubbellose kaufen? Nie einen Typen in einem schicken Anzug, der gerade das Benzin für seinen Lexus bezahlt, oder? Nein. Das machen wir. Wir kaufen Lottoscheine und Rubbellose, die wir uns jedes Mal höchstens Benzin für fünf Dollar für unsere klapprigen alten Autos leisten können." Der Autor legt der Sängerin einer Punkband ganzseitige Monologe in den Mund, die sich lesen wie Forenbeiträge aus dem Internet: verschwörungstheoretisch genährtes Halbwissen, mit heiligem Ernst getippt. Angesichts solch einfältiger Konstellationen verwundert es kaum, dass Blue Gene in den Reihen der Saubermänner, als die sich seine Familienangehörigen inszenieren, schließlich ein schmutziges Geheimnis aufdeckt.

In Amerika erschien Goebels Roman am 4. Juli des Wahljahres 2008. Die deutsche Veröffentlichung hinkt zeitlich hinterher. Auch wenn der Autor daran keine Schuld trägt, leidet die Aktualität seines Romans dennoch darunter. Mit dem amerikanischen Wahlkampf beschäftigte man sich im vergangenen Jahr. Zurzeit liegen andere Themen in der Luft als die hier abgehandelten Anti-Amerikanismus-Debatten. So verliert der mehr als siebenhundert Seiten lange Frontalangriff auf die amerikanische Gesellschaft seine Relevanz.

CHRISTINA HOFFMANN

Joey Goebel: "Heartland". Roman. Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog. Diogenes Verlag, Zürich 2009. 720 S., geb., 22,90 [Euro].

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.07.2010

Herz
der Nation
„The Mullets“ („Die Vokuhilas“), hieß die Punkband, in der der heute 29-jährige Joey Goebel einst spielte. Vorne kurz, hinten lang trägt auch Blue Gene Mapother, der Held der Satire „Heartland“, das Haar. Dazu Schnauzer, fleckiges T-Shirt mit Aufschrift „Operation Desert Storm“, kurze Hose, weiße Socken, Flip-Flops. Der mies gelaunte Blue Gene wirkt wie White Trash pur, dabei ist er der jüngste Sohn aus reichster US-Familie. Bashford heißt das Kaff, in dem die Tabakdynastie ihren Stammsitz hat: Mittlerer Westen, das Herz der Nation, 50000 Einwohner, 94 Kirchen. Blue Genes Schnöselbruder John will für die Republikaner in den Kongress, hat aber keine Ahnung, wie das Volk tickt. Also holt er seinen Bruder ins Wahlkampfteam. Er soll ihm zeigen, wo das Herz des Gelobten Landes schlägt: in den Drive-Inns, beim Wrestling und den Monstertruck-Shows: „USA! USA!“
Florian Welle
Joey Goebel: Heartland. Üs. v. Hans M. Herzog. Diogenes Verlag, Zürich 2010.
714 Seiten, 11,90 Euro.
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»Joey Goebel erweist sich als erstaunlich waghalsiger und dabei stilsicherer, konstruktionsstarker und ideenreicher Schriftsteller. Solange sich junge Erzähler finden wie Joey Goebel, ist uns um die Zukunft nicht bange.« Elmar Krekeler / Die Welt Die Welt