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Der ukrainische Präsident des Jahres 2013, Sergej Pawlowitsch, ist mit Anfang fünfzig auf dem Gipfel seiner Macht angelangt. Aus kleinen Verhältnissen stammend, kannte er vor der Wende bereits die richtigen Leute, die ihm später geholfen haben, ein erfolgreicher Geschäftsmann zu werden. Nur privat läßt ihn das Glück im Stich: Auch die teuersten Schweizer Ärzte können seiner Frau nicht helfen. Da beschließt Sergej Pawlowitsch, Politiker zu werden; die Zukunft seines Landes liegt ihm ehrlich am Herzen – und einsam ist er sowieso. Er arbeitet Tag und Nacht und wird schließlich Präsident. Doch im…mehr

Produktbeschreibung
Der ukrainische Präsident des Jahres 2013, Sergej Pawlowitsch, ist mit Anfang fünfzig auf dem Gipfel seiner Macht angelangt. Aus kleinen Verhältnissen stammend, kannte er vor der Wende bereits die richtigen Leute, die ihm später geholfen haben, ein erfolgreicher Geschäftsmann zu werden. Nur privat läßt ihn das Glück im Stich: Auch die teuersten Schweizer Ärzte können seiner Frau nicht helfen. Da beschließt Sergej Pawlowitsch, Politiker zu werden; die Zukunft seines Landes liegt ihm ehrlich am Herzen – und einsam ist er sowieso. Er arbeitet Tag und Nacht und wird schließlich Präsident. Doch im Parlament wimmelt es von Intrigen. Wem kann Sergej Pawlowitsch überhaupt noch vertrauen? Den Parteifreunden, die ihn um ein Haar vergiftet hätten? Vielleicht nicht einmal dem Arzt, der ihm ein fremdes Herz transplantiert hat… Doch da taucht eine unerfüllte Liebe aus früheren Zeiten wieder auf. ›Alte Liebe rostet nicht‹, spürt der Präsident – und das läßt ihn einen Neuanfang wagen.
Autorenporträt
Andrej Kurkow, geb. 1961 in St. Petersburg, lebt seit seiner Kindheit in Kiew. Er studierte Fremdsprachen (er spricht insgesamt elf Sprachen), arbeitete als Redakteur, Gefängniswärter, Kameramann und schrieb zahlreiche Drehbücher. Seit 1996 lebt er als freier Schriftsteller in Kiew und London.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.01.2006

Das ferngelenkte Herz
Andrej Kurkow blickt mit seinem Roman „Die letzte Liebe des Präsidenten” in die russisch-ukrainische Zukunft
Lesen Sie folgende Fragen aufmerksam durch und antworten Sie spontan:
1. Halten Sie es für möglich, dass der ukrainische Präsident mit Armeeschmorfleisch vergiftet wurde?
2. Halten Sie es für möglich, dass Russland mit Hilfe eines ukrainischen Oligarchen versucht, den ukrainischen Präsidenten zu stürzen?
3. Halten Sie es für möglich, dass die russisch-orthodoxe Kirche Lenin heilig spricht, die ukrainische Kirche dies aber ablehnt?
4. Halten Sie es für möglich, dass das Herz des ukrainischen Präsidenten gar nicht sein eigenes ist, sondern das eines Fremden? Dass in das Spenderorgan außerdem ein Sender eingebaut ist, der der Opposition alle Gespräche des Präsidenten übermittelt?
Sie haben die meisten Fragen mit „Ja” beantwortet, aber die Sache mit dem Herzen kommt Ihnen unglaubwürdig vor? Tja, das ist leider falsch, wenn auch nachvollziehbar. Die Ukraine gehört zu jenen Ländern, denen man so ziemlich alles zutraut, und das verdankt sie Autoren wie Andrej Kurkow, der - die Fragen beweisen es - in seinem Buch „Die letzte Liebe des Präsidenten” den realen Irrsinn oft nur um Haaresbreite übertrifft, woraufhin die Wirklichkeit in der Regel - der jüngste Sturz des Parlaments über den Gaskompromiss beweist es - zügig aufschließt, was sich wiederum zu einem schwindelerregenden Effekt steigert, der fast schon ein Markenzeichen ist.
Der Russe Kurkow, der früher mal Gefängniswärter war, ist heute einer der bekanntesten Schriftsteller der Ukraine, aber es ist schwer zu sagen, ob das dem Land nützt oder schadet. Kurkow pflegt das katastrophale Image der Ukraine leidenschaftlich zu bedauern, aber in Büchern wie „Picknick auf dem Eis” oder „Pinguine frieren nicht” ist die Ukraine die allerschönste postsowjetische, präzivilisatorische Steppe, über die Mafiosi, korrupte Politiker und Normalkriminelle in großen Horden ziehen, um zu jagen und zu sammeln und sich gelegentlich den Schädel einzuschlagen. So auch in „Die letzte Liebe des Präsidenten”.
Erzählt wird das ereignisreiche, aber tragische Leben Sergej Pawlowitsch Bunins, eines überzeugten Antidemokraten, der es in der Perestroika zum Politiker und im Jahr 2011 zum Präsidenten bringt in jenem „wankelmütigen Land, das mal nach Westen, dann nach Osten schwankte” und eigentlich unregierbar ist, also der Ukraine.
Dabei hat Bunin schon privat kein Glück. Seine Ehen halten nicht lange, seine Kinder kommen tot zur Welt, sein Bruder hat Anflüge von Schizophrenie und als Bunin ihm nicht länger den Aufenthalt in einem Schweizer Sanatorium bezahlen will, springt er mit seiner Frau von einer Klippe. Dann taucht eine Frau auf, die behauptet, er trage das Herz ihres verstorbenen Mannes, und die sich vertraglich hat zusichern lassen, dass sie immer in der Nähe des Herzens sein dürfe. Sie lebe im Präsidentenpalast hinter einer Trennwand, von dem oppositionellen Sender im Spenderherz sagt sie nichts.
Sergej Bunin ist ein einsamer Präsident, umgeben von einer Schar umtriebiger Hofschranzen wie dem unheimlichen Lwowitsch („Hat dir mal jemand gesagt, dass du aussiehst wie der junge Berija?”, Stalins Schlächter), die ihm irgendwann das erwähnte Schmorfleisch auftischen, oder dem Energieoligarchen Kasimir, der die Stromschulden dazu benutzt, den Staat in den Bankrott zu treiben und Bunin aus dem Amt zu putschen. Die Minister sind käuflich oder schon übergelaufen, jederzeit kann neues „kompromittierendes Material” auftauchen, außerdem wurde die Führungsschicht aus Saporoschje entführt, Abgesandte des Vatikan tauchen in der Westukraine auf, um ein Wunder zu bewirken, und schließlich verschwindet auch noch Bunins Lieblingssofa. Es ist eine byzantinische Welt, in der der Whiskey vom Feinsten und die Betten weich sind, aber unter jedem Kopfkissen ein Dolch steckt. Und das sind nur die inneren Widerstände.
In Russland ist Wladimir Putin gerade wieder an die Macht zurückgekehrt, nimmt allmählich Romanow-Format an und würde in der Ukraine zu gern mal „richtig durchfegen”, um Bunin mit Hilfe Kasimirs gleich mit zu entsorgen. Viel besser ist Bunin allerdings auch nicht, wenn es hart auf hart kommt, lässt er gekaufte Wählerstimmen einfach zurückkaufen, aber eigentlich hat er keine andere Wahl. Natürlich hätte er gern die Renten erhöht, die Bergarbeiter-Löhne gezahlt, das Land glücklich und blühend gemacht. Aber, so flüstert ihm der teuflische Lwowitsch ein: „Reiches Land hieß arme Regierung. Eine arme Regierung, das hieß ein armer Präsident, billige Wageneskorte, schlechte Ausstattung der Präsidentenmaschine und letzten Endes Prestigeverlust unter den Amtskollegen und auf der politischen Weltkarte.” Wer sein Land liebt, der beutet es aus, Machterhalt ist Schadensbegrenzung, schließlich könnte das nächste Regime noch schlimmer sein.
Am schönsten ist Kurkows Buch immer da, wo diese Orwellsche Logik besonders rein hervortritt. Dann spürt man, dass der frostige Zynismus nur notdürftig den Wunsch nach zivilen Verhältnissen kaschiert. Denn eigentlich ist Kurkow chronisch zuversichtlich: Ein Jahr nach der orangefarbenen Revolution gehört er zu den wenigen, die noch daran glauben, dass dieses Ereignis der Ukraine mehr gebracht hat als nur einen Platz in der Geschichte. Und diese Haltung ist für Kurkow, den Russen, der russisch schreibt und in der Ukraine zwischen allen Stühlen sitzt, erst recht bemerkenswert.
Manchmal kreuzen sich das Romangeschehen und die Nachrichtenlage, dann schlägt das Buch Funken: Wenn Russland sich beschwert, dass die „Ukraine mit ihrer ökonomischen und geografischen Situation Russlands Weg ins Vereinigte Europa” behindere. Und wenn Kurkow die Indienstnahme des Energiesektors im Kräftemessen mit Russland vorausahnt, hätte man gern seine Quellen gewusst.
Kurkow stattet die Boudoirs der Macht mit diabolischer Liebe zum Detail aus, allein die Vierhundertjahrfeier der Romanow-Dynastie im Moskauer Eisbad ist ein Hochamt der Groteske, und doch ist die „Die letzte Liebe des Präsidenten” keine ungetrübte Freude. Vielleicht schien Kurkow Bunins Lebensweg zu simpel, vielleicht schwebte ihm eine Art Epochenvergleich vor, jedenfalls zerteilt er die Geschichte in drei große Abschnitte - Ende der Achtziger, Anfang 2000 und 2014 - zwischen denen er von Kapitel zu Kapitel wechselt. Das liest sich gelegentlich so flüssig wie ein Vorwahlverzeichnis. Ohnehin verblassen die persönlichen Schicksalsschläge des Präsidenten gegenüber der sensationellen Verworfenheit des Regimes, und so ist es tröstlich, dass Sergej Bunin zwar am Ende sein Glück in der Liebe findet, aber Kurkow keinen Zweifel daran lässt: Zu einem besseren Präsidenten macht ihn das nicht.
SONJA ZEKRI
ANDREJ KURKOW: Die letzte Liebe des Präsidenten. Aus dem Russischen übersetzt von Sabine Grebing. Diogenes Verlag, Zürich 2005. 696 S., 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Geschüttelt, nicht gerührt
Tauwetter in Kiew: Andrej Kurkows prophetischer Roman / Von Hannes Hintermeier

Sergej Pawlowitsch Bunin hat ein ganz besonderes Problem. Nicht, daß er sonst frei wäre von Belastungen - als Präsident der Ukraine badet er quasi in Schwierigkeiten -, aber dieses eine Problem ist ungeheuerlich: Sein Herz gehört nicht ihm. Es ist ein Transplantationsherz, das einem Oligarchen gehörte. Und die trauernde Witwe hat dafür gesorgt, daß ein besonders faustischer Vertrag aufgesetzt wurde: "Im Falle der erfolgreichen ebenso wie im Falle der erfolglosen Operation bleibt das Herz Eigentum der Maja Wladimirowna Woizechowskaja und ist ihr wieder auszuhändigen, sobald kein Bedarf an ihm mehr besteht oder eine weitere Verwendung nicht möglich ist."

Was Präsident Bunin nicht weiß, als er von der Existenz dieses Vertrags erfährt, ist erstens, daß Maja sich das Recht ausbedungen hat, stets in der Nähe des Herzens zu leben. Weshalb sie nun eine Einliegerwohnung hinter der Schlafzimmerwand bewohnt. Und zweitens, daß es eine Fernbedienung gibt, mit deren Hilfe seine Gegner alles, was er sagt, abhören sowie seine Koordinaten bestimmen können. Es besteht, so bringt es der treue Stabschef General Swetlow auf den Punkt, "die Befürchtung, daß mit Hilfe dieses Apparates Ihr Herz angehalten werden kann".

Dies ist die Ausgangslage in Andrej Kurkows bislang gewichtigstem Roman "Die letzte Liebe des Präsidenten", den der in Sankt Petersburg geborene, russisch schreibende Ukrainer 2004 veröffentlicht hat. Daß man sich in einer prototypischen Groteske befindet, dürfte damit klar sein - daß diese keinen Vergleich mit der abenteuerlichen aktuellen Geschichte der Ukraine zu scheuen hat, auch. Das Buch wurde geschrieben, bevor Wiktor Juschtschenko die "orangene Revolution" mitanzettelte; es erschien, bevor er den Präsidentenposten in Kiew erobert hatte. Sein von einer Dioxin-Vergiftung entstelltes Gesicht, als dessen Ursache Juschtschenko einen Anschlag seiner Gegner nennt, hätte lückenlos in den Roman gepaßt.

Kurkow geht der Frage nach, wie es einer in Korruptistan zum höchsten Amt im Staate bringen kann. Er konstruiert zu diesem Zweck drei biographische Einflugschneisen, in denen sich der junge, der mittlere und der präsidiale Bunin entfalten. Im Abstand von jeweils rund einem Dutzend Jahren verfolgt Kurkow den Werdegang: frühe achtziger Jahre, Jahrtausendwende, schließlich das Krisenjahr 2015. Die Jugend des wie sein Erfinder 1961 geborenen Sergej Pawlowitsch verläuft sowjetisch und damit eher mangelwirtschaftlich. Er ist Halbwaise, der Vater starb bei einer Armeeübung, die Mutter versucht ihre Zwillingssöhne als aufrechte Menschen zu erziehen. Bruder Dima dämmert wegen schizophrener Züge in Heimen, Sergej ist ein Streuner mit wenig Neigung, einen Lebensplan zu entwickeln. Mädchen interessieren ihn wohl, Alkohol dito. Beides Konstanten, die ihm erhalten bleiben. Auch als Präsident wird er sagen: "Die Heimat kann einem ja nicht die Frau ersetzen!"

Sein erstes Kind: eine Totgeburt. Die Ehe, die geschlossen wurde, um eine Wohnung zu ergattern, scheitert. Im Vollsuff bricht Sergej im Eis ein; ein alter jüdischer Eremit rettet ihm das Leben - und wird darüber zu einer Vaterfigur. Die Liebe zum Schwimmen im Eis wird er nie wieder los. Als Präsident legt er sich in kritischen Situationen in eisgefüllte Badewannen, Amtsträger müssen eine Prüfung im Eisschwimmen absolvieren. So wird Politik gemacht: Bei der Vierhundert-Jahr-Feier zum Gedenken an die Romanows trifft er im zeremoniellen Moskauer Eislochbecken auf den noch immer regierenden Putin, der sich nicht damit abfinden will, daß die Ukraine selbständig ist. Den Staatsoberhäuptern der Vereinigten Staaten und Englands ist das Wasser zu kalt.

Die mittlere Ebene zeigt uns den über Umwege und Beziehungsgeflechte aufgestiegenen Sergej als Beamten im Wirtschaftsministerium, der es bis zum stellvertretenden Minister bringt. Er rutscht so durch und immer höher hinauf: "Moral war nicht mehr im Umlauf, fast gleichzeitig mit dem Ende des sowjetischen Rubels. Jetzt waren Dollars in Umlauf, und ich wußte seit Kindertagen, daß es dort, wo Dollars waren, weder Moral noch Gerechtigkeit gab." Er hat eine wunderschöne Frau, Swetlana, die mit Zwillingen schwanger geht, er hat Dollars, einen Fahrer, eine zauberhafte Sekretärin und ein angenehmes Leben. Seinem Bruder finanziert er mit der Schwester seiner Frau eine Therapie in der Schweiz; auch dieses Paar erwartet ein Kind, alle drei wurden am gleichen Tag gezeugt und sollen am gleichen Tag geboren werden. Bei soviel Symbolik kann nur ein Absturz lauern: Erst kommen die Zwillinge tot zur Welt, dann begeht sein Bruder nebst Gattin Selbstmord (Todessprung, Leukerbad). Zurück bleibt ein Säugling, den man, um in Kiew Aufsehen zu vermeiden, gen Amerika verfrachtet.

Inmitten dieses Schicksalsbombardements erhält sich Sergej Pawlowitsch eine gewisse Gefühlskälte, eine antrainierte Herablassung, die er als Präsident als Schutzschild einsetzen kann. Denn was ihm sein Autor an Absurditäten und Grausamkeiten zumutet, toppt alles vorher Dagewesene. In Auszügen: Die Moskauer Orthodoxie spricht Lenin heilig, die ukrainische will den heiligen Wladimir nicht anerkennen; der Vatikan plant ein Wunder in der Westukraine. Amerikanische Riesenkartoffeln tauchen auf. Bunins Stress-Spezialist wird erhängt im Wald gefunden, sämtliche Ärzte, die an der Herzoperation beteiligt waren, sind tot oder unauffindbar. Rußland untertunnelt die Straße von Kertsch, hochrangige Beamte werden dutzendweise verschleppt, das Lieblingssofa des Präsidenten verschwindet aus dem Palast. Schließlich dreht der Energie-Oligarch Kasimir den Energiehahn zu und nimmt per Amtsenthebungsverfahren Anlauf auf den Thron.

Das ist die Spielwiese, auf der Andrej Kurkow seinem schwarzhumorigen Erzählhengst die Sporen gibt. Im Finale führt er seinen Antihelden durch eine explosive Mischung aus Politklamotte und Wählerbetrug an die Macht zurück. Die Frau, von der er nie wußte, daß er sie liebt, beendet seine Einsamkeit; und die verschollene Nichte Lisa ergänzt als Tochter seinen neu entworfenen Lebenslauf. Sergej Pawlowitsch besteht diese Prüfungen, mit viel Whisky und viel Eis: "Wenn man schon Präsident werden, genauer: sein mußte, dann wäre es nett gewesen, man bekäme ein kleineres, einfacheres Land aufgebürdet."

Andrej Kurkow meistert diese Politikerhäutung mit Spannung, Einfühlung, Witz und Zynismus. In zweihundertsiebzehn Kurzkapiteln hält er das Tempo hoch, vergißt dabei aber nicht, daß zur intelligenten Unterhaltung sprachliche Anstrengung und gelegentlich auch lyrisch-aphoristische Ausflüge gehören. Auch wenn, dem Genre geschuldet, mancher Seitenarm durchaus verzichtbar wäre, vermittelt er doch jederzeit das Gefühl, man könne es sich als Leser hier ohne Reue bequem machen. Sogar die Präsidenten-Marionette, diesen lupenreinen Antidemokraten, der sein Parlament als Schwatzbude diskreditiert, hat man am Ende ins Batterieherz geschlossen. Gewiefter Epiker, der er ist, fordert Kurkow im Nachwort seine Leser auf, ihn um mehr zu bitten - dann werde er die Geschichte weiter verfolgen. Es spricht nichts dagegen.

Andrej Kurkow: "Die letzte Liebe des Präsidenten". Roman. Aus dem Russischen übersetzt von Sabine Grebing. Diogenes Verlag, Zürich 2005. 696 S., geb., 22,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sonja Zekri hat einiges zu bewundern an Andrej Kurkows neuem Roman, "Die letzte Liebe des Präsidenten", und nicht zuletzt gehört dazu, dass Kurkow heute "einer der bekanntesten Schriftsteller der Ukraine" ist. Kurkow verfügt auch über einen vitalen Sinn fürs Groteske, und er vermag Szenen äußerst effektvoll in diesem Sinn zu gestalten. Außerdem staunt Zekri nicht schlecht, wie nahe Kurkow manchmal der Wirklichkeit kommt - beinahe scheint es ihr zuweilen (etwa, wenn im Roman die "Indienstnahme des Energiesektors" im russisch-ukrainischen Kräftemessen thematisiert wird), als holte die Wirklichkeit sich Inspiration bei der Literatur. Der Plot: Mit allen Orwellschen Mitteln versucht der ukrainische Präsident im Amt zu bleiben. In seiner Brust schlägt das Herz eines anderen, und die Witwe des Spenders hat sich vertraglich zusichern lassen, dass sie immer in der Nähe des geliebten Herzens sein darf. Darüber hinaus ist im Spenderherzen ein Sender eingebaut, mit dem die Opposition sich auf dem Laufenden hält über die Maßnahmen ihres Gegenspielers. Überhaupt geht es hinter den Kulissen der Macht zynisch-irr zu, auch wenn am Ende der Präsident seine große Liebe findet. Einmal haut die Rezensentin richtig dazwischen. Da kommt sie auf Kurkows erzählerisches Schachtelverfahren - Vor- und Rückblenden über die Jahre hinweg - zu sprechen. Und sie spricht harsche Worte: "Das liest sich gelegentlich so flüssig wie ein Vorwahlverzeichnis." Insgesamt aber: Gut.

© Perlentaucher Medien GmbH
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»Andrej Kurkow hat diese gewissen Nebensätze, die so lakonisch sind, dass man von ihm sogar die Gebrauchsanweisung eines Rasenmähers lesen würde.« Bettina Göcmener / Die Welt Die Welt