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Produktdetails
  • Verlag: Haffmans Verlag
  • ISBN-13: 9783251203208
  • ISBN-10: 3251203207
  • Artikelnr.: 24968653
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2000

Großes Buch trifft kleine Geister
Haffmans' Profane Bibel-Bibliothek und Fischers Bibel Projekt

Pubertäre Aufsässigkeit, nicht mündige Souveränität bestimmt das Verhältnis repräsentativer Teile der deutschen Intelligenz zur Bibel. Erstaunliche Zeugnisse für diesen Sachverhalt sind hier anzuzeigen: Gleich zwei Verlage wollen die Bibel einem nicht mehr religiös, sondern nur noch kulturell an ihr interessierten Publikum anbieten. Anstatt aber die literarische Wucht der ausgewählten biblischen Bücher zum Sprechen zu bringen, sind die Autoren der Einleitungen mit Vatermord beschäftigt. Wie befangen sie sind! Wie unfrei, wie unsicher, wie von schlechtem Gewissen geplagt! Statt sich der Größe ihres Gegenstandes zu stellen, rächen sie sich an ihren unfähigen Erziehern. Daß Religion Niveau haben kann, ist ihnen entweder unbekannt oder nicht gegenwärtig. Stets Überlegenheit heucheln, als gäbe es den Tod nicht, nicht Sünde und Gnade, nicht unaufhebbares Leid und nicht das Bedürfnis nach Erlösung! Die Macht der Bibel zeigt sich noch am niedrigen Niveau derer, die sie hier abtun.

Nietzsche liebte das Alte Testament: "In ihm finde ich große Menschen, eine heroische Landschaft und etwas vom Allerseltensten auf Erden, die unvergleichliche Naivität des starken Herzens; mehr noch, ich finde ein Volk. Im Neuen dagegen lauter kleine Sekten-Wirtschaft, lauter Rokoko der Seele, lauter Verschnörkeltes, Winkliges, Wunderliches, lauter Konventikel-Luft." So betrachtet, hat es seine Logik, wenn der Haffmans Verlag sein Unternehmen mit dem Alten Testament beginnt. Darüber hinaus dürfte aber ein anderes Motiv am Werke sein: Das Neue Testament leistet mehr Widerstand. Es enthält viel mehr Anspruch, viel mehr Zumutung, das Ärgernis von Kreuz und Auferstehung, die Botschaft der Erlösung, den Mythos von Himmel und Hölle. "Haffmans' Profane Bibel-Bibliothek" aber richtet sich an die Ungläubigen und möchte diese Kundschaft nicht durch allzu viel Religion verprellen.

Das Unternehmen startet zwar mit dem zweifellos zentralen und in Nietzsches Sinn heroischen Buch Genesis, begibt sich danach aber, mit den apokryphen Erzählungen von Judith und von Susanna im Bade, sofort an die pittoresken Ränder. "Es geschieht nichts Neues unter der Sonne", lautet die grämliche Mitteilung des Prediger Salomo. "Evangelium", frohe Botschaft, ist das nicht. In Wirklichkeit ist der literarische Rang der Bibel nicht abzutrennen von ihrem religiösen. Aus ihr ein paar Weisheitsworte und pikante "sex and crime"-Geschichten herauszulösen wird dem beklagten Mangel an biblischer Allgemeinbildung nicht abhelfen. Die Einführungen zu den bisher erschienenen drei Bändchen suchen vergeblich nach dem, was "schöne Literatur" an der Bibel ist, solange sie Gott als handelnde Person ignorieren. Wenn sie ihn doch wenigstens psychologisieren, entmythologisieren oder sonstwie umdeuten würden! Aber sie behandeln ihn einfach in schnoddrigem Ton als quantité négligable und machen sich dabei lächerlich.

Am erträglichsten ist noch das Vorwort des Joyce-Forschers Fritz Senn, der das Buch "Ecclesiastes" (Prediger Salomo) einführt. Zwar muß auch er erst einmal sein Mütchen kühlen am "meistungelesenen Buch" der Weltliteratur, dem jeder Lektor heute "ein paar happige Kürzungen" angedeihen lassen würde, doch macht er wenigstens für seinen Part eine Ausnahme, "frisch wie eh und je" sei jener Salomo. Respektlos sind hingegen die Einleitungen von Norbert Johannimloh (zu Judith und Susanna) und Ludger Lütkehaus (zu Genesis). Da sie den religiösen Rang durchaus zu verleugnen sich beauftragt fühlen, werden sie auch dem literarischen nicht gerecht. Überlegungen zur Aktualität versanden in albernen Fragen: ob Judith ein Argument in Sachen Frauenwehrpflicht sein könne. Auch hält Johannimloh den griechischen Mythos anscheinend für diskursfähiger als den christlichen, wenn er mit dem gönnerhaften Satz schließt, es lohne sich, "diese alten Bibel-Geschichten mal wieder zu lesen, wenn man sie auch nicht als Offenbarung des dreifaltigen Gottes verstehen muß, sondern als Einflüsterungen der Musen aufnimmt, die - als Töchter des Zeus - ja auch so einiges zu sagen haben". Ludger Lütkehaus schließlich rechnet dem Schöpfer seine Denkfehler vor und hält es nicht für vermessen, am Ende sein eigenes Buch, eine philosophische Anti-Genesis, betitelt "Nichts", als Fortsetzungslektüre zu empfehlen.

Ähnliches muß man leider auch vom "Bibel Projekt" des Fischer Taschenbuch Verlags sagen, das sechs Bücher des Alten und sechs des Neuen Testaments umfaßt. Es ist die verkleinerte und veränderte Übernahme einer Publikation des Verlages Canongate Books in Edinburgh. Man hat großzügig herausgekürzt (zum Beispiel zwei komplette Evangelien - die des Lukas und des Johannes) und die Zahl der Bücher auf zwölf verringert, ohne irgendwo Rechenschaft abzulegen über die Gründe. Man hat den Text der King-James-Bibel durch den Martin Luthers ersetzt, wodurch es zu manchen Unstimmigkeiten zwischen Vorwort und Bibeltext kommt. Man hat neun Einleitungen übernommen und drei an deutsche Autoren neu vergeben.

Man hat nicht gut daran getan. Außer Joseph von Westphalen darf nun Zoë Jenny die Bücher "Ruth" und "Esther" als frühfeministische Zeugnisse für die Solidarität unter Frauen vorstellen und Marlene Steeruwitz sich über den angeblichen Antijudaismus des Matthäus-Evangeliums verbreiten - wobei sie im Grunde nicht Matthäus im Visier hat, sondern den Antijudaismus des Christentums überhaupt. Mag auch der eine oder andere Gedanke hörenswert sein, so sind doch im ganzen diese Einleitungen so flach gegenwärtig, daß der erhabene Text, der ihnen folgt, davon gänzlich unbeeindruckt bleibt.

Die von Canongate übernommenen und ins Deutsche übersetzten Vorworte zeigen im Durchschnitt mehr Respekt vor ihrem Gegenstand. David Grossman stellt das Buch "Exodus" als den Kindheitsroman des Volkes Israel vor. Antonia S. Byatt analysiert aufschlußreich die erotische Bilderwelt des Hohenlieds und ihre Deutungsgeschichte. Nick Cave ist der am wenigsten eitle; er stellt das Markus-Evangelium auf eine Weise vor, daß man gespannt darauf ist und sofort zu lesen anfängt, mit geschärftem Blick für die lapidare Größe, das urtümlich Packende und das scharfkantig Oppositionelle dieses Buchs. Und Doris Lessing beweist mit ihrer Einleitung zum "Prediger Salomo" mehr Mut zum Ungewöhnlichen als die deutschen Autoren, wenn sie schreibt: "Es ist ein großer Verlust für uns alle, daß die Bibel nicht mehr in jedem Haushalt zu finden und nicht mehr jeden Sonntag zu hören ist."

Es ist an sich eine gute, wenn auch nicht neue Idee, die Bibel vom Kirchengeruch befreit als Literatur darzubieten. Auch die Präsentation in Einzelbänden ist sachgemäß, weil sie wieder sichtbar macht, daß "Biblia" Plural, die Bibel also kein Buch, sondern eine Bibliothek ist. Nur sollte bei einem solchen Unternehmen nicht ein pubertärer Atheismus die Feder führen. Hätte man, statt anmaßender Essays, doch lieber das Nötigste über Autoren und Übersetzer, über Quellen und Redaktionsstufen, über poetische Mittel und literarische Struktur der einzelnen Bücher gebracht! Die biblischen Texte werden "nach der Übersetzung von Martin Luther" gegeben, als wäre das eine klar definierte Größe. Im "Bibel Projekt" des Fischer Taschenbuch Verlags fehlt jeder Hinweis, nach welcher genauen Quelle man nun eigentlich gedruckt hat, denn zwischen der Erstausgabe der Lutherbibel von 1534, der Ausgabe letzter Hand von 1545, der von einer Kirchenkonferenz approbierten von 1892 und der erneut revidierten von 1984 (um nur einige zu nennen) gibt es zahlreiche und nicht nur orthographische Unterschiede. Bei Haffmans folgt man sinnigerweise der Ausgabe, die Thomas Mann für seinen Roman "Joseph und seine Brüder" benützt hat, ohne jedoch dem Leser mitzuteilen, um welche Edition es sich dabei gehandelt hat - es war eine vierbändige Bibel von 1910, die schon damals mehr für den bildungsbürgerlichen als für den kirchlichen Gebrauch bestimmt war (F.A.Z. vom 31. Dezember 1999).

Mit der Anspielung an den Joseph-Roman ist der Rang angezeigt, den beide Bibelprojekte verfehlen, dem aber eine andere Nacherzählung der Genesis gerecht wird: Michael Köhlmeiers "Geschichten von der Bibel". Wie Thomas Mann füllt Köhlmeier den Text auf mit Hilfe von jüdischen und altbabylonischen Legenden, Mythen und Apokryphen. Als der Floh auf die Arche kam, so hört sich eine dieser Ergänzungen an, mußte improvisiert werden, denn der Floh hatte keinen Schutzengel und deshalb auch keinen Futtersack. Das war für den gerechten Noah allerdings kein Grund, ihn von der Arche zu jagen. Er erlaubte ihm, sich in den Haaren der Tiere zu verstecken und sich von ihrem Blut zu ernähren. Wie Thomas Mann bedient sich Köhlmeier eines leise humoristischen Erzählers, der die Geschichten kennt und vermittelnd eingreift, wenn es einmal not tut. Er arbeitet mehr novellistisch als romanhaft, mit szenischen Dialogen und nur skizzenhafter Psychologisierung; kaum vergreift er sich im Ton, obgleich er Wörter wie "Festplatte", "Stromstoß" und "Dosenöffner" verwendet. Seine Mutter hat ihm einst, als er ihr die Ungerechtigkeit des Gottes der Erzväter vorhielt, geantwortet, das Alte Testament erzähle die Geschichte, wie Gott und die Menschen allmählich erwachsen wurden. Das ergibt eine gute Erzählerperspektive. Man braucht dann nicht mehr jede Einzelheit gläubig zu akzeptieren, ist aber zugleich weit entfernt von billiger Verachtung.

Auch Thomas Mann hat ja mit der Bibel sein Spiel getrieben, ohne deshalb den Respekt vor ihr zu verlieren. Er zeigt im Joseph-Roman auf bis heute unübertroffene Weise, wie man kultiviert mit der Bibel umgehen kann, ohne sich deshalb als Intellektueller aufzugeben. Sein Verhalten zu diesem Schriftmassiv ist pragmatisch, nicht dogmatisch. "Kalender der Weisung und des Trostes, Postille, Textbuch der kreisenden Feste, dessen großen, unverwechselbaren Tonfall wir in allen Stadien des Menschenlebens, bei Taufe, Hochzeit, Begräbnis vernehmen, ist das gewaltige Buch imprägniert von der Andacht, dem frommen Zutrauen, der forschenden Devotion und ehrfürchtigen Liebe langer Generationszüge von Menschen, ein Besitz des Herzens, unentwendbar, unberührbar durch irgendwelche Verstandeskritik."

HERMANN KURZKE

Haffmans' Profane Bibel-Bibliothek. 3 Bände. Haffmans Verlag, Zürich 2000. Alle Bände. 48 S., br., je 10,- DM.

Das Bibel Projekt. 12 Bände. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2000. Br., in Einzelbänden je 5,95 DM, als Kassette 49,90 DM.

Michael Köhlmeier: "Geschichten von der Bibel". Von der Erschaffung der Welt bis Josef in Ägypten. Piper Verlag, München 2000. 268 S., br., 16,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Mehrfachrezension bespricht Hermann Kurzke drei Bücher, in denen Teile der Bibel neu erzählt bzw. erläutert werden. Die beiden ersteren schneiden danach aus seiner Sicht vor allem deswegen schlecht ab, weil der Versuch, die Bibel lediglich unter literarischen Gesichtspunkten (und nicht unter religiösen) zu betrachten zwangsläufig scheitern muss. Den Rezensenten stört die arrogante Überheblichkeit, die Unfähigkeit der Autoren, sich der "Größe ihres Gegenstands" zu stellen und der Versuch, sich bei einem nichtreligiösen Publikum anzubiedern. Aber gerade in dieser Verhaltensweise, die geprägt sei von eigener Unfreiheit, sieht der Rezensent einen Beweis für die "Macht der Bibel".
1.) "Haffmanns‘ Profane Bibel-Bibliothek". 3 Bände (Haffmans Verlag)
Hier möchte man die "Kundschaft nicht durch allzu viel Religion verprellen", beklagt Kurzke. Stattdessen bemerkt er eine Konzentration auf eher unwichtige Randerzählungen und "sex and crime"-Geschichten. Aber schlimmer noch findet er, dass Gott hier schlicht ignoriert wird. Eine Psychologisierung oder Umdeutung hätte er noch verständlich gefunden, aber das Gott hier als "quantité négligable" behandelt wird, findet er geradezu grotesk. Am ehesten kann sich Kurzke noch für das Vorwort von Fritz Senn erwärmen, der wenigstens einen gewissen Respekt vor dem Thema zeigt. Doch die Beiträge von Norbert Johannimloh und Ludger Lütkehaus beweisen seiner Ansicht nach regelrechte Unfähigkeit, nicht nur dem religiösen, sondern auch dem literarischen der Bibel gerecht zu werden. Stattdessen werde darüber debattiert, welche Rolle Judith bei der Argumentation für Frauenwehrpflicht spielen könne. Auf die Dreistigkeit, dass Lütkehaus schließlich sein eigenes Buch "Nichts" als weiterführende Lektüre empfiehlt, reagiert der Rezensent mit schlichtem Unverständnis.
2.) "Das Bibel Projekt". 12 Bände (Fischer Taschenbuch Verlag)
Auch diese Beurteilung läuft auf einen Verriss hinaus. Kurzke weist darauf hin, dass es sich hier um eine verkürzte Version einer Publikation des Canongate Books-Verlages (Edinburgh) handelt. Gekürzt wurde allerdings großzügig. So fehlen nach Kurzke beispielsweise "zwei komplette Evangelien". Überhaupt werden, wie er beklagt, für die Kürzungen nirgendwo einleuchtende Gründe genannt. Dazu kommt die Tatsache, dass der Text der King-James-Bibel durch die Luthers Texte ersetzt worden sind, wodurch - wie der Leser erfährt - Diskrepanzen zwischen Vorwort und Bibeltext entstanden sind. Die Texte von Zoe Jenny über Feminismus in den Büchern ‚Ruth‘ und ‚Esther‘ sowie von Marlene Streeruwitz‘ über Antijudaismus findet der Rezensent trotz dem ein oder anderen überlegenswerten Gedankens "flach". Besser gefallen ihm die ins deutsche übersetzten Texte der britischen Ausgabe, etwa der von Nick Cave, der neugierig auf die Bibel mache und lehre, sie mit "geschärftem" Blick zu lesen. Doch insgesamt beklagt der Rezensent bei den meisten Texten einen "pubertären Atheismus". Besser hätte es dem Rezensenten gefallen, wenn der Leser stattdessen mehr über Quellen, "poetische Mittel und literarische Struktur" der einzelnen Bücher der Bibel erfahren könnte. Aber nicht mal eine Angabe, welcher Luther-Text nun genau die Grundlage gewesen ist, werde dem Leser hier mitgeteilt.
3.) Michael Köhlmeier: "Geschichten von der Bibel" (Piper Verlag)
Gut hingegen gefällt dem Rezensenten diese Publikation, vor allem wegen des "leise humoristischen" Tons und der Tatsache, dass der Autor die Bibel-Geschichten mit "jüdischen und altbabylonischen Legenden, Mythen und Apokryphen" ergänzt. Auch zeige Köhlmeier den angemessenen Respekt vor seinem Sujet. Insgesamt haben diese Texte nach Kurzke eher etwas "novellistisches als romanhaftes", und trotz der Tatsache, dass der Autor zum Teil moderne Ausdrücke verwendet, so gefällt dem Rezensenten dieses Buch, weil es "weit entfernt ist von billiger Verachtung".

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