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Von Berlin reist einer los, nicht ohne uns hintersinnig seine Stadt zu empfehlen, bricht auf in die verführerischen Landschaften und Metropolen Europas, landet in Amman und bereist Jordanien, um letztlich auch Big Apple seine Aufwartung zu machen. Vom Essen, Trinken und Schlafen ist die Rede, von der Pekunia, die dafür aufgewendet werden muss, und vom Rausch eines Staunenden ob der Köstlichkeiten und unerwarteten Ereignisse, aber auch von der angestauten Wut eines Enttäuschten, wenn er sich geneppt fühlt. Ein herzerfrischendes lebendiges und informatives Buch, eine Verführung zum Reisen, an…mehr

Produktbeschreibung
Von Berlin reist einer los, nicht ohne uns hintersinnig seine Stadt zu empfehlen, bricht auf in die verführerischen Landschaften und Metropolen Europas, landet in Amman und bereist Jordanien, um letztlich auch Big Apple seine Aufwartung zu machen. Vom Essen, Trinken und Schlafen ist die Rede, von der Pekunia, die dafür aufgewendet werden muss, und vom Rausch eines Staunenden ob der Köstlichkeiten und unerwarteten Ereignisse, aber auch von der angestauten Wut eines Enttäuschten, wenn er sich geneppt fühlt. Ein herzerfrischendes lebendiges und informatives Buch, eine Verführung zum Reisen, an die Tische und in die Betten, die an den verwunschesten Orten auf uns warten.
Autorenporträt
Matthias Zschokke, geboren 1954 in Bern, lebt und arbeitet seit 1980 als freier Autor und Filmemacher in Berlin. 1981 wurde er mit dem "Robert-Walser-Preis" ausgezeichnet, 1996 mit dem "Aargauer Literaturpreis", im Jahr 2000 erhielt er den "Literaturpreis der Stadt Bern". 2014 wurde Matthias Zschocke nochmals mit dem "Berner Literaturpreis" für sein "herausragendes literarisches Gesamtwerk" ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2009

Tatsache, man kann das Leben auch genießen
Nur ja kein Tourist sein: „Auf Reisen” erzählt davon, wie der Schriftsteller Matthias Zschokke um die Welt kam
Was ist denn das? Eine Sammlung von Reisereportagen? Muss denn wirklich alles zwischen zwei Buchdeckel, was einem Autor mal hier, mal da aus der Feder geflossen ist? „Auf Reisen” beginnt mit einem Porträt Berlins, wo der 1954 in Bern geborene Schriftsteller seit fünfundzwanzig Jahren lebt: „Was man gesehen haben muss? Nichts. Berlin ist keine Attraktion. Im Sommer trägt es kurze Hosen, fleischwurstbraune Socken und Sandalen. Seine Beine sind lang, weiß und teigig. Im Winter trägt es einen senfgelbgesprenkelten Anorak. Nach dem Fall der Mauer ist die Stadt zudem noch ausgelaufen. Seither fängt sie überhaupt nirgends mehr an, hört nirgends mehr auf, und eine Mitte, ein Zentrum hat sie schon gar nicht.”
Auf dem Cover des Buches, das Reiseartikel, die zwischen 1999 und 2005 im Reiseblatt des Zürcher Tages-Anzeiger erschienen sind, zusammenfasst, posiert der Autor recht putzig als Handlungsreisender in Sachen Literatur, irgendwo auf einem Provinzbahnhof. Wenn er aber ins Erzählen kommt, werden nicht nur Städte und Landschaften kenntlich, man erfährt auch viel über das Innenleben eines äußerst skrupulösen Reisenden. Das ist bisweilen komisch, oft traurig, aber auch liebenswert und wahrhaftig. Und manchmal schlichtweg exemplarisch: Für den fernwehsüchtigen Mitteleuropäer mit intellektueller Statur, der sich vom gemeinen Touristen unterscheiden will und nicht umhin kann, sein Verhalten zu reflektieren.
Es handelt sich tatsächlich, wie der Untertitel verspricht, um eine Erzählung. Immer lustvoller begibt man sich auf Entdeckungsreise zu skurrilen Orten der Erfahrung. Da suhlt man sich in den Thermen Baden-Badens, „alles dampft, schwitzt und ächzt”, oder in denen Budapests, wo es „zart nach faulen Eiern” riecht, da kraxelt man in den Bergen herum und frisst sich einmal quer durchs Elsass. All dies wird erträglich, weil es zwischendrin nach Jordanien oder New York geht. Es sind die Levitationsorte dieser Prosa. Dort verflüchtigt sich alles Dumpfe, alles Schwere, die ganze Melancholie und Skepsis. Eleganz und Leichtigkeit halten Einzug.
Die Verblüffung des Autors, dass man das Leben auch genießen kann, überträgt sich wie ein Glücksversprechen auf den Leser. Man möchte fast an das Gute im Menschen glauben. „In Reiseführern steht viel über die arabische Gastfreundschaft und das legendäre Glas Tee, zu dem man eingeladen werde. Ich dachte immer, wie schrecklich! Was um alles in der Welt soll ich bloß machen, wenn ich von einem Beduinen in sein Zelt gezerrt werde und ein Glas Tee trinken soll, ohne Sprache – und außerdem mit nichts, das mir zu sagen einfällt. . . Jetzt, wo ich solchen Situationen tatsächlich dann und wann ausgesetzt bin, begeistern sie mich. Es ist ganz einfach: Man schweigt und freut sich. Dann geht man weiter und staunt darüber, wie anrührend und schön so eine Begegnung sein kann.”
„Auf Reisen” erzählt auch von der Lebenskrise eines Autors, der sich als Selbstverkleinerungskünstler in der Tradition Robert Walsers einen Namen gemacht hat. Dass ein solches Image zum Korsett werden kann, wird spürbar. Die Abwehr allen Bombasts ist nicht gefahrlos. Eine solche Haltung kassiert die Anlässe für große Aufschwünge, jene Treibriemen, die das Leben von Zeit zu Zeit in Schwung bringen. „In Berlin überfiel mich in letzter Zeit oft ohne Anlass der Überdruss. Ich hatte den Eindruck, mit mir gehe es bergab. . . In New York ergeht es mir anders. Die Stadt hat etwas wohltuend Schamloses. Ungeniert erfüllt sie sämtliche Klischees, die man von ihr im Kopf hat, und lässt sie gleichzeitig mitsamt allen Vorurteilen, die man gegen sie, die Amerikaner, das Amerikanische hegt, über sich hinausschießen und ins Leere laufen.”
Zur Einübung von Eleganz, Stil und Distanz nach Arabien reisen oder sich von der Lebenslust New Yorks anstecken lassen: das ist vielleicht gar keine dumme Idee. Dass man „unterwegs ein anderer” wird, ist gewiss – wie auch die Tatsache, dass man sich nach der Rückkehr ziemlich schnell wieder „ähnlich” wird. MEIKE FESSMANN
MATTHIAS ZSCHOKKE: Auf Reisen. Erzählung. Ammann Verlag, Zürich 2008. 231 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.06.2009

Der große Hauch

Von Weimar über Porto nach New York: Der Schweizer Schriftsteller Matthias Zschokke zog aus, um die Welt, vor allem aber sich selbst zu entdecken.

Ein Schriftsteller, der ein Buch von 230 Seiten vorlegt und es als "Erzählung" bezeichnet, ist eine Rarität. Üblicherweise nennen Autor oder Verlag alles, was die Länge einer Kurzgeschichte knapp überschreitet, "Roman". Verkauft sich wohl besser. Insofern ist "Auf Reisen" von Matthias Zschokke zu loben, bevor auch nur ein Satz über seinen Inhalt gesagt ist: "Erzählung" also, nicht Roman. Doch bei näherer Kontaktaufnahme mit dem Buch kommen Zweifel, ob es sich hier nicht um einen ähnlichen Etikettenschwindel handelt. Hier reist einer durch die Welt, von Berlin aus, wo der Schweizer Schriftsteller seit fünfundzwanzig Jahren lebt, und schreibt auf, was er sieht, was er von den Hotels hält, in denen er absteigt, was zu den Sehenswürdigkeiten, den Menschen und vor allem zum kulinarischen Angebot zu sagen ist. Ein Großteil dieser Reiseeindrücke erschien bereits im Zürcher "Tages-Anzeiger". Nun also als Buch, neu arrangiert und ergänzt durch ein paar zusätzliche Reisen und einen längeren Aufenthalt in New York. Erzählung?

Das Befremden erhält neue Nahrung. Der Autor Zschokke, der einen vom Buchcover clochardhaft-verschmitzt mit offenem Mantel und Reiseköfferchen zulächelt und sich problemlos als identisch mit der erzählenden Stimme des Buches erkennen lässt, scheint selbst nicht recht zu wissen, ob seine Prosa nicht auch einen nüchternen Zweck haben soll. Und so wandert er mit dem Leser durch Berlin und erteilt beflissen Ratschläge eines Reiseführers für Individualtouristen: "Verlassen Sie das Museum halbgesehen"; "kaufen Sie sich eine Tages- oder eine Wochenkarte (für die öffentlichen Verkehrsmittel), das lohnt sich immer"; die Friedrichstraße: "Suchen Sie nicht herauszufinden, warum die berühmt ist. Gehen Sie ein wenig auf und ab, als sei da etwas." Der missglückte Versuch also, aus ein paar Reiseskizzen etwas zu machen, das man als "Erzählung" zwischen zwei Buchdeckel bringen kann?

Weit gefehlt. Matthias Zschokke ist kein (wenn auch besonders beobachtungsbegabter) Reiseführer - und seine Tipps (auch wenn viele zu beherzigen sein dürften) nur eine raffinierte Methode, den Leser in einer scheinbar plauderhaften Sicherheit zu wiegen, sie mitzunehmen in etwas, das sich als harmlos ausgibt. Sanft, unaufdringlich knüpft Zschokke seinen erzählerischen Faden, springt durch die Welt, ist weit weg und gleich wieder in der Nähe, lädt ein zu seinen Erkundigungen eines eher ziellos Reisenden, bezaubert mit seiner Beobachtungsgabe: Man sitzt und friert mit ihm im ungeheizten königlichen Theater S. João in Porto und freut sich am respektvollen, wenn auch etwas uneingeweihten Publikum; man fährt mit ihm nach Weimar, zum Urort deutscher Schwermut, "melancholisch zum Umarmen"; man begleitet ihn nach Jordanien, lässt sich von seiner Schwärmerei für das ungehetzte, freundliche Miteinander der arabischen Welt und ihre Sehenswürdigkeiten ("wohltuend schlecht ausgebeutet") anstecken, so dass die gedämpft kritischen Töne umso stärker hervortreten. Subtil-funkelnde Polemiken gegen misslungene Mahlzeiten, überteuerte Hotels und unfreundliche Behandlung setzen den Kontrapunkt für die Begeisterung eines reisenden Schriftstellers, der allem Neuen aufgeschlossen gegenübertritt, schon weil es ihm, wenn nicht den Tag verschönt, so doch einen Erzählimpuls liefert.

Der Höhepunkt des Buches: die New Yorker Passagen, das Staunen eines Mannes, der klischeebeladen eintrifft und diese Bilder bald bestätigt und widerlegt sieht, vor allem aber: der eine bebende Welt findet, die ihn selbst verändert und mitreißt. Spätestens hier wird klar, dass es in "Auf Reisen" nur auch, fast nebenher, um Orte geht, die bereist werden. Das Buch erzählt in fulminanter Schnörkellosigkeit von einem Melancholiker, der wegfährt, um sich neu zu entdecken. Was auch gelingt. Jedenfalls für die Zeit der Reise. Danach, zurück in Berlin, "kam ich mir wieder ziemlich ähnlich vor". Doch der vermeintlich "alte Trott" wird von einem neuen Ton grundiert: Leidenschaftlich wettert der Weitgereiste gegen die Berliner Restaurants ("zum Speien") und gegen die virtuose Ehrgeizlosigkeit ihrer Betreiber. Wer von magersüchtigen Modelschönheiten in Manhattan das Gefühl vermittelt bekam, nicht existent zu sein, und dies als Reise zum Kinderwunsch nach einer Tarnkappe erlebt, lässt sich - zumindest schriftlich - nicht mehr alles gefallen, schon gar nicht von Berliner Köchen.

Zschokkes Erzählreise gleicht seinem Aufenthalt in Neuchâtel. "Ernüchternd" war die Ankunft im Hotel: das Zimmer ohne Seeblick, obwohl er dies eigens gebucht hatte, und im Übernachtungspreis des Grandhotels das Frühstück nicht inbegriffen, eine "Saumode", wie Zschokke schimpft: "Wie soll einer ... einschlafen können, ohne Aussicht auf Kaffee?!" Wenig später, den Erwartungen zuwiderlaufend, folgt das überaus beglückte Fazit des Aufenthalts, mit einer liebevollen Reverenz an den "Lieblingsautomaten", "l'écrivain", der im Neuenburger Kunstmuseum auf Knopfdruck "schöne Sachen" auf Papier schreibt, zum Beispiel: "Der große Hauch". Er weht durch Zschokkes Buch.

TILMANN LAHME

Matthias Zschokke: "Auf Reisen". Erzählung. Ammann Verlag, Zürich 2008. 236 S., geb., 18,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Sibylle Saxer kann Matthias Zschokkes jüngstem Buch, in dem er bereits andernorts erschienene Reiseerzählungen zu einer einzigen Erzählung zusammengefügt hat, durchaus einiges abgewinnen. Der Erzähler, den man nicht nur wegen des Buchumschlagfotos getrost als den Autor selbst verstehen darf, wie die Rezensentin versichert, gibt sich als "moderner Flaneur", der aus Berlin immer wieder aufbricht um nach Weimar, Amman, Budapest oder Liestal und zurück nach Berlin zu reisen. Seine Reiseerlebnisse und Beobachtungen, die auch schon mal "handfeste Tipps" für reiselustige Leser bereithalten, sind elegant und humorvoll erzählt, betont Saxer. Aber in der gefälligen "Oberfläche" sieht sie auch das Problem dieser Erzählung, denn mehrdeutige Beobachtungen, die der Autor durchaus gemacht habe, gehen dabei zumeist unter, beklagt die Rezensentin. Und so findet sie überwiegend in den Berlin-Kapiteln des Buches einen Sinn für spannungsreiche Untiefen, der auch dem Buch insgesamt gut getan hätte, wie Saxer ein bisschen enttäuscht meint.

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