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Obschon die Schweiz eine der ältesten Demokratien ist, hat sie vergleichsweise spät als international anerkannter Staat eine eigentliche Außenpolitik betrieben. Weshalb? Für die Staatsmänner der Schweiz galt es in erster Linie, das Innere zu ordnen, man war seit dem Wiener Kongreß 1815 ja auch verpflichtet, eine bewaffnete Neutralität einzuhalten. Und gerade die Neutralität machte die Väter des Bundesstaats zu vorsichtigst optierenden und operierenden Politikern, die erst dann auf dem außenpolitischen Parkett Europas auftraten, als von den umliegenden Nachbarländern gerade diese Neutralität in…mehr

Produktbeschreibung
Obschon die Schweiz eine der ältesten Demokratien ist, hat sie vergleichsweise spät als international anerkannter Staat eine eigentliche Außenpolitik betrieben. Weshalb? Für die Staatsmänner der Schweiz galt es in erster Linie, das Innere zu ordnen, man war seit dem Wiener Kongreß 1815 ja auch verpflichtet, eine bewaffnete Neutralität einzuhalten. Und gerade die Neutralität machte die Väter des Bundesstaats zu vorsichtigst optierenden und operierenden Politikern, die erst dann auf dem außenpolitischen Parkett Europas auftraten, als von den umliegenden Nachbarländern gerade diese Neutralität in Frage gestellt worden ist.
Paul Widmer, Historiker und Botschafter der Schweiz, zeigt am Beispiel von sieben Persönlichkeiten der Schweizer Außenpolitik einerseits die politisch auf das Weltgeschehen Einfluß nehmenden Möglichkeiten eines Kleinstaates, andererseits stellt er bewußt das politische Ringen dieser Persönlichkeiten um die Respektierung der Neutralität in den Mittelpunkt seiner Untersuchungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2003

Sonderfall der Geschichte
Paul Widmers kluges Buch über die Neutralität der Schweiz

Paul Widmer: Schweizer Außenpolitik und Diplomatie. Von Pictet de Rochemont bis Edouard Brunner. Ammann Verlag, Zürich 2003. 456 Seiten, 32,80 [Euro].

Der Diplomat und Historiker Paul Widmer hat eine Darstellung der Schweizer Außenpolitik und Diplomatie vorgelegt, deren Methode und Ertrag gleichermaßen bemerkenswert sind. Der historische Gegenstand wird in sieben biographischen Porträts gespiegelt. Selbstverständlich ist die Auswahl der vorgestellten Repräsentanten auch subjektiv gefärbt und mutet dennoch alles andere als beliebig an: Charles Pictet de Rochemont, der Genfer Patrizier auf dem Wiener Kongreß, gilt als "Urheber . . . der völkerrechtlich verbrieften Neutralität" des Landes. Johann Konrad Kern, der die Schweiz von 1857 bis 1883 in Paris vertrat, kann als der "erste berufsmäßige Diplomat" der helvetischen Konföderation angesehen werden. Numa Droz, ein Schweizer "mit Lust auf Außenpolitik", wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der erste Bundesrat, "den man im eigentlichen Sinne als Außenminister bezeichnen kann". Max Huber, "ein großbürgerlicher Patriot mit pazifistischem Einschlag", verkörpert im Verlauf des 20. Jahrhunderts geradezu die Verrechtlichung der äußeren und internationalen Politik und war zutiefst davon überzeugt, daß "der kleine Staat . . . seine größte Stärke in seinem guten Recht" besitzt. Giuseppe Motta, zwischen Idealismus und Realpolitik hin- und hergerissen, von entschiedenem Antikommunismus gegenüber der Sowjetunion ebenso geprägt wie von einer gar nicht zu übersehenden Sympathie für das faschistische Italien, war in der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts "ohne Zweifel die prägende Kraft in der Außenpolitik". Max Petitpierre, der kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs Außenminister wurde, hat das große Verdienst, die Schweiz, die sich gerade aufgrund ihrer Neutralität gegenüber den Siegern und Besiegten im blutigen Völkerringen nach 1945 in einer mehr als problematischen Lage befand, aus der gefährlichen Isolation heraus- und "sachte an die neuen Verhältnisse" herangeführt zu haben. Bleibt schließlich Edouard Brunner, "ein Meister seines Fachs", der mit Kompetenz und Phantasie die Schweizer Neutralität mit den Erfordernissen der globalen Détente, beispielsweise im Rahmen der KSZE-Verhandlungen, zu verbinden und seinem Land damit eine beinahe weltpolitische Bedeutung zu verschaffen verstanden hat.

Paul Widmers Schweizer Porträtgalerie erinnert, nicht zuletzt im Hinblick auf die magische Zahl ihrer Auswahl, an jene sieben sagenhaften Könige Roms, die gleichfalls - sieht man einmal vom letzten ab - jeder für sich zur staatlichen Grundlegung des Gemeinwesens beigetragen haben. Allein: Daß der Confoederatio Helvetica die Existenz eines Tyrannen vom Schlage des Lucius Tarquinius Superbus erspart geblieben ist, hat mit der von Beginn an vorwaltenden und bis heute andauernden Staatsklugheit der Schweizer zu tun. Denn seit dem Ausgang des Mittelalters schlugen sie einen segensreichen "Sonderweg" durch die europäische Geschichte ein: "Dem neuzeitlichen Drang nach einem großen und starken Staat sowie dem Wettkampf um Gebietserwerb und Eroberungen begegneten sie freiwillig mit Machtverzicht." Vielmehr huldigten die Eidgenossen innerem Republikanismus und äußerer Neutralität und gaben vor allem ihre außenpolitische Maxime im Banne der direkten Demokratie niemals auf.

Gewiß, als das Land im Gefolge des Ersten Weltkriegs dem Völkerbund beitrat, mußte die umfassende zugunsten einer differentiellen, nur auf die militärische Komponente beschränkten Neutralität verändert werden. Und in unseren Tagen hat die uneingeschränkte Neutralität gleichfalls durch eine unumgängliche Anpassung an die Erfordernisse der Zeit ihren spezifischen Wandel erfahren, nur: beibehalten wurde und wird sie nach wie vor. Regelmäßig, vor allem nach den großen Erschütterungen und Zäsuren des 20. Jahrhunderts, 1918, 1945 und 1990, geriet die Schweizer Neutralität in das Kreuzfeuer der nationalen und internationalen Kritik. Denn gegenüber der Vision einer neuen Welt, gegenüber ihren fortschrittlichen Einrichtungen, gegenüber dem gerechten Krieg für die gute Sache neutral zu verharren erschien und erscheint nicht wenigen einfach als unmoralisch.

Ein um das andere Mal hat die Schweiz darauf mit staatskluger Geschmeidigkeit reagiert, hat sich den internationalen Organisationen der Weltgesellschaft nicht grundlegend verweigert, aber auch nicht um jeden Preis verschrieben. Dabei hat sie ihre Neutralität keineswegs kaltherzig praktiziert, sondern ihre Außenpolitik vielmehr durch großherzige Hilfe, durch ihr aktives Eintreten für Humanität und Menschenrechte zu veredeln gewußt. Mehr noch: Sie hat sich auch nicht - jedenfalls nicht auf lange Zeit - hinter einer "chinesischen Neutralitätsmauer" verschanzt, sondern hat sich vielmehr darum bemüht, Distanz gegenüber der Welt und Zugehörigkeit zu ihr miteinander in Einklang zu bringen, ohne der von Zeit zu Zeit immer wieder einmal auftauchenden Versuchung zu erliegen, ihre Neutralität als einen Exportartikel oder gar als ein helvetisches "manifest destiny" mißzuverstehen.

Paul Widmer hat ein kluges Buch geschrieben, das die direkte Demokratie und die äußere Neutralität der Schweizer als einen untrennbaren Sonderfall der Geschichte würdigt. Dabei huldigt der ebenso gebildete wie praxisnahe Autor einem Verständnis von Historie, wonach "die Geschichte eine Lehrmeisterin ist". Seine Erkenntnisse über den helvetischen Sonderweg ziehen sich schließlich in einem die innere ebenso wie die äußere Politik umfassenden Fazit der Schweizer Geschichte so zusammen: Integriert sich die Schweiz "zu stark in die internationale Gemeinschaft, zerbricht der Konsens im Innern; verschließt sie sich den neuen regionalen und globalen Herausforderungen, riskiert sie die Isolation nach außen. Beides würde es verunmöglichen, das zu tradieren, was man gerade als unverzichtbares Erbe bewahren möchte."

KLAUS HILDEBRAND

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Paul Widmers "kluges Buch" über die Neutralität der Schweiz hat Rezensent Klaus Hildebrand rundum überzeugt. Im Blick auf Methode und Ertrag findet er das Buch "gleichermaßen bemerkenswert". Wie er ausführt, stellt Widmer die Schweizer Außenpolitik und Diplomatie im Spiegel von sieben biografischen Porträts dar. Die Auswahl der vorgestellten Repräsentanten von Pictet de Rochemont über Max Huber bis zu Edouard Brunner ist nach Ansicht Hildebrands zwar auch "subjektiv gefärbt", erscheint aber dennoch "alles andere als beliebig". Sie erinnert den Rezensenten an jene sieben sagenhaften Könige Roms, die gleichfalls staatlichen Grundlegung des Gemeinwesens beigetragen haben. Im Mittelpunkt sieht Hildebrand dabei Widmers Darstellung des Schweizer "Sonderwegs", geprägt von den beiden Polen "innerer Republikanismus" und "äußere Neutralität", zwei Aspekte der Schweizer Politik, die der Autor als einen "untrennbaren Sonderfall der Geschichte" würdige.

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