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Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zerfällt in zwei klar zu trennende Abschnitte: 1919 bis 1932 und 1933 bis 1939. Der erste ist von dem Versuch beherrscht, einen Großteil der Welt in das durch die Friedensverträge geschaffene System zu zwängen und ihr somit einen "Gipsverband anzulegen". Den zweiten Abschnitt charakterisiert das Drängen Adolf Hitlers, durch Rosstäuscherei und eine Reihe von Gewaltakten diesen Gipsverband zu sprengen. Sein Vorgänger war der zündelnde Kurt von Schleicher, sein Nachfolger der gutwillige Konrad Adenauer. Daher der Untertitel des ersten Bandes, "1919 bis…mehr

Produktbeschreibung
Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zerfällt in zwei klar zu trennende Abschnitte: 1919 bis 1932 und 1933 bis 1939. Der erste ist von dem Versuch beherrscht, einen Großteil der Welt in das durch die Friedensverträge geschaffene System zu zwängen und ihr somit einen "Gipsverband anzulegen". Den zweiten Abschnitt charakterisiert das Drängen Adolf Hitlers, durch Rosstäuscherei und eine Reihe von Gewaltakten diesen Gipsverband zu sprengen. Sein Vorgänger war der zündelnde Kurt von Schleicher, sein Nachfolger der gutwillige Konrad Adenauer. Daher der Untertitel des ersten Bandes, "1919 bis 1932, Eine Welt im Gipsverband", jener des zweiten, "1933 bis 1939, Der Mann zwischen Kurt und Konrad".
Grundlage dieses Werkes sind politische Berichte schweizerischer, österreichischer und belgischer diplomatischer Missionschefs nach Bern, Wien und Brüssel.
Autorenporträt
Dr. Erwin Matsch, geb. 21.8.1930, hatte 37 Jahre lang dem österreichischen diplomatischen Dienst angehört. Er war in zugeteilter Verwendung an den Botschaften in Bern, Warschau, Belgrad und Madrid. 1978-1980 ist er Botschafter in Zaire und 1981-1986 in Lybien gewesen. 1988 wurde er zum Botschafter im Irak bestellt. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze, die sich alle mit außenpolitischen Themen oder solchen der Diplomatie befassen. 1992 wurde ihm das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft I. Klasse verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2006

Diplomatengeflüster
Die Zwischenkriegszeit im Spiegel österreichischer Gesandtenberichte

Nach 37 Jahren diplomatischen Dienstes und bei nunmehr faszinierender Produktivität als Historiker legt Erwin Matsch eine eigenwillige Geschichte der 21 Jahre zwischen den Weltkriegen vor. Mit gängigen Metaphern, meist auf Äußerungen von Zeitgenossen fußend, wird diese dramatische Epoche mit fatalem Ausgang charakterisiert. Deren prägende Vorgeschichte sei der Erste Weltkrieg gewesen, der - bei einem Hineinrutschen Österreichs in die Katastrophe - angeblich vom deutschen Kaiserreich zu verantworten sei und in nationaler wie sozialer Hinsicht eine Weltrevolution dargestellt habe. Eingemündet sei dieser Krieg in einen Waffenstillstand, die Fortsetzung der Kämpfe sei durch Deutschland mit dessen Fixierung auf die Dolchstoßlegende programmiert gewesen.

Als "papiernes Machwerk" werden die Pariser Vorortverträge abgetan, hätten sie doch weder die von Clemenceau betriebene "große Abrechnung" mit Deutschland noch Wilsons heilen, demokratischen Völkerbund gebracht. Statt dessen sei der Welt mit dem Ziel, den Frieden herbeizuführen, für eine bis 1932 anhaltende erste Phase ein "Gipsverband" angelegt worden. Immer neue Verträge hätten einem politischen Kartenhaus geglichen, für dessen Instabilität vor allem Berlin und Moskau gesorgt hätten, während der Völkerbund keine stabilisierende Wirkung habe entfalten können. Die Aversion des Autors gegen die deutsche Politik auf die Spitze treibend - komplementär hierzu erscheint das schließlich von Hitler "gewaltsam besetzte" Österreich auffallend geschont und von Deutschland abgegrenzt -, wird der Demokrat Stresemann (angeblich geprägt durch territoriale Ansprüche im Osten, Südosten und Westen) mit den auf Weltherrschaft fixierten Kremlherren in einen Topf geworfen. So habe Zwischeneuropa einem Hühnerhof geglichen, mit Deutschland beziehungsweise der Sowjetunion als bösen Wölfen, an deren Seite in Fernost das expansionistische Japan auf Jagd gegangen sei.

Schon das Jahr 1931 habe einen Wendepunkt markiert, als Japan zur offenen Kriegführung gegen China überleitete und der Nationalismus in Deutschland seine Maske fallen gelassen habe. In der Phase von 1933 bis 1939 habe dann vor allem der "Mann zwischen Kurt und Konrad", wie Hitler in geschmackloser Weise als deutscher Regierungschef zwischen Schleicher und Adenauer tituliert wird, den Gipsverband zunächst mit Roßtäuschereien und alsbald mit einer Reihe von Gewaltakten zu sprengen gesucht; Ziel sei bei Beendigung des Waffenstillstands der Raum-Rasse-Krieg des nationalsozialistischen Deutschlands gewesen. Hierbei wird auch auf die weltweiten Ambitionen der stalinistischen Sowjetunion hingewiesen, beispielsweise im Kontext des Spanischen Bürgerkrieges von 1936 bis 1939 oder des Hitler-Stalin-Paktes 1939.

Bei dieser historischen Einordnung legt der Autor eine chronologisch angelegte Quellensammlung vor, bestehend aus österreichischen Gesandtenberichten, verfaßt in vierzig Metropolen der Welt, häufig in denen der Großmächte. Wenn - wie in den Anfangsjahren der Republik Österreich oder nach deren Anschluß an Deutschland - österreichische Texte fehlen, werden Schweizer, belgische oder dem Völkerbund entstammende Vorlagen präsentiert, angeblich Quellen "verwandten" Ursprungs. Matsch verzichtet auf eine Nennung oder Charakterisierung der Verfasser der Berichte sowie - weitestgehend - auf eine literaturgestützte Einordnung des komplexen Weltgeschehens mit vielen Brennpunkten und unzähligen Nebenschauplätzen. Immerhin ergänzen ein Register und die eingangs referierte, von Schlagseiten nicht freie Grobeinordnung des Geschehens das Quellenkompendium. Mithin ist es das Ziel des Autors, dem interessierten Leser Informationen "aus erster Hand" über die rauhen Jahre zwischen den Weltkriegen vorzulegen, mit denen dieser sich direkt und an wissenschaftlichen Forschungen vorbei Einblicke in Einzelbereiche der Zeit verschaffen beziehungsweise gängige historische Auffassungen überprüfen kann.

Herausgekommen ist ein recht beeindruckendes historisches Panorama, und zwar dank der ansehnlichen Qualität der auch für Laien meist verständlichen Berichte von Diplomaten, die sich angesichts der dominierenden robusten Großmächtepolitik durchweg nicht im Zentrum des Geschehens bewegten, doch aus dieser mißlichen Lage noch das Beste zu machen wußten. Angeleuchtet werden beispielsweise neben den Kernbereichen Deutschland, Sowjetunion und Japan so disparate Komplexe wie die aus einer starken Reserve heraus gestaltete, aber alles andere als ineffektive Politik der Vereinigten Staaten, das ruinöse politische Treiben der Engländer in Palästina, die intrigenreichen und oft fremdgesteuerten Richtungskämpfe in China oder die hoffnungslosen Stabilisierungsversuche baltischer Politiker.

Insider-Informationen von gewissem Interesse für die Forschung sind bisweilen zu finden: Bemerkenswerte Hinweise zum politischen Werdegang von Eduard Benesch zeigen diesen als Kulissenschieber bei den Pariser Vorortverträgen, als nach dem entscheidenden Triumph suchenden Repräsentanten der stets bedrängten Tschechoslowakei und als in übler Weise Düpierten durch das Münchener Abkommen vom 29. September 1938. Berichte aus Paris zeigen, wie danach nationalsozialistische Repräsentanten an der Seine hofiert wurden. Und ausgerechnet der Diplomat alter Schule und Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Ernst von Weizsäcker, kündigte am 15. November 1938 in Paris "über kurz oder lang" die "vollständige Vernichtung" der in Deutschland verbliebenen 500 000 Juden an, wenn diese nicht abgeschoben werden könnten.

Bei allem Interesse und aller Wertschätzung der Quellen bleibt festzuhalten, daß das Werk keinen Anspruch erheben kann, insgesamt Endgültiges und Gesichertes zu vermitteln. Durchgängig zu beobachten sind vor allem die zeitspezifischen Verwicklungen der Berichterstatter, die zudem ihre eigenen Aussagen oft diplomatisch relativierend auch noch selbst in Frage stellen. Bei der angesprochenen "Judenfrage" konzentrieren sich die Diplomaten auf punktuelle internationale Verwicklungen; den seit 1933 anlaufenden, durchgängig auf die Propagandawaffe gestützten und stetig ausgeweiteten Krieg der Nationalsozialisten gegen Juden als Anfangsstufe der rasssenideologischen Vernichtungspolitik "übersahen" die Diplomaten ebenso "großzügig" wie die "arische" Bevölkerung in Deutschland. Und wenn - wie häufig geschehen - von Kriegsvorbereitungen Hitler-Deutschlands die Rede war, konnte man sich darauf verlassen, daß auch Hitlers Friedensschalmeien gleich mit erwähnt und über die Unwahrscheinlichkeit eines raschen Kriegsausbruches philosophiert wurde. Solcherlei "Warnungen" stellten Alibi-Aktionen dar, und Hitler hätte sich mit seiner Verachtung für skrupulöse und am Kern des Geschehens vorbeischauende Diplomaten (wie insgesamt für Intellektuelle) vollauf bestätigt gesehen.

GÜNTER WOLLSTEIN

Erwin Matsch (Herausgeber): Internationale Politik 1919-1939. 4 Bände. Böhlau Verlag, Wien 2005. 1411 S., 139,- .

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Etwas "eigenwillig" findet Rezensent Günter Wollstein vorliegende Geschichte der Zwischenkriegszeit 1919-1939, die Erwin Matsch vorgelegt hat. Dessen historische Einordnung dieser Epoche betrachtet Wollstein distanziert, ohne jedoch dezidiert Einspruch zu erheben. Nur die Bezeichnung Hitlers als "Mann zwischen Kurt und Konrad", also zwischen Schleicher und Adenauer, scheint ihm "geschmacklos" und der Vergleich Stresemanns mit Stalin völlig daneben. Aber Wollstein interessiert sich ohnehin mehr für die politischen Berichte von österreichischen, schweizerischen und belgischen diplomatischen Missionschefs, die der Band enthält, als für Matschs historische Einordnung des Geschehens. Diese Berichte über die politische Situation der Zeit bieten seines Erachtens ein "beeindruckendes historisches Panorama". Allerdings hebt Wollstein hervor, dass die Berichte - so interessant und aufschlussreich und für den Laien gut verständlich sie sein mögen - letztlich nicht den Anspruch erheben können, "Endgültiges und Gesichertes" zu vermitteln.

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