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Produktdetails
  • Verlag: Europa Verlag
  • Seitenzahl: 319
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 554g
  • ISBN-13: 9783203755403
  • ISBN-10: 3203755408
  • Artikelnr.: 24586727
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2000

Schlüsselfilme für den Sheriff
Michael E. Birdwell erzählt, wie Warner Bros. ganz Amerika gegen die Nazis aufbrachte

Einfache Leute, aber herzensgut! Die Abgesandten aus Hollywood trauten ihren Augen kaum, als sie 1939 nach Tennessee ins Wolf River Valley kamen. Sie wollten Alvin York die Rechte an seinem Leben abschwatzen. York war ein Kriegsheld; mit acht Gefährten hatte er 1918 in Frankreich 132 Deutsche gefangengenommen. Das ideale Vorbild also für eine neue amerikanische Intervention in Europa, wo die Nazis gerade von einem diplomatischen Triumph zum andern eilten und alsbald den Zweiten Weltkrieg entfesseln sollten. Warner Bros., eines der fünf großen Hollywood-Studios jener Jahre, wollte einen Film drehen, der den amerikanischen Kampf für Demokratie verherrlichte, um die isolationistischen Kräfte in den Vereinigten Staaten zu beschämen. Da kam Alvin Yorks Ruhm gerade recht.

Doch in Tennessee war man zwar gastfreundlich, aber auch fanatisch christlich. York selbst gehörte einer Sekte an, die in den Juden immer noch Gottesmörder sah. Deshalb waren die jüdischen Mitarbeiter der jüdischen Gebrüder Warner nicht unbedingt willkommen. Andererseits hatte man hier aber auch noch nie einen Juden gesehen, und die Verbindlichkeit der kalifornischen Besucher schlug schnell Breschen in die antisemitische Phalanx des Wolf River Valley. Zudem brauchte York gerade Geld und warf seine religiösen Bedenken gegen das Teufelswerk Film kurzerhand über Bord. So entstand nach mühsamem Beginn im Frühjahr 1941 der Film "Sergeant York" mit Yorks Wunschschauspieler Gary Cooper in der Hauptrolle.

Er markierte den Höhepunkt des antifaschistischen Feldzugs, den Warner Bros. in den dreißiger Jahren auf der Leinwand austrug. Die Gründer des Unternehmens, die vier Brüder Warner, waren Söhne eines polnischen Juden, der sich vor Pogromen in die Vereinigten Staaten gerettet hatte. Michael E. Birdwell erzählt leicht hagiographisch, wie diese Lebenserfahrung das Handeln eines ansonsten kühl kalkulierenden Studios bestimmt hat. Als es gegen Hitler ging, wuchs in den Warners die Kampfbegier.

Als einziges großes Studio hatten sie schon 1934 alle Geschäftsbeziehungen mit Deutschland abgebrochen, nachdem schon zwei Jahre zuvor der Kauf der UFA durch Warner an den antisemitischen Schmähungen gescheitert war, die Studiochef Harry Warner überall in Berlin beobachten mußte. Doch die Aufmerksamkeit von Warner Bros. beschränkte sich nicht auf Deutschland. Auch die faschistischen Strömungen in den Vereinigten Staaten wurden von dem Studio genau verfolgt. In den frühen dreißiger Jahren reüssierte Warner vor allem mit Filmen, die sich an aktuellen Ereignissen orientierten. Aus dieser Tradition entstanden 1937 "Black Legion", ein Film über die gleichnamige gewalttätige Organisation, und zwei Jahre danach "Confessions of a Nazi Spy", der sich mit der Aufdeckung eines deutschen Spionagerings durch das FBI beschäftigte. Zusammen mit "Sergeant York" sind das die drei Schlüsselfilme, die im Mittelpunkt von Birdwells Buch stehen. Sie sollten den Weltpolizisten wieder tatendurstig machen.

Der amerikanische Historiker berichtet aber vor allem über das politische Umfeld jener Jahre. So entsteht am Beispiel der Filmindustrie ein Porträt der Vereinigten Staaten während der unmittelbaren Vorkriegszeit, als bittere Debatten darüber ausgetragen wurden, ob Amerika sich noch einmal in einen europäischen Krieg hineinziehen lassen dürfe. Als prominenteste Opponenten profilierten sich auf der Seite der Interventionisten Alvin York, dessen Ruhm durch seine Filmbiographie wieder aufgefrischt wurde, und auf der Gegenseite der legendäre Flieger Charles Lindbergh, den die Leistungen der Nazis beeindruckt hatten, während ihm das Britische Empire immer noch als Gegensatz zur amerikanischen Demokratie erschien.

Die Auseinandersetzung wurde hart geführt, und Birdwell zeichnet sie sorgfältig nach. Allerdings ist die auf den Zweikampf York-Lindbergh beschränkte Darstellung in ihrer Genauigkeit etwas ermüdend. Gerne hätte man noch mehr über die Konfliktlinien in Hollywood erfahren, wo Warner bis zum deutschen Einmarsch in Frankreich isoliert war. Zudem ist das Buch nicht flüssig übersetzt und enthält manche kleinen Widersprüche, die das Lesevergnügen empfindlich stören. So haben angeblich nur sieben Kameraden von York die heldenhafte Aktion von 1918 überlebt, aber Birdwell zählt neun Namen auf. Als ein Senatsausschuß im August 1941 Ermittlungen gegen Hollywood wegen angeblicher Kriegshetze aufnahm, soll "Sergeant York" für fast ein Jahr aus den Kinos zurückgezogen worden sein, aber im September 1941 hat Lindbergh ihn angeblich noch gesehen. Und ob Warner Bros. 525 Kinos besessen hat oder nur 275, hätte sich sicherlich leicht klären lassen, wenn man es nur gewollt hätte.

Ernst ist das Leben, ernst auch die Kunst, besonders im Kintopp jener Jahre. Hollywood unterstützte nach dem amerikanischen Kriegseintritt begeistert die kämpfenden Truppen. Mit "Casablanca" produzierte Warner 1942 den eindrucksvollsten Film dieser Ära - eine Parabel auf den mühseligen Weg der Amerikaner in den Krieg. Hier war nichts mehr vom Semidokumentarismus der früheren Antinazifilme zu spüren, das Melodram kam nun zum Kriegseinsatz. Nur das amerikanische Ideal blieb dasselbe: Auch unter Ricks harter Schale steckt ein weicher Kern. Kein einfacher Mann, aber gleichfalls herzensgut.

ANDREAS PLATTHAUS

Michael E. Birdwell: "Das andere Hollywood". Die Kampagne der Warner Bros. gegen die Nazis. Aus dem Amerikanischen von Susanne Klockmann. Europa Verlag, Hamburg 2000. 319 S., 10 Abb., geb., 44,50 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Victor Rotthaler sagt in seiner Rezension leider nichts über die Stärken und Schwächen dieses Buchs. Stattdessen erfährt der Leser so einiges über den Inhalt des Buchs, etwa dass Harry Warner schon in den "frühen Dreißigern vor dem Hitler-Regime warnte" und sich damit den Unmut zahlreicher amerikanischer Organisationen zuzog. Das Studio habe sogar Einfluss auf die amerikanische Außenpolitik nehmen wollen, und nach Ansicht des Rezensenten war es keineswegs ein Zufall, dass hier 1939 der Film "Confessions of a Nazi Spy" entstanden ist. Rotthaler geht dann noch kurz auf das "Nye-Clark-Committee" ein, das Filme wie "Confessions of a Nazi Spy" oder auch "The Great Dictator" auf schwarze Listen setze und "Hollywood der Kriegstreiberei" beschuldigte. Die Anhörungen seien allerdings mit Amerikas Eintritt in den Krieg im Dezember 1941 eingestellt worden.

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