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Die Wiener Hofburg, die riesige Residenz der Habsburger, brennt - und der Psychiater Heinrich Pollanzy hat einen Verdacht: Könnte sein pyromanischer Patient Philipp Stourzh der Täter sein? Während Stourzh auf den Spuren des letzten österreichischen Kaisers Karl nach Madeira und Madrid reist, führt auch Dr. Pollanzys Weg von Wien nach Spanien. Dort kommt es zu einer dramatischen Begegnung mit seinem Patienten. Oder war alles ganz anders? Welche Rolle spielt die Logopädin Astrid, die mit Pollanzy wie mit Stourzh ein Verhältnis zu unterhalten scheint? Welchem Erzähler ist in diesem Buch überhaupt…mehr

Produktbeschreibung
Die Wiener Hofburg, die riesige Residenz der Habsburger, brennt - und der Psychiater Heinrich Pollanzy hat einen Verdacht: Könnte sein pyromanischer Patient Philipp Stourzh der Täter sein? Während Stourzh auf den Spuren des letzten österreichischen Kaisers Karl nach Madeira und Madrid reist, führt auch Dr. Pollanzys Weg von Wien nach Spanien. Dort kommt es zu einer dramatischen Begegnung mit seinem Patienten. Oder war alles ganz anders? Welche Rolle spielt die Logopädin Astrid, die mit Pollanzy wie mit Stourzh ein Verhältnis zu unterhalten scheint? Welchem Erzähler ist in diesem Buch überhaupt noch zu trauen?

Gerhard Roths neuer Roman ist eine faszinierende Reise in die Grenz- und Krisengebiete von Wahn und Wirklichkeit. Sie führt uns durch halb Europa und quer durch die Zeiten vor die Gemälde eines Velázquez, Goya und Arcimboldo, durch die literarischen Schatz- und Dunkelkammern eines Kafka, Pessoa und Cervantes, durch spanische Stierkampfarenen, Wiener Kaffeehäuser und Museumsdepots.

Roths Roman durchbricht mit Kühnheit und Wucht alle Grenzen des Genres. Er ist ein großartiges Kompendium vergessenen Wissens und ein gelehrter Reiseführer durch die verborgenen Zusammenhänge von Kunst, Politik, Religion und Geschichte - eine raffinierte Spurensuche voller unerwarteter Wendungen, ein mitreißendes Abenteuer des Lebens wie des Lesens.
Autorenporträt
Gerhard Roth, 1942 in Graz geboren, war nach seinem Medizinstudium Organisationsleiter im Rechenzentrum Graz. Heute lebt er als freier Autor in Wien und in der Steiermark. Roth wurde unter anderem mit dem Preis der SWF-Bestenliste, dem "Alfred-Döblin-Preis" und dem "Preis des Österreichischen Buchhandels" ausgezeichnet. 2012 erhielt er den "Jakob-Wassermann-Literaturpreis" der Stadt Fürth, 2015 den "Jean-Paul-Preis" und 2016 den "Hoffmann-von-Fallersleben-Preis" für zeitkritische Literatur sowie den "Großen Österreichischen Staatspreis".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.10.2005

Feuer in der Hofburg
Brand, Vernichtung und Gedächtnis: Gerhard Roth streift gemächlich durch seinen Roman „Labyrinth”
Sind Dichter Brandstifter? Als im Jahre 1992 die Wiener Hofburg brannte, die berühmten Redoutensäle und das Dach der Nationalbibliothek, machte ein einheimischer Kritiker den Dichter dingfest. Gerhard Roth sei „der wahre Brandstifter”, hieß es, ein Nestbeschmutzer wie seine berühmten Kollegen Bernhard und Jelinek - Leute, die in den Eingeweiden österreichischer Geschichte und Befindlichkeit wühlen und Unappetitliches zu Tage fördern.
Der so Gescholtene nahm den Ball auf und schildert in seinem jüngsten Roman „Das Labyrinth” den Brand als Tat eines pyromanischen Studenten namens Philipp Stourzh - halb Überflieger, halb Untergeher, ein manisch-depressiver Einzelgänger und Selbstbeobachter. Stourzh’ Psychiater Heinrich Pollanzy, der in der Hofburg wohnt, beobachtet das Feuer, die Löscharbeiten und Verwüstungen. Er stellt Vermutungen über die Täterschaft des Philipp Stourzh an, bis am Ende herauskommt, dass er selbst die Kopfgeburt des Patienten ist. Den Pyromanen wiederum - er ist inzwischen zum Hilfspfleger in der psychiatrischen Anstalt Gugging bei Wien avanciert - erfindet der schizophrene, stumme Maler Franz Lindner, jene Lichtgestalt, die Roth bereits durch mehrere Romane hindurchgeschleust hat, mitsamt seinem verbrecherischen Gegenspieler, dem Vormund und Rechtsanwalt Jenner. Ein Verwirrspiel mit blinden Ausgängen beginnt.
Gerhard Roths Erzähltechnik ist auf siebenbändige Zyklen hin angelegt. Das Labyrinth ist der fünfte Band des zweiten Zyklus „Orkus”. Er verwendet Figurentypen, stellt Collagen verschiedener Textsorten her und macht mannigfaltige literarische Anspielungen und Anleihen. In „Labyrinth” häufen sich die Ich-Erzähler, klingen Lektüren und „Vorbilder” an wie Marcel Proust, Claude Simon und Jorge Luis Borges, Michel Foucault oder Roland Barthes, die Odyssee und die japanische Erzählung Rashomon. Jede Figur verweist auf die nächste und stellt sie zugleich in Frage.
Pyromanen und Psychiater
Am Fluchtpunkt des Verwirrspiels zum Thema „Wahn und Wirklichkeit” (das offensichtlich Borges’ Labyrinthe zum Paten hat) steht die Romanfigur des Schriftstellers. Er schreibt eine Biografie über den schweigenden Lindner und dessen Kunst - und verwendet dazu, man ahnt es schon, die Aufzeichnungen des Pyromanen. Am Ende hat er das letzte Wort. Wie zu Beginn des Romans der Psychiater, steht nun der Schriftsteller vor Velázquez’ Rätselbild „Las Meninas” im Prado, das die Habsburger Infantin im Kreis ihres Zwergenhofstaates zeigt, und sinniert, wie vor ihm Prousts Marcel, über sein Tun. Der Kreis schließt sich: „Ich wusste, dass alles seine Richtigkeit hatte in diesem Saal. Und als ich ging, nahm ich mir vor, ein Buch zu schreiben, über die Könige, die Geisteskranken und die Künstler. - Und nicht zuletzt über mich selbst.”
Der Autor Gerhard Roth ist ein Sammlertyp, ein Erotomane der Gelehrsamkeit, offenbar will er, was er liebt, mit seinem Leser teilen. Wichtiger als stringente Handlungsabläufe sind ihm die Mechanismen der Geschichte an sich, dieses gefräßigen Verdauungsapparates, der zermalmt und umwandelt, sich einverleibt und ausscheidet. Seinem Roman hat Roth ein Wort des Dichters Novalis vorangestellt: „Der Prozess der Geschichte ist ein Verbrennen.”
Was durch das Raster rutschte, das interessiert Gerhard Roth. Seine Figuren frönen den Leidenschaften ihres Autors, sie graben sich durch Archive, Museen, Bibliotheken, verfassen Abhandlungen über das Erdbeben von Lissabon, über Cervantes, Pascal, Kafka oder Fernando Pessoa, sie gehen auf Reisen und begeben sich auf die Spuren des letzten österreichischen Kaisers Karl I. im Exil auf Madeira. Vom Leben und Sterben des Souveräns zeugt der Brief eines Kindermädchens, das selbst in Vergessenheit geriet. Philipp Stourzh macht sich auf der Atlantikinsel daran, die Gerechtigkeit wieder herzustellen, war doch das Kinderfräulein seine Großmutter.
Brand, Vernichtung, Auslöschung einerseits, andrerseits Gedächtnis, Historie, Vermächtnis - Gerhard Roth schickt seine Leser durch ein Spiegelkabinett verschiedener Ansichten, Stimmen und Obsessionen, er verschränkt Bild- und Landschaftsbeschreibungen und spielt mit den Genres der Reise- und Krimiliteratur. Dabei geht es nicht um die Auflösung eines spannenden „Falls”, vielmehr setzt Roth das Mittel der minutiösen Faktenschilderung als bloßes Aufmerksamkeitssignal ein. Er will die Leserschaft bei der Stange halten, und er will vor allem eins: an die Imagination des Lesers andocken, dessen Gefühle, Sehnsüchte und Erinnerungen wachrufen, die Empfindungen und Gedanken vor diesem oder jenem Bild, in einer Landschaft, bei einer Lektüre. Roth weiß (mit Proust): Jeder Leser schafft sich sein eigenes Buch - und das ist das eigentliche Buch.
Roths selbstreferentielle Zitatkunst hat allerdings auch Nachteile. Die essayistischen Einschübe neigen in ihrer Häufung dazu, sich zu verselbständigen, der Rhythmus der Perspektivwechsel kommt aus dem Tritt, die musikalisch-dynamischen Verhältnisse innerhalb des Textgewebes erscheinen zerdehnt. Die lakonische Sprache der früheren Romane und anregenden Essays („Eine Reise in das Innere von Wien”), die Roth offenbar als Steinbruch verwendet, ist langatmigen Abhandlungen gewichen. Seine solipsistischen Figuren besitzen alle den gleichen trockenen Tonfall, sie wirken wie Vehikel eines Sinns, der mit ihnen selbst wenig zu tun hat - die Männer ebenso wie die einzige Frau des Romans, die biedere Astrid, die nichts von dem verruchten tödlichen Charme hat, mit dem ihr Autor sie offenbar ausstatten wollte. Trotzdem entwickelt das Buch eine Art Sog, und man will doch wissen, wie es weiter geht mit den Romanzyklen des Gerhard Roth. BETTINA EHRHARDT
GERHARD ROTH: Das Labyrinth. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005. 455 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Der Titel "Das Labyrinth" sagt schon alles: Hans-Jürgen Heinrichs vergleicht den neuen Roman von Gerhard Roth in seiner Machart mit den Büchern von Jorge Luis Borges oder Fernando Pessoa. Letzerer geistert im übrigen auch durch Roths Roman "Labyrinth", einem Musterexemplar der labyrinthischen Gattung, wenn es denn eine solche gibt. Heinrichs ist jedenfalls sehr fasziniert vom komplexen Aufbau des Romans, der sich in wiederum sechs Bücher oder Großkapitel teilt. Über allem schwebe die Frage: Wer hat das gerade Geschriebene geschrieben? Wer schreibt in wessen Namen? Denn jede Figur, so Heinrichs, hat ihre Gegen- und Unterfiguren, ein Verwirrspiel, das dennoch nie irreal wirke, sondern auf bestimmte Weise viel realer, findet der Rezensent, als die Charaktere in sogenannt realistischen Romanen. Dazu passt Roths ganz am Äußeren orientierter Erzählstil, der scheinbar keine Introspektion betreibt, da ja alles Innenperspektive, Projektion, Abspaltung usw ist. Eine individuelle Psychologie besitzt der Roman denn auch nicht, so Heinrichs, der diese allerdings auch nicht vermisst, sondern auf die Hauptfigur verweist: ein Psychiater, der mit seinem pyromanen Patienten ein "Nahverhältnis" eingeht.

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