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Die Botschaft von James Orbinski, dem ehemaligen Präsidenten von Ärzte ohne Grenzen, ist so einfach wie eminent wichtig: Die Kriege auf der Welt müssen aufhören. Denn wo Krieg herrscht, herrscht auch unvorstellbares Leid. Bei seinen Einsätzen, u.a. in Ruanda und Somalia, wurde Orbinski Zeuge schwerster Verbrechen an der Menschlichkeit. Er verspürt eine "fast unbändige Wut", wenn er rückblickend an die Menschen denkt, die das unfassbare Unrecht geschehen ließen.
Orbinski erzählt nicht nur seine faszinierende, persönliche Geschichte, von seinem Wunsch zu helfen, Arzt zu werden, seinen ersten
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Produktbeschreibung
Die Botschaft von James Orbinski, dem ehemaligen Präsidenten von Ärzte ohne Grenzen, ist so einfach wie eminent wichtig: Die Kriege auf der Welt müssen aufhören. Denn wo Krieg herrscht, herrscht auch unvorstellbares Leid. Bei seinen Einsätzen, u.a. in Ruanda und Somalia, wurde Orbinski Zeuge schwerster Verbrechen an der Menschlichkeit. Er verspürt eine "fast unbändige Wut", wenn er rückblickend an die Menschen denkt, die das unfassbare Unrecht geschehen ließen.

Orbinski erzählt nicht nur seine faszinierende, persönliche Geschichte, von seinem Wunsch zu helfen, Arzt zu werden, seinen ersten Hilfseinsätzen und den unvorstellbaren Bedingungen in vielen Krisengebieten, sondern beleuchtet auch kritisch die Grenzen und Schwierigkeiten von Hilfsaktionen im 21. Jahrhundert. Ein wichtiges und provozierendes Buch zu einem zentralen Thema unserer Zeit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2011

Gliedmaßen unter Plastikplane
Einsatz von James Orbinski für "Ärzte ohne Grenzen"

Der Biafra-Krieg in Nigeria in den späten sechziger Jahren markierte einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte der humanitären Hilfe. Das Leiden der Menschen konnte man sich im Fernsehen anschauen. Bilder von zum Skelett abgemagerten Kindern mit leblosen Augen sorgten international für ein gewaltiges öffentliches Echo und eine bis dahin beispiellose Fülle humanitärer Aktivitäten. Viele der heute noch in diesem Bereich tätigen Organisationen haben ihren Ursprung in diesem afrikanischen Krieg. "Ärzte ohne Grenzen" ist sicherlich die bedeutendste unter ihnen. Aus bescheidenen Anfängen hat sich im Lauf von vier Dekaden eine multinationale Korporation gemausert, die in rund siebzig Ländern aktiv ist, über ein Budget von schätzungsweise 350 Millionen Dollar verfügt und mehrere tausend Angestellte beschäftigt.

1999 nahm der kanadische Mediziner James Orbinski als damaliger Präsident von "Ärzte ohne Grenzen" den Friedensnobelpreis für die Organisation entgegen. In seinem Buch beschreibt er detailliert seine nicht selten lebensgefährlichen, an die Grenzen physischer und psychischer Kraft gehenden Einsätze in einigen Krisenherden der Welt. Orbinski arbeitete etwa in Somalia während Hungersnot und Bürgerkrieg, in den Flüchtlingslagern im afghanischen Jalalabad und an der Grenze von Kosovo und Mazedonien während der Bombardierungen durch die Nato. "Ein unvollkommenes Angebot" beschreibt persönliche Eindrücke, reflektiert aber auch grundsätzlich über Sinn und Unsinn humanitärer Hilfe sowie den Zynismus der Regierungen der Industriestaaten gegenüber dem Leid in von Hunger, Krieg, Flucht und Gewalt heimgesuchten Regionen.

Orbinskis Tätigkeit während des Genozids in Ruanda nimmt den größten Teil des Buches ein. Dieser Völkermord im Herzen Afrikas, schreibt er, "war meine Zerreißprobe. Hier wurde mir zutiefst bewusst, zu welcher Grausamkeit der Mensch fähig ist. Danach war in mir kein Raum mehr für Illusionen oder Phantasien, war kein Rückzug mehr möglich in falsche Hoffnungen oder sentimentale Sehnsüchte nach einer verlorenen Vergangenheit." Er erlebte einen effektiv geplanten Genozid mit schrecklicher Gewalt, die er so detailliert beschreibt, dass einem beim Lesen zuweilen der Atem stockt. Ein Beispiel nur: Er entdeckte beim Besuch einer religiösen Einrichtung auf einem Parkplatz etwas, das er zunächst für Würstchen hielt, dann aber zu seinem Schrecken als Kinderfinger identifizierte: "In der vorangegangenen Nacht waren wieder etliche Kinder abgeschlachtet worden und lagen jetzt unter einer blauen Plastikplane, nur noch ein Haufen Gliedmaßen, Kleider und Blut."

Orbinskis Zorn richtet sich nicht allein gegen die Mörder, sondern auch gegen jene, die damals wegsahen oder ohne Rücksicht auf das Leid der Menschen ihre politischen Spiele spielten, wie etwa Frankreich. Die Regierung in Paris war der engste Verbündete des ruandischen Regimes, welches den Völkermord plante und durchführte. Frankreich war vor und während des Genozids gut über die Situation im Land unterrichtet und hätte über die Kapazitäten verfügt, politisch und militärisch zu intervenieren und den Opfern zu helfen. Orbinski schildert in diesem Zusammenhang einen eitlen Auftritt von Bernard Kouchner, einst Mitbegründer von "Ärzte ohne Grenzen" und seinerzeit Europaabgeordneter, der in Kigali die viel zu späte französische Militärintervention vorbereiten helfen sollte. Diese Intervention verschärfte die Flüchtlingswelle im Gebiet der Großen Seen. Viele Ruander landeten in den Lagern von Goma in der Demokratischen Republik Kongo. Hier vollzog sich gleichsam der Sündenfall humanitärer Hilfe. Orbinski beschreibt, wie aus Leid und Spendenflut eine fatale Situation erwuchs. Denn alimentiert wurden zuvorderst die Hutu, die Täter im Genozid; die Tutsi blieben ihren Mördern wieder schutzlos ausgeliefert. Die Lehre von Goma, argumentiert der Autor, muss für die Hilfsorganisationen sein, sich nicht in eine fatale Neutralität zu begeben, sondern ihre Tätigkeit an Bedingungen wie demokratische Strukturen und Gewaltfreiheit zu knüpfen.

Humanitäre Hilfe wird immer Grenzen haben, aber sie ist notwendig. Orbinski verdeutlicht diese Einsicht in drastischer Weise am Beispiel einer Beinamputation, die er während des Genozids in Ruanda unter äußerst prekären Bedingungen an einem vierzehnjährigen Jungen durchführen musste. Das Bein musste abgenommen werden, doch der Junge überlebte - "ein unvollkommenes Angebot" des humanitären Helfers.

ANDREAS ECKERT

James Orbinski: Ein unvollkommenes Angebot. Humanitäre Hilfe im 21. Jahrhundert. Aus dem Englischen von Irmengard Gabler. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 415 S., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als so unvollkommen wie notwendig lernt Andreas Eckert die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" in diesem Buch ihres früheren Präsidenten James Orbinski kennen. Wenn der Autor den Leser mitnimmt auf humanitäre Hilfseinsätze nach Somalia, Jalalabad, Kosovo und Ruanda, spürt Eckert die Grenzen dieses Tuns, die Ohnmacht, die Wut ganz unmittelbar, aber auch in den Grundsatzreflexionen Orbinskis zu Sinn und Unsinn humanitärer Hilfe. Nach der vom Autor mit drastischen Bildern vermittelten totalen Illusionslosigkeit steht zur Erleichterung des Rezensenten am Ende doch die Einsicht, dass die hier beschriebene Hilfe Sinn macht, die vielbeschworene Neutralität jedoch zugunsten einer Orientierung an demokratischen Strukturen und Gewaltfreiheit aufgegeben werden sollte.

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