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Als Nikki Eaton, Anfang dreißig, unabhängig und eigenwillig, endlich ihr schlechtes Verhältnis zu ihrer Mutter klären will, wird diese Opfer eines Raubüberfalls. Wäre Nikki zehn Minuten eher bei ihrer Mutter eingetroffen, hätte sie deren Tod vielleicht noch verhindern können. Jetzt muss sie sich mit dem plötzlichen Tod ihrer Mutter Gwen auseinandersetzen. Bisher hatte sie diese pflichtschuldig an Feiertagen besucht, immer auf der Hut vor deren Einmischung in ihr Leben. Nun trifft sie der Kummer um Gwens Tod unerwartet und heftig. Engagiert und spannend beschreibt Joyce Carol Oates das Spektrum…mehr

Produktbeschreibung
Als Nikki Eaton, Anfang dreißig, unabhängig und eigenwillig, endlich ihr schlechtes Verhältnis zu ihrer Mutter klären will, wird diese Opfer eines Raubüberfalls. Wäre Nikki zehn Minuten eher bei ihrer Mutter eingetroffen, hätte sie deren Tod vielleicht noch verhindern können. Jetzt muss sie sich mit dem plötzlichen Tod ihrer Mutter Gwen auseinandersetzen. Bisher hatte sie diese pflichtschuldig an Feiertagen besucht, immer auf der Hut vor deren Einmischung in ihr Leben. Nun trifft sie der Kummer um Gwens Tod unerwartet und heftig. Engagiert und spannend beschreibt Joyce Carol Oates das Spektrum der Veränderungen und verwirrenden Gefühle in Nikkis Trauerjahr: Lähmung, Wut, Sorge und auch Erkenntnis. Mit Du fehlst hat Oates einen Pageturner geschaffen, ein großartiges Buch.
Autorenporträt
Joyce Carol Oates, geb. 1938 in Lockport (NY), zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Autorinnen der Gegenwart. Für ihre zahlreichen Romane und Erzählungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem National Book Award. Joyce C. Oates lebt in Princeton, New Jersey, wo sie Literatur unterrichtet. Im Jahr 2012 erhielt sie den Blue Metropolis Literary Grand Prix.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.07.2008

Der Brandbeschleuniger
Hommage an eine tote Mutter: Joyce Carol Oates und ihr Roman „Du fehlst”
Frühling liegt in der Luft, der Flieder blüht, es ist sonnig, aber noch nicht sehr warm: Eine Szenerie des Wohlgefühls umfängt den Leser, wenn er sich in den neuen Roman von Joyce Carol Oates begibt, der am Muttertag beginnt, am 9. Mai 2004. Doch noch bevor man die Zeichen drohenden Unglücks wahrnimmt, spürt man einen leichten Widerstand, der nicht nur Nikki, die 31-jährige Erzählerin, ergreift, sondern auch den Leser. Ins Elternhaus zurückzukommen ist stets auch mit einer gewissen Alarmbereitschaft verbunden. Die Antennen sind weit ausgefahren. Und egal, was sie signalisieren, die Sehnsucht nach Verschmelzung oder das Bedürfnis nach Abgrenzung, sie reagieren auf das kleinste Signal, auf jede Geste, jedes Wort.
Schon in der Einfahrt zum Haus ihrer Eltern, das die Mutter seit dem Tod des Vaters vor vier Jahren allein bewohnt, registriert Nikki Dinge, die ihr nicht passen: Zwar ist der Land Rover des Schwagers okay, auch der alte schwarze Caddie von Tante Tabitha, was aber hat der knallrote, raketenförmige Sportwagen hier verloren? Schlimm genug, dass sich die Mutter an ihrem Festtag nicht von den beiden Töchtern ausführen lässt, weil sie für einen „Bruchteil der Kosten” eine „bessere” Mahlzeit kocht, nun lädt sie auch noch fremde Menschen zum Familienfest ein! Was sich die Töchter in der kommenden Szene gleich mehrfach verbitten, die Einmischung in ihr Leben, das nehmen sie sich in Hinsicht auf die Mutter ganz selbstverständlich heraus.
Mit allen Anziehungs- und Abstoßungskräften schildert Oates das ebenso wohlige wie klebrige Spinnennetz der Fürsorge, den Mutterkosmos aus Reden, Essen und heimlichem Abspülen – „beim Saubermachen einen guten Einstieg zu kriegen war für Mutter das, was für andere Leute verbotener Sex war”. Gwen Eaton ist eine über alle Maßen freundliche Endfünfzigerin, die sich nicht nur um ihre Familie kümmert, sondern auch um Freunde, Kirche und Gemeinde. Selbst für die Resozialisierung von Straffälligen lässt sie sich einspannen. Das wird ihr zum Verhängnis. Wenige Tage nach dem Fest findet Nikki ihre Mutter mit zahlreichen Messerstichen ermordet in der Garage ihres Vororthäuschens. Der Täter ist schnell gefunden, ein Ex-Häftling, der gelegentlich im Garten half. Doch wie so oft bei Joyce Carol Oates ist der gewaltsame Tod nur eine Art Brandbeschleuniger. Er bringt das Leben der anderen in Aufruhr.
Nikki ist Journalistin einer Regionalzeitung, interviewt mit Vorliebe Promis des Kulturbetriebs und hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann. Als munteres „Punk-Huhn” spielt sie für ihre Nichte und den Neffen gern die wilde Tante, das Gegenteil ihrer älteren Schwester Clare, einer Managergattin, die in einer Mischung aus Hyperorganisation und Hysterie ihre vierköpfige Familie durch den Alltag treibt und das Elternhaus so schnell wie möglich leer räumen und „auf den Markt bringen” will. Doch während sie verschiedenfarbige Post-it-Zettel aufklebt – „Behalten”, „Verkaufen”, „Spenden” –, beginnt Nikki in den alten Sachen zu kramen.
Als sich die Angelegenheit nicht nur Tage, sondern Wochen hinzieht, gibt Clare entnervt auf. Die Verwaltung des Nachlasses wird ihr ebenso gleichgültig wie der laufende Gerichtsprozess und ihre Familie. Sie erkämpft eine „Trennung auf Probe” und zieht mit dem Sohn zu einer Freundin nach Philadelphia, die heftig pubertierende Tochter überlässt sie dem verdutzten Gatten. Mit der Mutter ist ihr jeder Sinn und auch die Fähigkeit, „andere zu mögen”, abhanden gekommen. Bei Nikki geschieht das Gegenteil. Sie versenkt sich in die Hinterlassenschaften der Verstorbenen, zieht in ihr Haus und übernimmt nach und nach deren Rolle. Sie besucht Verwandte und Freunde, kümmert sich um die alte Tante im Pflegeheim, ist Anlaufstation für die verstörten Nachbarn und auch für den ungelenken Detective, dessen wortkarge Fürsorge langsam, aber stetig ihren Reiz entwickelt. Am Ende des Trauerjahrs ist sie ihrer Mutter näher als zu Lebzeiten, hat von Familiengeheimnissen erfahren, die ihr zugetragen wurden, und zugleich der Versuchung widerstanden, in Geheimnisse einzudringen, die selbst eine Tochter nichts angehen.
„Du fehlst”, im Original 2005 unter dem Titel „Missing Mom” erschienen, gehört nicht zu den besten Romanen der großen amerikanischen Autorin. Er spielt wie „Wir waren die Mulvaneys” in der Kleinstadt Mt. Ephraim in New York State, besitzt aber nicht dessen Stringenz. Die feine Motivarbeit und den philosophischen Tiefsinn, die beispielsweise „Hudson River”, „Ausgesetzt” oder „Niagara” auszeichnen, um nur einige der letzten Romane dieser überaus produktiven Schriftstellerin zu nennen, sucht man vergeblich.
Es ist ein unterhaltsames, durchaus lesenswertes Buch, aber es wirkt ein wenig verschusselt und verquasselt. Joyce Carol Oates hat diesen Roman ihrer Mutter Carolina Oates gewidmet, die 2003 weit über achtzigjährig gestorben ist. Es sieht fast so aus, als habe sie ihr ein Denkmal setzen wollen, ohne den Schmerz allzu nah an sich heran zu lassen. Anders sind die Unstimmigkeiten im Setting kaum zu erklären, etwa die, dass Gwen Eaton als typische Fünfziger-Jahre-Mutter beschrieben wird, obwohl ihre Töchter erst Anfang der siebziger Jahre geboren wurden. MEIKE FESSMANN
JOYCE CAROL OATES: Du fehlst. Roman. Aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 489 S., 22,90 Euro.
Joyce Carol Oates 2005 in Paris Foto: Jean-Pierre Muller / AFP
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.2008

Partymaus in der Falle

Geschichte einer Heiligenverehrung: Joyce Carol Oates lässt eine Tochter in die Rolle der ermordeten Mutter schlüpfen - kein Krimi, sondern Erbauungsliteratur.

Die Vielschreiberin Joyce Carol Oates, die jüngst ihren siebzigsten Geburtstag feierte, ist eine Tragödiendichterin des amerikanischen Traums: beschwört sie in ihren mittlerweile über vierzig veröffentlichten Romanen doch immer wieder das Bild der scheinbar perfekten Idylle, die eines Tages durch ein schweres Unglück erschüttert wird. In dem Roman "We were the Mulvanys" (1996) war es beispielsweise die Vergewaltigung der jüngsten Tochter, die eine christliche Dachdeckerfamilie in die Verzweiflung trieb. Im Jugendroman "Freaky Green Eyes" (2003) musste die fünfzehnjährige Francesca erkennen, dass ihr Vater, ein angesehener Sportreporter, in Wahrheit ein Psychomonster war. Und in "Middle Age: A Romance" (2001) führte der plötzliche Herzinfarkt-Tod eines Künstler-Bohemiens dazu, die hübsche Upper-Class-Fassade einer ganzen Wohnsiedlung nahe New York zum Einsturz zu bringen.

Joyce Carol Oates' Helden und Heldinnen wollen als gute Amerikaner das Beste aus ihrem Leben machen - und machen genau damit oft genug das Wichtigste falsch. Ein Unschuldig-Schuldigwerden unter dem Stars-and-Stripes-Banner, das auch auf Nicole zutrifft, die Ich-Erzählerin des jüngst auf Deutsch erschienenen Romans mit dem Titel "Du fehlst" ("Mom missing").

Nicole, genannt "Nikki", wirkt zunächst einmal wie ein Glückskind. Sie ist einunddreißig Jahre jung, attraktiv und begehrt als "Partygirl". Außerdem pflegt sie einen Hang zu exzentrischen Outfits und arbeitet als Reporterin einer Lokalzeitung. Lediglich ihre Liebesaffäre mit einem verheirateten Familienvater wirft einen kleinen Schatten auf Nikkis Erfolgsbiographie. Ein Makel, der auf der Muttertagsfeier ihrer Mutter Gwen prompt zur Sprache kommt. Denn Nikkis Mutter ist als wertekonservative Nur-Hausfrau von der außerehelichen Liebschaft ihrer jüngsten Tochter alles andere als begeistert. Also stellt sie Nikki auf der Feier zur Rede. Es kommt zum Streit, der in der Anklage der Tochter gipfelt: "Mutter, du bist nicht ich, und ich bin nicht du. Gott sei Dank." So weit, so harmlos ein typischer Frauengenerationskonflikt, der in Oates' Roman jedoch schnell an Brisanz gewinnt: Nur zwei Tage später findet Nikki ihre Mutter erstochen in der Garage auf.

Die früh verwitwete Gwen, die sich mit Vorliebe sozial engagierte, ist zum Opfer ihrer eigenen Gutmütigkeit geworden. Ausgerechnet ihr ehemaliger Schützling, ein drogensüchtiger Ex-Sträfling, hat sie ermordet. Dieser plötzliche Einbruch von Gewalt ist die stärkste Passage des knapp fünfhundertseitigen Romans. Für Nikki und ihre ältere Schwester Clare hebt das die Welt aus den Angeln. Doch was zunächst rasant wie ein Krimi mit tragischem Unterton beginnt, verschlappt in "Du fehlst" allzu bald zur gutgemeinten Erbauungsliteratur, bei der es Joyce Carol Oates strikt darauf anlegt, ihre Lebefrau-Heldin Nikki ethisch zu läutern. Während die Stärke früherer Romane der Autorin gerade darin bestand, dass der Verlustschmerz die Helden rasend und damit unberechenbar machte, fällt die Trauer der jungen Ich-Erzählerin diesmal brav und bürgerlich aus. Nikki kümmert sich nach der Ermordung ihrer Mutter um deren Kater, räumt mit der Schwester zusammen das Elternhaus leer, backt schon bald nicht nur ihr Brot selbst wie einst die Mutter, sondern gibt natürlich auch ihrem Hallodri-Liebhaber den Laufpass. Schließlich hatte Gwen ja schon zu Lebzeiten vorhergesagt, dass dieser "Ehebrecher" nicht der Richtige für Nikki ist.

Oates' bewährtes Tragödienschema kippt in "Du fehlst" damit schnell in eine vorhersehbare Erweckungsgeschichte um, in der die Tochter entgegen ihrer anfänglichen Ankündigung der Mutter immer ähnlicher wird. Denn Nikki, eingezogen in das Haus ihrer Eltern, trägt zunehmend sogar Kleidungsstücke der toten Mutter. Eigentlich alles Anzeichen einer Obsession, die bei anderen Autoren in einen Norman-Bates-Psychothriller münden würden. Nicht so bei Oates, die Nikkis übersteigerte Mutterverehrung in "Du fehlst" von vorneherein dadurch positiv umwertet, dass sie Gwen völlig ironiefrei zur amerikanischen Hausfrau-Heiligen stilisiert. Diese Frau, so entdeckt die Tochter, hatte zwar ihre Geheimnisse (früher Selbstmord der Mutter, eine unglückliche Jugendliebe, eine Fehlgeburt). Es sind dies aber alles solche Geheimnisse, die Gwens Glorienschein nur noch weiter aufpolieren: Stets ist sie optimistisch und gestärkt aus den Krisen hervorgegangen. Spätestens, als die Stimme der Mutter schließlich aus dem Jenseits der Tochter zu guten Taten rät, hat der Roman endgültig das schwere Gewässer tragischer Schuld verlassen und ist ins Seichte der kitschigen Bekehrungs-Schmonzette abgedriftet.

GISA FUNCK.

Joyce Carol Oates: "Du fehlst". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Silvia Morawetz. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 489 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Gisa Funck erleidet das "bewährte Tragödienschema", das so viele Romane von Joyce Carol Oates trägt, in ihrem jüngsten Buch Schiffbruch und entwickelt sich in den Augen der wenig begeisterten Rezensenten gar zur Schmonzette. Die amerikanische Autorin, die vor kurzem siebzig  geworden ist und die mittlerweile über vierzig Romane veröffentlicht hat, erzählt in diesem Buch von der erfolgreichen, mit einem verheirateten Mann verbandelten Lebefrau Nikki, deren Mutter ermordet wird. Im Verlauf der Trauerarbeit erscheint das Bild der Mutter - "gänzlich ironiefrei", wie Funck feststellen muss - immer glorioser und dient schließlich gar zur sittliche Läuterung der trauernden Tochter. So wird eine Geschichte, die durch den gewaltsamen Tod der Mutter durchaus mit der Rasanz eines Kriminalromans begann, zur "gutgemeinten Erbauungsliteratur", in der Nikki auf die bürgerlichen Tugenden einer amerikanischen Über-Hausfrau eingeschworen wird, wenn es sein muss auch mit Ratschlägen aus dem Jenseits, so die Rezensenten mit Grausen.

© Perlentaucher Medien GmbH