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Anders als die berühmten Theaterstücke Rolf Hochhuths zeichnen sich viele seiner Gedichte durch ihren privaten, ja intimen Ton aus, der den vorliegenden Band zu einer Art lyrischem Tagebuch des Autors macht. Daneben aber zeigt sich Hochhuth auch in seiner Lyrik als politisch kämpferischer Autor, der das Vokabular der Gegenwart gezielt in Poesie verwandelt. Was diese politische Lyrik mit den privaten Gedichten verbindet, ist Hochhuths Poetik der Erinnerung. Wie kein anderer Lyriker blickt Hochhuth skeptisch und voller Mitleid für die Opfer der Geschichte auf die Katastrophen der Vergangenheit…mehr

Produktbeschreibung
Anders als die berühmten Theaterstücke Rolf Hochhuths zeichnen sich viele seiner Gedichte durch ihren privaten, ja intimen Ton aus, der den vorliegenden Band zu einer Art lyrischem Tagebuch des Autors macht. Daneben aber zeigt sich Hochhuth auch in seiner Lyrik als politisch kämpferischer Autor, der das Vokabular der Gegenwart gezielt in Poesie verwandelt. Was diese politische Lyrik mit den privaten Gedichten verbindet, ist Hochhuths Poetik der Erinnerung. Wie kein anderer Lyriker blickt Hochhuth skeptisch und voller Mitleid für die Opfer der Geschichte auf die Katastrophen der Vergangenheit und Mißstände der Gegenwart und kann dabei doch nicht von der Hoffnung lassen, dass Aufklärung durch Poesie möglich ist.

Rolf Hochhuth, 1931 in Eschwege geboren, arbeitete als Verlagslektor, als er sein erstes Drama "Der Stellvertreter" schrieb. Das Stück wurde 1963 in Berlin von Erwin Piscator uraufgeführt und machte den Autor mit einem Schlag weltberühmt. Hochhuth lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Geschwister-Scholl-Preis (1980), dem Lessing-Preis (1981) und dem Jacob-Grimm-Preis (2001).

Der Herausgeber Dietrich Simon, 1939 geboren, war Lektor und Geschäftsführer des Verlags Volk & Welt in Berlin und ist seit 2003 Geschäftsführer der S. Fischer Stiftung.

"Karl Krolow, selbst Lyriker von Rang, hat Hochhuths Gedichten einst hohe Qualität bescheinigt. In diesem Band treibt der Dramatiker als Lyriker die sprachliche Verdichtung wieder bis hart an die Grenze. Seine Gedichte sind 'eigen-artig' im Sinne von unverwechselbar. Seine kühne Wortkombinatorik, sein ungewöhnlicher Zeilenfall haben bisweilen etwas atemberaubend Sprach-Artistisches. Oft genügt ihm ein einziger Begriff, ganze Tragödien zu erzählen...
Hochhuths Lyrik handelt von Gott und, vor allem, der Welt. Der Zeitrahmen reicht von Troja bis Oggersheim, viele seiner Gedichtanlässe haben etwas aufreizend Besonderes wie etwa: 'Kein neues Hüftgelenk'... Viele entzünden sich an einer Bestürzung - Vergänglichkeit, Sinnlosigkeit, Melancholie, Arbeitslosigkeit, die Gier der Mächtigen. Und enden oft in resignativer Erkenntnis...
Viele historische Persönlichkeiten gehören zum lyrischen Personal - Platon, Bismarck, Papst Pius, Spengler, Burckhardt, Ackermann. Nach dem Motto 'Besser eine ehrliche Ohrfeige als ein verlogener Kuß' reimt er Kritisches, Quälendes, Querköpfiges, Mahnendes: 'Merkt ein Volk nicht, wie es Blut vergießt, wenn es die Meister nicht mehr liest.' Zumal die Mächtigen, die Arbeitsplätze wegzaubern, beutelt er mit Inbrunst.
Last not least: Diese neue Sammlung enthält eine Reihe von erotischen Gedichten, in denen der Dramatiker unerschrocken die Grenzen zum sexuell Drastischen überschreitet (etwa in 'Bettsonett'...) Man begreift: Zu bremsen war dieser Mann noch nie.
Toni Meissner, 'Abendzeitung'
Autorenporträt
Hochhuth, Rolf
Rolf Hochhuth, 1931 geboren, arbeitete als Verlagslektor, als er sein erstes Drama »Der Stellvertreter« schrieb. Das Stück wurde 1963 uraufgeführt und machte den Autor mit einem Schlag weltberühmt. Bis heute zählt Hochhuth zu den wenigen Autoren, die sich immer wieder politisch zu Wort melden und brisante zeitgeschichtliche Themen aufgreifen. Hochhuth lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Geschwister-Scholl-Preis (1980) und dem Jacob-Grimm-Preis (2001).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2006

Moral stört beim Dichten
Was viele gar nicht wußten: Rolf Hochhuth verfaßt Lyrik

Daß Rolf Hochhuth Gedichte schreibt, hat sich womöglich noch gar nicht herumgesprochen. Denn Hochhuth hat seine Ambitionen bislang eher kaschiert und seine Lyrik in Sammelbänden mit Erzählungen und Essays versteckt. So ist "Drei Schwestern Kafkas" mit hundert ausgewählten Texten tatsächlich sein erster eigenständiger Gedichtband - eigenständig, wenn auch nicht von ihm selbst herausgegeben. Dietrich Simon, als Lektor aus DDR-Zeiten mit Hochhuth bekannt, hat die Auswahl getroffen und mit einem freundschaftlichen Nachwort versehen. Darin erwähnt er, daß Hochhuth Gottfried Benn als einen Gesellschaftskritiker von hohen Graden versteht. Simon hätte ihn auch einen Benn-Schüler nennen können. Lesen wir diese Strophe:

Opfer, Mörder - fragt noch wer warum?

Staaten steigen auf, um - abzusteigen.

Sinn? - wieso: ein Pandämonium!

Nur der Rasenmäher kann uns zeigen,

wie Geschichte endet: gräserstumm

wie ein Massengrab - in Schweigen.

Umbra fui - nihil sum.

Das ist prägnant formuliert, der reinste Geschichtspessimismus. Ebenso rein, wenn auch unter anderen politischen Prämissen, wie das Ecce historia des lyrischen Kollegen aus der Bozener Straße. Auch der Tonfall ist ähnlich. Es ist gewissermaßen apokrypher Benn. Vielleicht deshalb hat Simon das Gedicht "Geschichte" nicht in seine Auswahl aufgenommen.

Doch auch sonst mangelt es nicht an Negativbelegen aus dem "Geschichtsatlas": "Hekatomben hat Geschichte weggeschoren, / wüstgelegt, genarrt, von irgendwo / und um nichts nach nirgend deportiert." Plakativ-thesenhaft heißt es einmal: "Geschichte ist, was jedem Volk mißlang." Auch das könnte von Benn sein. Hochhuth huldigt ihm wie keinem anderen Autor. Allein dreizehn Benn-Zitate stehen als Motti vor Gedichten. So liest sich "Frauen und ,Helden'" als Kontrafaktur zu einem Zitat aus Benns Entwurf eines Singspiels. Das Gedicht verbindet die zwei Lieblingsthemen, die zwei Obsessionen Hochhuths: die Historie und die Frauen. Erotik als Obsession - man begreift, daß der Dramatiker, der für sie auf der Bühne nicht die rechte Verwendung fand, die Libido-Thematik in die Lyrik abschob. Moderne Lyrik ist ja eher klinisch-cool, da mochte sich für Hochhuth ein altes Feld auftun. Seit Goethes Erotica Romana haben sich manche auf ihm getummelt. "Eros bleibe ungestüm", dekretiert der Vers, aber die Poesie läßt sich so wenig kommandieren wie Goethes "Iste". Das Deftige ist Hochhuths Sache nicht. Die Moral redet ihm dazwischen und fängt die Anfälle von Obszönität wieder auf. Das "Bett-Sonett" endet als Apotheose der "Humanisierung des Alls, wenn ihr im Akt, / du aus ihr, sie aus dir - euch betrinkt." Eher überzeugt der Homme à femmes, wenn er sich als zuverlässiger Liebhaber gibt, der sich um das Wohl der Angebeteten sorgt. Einmal empfiehlt er einer Leidenden "Verdräng's" - was bei einem Aufklärer immerhin überrascht. Lyrik erscheint als Zeugnis intimer Konfession, vor allem bei den Gedichten, die der verstorbenen Ehefrau gewidmet sind.

Hochhuths angestammtes Terrain ist die Historie. Wie in seinen Stücken lebt in den Gedichten ein geradliniges, oft auch einseitiges Engagement. Auch der Dokumentar-Lyriker agiert als ein unerbittlicher Moralist. Er liebt das Aufrollen alter, scheinbar verjährter Prozesse. Er huldigt dem "Verstockten" Giordano Bruno, entwirft ein Porträt Winston Churchills oder rekapituliert Leben und Tod des Hitler-Attentäters Georg Elser, um dessen Andenken zu bewahren. Auch das Titelgedicht "Drei Schwestern Kafkas" gehört zu den gelungenen Texten. Es hat in seinen ungelenken Reimen etwas Bewegendes - vielleicht gerade deshalb: "Liest man jedoch, aber wer liest das noch! / vergast samt Familien Kafkas drei Schwestern!"

Je nüchterner Hochhuth sich an Fakten hält, um so besser fürs Gedicht. Aber auch die Fakten müssen danach sein. Die Glossierung von Zeitungsmeldungen gelingt nur selten. Was wir über Mobbing, Intendantenaffären oder Spitzenverdiener lesen, ist Schnee von gestern, auch wenn das Sonett bemüht wird. Dietrich Simon zitiert Goethes "Der Gelegenheit schaff ein Gedicht!". Eine ernste Forderung. Denn Gelegenheiten machen noch kein Gedicht. Zum Glück ist der Autor Hochhuth, auch als Gedichteschreiber, mehr als die Summe der Gelegenheiten, die er liebt oder haßt.

HARALD HARTUNG

Rolf Hochhuth: "Drei Schwestern Kafkas". Hundert Gedichte. Hrsg. von Dietrich Simon. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006. 184 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ohne sichtliche Begeisterung, aber durchaus wohlwollend hat Harald Hartung diesen Band mit Gedichten Rolf Hochhuths gelesen, der sich als Lyriker bislang eher im Verborgenen hielt. Bei den von Dietrich Simon ausgewählten hundert Gedichten, die vor allem um die Themen Geschichte und Frauen kreisen, macht Hartung einen starken Einfluss von Gottfried Benn aus. Mit den erotischen Gedichten kann er nicht besonders viel anfangen. Ihm fällt nur auf, dass Hochhuth auch hier immer wieder der Moralist dazwischen kommt. Dagegen sieht er den Autor bei historischen Themen in seinem Element. Wie in seinen Stücken spricht für Hartung aus den Gedichten ein "geradliniges, oft auch einseitiges Engagement". So beschreibt er Hochhuth auch als "Dokumentar-Lyriker", der als "unerbittlicher Moralist" agiere. Bisweilen wirken die Gedichte über Mobbing, Intendantenaffären oder Spitzenverdiener auf ihn allerdings reichlich plakativ. Am Ende versöhnlich resümiert er aber: "Zum Glück ist der Autor Hochhuth, auch als Gedichteschreiber, mehr als die Summe der Gelegenheiten, die er liebt oder hasst."

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