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Mit "Im Sommer" gewährt uns J. M. Coetzee überraschend Einblick in seine entscheidenden Lehrjahre als Schriftsteller. Aus Amerika zurückgekehrt, tuscheln die Verwandten hinter seinem Rücken: warum lebt er nur wieder hier in Südafrika bei seinem Vater und betoniert den Hof? Den Kopf voll Büchern und wilden Plänen, eine akademische Karriere, die nicht ins Laufen kommt, eine verheiratete Frau, die von dem rätselhaften Langhaarigen fasziniert ist, eine brasilianische Tänzerin, deren Tochter Nachhilfe braucht, schließlich die Cousine Margot und ein missglückter Ausflug ins Veld, der großen offenen…mehr

Produktbeschreibung
Mit "Im Sommer" gewährt uns J. M. Coetzee überraschend Einblick in seine entscheidenden Lehrjahre als Schriftsteller. Aus Amerika zurückgekehrt, tuscheln die Verwandten hinter seinem Rücken: warum lebt er nur wieder hier in Südafrika bei seinem Vater und betoniert den Hof? Den Kopf voll Büchern und wilden Plänen, eine akademische Karriere, die nicht ins Laufen kommt, eine verheiratete Frau, die von dem rätselhaften Langhaarigen fasziniert ist, eine brasilianische Tänzerin, deren Tochter Nachhilfe braucht, schließlich die Cousine Margot und ein missglückter Ausflug ins Veld, der großen offenen Steppe, in der die Coetzee schon immer ihr Vieh hüteten.
Voller Ironie und Witz dreht Coetzee die Erzählperspektive um: nicht er schildert die Geschichte, sondern ein junger Autor, der ihn nie kennengelernt hat, aber nun an seiner Biographie schreibt. Um Stoff zu gewinnen, interviewt er die Frauen dieses Sommers. Auf seinem Tonband sammeln sich ungeschminkte Porträts eines Künstlers als junger Mann, der über sein eigenes Begehren stolpert, aber schließlich die Stimme findet, deren Unbestechlichkeit wir so bewundern.
Autorenporträt
J. M. Coetzee, geb. 1940 in Kapstadt, lehrte von 1972 bis 2002 als Literaturprofessor in seiner Heimatstadt und gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart. Er wurde für seine Romane und sein umfangreiches essayistisches Werk mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a. zweimal mit dem Booker Prize. 22003 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Coetzee lebt seit 2002 in Adelaide, Australien.

Reinhild Böhnke, geb. 1944 in Bautzen, ist als literarische Übersetzerin in Leipzig tätig. Sie ist Mitbegründerin des sächsischen Übersetzervereins. Seit 1988 überträgt sie die Werke J. M. Coetzees ins Deutsche, weiter hat sie u.a. Werke von Margaret Atwood, Rebecca Miller, Nuruddin Farah, D. H. Lawrence und Mark Twain ins Deutsche übertragen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit "Sommer meines Lebens" hat Angela Schader einen weiteren Roman von J. M. Coetzee gelesen, der autobiografisch daherkommt und diesen Anspruch zugleich untergräbt. Ein wichtiger Unterschied zu früheren Büchern ist ihr aber ins Auge gesprungen:  Während in "Der Junge" oder "Tagebuch eines schlimmen Jahres" mit fast "masochistischem" Blick auf das Alter Ego geschaut wird, spiegelt sich hier die Person des soeben verstorbenen John M. Coetzees in den Augen von vier Frauen, die den Schriftsteller zu Lebzeiten gekannt haben, erklärt die Rezensentin. Die werden von einem jungen Literaturwissenschaftler interviewt, der die Jahre 1972 bis 1975 biografisch erkunden will und dafür Aufzeichnungen des späteren Literaturnobelpreisträgers auswertet und Gespräche führt, was aber nicht heißt, dass das Urteil über ihn so viel milder ausfällt, wie Schader klarstellt. Dennoch, hier ist mehr "Wärme" zu spüren, zumal sich Teile des Buches auch wie eine "Entschuldigung" gegenüber den in früheren Büchern eher kühl behandelten Geliebten sowie den alternden Vater liest, bei dem der in dieser Zeit als völlig mittellos dargestellte John M. Coetzee unterschlüpft. Als reizvolles und "irritierendes" Spiel mit Fakten und Fiktion scheint die Rezensentin diesen Roman genossen zu haben, der aber mit Sicherheit späteren Biografen keine Hilfe sein wird, wie sie bekräftigt.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2010

Schriftsteller heißt Junggeselle sein
In seinem neuen Roman ist J. M. Coetzee schon tot. Doch er lebt und wird heute siebzig Jahre alt
In einem seiner Essays aus den achtziger Jahren hat John M. Coetzee auf seine Zeit als Englisch-Dozent an der University of Texas in Austin in den Jahren 1965 bis 1968 zurückgeblickt: als er noch kein Autor war, aber schon von dem Ehrgeiz durchdrungen, einer zu werden, „eines Tages auf irgendeine Weise mit eigener Stimme zu sprechen”. Dieses Ziel hat Coetzee erreicht, indem er es immer weiter hinausschob, es immer nachdrücklicher in die Frage verwandelte, ob es im Raum der Literatur überhaupt möglich sei, mit „eigener Stimme” zu sprechen.
Er hat diese Frage an den Roman und den Essay, das Tagebuch und den Brief, die Biographie und die Autobiographie gestellt und dabei ein Werk geschaffen, in dem die eigene Stimme auf die Grenzen der literarischen Formen, die sie jeweils erprobt, keine Rücksicht nimmt. Er hat mit der Universitätsdozentin Elizabeth Costello eine Figur in die Welt gesetzt, die von dieser Rücksichtslosigkeit lebt, ob Coetzee in ihrem Namen eine reale Vorlesung hält oder sie ihrerseits auf einem fiktiven Kongress über das Christentum in Afrika räsoniert.
Wer einmal einen Roman von Coetzee gelesen hat, etwa „Disgrace” (1999, deutsch „Schande”), der weiß, dass dieser Autor die Welt, in der er lebt, nie aus den Augen verliert, während er die Grenzen der literarischen Formen erkundet, wie früher die Entdecker das Innere eines Kontinents erkundeten. In seinen beiden bisherigen autobiographischen Büchern „Boyhood” (1997, dt. „Der Junge. Eine afrikanische Kindheit”, 1998) und „Youth” (2002, dt. „Die jungen Jahre”) hat er das Erzählen in der Ich-Form strikt vermieden. Aber das Kind und der ungeschickte junge Mann, die den Romanfiguren an die Seite treten, verlieren die Frage nie aus den Augen, wie es für den am 9. Februar 1940 in Kapstadt geborenen Autor John M. Coetzee möglich sei, mit eigener Stimme zu sprechen.
Nun ist der Abschlussband der Trilogie , in der Coetzee seinen Weg zur Autorschaft nachzeichnet, „Summertime”, unter dem weniger schlanken Titel „Sommer des Lebens” auch auf Deutsch erschienen. Es geht darin um die Jahre 1972 bis 1977, in denen J.M. Coetzee von Amerika nach Südafrika zurückkehrte, eine Anstellung an der Universität Kapstadt fand und sein erstes Buch „Dusklands” (1974) veröffentlichte. Ein junger Engländer, Mr. Vincent, will eine Biographie über den jüngst verstorbenen Literatur-Nobelpreisträger J. M. Coetzee verfassen. Dessen nachgelassene Notizen aus den siebziger Jahren liegen ihm vor. Aber das reicht ihm nicht. So führt er Interviews mit Menschen, vor allem Frauen, die mit dem Verstorbenen in den fraglichen Jahren in Beziehung standen.
Natürlich weiß Coetzee, dass jeder seiner Leser weiß, dass er nicht tot ist, sondern alle Fäden in der Hand hält, alle Interviews selbst führt, alle Stimmen selbst spricht. Und dass er das Buch als „Roman” in die Welt schickt, damit der Leser nicht glaubt, er könne darin dem leibhaftigen J. M. Coetzee begegnen, und von Beginn an beherzigt, was Martin, ein Kollege des Verstorbenen, zu bedenken gibt, als der Biograph auf die auffällige Häufigkeit der Konstellation „älterer Mann und jüngere Frau” in Coetzees Romanen verweist: „Es wäre äußerst naiv zu schließen, weil das Thema in seinem Werk vorhanden war, müsse es auch in seinem Leben vorhanden gewesen sein.”
Aber wäre es nur dazu da, diese Allerweltsweisheit zu illustrieren, so könnte dieses Buch den Sog, den es durch sein Maskenspiel hindurch entfaltet, nicht erzeugen. Ja, gewiss, der reale J. M. Coetzee hat 1963 geheiratet und wurde in den siebziger Jahren Vater, und der Coetzee, dem in diesem Buch nachgespürt wird, ist unverheiratet und kinderlos. Aber diese Differenz zum empirischen, aktenkundigen Leben kann dem Eindruck nichts anhaben, dass in diesem Buch Zeile für Zeile von der realen Autorschaft des J. M. Coetzee die Rede ist.
Nach wenigen Seiten schon steht dem Leser in den Notizen des vorgeblich Verstorbenen das reale Südafrika der siebziger Jahre vor Augen: die brutale Ausmerzung schwarzer „Terroristen”, der Alltag der Apartheid. Und während die längst in Kanada lebende Therapeutin Julia Frankl im Rückblick auf ihr Leben in einer Vorstadt von Kapstadt, unweit des Gefängnisses, in dem Nelson Mandela einsaß, von ihrer außerehelichen Affäre mit dem spröden Heimkehrer Coetzee erzählt, wird die eine Wurzel der Autorschaft sichtbar, über die hier Rechenschaft abgelegt wird.
Diese Wurzel ist der Hang zum Junggesellentum als Reich des Schreibens. Jede sexuell motivierte Eifersucht ist hier nur die Miniaturausgabe der als „Kälte” und „Asexualität” maskierten Leidenschaft, mit der die Autorschaft jede Nebenbuhlerin in die Schranken weist. Der junge Coetzee kann sehr komisch sein, wenn er mit seiner Geliebten zu einer Schubert-Platte ausgestorbene Gefühle wiederzubeleben versucht. Aber so streng wie bei Kafka ist seine Autorschaft an das Junggesellentum gebunden.
Das zweite große Frauen-Interview mit Margot, der Cousine des angehenden Autors, gräbt die zweite Wurzel der Autorschaft aus: den Zerfall des Südafrikaners Coetzee mit seiner Herkunftswelt, mit Südafrika. Er ist in diesen Passagen der nie ganz zurückgekehrte Emigrant, dem das Afrikaans der Vorfahren nur noch mühsam über die Lippen geht, der die ausgestorbenen Sprachen des Kaps erforscht, aber seine Autorschaft auf das Englische gründet.
Das dritte Frauen-Interview mit der gebürtigen Brasilianerin Adriana, in die der angehende Autor aussichtlos verliebt war, führt das erotische Ungeschick und das Gebanntsein in die Distanz zu den Weißen wie zu den Schwarzen zusammen, ehe die Französin Sophie, eine Kollegin des Universitätsdozenten in Kapstadt, auch sie eine flüchtige Geliebte, das letzte Frauen-Wort über das seither entstandene Werk Coetzees spricht: „Zu kühl, zu ordentlich, würde ich sagen. Zu einfach, zu leidenschaftslos.”
En passant ist auch dieses Buch die Erforschung einer Form: es zeigt, wie in den Interviews die Lebensgeschichten der Befragten die des Helden der Biographie überwuchern, ihm den Status der Hauptfigur bestreiten. Es ist aber vor allem eine grandiose Selbstauskunft des Autors J. M. Coetzees über die Ursprünge seiner Autorschaft. Den Stoff seines ersten Buches „Duskland”, das vom Vietnamkrieg und – in Form einer Biographie seines Ahnen Jacobus Coetzee – vom Südafrika der Buren und Hottentotten handelte, hatte er in Amerika gefunden. Und Manuskripte des Autors, der ihm den Ehrgeiz einpflanzte, mit einer eigenen Stimme zu sprechen, hatte er in Austin, Texas studiert. Die dortige Bibliothek besitzt eine große Beckett-Sammlung. LOTHAR MÜLLER
J. M. COETZEE: Sommer des Lebens. Roman. Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 298 Seiten, 19,95 Euro.
Was heißt „mit eigener Stimme sprechen”? J. M. Coetzee, Literatur-Nobelpreisträger des Jahres 2003, in den Caracalla-Thermen zu Rom. Foto: Tiziana Fabi/AFP
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