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Berlin 1999, wenige Tage vor der Sylvesternacht. Die Jahrtausendwende wirft ihre Schatten voraus. Eine diffuse Bedrohung liegt über der Stadt. Anschläge auf teure Autos werden verübt. Eingeweihte rechnen mit Computerzusammenbrüchen und großangelegten Angriffen auf das World Wide Web. Ein geheimnisvolles "Apocalyptic Angel Movement" bedroht über das Internet die ganze Welt. Aber das bemerkt nur, wer es bemerken will. Am 10. Februar des neuen Jahres werden Yahoo und andere Internetportale angegriffen. Anfang Mai legt der "I-love-you-Virus" ganze Firmen lahm. Die Lage spitzt sich zu, ein…mehr

Produktbeschreibung
Berlin 1999, wenige Tage vor der Sylvesternacht. Die Jahrtausendwende wirft ihre Schatten voraus. Eine diffuse Bedrohung liegt über der Stadt. Anschläge auf teure Autos werden verübt. Eingeweihte rechnen mit Computerzusammenbrüchen und großangelegten Angriffen auf das World Wide Web. Ein geheimnisvolles "Apocalyptic Angel Movement" bedroht über das Internet die ganze Welt. Aber das bemerkt nur, wer es bemerken will. Am 10. Februar des neuen Jahres werden Yahoo und andere Internetportale angegriffen. Anfang Mai legt der "I-love-you-Virus" ganze Firmen lahm. Die Lage spitzt sich zu, ein beklemmendes Netz von Geschichten entsteht, die spätestens mit dem ersten Toten alle zusammen gehören. In dieser Atmosphäre überleben nur die Paranoiden. "Desaster" ist ein Blick in das Auge des Sturms in dem wir leben und von dem wir nichts wissen wollen. Bruno Richard erzählt von der Wirklichkeit so, dass man sie für einen Roman halten könnte.

Autorenporträt
Bruno Richard, geboren 1957 in Unterfranken, lebt seit 1982 in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2002

Richards "Desaster"

Der Berlin-Roman als solcher ist ja eigentlich abzulehnen - und wenn man anfängt, Bruno Richards "Desaster" zu lesen, möchte man nach jeder Seite rufen: genau. Desaster. Wenn ein Buch am Potsdamer Platz beginnt, kann es ja nur böse enden; und wie es dann geschrieben ist: genausoviel Redundanz, wie sie die Häuser hier haben. Aber nach vierzig Seiten entwickelt Richards Stil einen Sog, eine seltsame Präzision. Es ist, als guckte man ein Photo an, das scharf, aber überbelichtet ist. Wie Geister scheinen die Menschen durch ihre Stadt zu gehen, und ihre Schatten gehen eigene Wege. Es ist die Geschichte einer angekündigten Katastrophe; es mehren sich die Zeichen dafür, daß das Ende naht - wenn schon nicht das der Welt, dann mindestens das Ende jener Normalität, an welche die Personen in dieser Geschichte ohnehin nicht mehr glauben. (Bruno Richard: Desaster. Fischer 2002. 380 S. 19,90 [Euro])

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Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2002

Die Floppy der Pandora
Bruno Richard hat Jahrtausendprobleme und zieht alle Register: „Desaster”
In der Regel thrillt die deutsche Literatur nicht besonders. Hier der halbherzige Tod eines seit Jahren überflüssigen Kritikers, dort ein experimentelles Muttersterben. Aber keine wirklich ernsthaften Bemühungen um effizientes Spannungsmanagement, glühende Wangen und feuchte Hände. Was fehlt, sind zum Beispiel gut ausgebildete Profikiller aus der ehemaligen russischen Eliteeinheit Speznaz, die mit sibirischem Permafrost im graublauen Blick ihre matt schillernden Präzisionsgewehre auf zugigen Parkdecks zusammenstecken, um obskuren Mittelsmännern das Monogramm in der Brusttasche des gestärkten Oberhemds sauber zu perforieren. Es wird zu wenig professionell gemordet in deutschen Romanen.
Man sollte also für jeden Gehversuch im Thrillergenre grundsätzlich erst einmal dankbar sein. Der Autor des apokalyptischen Berlin-Thrillers „Desaster” operiert für seine literarische Mission unter einem Decknamen. Hinter dem Pseudonym Bruno Richard verbirgt sich der ehemalige Chefredakteur des Berliner Stadtmagazins zitty, Bruno Preisendörfer. Der Undercover-Literat hat beschlossen, alle Register zu ziehen.
Seit Jahren lebt Rudolf Laimer mit dem Traum, Schriftsteller zu werden. Doch er hat es nur zum Dokumentar gebracht, der Dossiers für anonyme Auftraggeber in Form bringt. Er leistet sauber recherchierte Schützenhilfe für Mobbingstrategen, Karrierekiller und sonstige Erpresser. Ein Kreuzberger Schreibtischtäter, der sich mit seiner Frau Eva und den Kindern Lara und Benny so durchwurstelt. Zum Jahrtausendwechsel arbeitet er an einem besonders heißen Dossier über Diamantenschwarzhandel. Die unumgängliche Russenmafia versucht, den Handel neu zu organisieren, ein Händler aus Idar-Oberstein möchte sich mit Hilfe seiner verstreuten Aufzeichnungen etwas mehr Klarheit verschaffen, und Laimer erhält über Mittelsmänner eine Diskette mit Geheimmaterial zur Sichtung. Dieser Datenträger ist der klassische McGuffin, hinter dem bald alle her sind. Laimer besitzt die Floppy der Pandora.
In der apokalyptischen Atmosphäre des Jahrtausendwechsels steuern alle Personen auf die größtmögliche Katastrophe zu. Das brisante Dossier und die Machenschaften der Halbwelt stülpen das Innenfutter von Laimers typischem Kreuzberger Wurschtelleben um. Durch den kristallinen Fokus der 18-Karäter werden die kleinen und großen Lebenslügen und der alltägliche Schwarzhandel der Gefühle sichtbar. Die Halbwelt überschattet Laimers Kreuzberger Kanalidyll, und seine Beziehung zu Eva bekommt den Millennium-Bug.
Blut in den abgezogenen Dielen
Bruno Richard weiß seine Handlungsstränge geschickt miteinander zu verknüpfen. Souverän entwickelt er die Biographien von einem guten Dutzend Figuren und führt ihre Schicksale gekonnt zusammen, wobei ungefähr die Hälfte mit dem Leben davonkommt. Richard hat den Diamantenschwarzhandel ebenso gut recherchiert wie das Hackermilieu und eine apokalyptische Internetsekte. Auch wenn es auf den ersten Blick gewagt erscheint, lässt der Autor diese Halbwelten glaubwürdig in das Leben künstlerisch ambitionierter Forty-Somethings überlappen. Es liest sich spannend, wie die notorischen Altbaubewohner plötzlich statt zum Elternabend im multikulturellen Kinderladen zum Rendezvous mit dem russischen Auftragskiller müssen. Irgendwann versickert Blut in den abgezogenen Dielen. Papi, wer ist der tote Mann neben dem Funktelefon?
Der Ex-Chefredakteur des gemäßigt alternativen Stadtmagazins zitty arbeitet sehr viel Berliner Lokalkolorit in seinen Thriller ein. Ewig grüßt der Fernsehturm. Die Orte der Handlung wirken leider manchmal, als wären sie von einem trendbewussten Location Scout aus der Hipster-Kartei der Hauptstadt zusammengesucht worden. In den schlechtesten Passagen dieses Thrillers grüßt der ehemalige Kulturredakteur Preisendörfer allzu penetrant zwischen den Zeilen des Debüt-Romanciers Richard. Noch jede Falafel-Bräterei wird mit einer hochtrabenden kulturkritischen Randglosse versehen, und hin und wieder wechselt der Thriller das Genre und wird zum geschwätzigen Szene-Guide: „der Flammkuchen ist spitze!” Mittlerweile müsste jeder mitbekommen haben, in welchem Restaurant Bill Clinton mit Gerhard Schröder abgestiegen ist und wo es die besten Brownies am Hackeschen Markt gibt. Und der Hackesche Markt selbst? „Renommierprojekt kapitalstolzer Investoren mit Kulturanspruch.” Ähnliches gilt für solche Sätze: Renommierobjekte rhetorikstolzer Autoren mit Kulturanspruch. Doch von solchen Ausfällen in Richtung geschwollener Kunstprosa abgesehen, thrillt dieser Roman überdurchschnittlich.
„Desaster” erzählt auch die Verwirklichung einer Berufung. Zu Beginn wird der Ghostwriter Laimer von den Geistern seiner Lebensträume heimgesucht: „Er schämte sich vor dem Schriftsteller, der er nicht geworden war.” Nach nervenaufreibenden Abenteuern hängt Laimer seine Existenz als Dokumentar an den Nagel und versucht, all die blutigen Erlebnisse aufzuschreiben, um sie zu bewältigen. Dieses Mal schickt er sich an, sein ganz persönliches Dossier zu ordnen. Und das ist bekanntlich die brisanteste Floppy Disk. Mit „Desaster” hat sich der Kulturredakteur Preisendörfer den Traum vom eigenen Roman erfüllt. Er braucht sich nicht zu schämen vor dem Schriftsteller, der er geworden ist. Sein Thriller ist gelungen. Am besten ist er dort, wo Richard unbehelligt von Preisendörfer seiner literarischen Mission nachgehen darf.
STEPHAN MAUS
BRUNO RICHARD: Desaster. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2002. 380 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bisher wurde in deutschen Romanen zu wenig professionell gemordet, meint Stephan Maus, es fehlte an gut ausgebildeten Profikillern, etwa aus ehemaligen russischen Eliteeinheiten, "mit sibirischem Permafrost im graublauen Blick". Dankenswerterweise, so Maus, hat Bruno Richard mit seinem Berlin-Thriller "Desaster" diese Lücke gefüllt: Von gut einem Dutzend Romanfiguren komme gerade mal die Hälfte mit dem Leben davon. Lobenswert findet der Rezensent auch, dass Bruno Richard seine Handlungsstränge geschickt miteinander zu verknüpfen weiß, Biografien souverän entwickelt und die Milieus gut recherchiert hat: Diamantenhandel, Hackerszene, Internetsekten und Berliner Forty-Somethings mit künstlerischen Ambitionen. Alles in allem ein gelungenes Debüt, findet Maus. Nur eins stört ihn: Jede Falafel-Bäckerei ist mit einer "hochtrabenden, kulturkritischen Randglosse" versehen. Da schimmere allzu deutlich der Berliner Kulturredakteur Bruno Preissendörfer durch, der sich hinter dem Pseudonym Bruno Richard verbirgt.

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