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2 Kundenbewertungen

Rashid, Sohn einer libanesisch-palästinensischen Familie, ist weder Deutscher noch Libanese oder Palästinenser, er ist ein "Arabboy", so nennt er sich in den einschlägigen Chaträumen, die er und seine Kumpel mit selbstgemachten Gewalt-Clips versorgen. Sie gehorchen dem Gesetz der Straße, auf der sich jeder sein Recht nehmen muss. Wer das nicht kann, wird zum "Opfer" - er ist dem Lebenskampf nicht gewachsen. Mit Hilfe von Aabid, der es vom Flüchtlingsjungen zum "Mega-Checker" im Rotlichtmilieu gebracht hat, macht Rashid kriminelle Karriere, bis er durch seine Drogensucht die Kontrolle über sein…mehr

Produktbeschreibung
Rashid, Sohn einer libanesisch-palästinensischen Familie, ist weder Deutscher noch Libanese oder Palästinenser, er ist ein "Arabboy", so nennt er sich in den einschlägigen Chaträumen, die er und seine Kumpel mit selbstgemachten Gewalt-Clips versorgen. Sie gehorchen dem Gesetz der Straße, auf der sich jeder sein Recht nehmen muss. Wer das nicht kann, wird zum "Opfer" - er ist dem Lebenskampf nicht gewachsen. Mit Hilfe von Aabid, der es vom Flüchtlingsjungen zum "Mega-Checker" im Rotlichtmilieu gebracht hat, macht Rashid kriminelle Karriere, bis er durch seine Drogensucht die Kontrolle über sein Leben verliert. Ihn rettet seine Verhaftung. Im Gefängnis wartet er auf seine Abschiebung - und Deutschland, das so verhasste Land, wird für ihn zum Inbegriff aller Sehnsüchte.
Autorenporträt
Güner Yasemin Balci ist 1975 in Berlin-Neukölln geboren und aufgewachsen. Sie hat Erziehungs- und Literaturwissenschaft studiert und u.a. in einem Mädchentreff in Neukölln mit Jugendlichen aus türkischen und arabischen Familien gearbeitet. Sie war ZDF-Redakteurin und arbeitet heute als freie Autorin und Fernsehjournalistin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.10.2008

Ohne Zukunft
Rashids verpfuschtes kurzes Leben
Erst ganz am Ende, in den letzten Zeilen ihres Romans „Arabboy” scheint die Autorin Güner Yasemin Balci so etwas wie Mitleid zu empfinden mit dem Jungen Rashid, dessen Schicksal sie stellvertretend für viele junge Türken und Araber in Deutschland und in der westlichen Welt erzählt. Es ist eine Lebensgeschichte, wie sie immer wieder von den Medien hochgepuscht wird, wenn die kriminellen Übergriffe ausländischer Jugendlichen die Öffentlichkeit erregen, sie fassungslos macht gegenüber der unvorstellbaren Gewalt und Brutalität. Aber diese Geschichte bekommt eine besondere Authentizität jenseits jeglicher Sensationslust und billiger Vorurteile, weil die Autorin, als Tochter türkischer Gastarbeiter, aus ihrer eigenen Erfahrung erzählt, Ereignisse dokumentiert, die sie selbst erlebte, erst als Kind und Jugendliche, später als Sozialarbeiterin in dem Berliner Stadtteil Neukölln, einem sozialen Brennpunkt.
Der junge Rashid, Sohn einer palästinensisch-libanesischen Familie, die Hauptperson in „Arabboy”, wird bald Anführer einer Gang arabischer Jugendlicher. Mit Diebstählen und Raubzügen festigt er sein Ansehen in der Gruppe, die nötige Brutalität und das Machogehabe lernt er vom Vater, der ihm vermittelt, dass die deutsche Gesellschaft nichts taugt, und ihm zeigt, wie ein echter Mann islamischen Glaubens zu Hause regiert. Ein vertrauensvoller, liebevoller Umgang zwischen Frauen und Männern, Jungen und Mädchen scheint unmöglich. Die deutschen Mitschülerinnen sind für Rashid alle Huren, die man missbrauchen oder ausnutzen kann. Als 15-jähriger Junge unterhält er schon so etwas wie einen Privatpuff im Keller, und damit bekommt seine Verachtung gegenüber Mädchen immer wieder neue Nahrung. Auch als sich Bea, ein deutsches Mädchen, die er heimlich bewundert, in ihn verliebt, kennt er bald nichts anderes als Unterwerfung und Machtgehabe. Schließlich haben es die Frauen nicht anders verdient, wie er es bei seiner Mutter, den Schwestern und den Frauen der türkischen und arabischen Nachbarn und Freunde immer wieder erlebt.
Nur eins wird für die Jugendlichen in dieser hermetisch abgeschlossenen Parallelgesellschaft gefährlich: wenn sie die Ehre der Familie verletzen, weil sie bei ihren kriminellen Taten erwischt werden. Wie die halbwüchsigen Söhne – Schule ist nur selten angesagt – den Tag verbringen, wie Rashid zum Beispiel das Geld verdient, mit dem er auf einmal protzt, das interessiert seine Eltern nicht. Als aber die Polizei auftaucht, als er verurteilt wird und man dazu auch noch entdeckt, dass er rauschgiftsüchtig ist, lassen ihn seine Familie und die Freunde fallen. Er verliert seinen Status und sein Ansehen, für einen Araber ein gesellschaftliches Todesurteil.
Für die Justiz ist aus dem Kleinkriminellen inzwischen ein Verbrecher geworden, der Geschäfte mit einem großen Boss, einem echten Gangster und brutalen Zuhälter macht. Rashid wird ohne Bewährung verurteilt, und im Gefängnis – mit dieser Szene beginnt der Roman – erinnert er sich an wichtige Momente in seiner Kindheit und Jugend. Nur die Mutter besucht ihn noch, und eigentlich sind alle froh, als er schließlich in die Türkei zu Verwandten abgeschoben wird. Dort, in dem ihm fremden Anatolien, wo er noch nicht einmal die Sprache versteht, endet das kurze Leben dieses Jungen.
Genauso wenig, wie die Autorin einen versöhnlichen Schluss anbietet, vermittelt sie eine Aussicht auf Lösungen, wie sich die Lebensbedingungen der türkischen und arabischen Jugendlichen in Deutschland verbessern können. Ein bitteres Urteil fällt sie über den deutschen Sozialarbeiter, der die Jungenbande offiziell verteidigt und ihre Taten deckt, mit dem Hinweis, dass sie so eine schlechte Kindheit hatten, wofür er als „Gutmensch” und „Weichei” von ihnen verachtet wird. Auch der Wärter, der Rashid noch im Knast mit Rauschgift versorgt, und nicht zuletzt die Schule, die froh ist, ihn rauswerfen zu können, haben an seiner kriminellen Karriere, die seinen Untergang bedeutet, mitgewirkt.
Es bleibt nur das Fazit, dass viele junge Deutsche mit arabischen und türkischen Eltern zu potentiellen Straftätern heranwachsen, denn die Parallelgesellschaft, die sie geprägt hat, verhindert, dass sie die demokratischen, liberalen Werte der europäischen Staaten, die inzwischen ihre Heimat sind, schätzen. Besonders schwierig wird es, wenn sie die Schule ohne Abschluss und damit ohne Aussicht auf eine Lehrstelle und die Möglichkeit einer beruflichen Zukunft verlassen. ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
GÜNER YASEMIN BALCI: Arabboy. Eine Jugend in Deutschland oder Das kurze Leben des Rashid. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2008. 286 Seiten, 14,90 Euro.
Wie Raschid sein Geld verdient, mit dem er protzt, das interessiert seine Eltern nicht
Auch die Schule, die froh ist, ihn rauswerfen zu können, wirkte an seiner kriminellen Karriere mit
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Regina Mönch hat großen Respekt vor der Autorin und ihrem Buch. Die Journalistin Güner Yasemin Balci ist für sie eine "Aufklärerin im besten Sinn", weil sie nicht anklagt, sondern Verantwortung übernimmt und ihre Kompetenz nutzt, um dem libanesischen Flüchtlingsjungen Rashid eine Stimme zu verleihen. Was diese Stimme der Rezensentin zu erzählen hat, hat es in sich. Mönch hat Balcis Buch als Tatsachenbericht über eine Kindheit und Jugend in Berlin-Neukölln gelesen, wo die Autorin selbst aufgewachsen ist und in einem Jugendclub gearbeitet hat. Schlagartig wird ihr klar, wie weit die Diskussion um Integration oft an den hoffnungslosen Realitäten vorbeigeht. Die stilistische Vorgehensweise der Autorin, "lakonisch und präzise" und doch mit "viel Emphatie" für die Protagonisten, hält sie für angemessen und erkenntnisfördernd.

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