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Ob in der Frauenmedizin, Orthopädie oder Krebsvorsorge: Mythen sind in der Medizin weit verbreitet. Arzneimittel, Diagnosen und Therapien sind oft keine medizinischen Notwendigkeiten, sondern resultieren aus Irrtümern, Trugschlüssen - und finanziellen Interessen. Erschreckend deutlich wird dies, wenn Ärzte zu Patienten werden: Sie lassen sich viel seltener operieren als der Durchschnittsbürger. Viele Mediziner muten ihren Patienten Operationen zu, denen sie sich selbst nie unterziehen würden. Denn sie wissen am besten, welcher Eingriff wirklich notwendig ist, welche Behandlung ihren Patienten tatsächlich hilft. Und welche nur ihrem Geldbeutel.…mehr

Produktbeschreibung
Ob in der Frauenmedizin, Orthopädie oder Krebsvorsorge: Mythen sind in der Medizin weit verbreitet. Arzneimittel, Diagnosen und Therapien sind oft keine medizinischen Notwendigkeiten, sondern resultieren aus Irrtümern, Trugschlüssen - und finanziellen Interessen. Erschreckend deutlich wird dies, wenn Ärzte zu Patienten werden: Sie lassen sich viel seltener operieren als der Durchschnittsbürger. Viele Mediziner muten ihren Patienten Operationen zu, denen sie sich selbst nie unterziehen würden. Denn sie wissen am besten, welcher Eingriff wirklich notwendig ist, welche Behandlung ihren Patienten tatsächlich hilft. Und welche nur ihrem Geldbeutel.

Autorenporträt
Jörg Blech, geboren 1966, studierte Biologie in Köln und Biochemie an der University of Sussex in Großbritannien. Er besuchte die "Henri-Nannen-Schule" in Hamburg und war anschließend Redakteur beim "Stern" und bei der "Zeit". Heute arbeitet er im Wissenschaftsressort des "Spiegel" in Hamburg. Jörg Blech ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2006

Selbstbewußte Patienten
Kritische Blicke auf Pharmaindustrie und Therapien

Über wenig wird in der Gesundheitspolitik so lautstark gestritten wie über die Macht und den Einfluß der Pharmaindustrie. Immerhin landet ein großer Teil der Gesundheitsausgaben in ihren Kassen - und dieser Anteil wächst. In Deutschland lag er im ersten Halbjahr allein bei den gesetzlichen Krankenkassen immerhin bei 20 Prozent. Unstrittig ist indes, daß der Branche in Wirtschaft und Gesellschaft eine wichtige und angesichts der Alterung auch noch wachsende Bedeutung zukommt. Schon sehen Forscher in ihr den Nukleus für den sechsten Kondratieff, einen neuen Zyklus weltwirtschaftlicher Entfaltung, angetrieben durch die Pharma-, Bio- und "Life Science"-Industrie.

Um so wichtiger ist es, das Geschäftsmodell der Branche zu verstehen und die Wirkungszusammenhänge nachzuvollziehen. Nun mag ein Buch mit dem Titel "Der Pharma-Bluff" nicht für eine aus- und abgewogene Betrachtung stehen. Das will Marcia Angell, langjährige Chefredakteurin des angesehenen "New England Journal of Medicine", auch nicht. Die in den Vereinigten Staaten als Pharmakritikerin bekannte Medizinerin und Harvard-Dozentin hat eine Anklageschrift verfaßt gegen eine Branche, die, "korrumpiert durch schnelle Profite und Habgier, das amerikanische Volk getäuscht und ausgebeutet hat". Der der AOK nahestehende KomPart-Verlag hat das 2004 zum Wahlkampf in Amerika erschienene Traktat nun auf deutsch herausgebracht. Daß das Buch die Situation der amerikanischen Pharmaindustrie beschreibt, macht es für den deutschen Leser nicht weniger spannend: Zum einen agieren die führenden Pharmakonzerne international, zum andern wird der amerikanische Markt hierzulande von der Branche gern als vorbildlich beschrieben.

Mit Furor durchpflügt Angell ihr Themengebiet. Da werden "Mythen offengelegt", es wird "entlarvt", vor allem die "Geldgier" der Pharmabosse. Für die auch hierzulande von der Branche behaupteten Entwicklungskosten von 800 Millionen Euro für ein neues Medikament findet sie keinen Beweis. Indes zeigt sie, wie aus staatlich finanzierter Forschung private Patente werden. Wirklich neue Wirkstoffe, mit denen Krankheiten erstmals behandelt werden könnten, seien unter den neu auf den Markt gebrachten "Innovationen" deutlich in der Minderzahl; die Ausgaben für den Vertrieb und Verkauf der Pillen seien dagegen erheblich höher als die für die Erforschung neuer Medikamente.

Mit energischen Strichen zeichnet Angell das Bild einer Industrie, deren Mehrwert vor allem darin bestehe, daß sie die staatlich finanzierten Forschungsergebnisse aufsauge und über einen eingespielten Marketing- und Vertriebsapparat an Ärzte und Patienten bringe - einer Branche, die die Regierung um den Finger wickelt sowie Forscher und Ärzte mit Unterstützung abhängig macht, damit diese ihre teuren, aber nicht immer wirksamen Produkte verschrieben. Daß* sie damit "ein Bild der wahren Pharmaindustrie" wiedergibt, darf bezweifelt werden. Und doch wirft Angell, unterstützt von Anmerkungen und Verweisen, bezeichnende Schlaglichter auf eine Boom-Branche, die nicht allesamt als Hirngespinste abgetan werden können.

Aufklärerischer Geist weht auch in dem Buch, das der "Spiegel"-Journalist Jörg Blech vorgelegt hat: "Heillose Medizin" heißt es, und es ist eine Art Fortsetzung seines 2003 erschienenen Verkaufsschlagers "Die Krankheitserfinder". Während es ihm damals darum ging, die These zu belegen, daß "Menschen systematisch zu Patienten gemacht werden", indem Konzerne Krankheiten und Behandlungsmethoden erfinden, hinterfragt er nun den Sinn vieler Therapien, die Ärzte ihren Patienten angedeihen lassen. Das tut er fundiert und kritisch, ohne Schaum vor dem Mund. Blech, von Haus aus Biologe und Wissenschaftsredakteur, geißelt die Medikamentengläubigkeit der Deutschen und warnt vor Vertrauensseligkeit gegenüber den Ärzten. An einer Stelle hält er bezeichnend fest, daß "mit Ausnahme der Blinddarmentnahme Menschen der Gesamtbevölkerung durchweg öfter unters Messer geraten (waren) als die Ärzte selbst". Blechs Bändchen sind 240 Seiten Anleitung dafür, wie aus dem hilflosen Kranken ein selbstbewußter Patient werden kann, der auch den Behandlungsvorschlägen des Arztes kritisch gegenübersteht. Gute Information schützt eben auch hier vor schlechter Behandlung.

ANDREAS MIHM.

Marcia Angell: Der Pharma-Bluff. Wie innovativ die Pillenindustrie wirklich ist. KomPart Verlagsgesellschaft, Bonn/Bad Honnef 2005, 288 Seiten, 24,80 Euro.

Jörg Blech: Heillose Medizin. Fragwürdige Therapien und wie Sie sich davor schützen können. Verlag S. Fischer, Frankfurt 2005, 240 Seiten, 17,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2006

Hilflose Ärzte, erwartungsfrohe Patienten
Manchmal reicht eine Scheinoperation: Jörg Blech berichtet von sinnlosen Therapien
Vielleicht hat Bruce Moseley viele Orthopäden in eine Sinnkrise gestürzt. Dabei wollte er nur wissen, wie er verletzte Basketballer am besten behandelt. Moseley war Arzt der US-Nationalmannschaft und hatte schon viele ramponierte Knie gesehen, und so grübelte er über die richtige Therapie. Sollte er das Kniegelenk einfach nur ausspülen oder zusätzlich die Knorpel glätten? Eines Tages kam er auf die Idee, beide Verfahren zu vergleichen. Eine Kollegin ging noch weiter. Sie schlug vor, auch die Wirkung einer Scheinoperation zu testen, weil sie nicht viel von Arthroskopie hielt und meinte, „Chirurgie könnte den größten Placebo-Effekt überhaupt haben”.
So entstand eine der größten Studien zu Scheinoperationen. 180 Patienten mit mittelschwerer Arthrose wurden ausgewählt. Bei einigen wurde das Knie gespült, anderen wurde zusätzlich der Knorpel geglättet. In der dritten Gruppe wurde der Eingriff simuliert. Die Patienten wurden in einen Dämmerschlaf versetzt, bekamen ein Schmerzmittel und anschließend setzte Moseley mit dem Skalpell drei kleine Schnitte an. Wer zu welcher Gruppe gehörte, erfuhr Moseley aus versiegelten Briefen, die er erst vor dem Eingriff öffnete. Damit die Scheinoperation echt wirkte, bewegte er das Knie wie bei einer echten Arthroskopie. Zusätzlich simulierte ein Assistent Spülgeräusche, in dem er Wasser in einen Eimer goss. Anschließend wurden die Patienten alle gleich weiterbehandelt, keiner erfuhr, was ihm geschehen war.
Zwei Jahre später lüftete sich das Geheimnis, das Ergebnis war niederschmetternd. Fast alle Patienten waren zufrieden, klagten nicht über Schmerzen - egal ob sie operiert worden waren oder nicht. Das Knie zu spülen und die Knorpel zu glätten war überflüssig. Man musste nur eine Operation simulieren, um die Menschen von ihren Schmerzen zu befreien.
Die Anekdote von Bruce Moseley ist eines von vielen Beispielen, die Jörg Blech in seinem Buch „Heillose Medizin” ausbreitet. Auf 240 Seiten beschreibt er die Unzulänglichkeiten der Ärztezunft. Sein Fazit: Viele Operationen, Therapien und Behandlungsmethoden sind wissenschaftlich nicht abgesichert, je nach medizinischem Fachgebiet seien 15 bis 50 Prozent der Eingriffe überflüssig. „Die meisten Therapien werden nur deshalb angewandt, weil die Ärzte daran glauben.”
Es ist das zweite Buch des Spiegel-Redakteurs. Ähnlich wie in seinem ersten Werk „Die Krankheitserfinder” belegt er seine Thesen mit vielen Beispielen. Zwischen 120 000 und 140 000 Frauen wird jedes Jahr die Gebärmutter entfernt, doch Frauenärzte halten einen Großteil der Eingriffe für unnötig. Ärzte entfernen den Uterus oft wegen Geschwüren, die gutartig sind und keine Beschwerden hervorrufen.
Doch sie greifen manchmal auch zum Skalpell, wenn die Patientinnen unter Rückenschmerzen oder Menstruationsbeschwerden leiden. Entscheidend ist zuweilen auch der soziale Stand, und ob der Gynäkologe ein Mann ist. „Wer gut versichert und schlecht ausgebildet ist, wird statistisch am ehesten vom Uterus getrennt”, schreibt Blech. Ärzte in Frankreich oder Japan schneiden seltener als ihre deutschen Kollegen.
Rund ums Herz sind ebenfalls viele Ärzte tätig. Sie legen Herzkatheder und Bypässe, sie führen biegsame Gummischläuche in die Herzkranzgefäße, um dort zu enge Arterien zu weiten (Ballondilation). Oder sie setzen Metallröhrchen (Stents) ein, um Gefäße zu stützen. Das rührige Treiben hilft oft wenig. Schweizer Kardiologen verlegen weniger Herzkatheder, doch in der Alpenrepublik sterben die Menschen seltener an einem Infarkt als hierzulande.
Neue Methoden sind nicht immer ein Fortschritt. Bei einem Test wurden 920 Infarkt-Patienten in zwei Gruppen eingeteilt: Eine wurde mit Katheder, Bypass oder Ballondilation behandelt, die andere mit konservativen Methoden, wie der Gabe von Herzmedikamenten. Nach einem Jahr war die Überlebensrate in beiden Gruppen gleich hoch. Nur wer sich den neuen Methoden anvertraute, erlitt nach dem Klinikaufenthalt häufiger einen Infarkt, manche starben sogar.
Olivenöl und Muskeltraining
In der Krebsmedizin gibt es teilweise beeindruckende Fortschritte, etwa bei Lymphkrebs, Leukämie oder wenn ein Tumor die Hoden befällt. Doch bei vielen anderen Krebsarten des Darms, der Lunge oder der Brust tritt der Fortschritt auf der Stelle. Obwohl sich die Menschen einer umfangreichen Chemotherapie unterziehen, leben sie kaum länger. Oftmals geben die Mediziner nur etwas, weil sie sich nicht ihre Hilflosigkeit eingestehen wollen: „Der Arzt ist froh, dass er etwas anbieten kann, die Patienten sind froh, wenn sie etwas nehmen können, und die Industrie freut sich.”
Nicht alle Mängel im Gesundheitswesen, die Blech beschreibt, sind neu. Wer sich mit der Materie beschäftigt, kennt die Versäumnisse genau. Das Verdienst des Autors ist, dass er die vielen Fälle zusammengetragen und schlüssig aufbereitet hat. Er belegt seine Beispiele mit vielen Fakten und Verweisen. Anschaulich beschreibt der Autor, wie die Kliniken vorschnell teure Geräte, etwa den Robodoc, anschafften. Nach Jahren fanden sie dann heraus, dass die Geräte bei Hüftoperationen dem Patienten mehr schaden als nützen. Er zeigt auf, dass manche Cholesterinsenker weniger bewirken als Olivenöl, dass Medikamente, die das Knochenwachstum anregen sollen, weniger helfen als vernünftiges Muskeltraining.
Viele Ärzte kennen die Grenzen ihrer Arbeit sehr genau. Sie würden sich jenen Operationen verweigern, die sie ihren Patienten empfehlen. Zahlreiche Gynäkologinnen würden sich die eigene Gebärmutter nicht entfernen lassen, wenn sie von einer gutartigen Wucherung befallen ist. Viele Urologen würden sich auch dann nicht die Prostata ausschaben lassen, wenn sie gutartig vergrößert ist und den Harnfluss hemmt.
Wer das Buch von Jörg Blech gelesen hat, glaubt nicht mehr, dass es dem Gesundheitswesen an Geld fehlt. Es fehlt an Wissen. An unabhängigen Informationen darüber, welche Therapien etwas taugen und welche nicht. Diesen Missstand sollten Politiker beheben und nicht darüber nachdenken, wie die Bürger noch mehr für Kassen und Privatversicherer bezahlen. Vielleicht wäre das Buch eine schöne Lektüre für Angela Merkel und Franz Müntefering, bevor sie die nächste Gesundheitsreform anpacken.
ANDREAS HOFFMANN
JÖRG BLECH: Heillose Medizin. Fragwürdige Therapien und wie Sie sich davor schützen können. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main. 240 S., 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nicht an Geld fehle es anscheinend dem Gesundheitswesen, resümiert Rezensent Andreas Hoffmann nach der Lektüre, sondern an Wissen. Der Autor habe bei seiner reichen Beispielsammlung für falsche und unnötige 'Behandlungen' zwar nicht immer neue Erkenntnisse zusammengetragen, aber doch "schlüssig" und "anschaulich" dargestellt. Blechs Meinung nach, referiert der Rezensent, seien je nach Fachrichtung zwischen 15 und 50 Prozent der operativen Eingriffe überflüssig. Der Rezensent hebt insbesondere hervor, dass der soziale Stand mitunter darüber entscheidet, ob man unters Messer oder ähnliches gerate. Einen wichtigen Fingerzeig sieht der Rezensent zudem in Blechs Aussage, dass viele Ärzte ihre Operationen niemals bei sich selbst durchführen lassen würden.

© Perlentaucher Medien GmbH