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Franz Friedrich erzählt in seinem Debüt von entlegenen Inseln, der Liebe und der Suche nach dem richtigen Leben in unserer Zeit.
Eine Dokumentarfilmerin dreht auf Uusimaa ihren einzigen Naturfilm. Im heißesten Februar seit Menschengedenken trifft eine amerikanische Studentin in Berlin auf eine rätselhafte Chorgruppe. In Brüssel verlässt ein junger Filmemacher Frau und Kind. Franz Friedrich nimmt uns mit in eine einsame Waldhütte, auf einen finnischen Eisbrecher und in das Innere eines abstürzenden Flugzeugs. Und plötzlich, nach zwei Jahrzehnten unerklärbarer Stille, fangen die Meisen auf…mehr

Produktbeschreibung
Franz Friedrich erzählt in seinem Debüt von entlegenen Inseln, der Liebe und der Suche nach dem richtigen Leben in unserer Zeit.

Eine Dokumentarfilmerin dreht auf Uusimaa ihren einzigen Naturfilm. Im heißesten Februar seit Menschengedenken trifft eine amerikanische Studentin in Berlin auf eine rätselhafte Chorgruppe. In Brüssel verlässt ein junger Filmemacher Frau und Kind. Franz Friedrich nimmt uns mit in eine einsame Waldhütte, auf einen finnischen Eisbrecher und in das Innere eines abstürzenden Flugzeugs. Und plötzlich, nach zwei Jahrzehnten unerklärbarer Stille, fangen die Meisen auf der Insel Uusimaa wieder an zu singen. Die Konturen einer Zukunft blitzen auf und die Zerwürfnisse unserer Zeit werden sichtbar. Dieser Debütroman legt vorsichtig eine neue Wirklichkeit über unsere alternativlos erscheinende Gegenwart.
Autorenporträt
Franz Friedrich, geboren 1983, studierte Experimentalfilm an der Universität der Künste Berlin und in Leipzig am Deutschen Literaturinstitut. Franz Friedrich lebt in Berlin.

Literaturpreise:

Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung 2014
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Franz Friedrichs "Die Meisen von Uusimaa" ist so sehr Märchen wie Roman, verrät Nico Bleutge. Auf drei Zeitebenen spielt das Buch, die der Autor schön verflicht und am Anfang der Kapitel gerne ohne exakte Zuordnung in der Schwebe hält: 1996 bricht eine Dokumentarfilmerin zur Insel Uusimaa auf, wo die Meisen urplötzlich aufgehört haben zu singen, 2007 stößt eine Studentin, die an ihrer Doktorarbeit schreibt, auf eine Sängergemeinde, die von einer verheißenen Insel träumt, 2017 reist ein belgischer Filmemacher - durch ein dystopisches Europa - nach Uusimaa, weil die Vögel wieder singen, fasst der Rezensent die Ebenen zusammen. Immer wieder finden sich "Stichstraßen von der Vergangenheit in die Zukunft", die schließlich in einer Art Finale münden, das allerdings keine einfache Lösung bereithält, so Bleutge. Das Besondere an Friedrichs Buch ist aber sein Sinn für Nuancen, ohne in eine "Mythomanie des Details" zu verfallen, lobt der Rezensent. Die Einzelheiten sind die widerborstigen Elemente, die sich der Ordnung der Geschichte - Innen wie Außen - nicht unterwerfen wollen, erklärt Bleutge begeistert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.09.2014

Halbe Insel, ganzes Leben
Vom Verstummen der Natur und von der Schönheit der Fußnoten: Franz Friedrich macht sich in seinem funkelnden Debütroman
„Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr“ auf die Suche nach Alternativen zur krisenhaften Wirklichkeit
VON CHRISTOPH SCHRÖDER
Fest steht, allein schon deshalb, weil der Titel des Romans es so will, dass die Lapplandmeisen auf der finnischen Insel Uusimaa eines Tages aufgehört haben zu singen. Und zu vermuten ist, dass der Grund dafür in einem Zivilisationsdefekt liegt. Sicher darf man sich über die Ursache allerdings nicht sein: Handelt es sich um von Mobilfunktelefonen hervorgerufene Strahlungen, um eine Seuche, über die Grenze gewehte Giftwolken oder gar russische Raketenversuche, die in der Nähe durchgeführt wurden? Vielleicht aber gibt es auch ganz andere Gründe, außerhalb der wissenschaftlichen Erkenntnissphären: Die Meisen könnten bemerkt haben, wie hässlich ihr Singen gegenüber dem Gesang der Menschen ist. Oder sie könnten depressiv sein. Vielleicht haben sie auch einfach keine Lust mehr.
  Das Verstummen der Meisen erzeugt den Raum für Phantasien, Ängste, Wünsche, Visionen, Spinnereien. Einen Spekulations- und Traumraum, wie der Roman selbst insgesamt einer ist. Kunstvoll verflochten sind die zahlreichen Motivstränge in diesem Buch, das unsere Gegenwart und unsere Vergangenheit umgeschrieben, umgeschichtet, umgekehrt hat und aus diesem Grund zwangsläufig eine unheilvolle Zukunft entwerfen muss. Wenn ein Roman so komplex und klug gebaut ist und die Lektüre dennoch eine so ungeheure Freude bereitet, darf man mit Recht von einem Wunderwerk sprechen.
  Franz Friedrich, 1983 geboren, ist studierter Experimentalfilmer sowie Absolvent des Deutschen Literaturinstituts in Leipzig und lebt inzwischen in Berlin. Dass er für sein literarisches Debüt bereits vorab mit dem Preis der Ponto-Stiftung ausgezeichnet und zudem für die Longlist des Deutschen Buchpreises nominiert wurde, ist vollkommen verdient. Selten einmal bekommt man einen Gegenwartsroman zu lesen, der so konsequent Möglichkeitswelten entwirft und trotzdem konkret bleibt; einen Roman, der Fragen stellt und zahlreiche Antworten anbietet, ohne sie explizit auszuquatschen.
  Eine Epoche im bedrohlichen Schwebezustand, erzählt auf unterschiedlichen Zeit- und Handlungsebenen, die zunächst ein wenig fragmentarisch nebeneinander zu stehen scheinen, bis sie in einem durchaus berührenden Schlussakt zusammengeführt werden. Da ist zum Auftakt ein Student der Filmwissenschaft, der im Keller seines Instituts die Dokumentation einer Filmemacherin namens Susanne Sendler betrachtet; ein Film, der den gleichen Titel trägt wie der Roman und dessen einzige Ausfertigung durch eine Ungeschicklichkeit während der Vorführung vernichtet wird.
  Im Jahr 2017 macht sich eben jener Mann auf nach Uusimaa, weil die Meisen wieder begonnen haben zu singen. Der zweite Teil des Romans besteht aus dem Bericht Susanne Sendlers über ihre Reise auf die Insel im Jahr 1997. Um einer Gruppe von Ornithologen zu ermöglichen, das mysteriöse Verstummen der Meisen zu erforschen und zu erklären, wurde die Insel kurz zuvor zwangsevakuiert; Geschichten und Mythen von bewaffneten Widerständlern kursieren; Susanne Sendler trifft auf eine merkwürdige Gesellschaft von Wissenschaftlern und auf eine in erhabener Leere erstarrte Natur.
  Schon in Susanne Sendlers Aufzeichnungen wird das Bauprinzip des Romans deutlich: Franz Friedrich arbeitet mit Kontrapunkten, mit Widersprüchen, mit Utopien und Dystopien, die gegeneinander gestellt werden, ohne hierarchische Ordnung. Er entwirft sie vielmehr als eine Vielzahl von Alternativen zu einem gesellschaftlichen und individuellen Zustand, für den in der Politik gern der Ausdruck „alternativlos“ verwendet wird. In Sendlers Notizen liegen die Gegenentwürfe und das Aufscheinen des Schönen ironischerweise in den Fußnoten.
  Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten großen Kapitel des Romans: Im Berlin des Jahres 2007, das in seiner sozialen Spannung dem Griechenland der Gegenwart auf frappierende Weise ähnelt, aber auch eine entfernte Ähnlichkeit mit Orwells London aufweist, lebt die amerikanische Austauschstudentin Monika Meadows in höchst prekären Verhältnissen.
  Ihr Stipendium läuft aus, die Rückkehr in ihre von Wirtschaftskrisen gebeutelte Heimat Kalifornien erscheint als Rückkehr in eine Welt ohne Perspektiven; ein Fluchtpunkt ist Monikas Beschäftigung mit der Erschaffung utopischer Räume, von der sowjetischen Avantgarde über den von der Wiederauferstehung der Körper nach dem Tod träumenden Philosophen Nikolaj Fedorov, der durch die Zeilen geistert, bis hin zum Berliner Hansaviertel, auch das wiederum eine Reaktion auf die stalinistischen Neubauten im Ostberlin der Nachkriegszeit und die Vision eines neuen Wohnens. Die Verbindung Monikas nach Uusimaa stellt Friedrich erst gegen Ende des Kapitels her, und das auf eine wiederum höchst originelle Weise.
  Selbst wenn er von Idyllen erzählt, ist Friedrich ein ebenso kühner wie kühler Autor: Ein eingeschobenes Kapitel erzählt von einem Sommer, den der Filmemacher mit seiner Freundin in einer Hütte in Schweden verbringt, ein echtes „Walden“-Szenario inklusive Pilze- und Kräutersammeln, das mit dem Eingeständnis der Vergeblichkeit endet: „Das einfache Leben, von dem sie auf ihrer Halbinsel im Schärengarten träumten, es war unerreichbar, nicht in dieser Zeit, nicht in diesem Land. Nicht einmal das Drehbuch, an dem sie arbeiteten, würden sie verfilmen, denn in der Fiktion darf nicht gelingen, was in der Realität scheitert.“ Das ist ein programmatischer Satz, der sich auch auf den Roman selbst übertragen lässt: Die Lebensformen, die hier entworfen werden, können nur als Entwürfe Gültigkeit haben.
  Sie spenden Hoffnung, mehr nicht, aber das ist viel. In einem Nebensatz wird angedeutet, Susanne Sendler könnte von Außerirdischen entführt worden sein. Auch das wäre ein potenzieller Ausweg aus einer krisengeschüttelten Welt. Dieser Welt setzt Franz Friedrich in seinem verblüffenden Buch die Kraft literarischer Phantasie entgegen. Und die Meisen, die ihre Stimme wiederfinden.   
Die einzige Kopie des Films,
der den gleichen Titel trägt
wie der Roman, wird vernichtet
„Er stand hinter dem Projektor im ,Kabuff‘, der Vorführkabine des kleinen Kinos im Keller des Instituts.“ Mit diesem Satz lässt Franz Friedrich seinen Debütroman beginnen. Der Film und das Kino werden den Roman bis zum Schluss begleiten: Sein letzter Absatz ist ein Zoom.
Foto: Regina Schmeken
  
  
  
  
Franz Friedrich:
Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr. Roman.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 318 Seiten, 22,99 Euro. E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2014

Insel ohne Wiederkehr

Franz Friedrichs Roman "Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr" ist für den Deutschen Buchpreis nominiert. Das gelungene Debüt gewinnt dem alten Motiv der Heimkehr neue Facetten ab.

Die Sonne hört auf unser Kommando in Franz Friedrichs erstaunlichem Romanpoem, das man durchaus auch ein romantisches Romanfragment nennen dürfte. Hat hier etwa ein neues Zeitalter begonnen? Ja, das hat es ganz unbedingt, allerdings ist der Grund dafür, dass "ein Universum neuer Welten entdeckt" wurde und nicht, dass man die Kontrolle über die Sonne erlangt hätte, denn an dieser einen Stelle ist nur von einer schnöden Sonnenbank die Rede, einem Berliner Brutzelgrill für tätowiertes Unterschichtenfleisch, der aber für eine strauchelnde kalifornische Studentin doch zu einem Zufluchtsort wird.

Monika Meadows schließt die Augen und sieht Sterne aufleuchten über einer weißen Blume: "In ihr war Raum, in den sie fiel." Das neue Universum ist eines im Innern der Menschen, aller Menschen, ein kollektiver Traum, eine Insel, auf der man zusammenfindet jenseits der eigenen, hier entrückt-surreal wirkenden, von Krisen geschüttelten Wirklichkeit. Es handelt sich um das Totenreich, gewiss, aber selten war es so lebendig wie in diesem atmosphärischen Debütroman, der sehr zu Recht auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis steht. Die Tagträume der Sonnenbankbesucherin sind zudem eine probate Metapher für den eigentümlich visuellen Stil dieses Buches. Es ist, als erblickten wir langsam vorüberziehende Nachbilder der Wirklichkeit, einen von innen auf die Lider projizierten Experimentalfilm, der sich Details und Situationen mit penibler Akkuratesse nähert, sie jedoch gleichzeitig ihrem Lebenszusammenhang entreißt und sie neu zu uns in Beziehung setzt.

Emblematisch für alle Krisen der Gegenwart - ökonomisch, ökologisch, politisch und philosophisch strudelt die Welt bei Friedrich ihrem Untergang entgegen - steht das Schweigen der Lapplandmeisen auf der fiktiven finnischen Insel Uusimaa: "die Nachricht darüber verbreitete sich wie eine endzeitliche Prophezeiung". Schuld habe der Mensch: "wir, die Finnen, die degeneriert sind!" Aus Angst, diesmal eine Grenze überschritten zu haben, lässt der finnische Staat Uusimaa ("Neues Land", eigentlich die Bezeichnung für die Gegend um Helsinki) im Jahre 1996 evakuieren. In der verbotenen Zone, die ein wenig an Fukushima oder Tschernobyl erinnert, hält nur die Besatzung einer Vogelstation die Stellung.

Drei Erzählstränge, die jeweils im Abstand von zehn Jahren spielen, ranken sich um die Insel und ihr Geheimnis. Da gibt es zum einen das Tagebuch der Dokumentarfilmerin Susanne Sendler, die der Insel kurz nach der Evakuierung einen Besuch abstatten durfte. Der Leser streift mit ihr durch das postapokalyptische Gelände, das allerdings äußerst friedlich und idyllisch wirkt. Den Ornithologen sieht man bei ihrer mit großem Ernst betriebenen Sisyphosarbeit zu. Die Beschreibungen der Insel, mitunter im satten Adalbert-Stifter-Sound, grenzen an schamanistische Beschwörungen: "Ich erinnere mich, ich saß auf einem dicht mit Moos bewachsenen Felsen, der rau und weich zugleich war. Wenn ich das Moos mit der Hand berührte, fühlte es sich an, als streifte ich das Fell eines Tieres, die speckige Wolle eines Schafs." Diese Dimension, so scheint es Susanne Sendler, lässt sich mit der Kamera nicht dokumentieren, sondern einzig schöpferisch mitvollziehen: Das Aufgehen im großen Ganzen, im Naturverbund, kennt kein Außen.

Die einzige Kopie des Films, den die verschwundene Filmemacherin von Uusimaa übermittelte (sein Titel ist der des Buches), zerstört ein junger Filmstudent einige Jahre später aus Versehen. Doch haben sich die Bilder ihm derart eingebrannt, dass er im Jahre 2017, kaum dass die Meisen von Uusimaa wieder zu singen beginnen, zu diesem Gegen-Ort aufbricht. Er ist ein Suchender wie alle Protagonisten des Romans, aber zugleich eine tragische Figur, denn er scheitert just an dem, woran er zu glauben meint: am einfachen Leben. Als Aussteiger wollte er gemeinsam mit der Geliebten Marta sein Glück finden, bis beide einsahen, dass es lächerlich war, in der Peripherie von Stockholm ein rousseauhaftes Leben zu führen. Der Reise nach Uusimaa, Frau und Kind zurücklassend, scheint mehr Erfolg beschienen, doch mehren sich die Zeichen, dass es sich um eine Hadesfahrt handelt.

Schließlich gibt es noch die Berliner Studentin aus dem Sonnenstudio, die an einer Dissertation über den Modernismus arbeitet. Sie gehe zu unwissenschaftlich vor, wird ihr beschieden: Sie schweife zu leicht ab und argumentiere zu sozialromantisch. Im Stilistischen sind sich alle Protagonisten also sehr nah, und auch der Autor ist nicht fern. Im Jahre 2007 geschieht es: Monikas Stipendium wird nicht verlängert, womit zugleich ihre Aufenthaltsgenehmigung erlischt: In zwei Monaten soll sie in ihr verwüstetes Heimatland zurückkehren. Perspektivlos und melancholisch treibt die Gescheiterte durch die winterliche Hauptstadt, die mit Armenspeisungen und einer weltrevolutionären Stimmung (lustigerweise ist Belgien das Zentrum des neuen sozialistischen Experiments) eher dem Berlin der späten zwanziger Jahre gleicht als der aufgekratzten Hipster-Metropole von heute. Bald zieht ein Chor, der ein fremdartiges Lied über das Wiederauftauchen einer untergegangenen Insel zum Besten gibt, die Studentin in den Bann: Hektor und sein Sohn Paul, die Chorleiter, haben ihr ganz eigenes Verhältnis zu Uusimaa.

Wie schon dieser kurze Einblick zeigt, ist nicht unbedingt die Handlung das Faszinierende an Franz Friedrichs Roman, sondern eher der Mut zur Nicht-Handlung, das Spiel mit Tableaus, die so montiert werden, dass Ähnlichkeiten über die Zeiten hinweg deutlich werden. Die Entfremdung vom Echten als Signatur der Epoche, die vom Analogen zum Digitalen überging, ist freilich keine These von großem intellektuellem Format. Wäre der Text nicht von einer solchen sprachlichen Exzellenz, könnte man ihn sogar hier und da (Gesang kontra Tod; die Insel im Eis) ein wenig kitschig finden. Aber höchste sprachliche Souveränität ist eben vorhanden, durchwirkt jede Zeile, findet stets das passende Epitheton, macht aus diesem fast essayistischen Plot beglückende, tröstende - man ist verführt zu sagen: echte - Literatur.

Es ist eine bildintensive, lakonisch-lyrische Erzählweise, die nicht zuletzt von der Rhythmik lebt: "Drachenwurz und Knöterich, Sumpfhaarstrang und Weiderich, Braunwurz, Zweizahn, Herzgespann. Sie alle, so hatte ich gelesen, waren auf Uusimaa verbreitet." Mit Bedacht eingesetzt wird von Friedrich auch die fremdartige Phonetik des Finnischen: "Uusikaupunki", "Erkki Mäkelä", "Kivijoki", "Tuuli", "Mökki", "Kap Lalli", "Kaamos" und natürlich ganz besonders "Uusimaa". Mit ihrem Überangebot an Vokalen wirken diese Worte wie Zaubersprüche aus vulkanischen Tiefen, wie verdichteter Vogelgesang, wie Fluchtinseln für schwarze Gedanken. Es ist wohl kein Zufall, dass Heimkehr, diese tief im Menschen verankerte Sehnsucht, seit alters ein Grundmotiv der Dichtung ist, schließlich ist auch Sprache eine Behausung. Franz Friedrich stellt sich in eine große Tradition, und er macht keine schlechte Figur.

OLIVER JUNGEN

Franz Friedrich: "Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr". Roman.

Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2014. 320 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Selten liest man einen Gegenwartsroman, der so konsequent Möglichkeitswelten entwirft und trotzdem konkret bleibt, der so komplex gebaut ist und dennoch ungeheuer großen Spaß macht. Christoph Schröder KulturSpiegel, Oktober 2014