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Die große Liebe von Ifemelu und Obinze beginnt im Nigeria der neunziger Jahre. Dann trennen sich ihre Wege: Während die selbstbewusste Ifemelu in Princeton studiert, strandet Obinze als illegaler Einwanderer in London. Nach Jahren kehrt Ifemelu als bekannte Bloggerin von Heimweh getrieben in die brodelnde Metropole Lagos zurück, wo Obinze mittlerweile mit seiner Frau und Tochter lebt. Sie treffen sich wieder und stehen plötzlich vor einer Entscheidung, die ihr Leben auf den Kopf stellt.
Adichie schreibt bewundernswert einfach, grenzenlos empathisch und mit einem scharfen Blick auf die
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Produktbeschreibung
Die große Liebe von Ifemelu und Obinze beginnt im Nigeria der neunziger Jahre. Dann trennen sich ihre Wege: Während die selbstbewusste Ifemelu in Princeton studiert, strandet Obinze als illegaler Einwanderer in London. Nach Jahren kehrt Ifemelu als bekannte Bloggerin von Heimweh getrieben in die brodelnde Metropole Lagos zurück, wo Obinze mittlerweile mit seiner Frau und Tochter lebt. Sie treffen sich wieder und stehen plötzlich vor einer Entscheidung, die ihr Leben auf den Kopf stellt.

Adichie schreibt bewundernswert einfach, grenzenlos empathisch und mit einem scharfen Blick auf die Gesellschaft. Ihr gelingt ein eindringlicher Roman, der Menschlichkeit und Identität eine neue Bedeutung gibt.
Autorenporträt
Adichie, Chimamanda Ngozi
Chimamanda Ngozi Adichie ist eine der großen Stimmen der Weltliteratur. Ihr Werk wird in 37 Sprachen übertragen. Für »Americanah« erhielt sie 2013 den Heartland Prize for Fiction und den National Book Critics Circle Award. Ihr Roman »Blauer Hibiskus« war für den Booker Prize nominiert, »Die Hälfte der Sonne« erhielt den Orange Prize for Fiction 2007. Mit ihrem TED-Talk »We should all be Feminists« verankerte die Nigerianerin den Feminismus fest in der Popkultur. Auf Deutsch liegt der Text im FISCHER Taschenbuch vor: »Mehr Feminismus! Ein Manifest und vier Stories«. Zuletzt erschien 2017 im FISCHER Taschenbuch »Liebe Ijeawele. Wie unsere Töchter selbstbestimmte Frauen werden«. 2018 wurde Chimamanda Ngozi Adichie mit dem PEN Pinter Prize und dem Everett M. Rogers Award ausgezeichnet. Im September 2019 wurde ihr der Kasseler Bürgerpreis »Das Glas der Vernunft« verliehen. Chimamanda Ngozi Adichie wurde 1977 in Nigeria geboren und lebt heute in Lagos und in

den USA.

Grube, Anette
Anette Grube, geboren 1954, lebt in Berlin. Sie ist die Übersetzerin von Arundhati Roy, Vikram Seth, Chimamanda Ngozi Adichie, Mordecai Richler, Kate Atkinson, Monica Ali, Manil Suri, Richard Yates u.a.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2014

Dieser Roman markiert eine Zäsur

"Americanah" von Chimamanda Ngozi Adichie ist Exilanten-Epos, romantische Liebesgeschichte und der Roman einer afrikanischen Familie in zwei Welten. Vor allem aber ist "Americanah" ein wichtiges Buch über den Rassismus von heute.

Wenn ein afrikanischer Geschäftsmann in seinem Heimatland einen Weißen als Strohmann anheuert, weil es auch Jahrzehnte nach dem Ende der Kolonialzeit noch immer Situationen gibt, in denen es hilfreich ist, einen Weißen vorzuschicken, handelt es sich dann um eine Form von Rassismus? Falls ja, um was für eine Form von Rassismus? Wer von beiden ist der Unterdrückte, wer der Ausbeuter? Oder liegt hier ein mehr oder weniger normales Arbeitsverhältnis in unseren postkolonialen Zeiten vor, auch nicht so viel anders als die befristete Festanstellung, die korrupte afrikanische Generäle ihren Geliebten anbieten, als handele es sich um eine Zweitehe auf Zeit?

"Americanah", der Roman, der diese und viele andere Fragen aufwirft, spielt in Nigeria, England und den Vereinigten Staaten. Er ist ein wuchtiges Exilanten-Epos, die romantische Liebesgeschichte der nigerianischen Königskinder Ifemelu und Obinze, und der Roman einer afrikanischen Familie, die in zwei Welten lebt. Vor allem aber ist "Americanah" ein Roman über etwas, das es nach Meinung der meisten Menschen nicht mehr geben darf: Rassismus. Wie schreibt man einen Roman über etwas, das es nicht geben darf? Geht das überhaupt?

Auch dies ist eine der Fragen, die Chimamanda Ngozi Adichie in ihrem dritten Roman verhandelt. Sie lässt sie sogar von ihren Figuren diskutieren. Zwei Drittel des Buches sind vorüber, Ifemelu lebt mit ihrem Freund, dem afro-amerikanischen Universitätsdozenten Blaine, an der amerikanischen Ostküste, den Kontakt zu Obinze, der sich als illegaler Immigrant in London durchschlagen muss, bevor er in Nigeria zum erfolgreichen Geschäftsmann wird, hat sie abgebrochen. Jetzt spielt die Szene in einem bunt gemischten Intellektuellenzirkel am Vorabend von Barack Obamas Wahl zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten, dem ersten mit schwarzer Hautfarbe.

"In diesem Land kann man keinen ehrlichen Roman über Rasse schreiben", sagt Blaines Schwester Shan. "Wenn man darüber schreibt, welche Bedeutung Rasse wirklich für die Leute hat, dann ist es zu augenfällig . . . Wenn du also über Rasse schreiben willst, dann sorg dafür, dass es lyrisch und feinsinnig ist, damit der Leser, der nicht zwischen den Zeilen liest, gar nicht merkt, dass es um Rasse geht. Ihr wisst schon, so was wie eine Proust'sche Meditation, wässrig und flauschig, und wenn man sie gelesen hat, fühlt man sich auch wässrig und flauschig."

Den Roman über Rasse, den die Sachbuchautorin Shan und die Bloggerin Ifemelu nicht schreiben, hat Adichie geschrieben. "Americanah", so werden in Nigeria die Rückkehrer aus den Vereinigten Staaten genannt, ist ein wichtiges Buch, weil darin eine neue literarische Kraftquelle deutlicher als zuvor erkennbar wird: der Überdruss, den Anti-Diskriminierungsdiskurse und politische Korrektheit auch bei denen hervorgerufen haben, zu deren Schutz sie ursprünglich dienen sollten. Damit markiert "Americanah" eine Zäsur.

Chimamanda Ngozi Adichie, Taiye Selasi, Teju Cole, das sind nur einige Namen, die für eine neue Generation junger amerikanischer Autoren mit afrikanischen Wurzeln stehen, die den Prozess der Assimilation unter den Bedingungen der Globalisierung neu definieren wollen. Anders als die Immigranten früherer Zeit haben sie die Verbindung zu ihrer alten Heimat nie gekappt. Ihre Bücher spielen eben nicht nur in Amerika, sondern zugleich auch in Ghana wie bei Selasi oder in Nigeria, wo Adichie 1977 geboren wurde. Dabei werden die alte und die neue Heimat nicht gegeneinander ausgespielt, sondern die Autoren versuchen, vom doppelten fremden Blick zu profitieren. So kommt die junge Ifemelu naiv und voller Illusionen nach Amerika und blickt dreizehn Jahre später, als sie als erfolgreiche, aber entwurzelte Bloggerin nach Lagos zurückkehrt, mit anderen Augen auf die alte Heimat.

Amerikanische Gegenwartsliteratur, so heißt es einmal in "Americanah", vermittle nicht den geringsten Eindruck davon, wie "das alltägliche Leben hier abläuft. Du erfährst nur, was dysfunktionale Weiße in Amerika tun . . ." Adichie hingegen beschreibt die Alltagserfahrungen ihrer Figuren: Ifemelus Familienleben und Schulzeit, Mädchenfreundschaften, das Verhältnis, das ihre Tante Uju als Konkubine mit einem der nahezu allmächtigen Chiefs eingeht, die marode Universität und die Begegnung mit Obinze, der großen Liebe ihres Lebens. All das passiert noch in Nigeria. In den Vereinigten Staaten warten ungeahnte Demütigungen auf die selbstbewusste junge Frau. Sie gipfeln darin, dass Ifemelu nach Monaten vergeblicher Jobsuche in ihrer Verzweiflung einem Weißen dabei hilft, sich zu "entspannen". Der Mann hatte per Annonce eine Bürohilfe gesucht. Danach kann sie Miete und Studiengebühren bezahlen, bricht aber aus Scham jeden Kontakt zu Obinze ab. Ifemelu, aufgewachsen im Wissen um die käuflichen "Lagos Girls", zu denen auch ihre Tante gehört hatte, verfällt in eine Depression.

Als Ifemelu in der Universität eine Folge der Fernsehserie "Roots" sieht, in der das Wort "Nigger" mit einem Pfeifen übertönt wird, bricht eine heftige Diskussion unter den überwiegend dunkelhäutigen Studenten aus. Adichies Figuren leiden nicht nur unter der Ungleichheit, sondern auch unter der Unfreiheit, die entsteht, wenn über Unterschiede nicht offen geredet werden darf. Zu differenzieren, so formuliert es Shan, bedeute im heutigen Amerika doch nur, es "allen recht zu machen, damit sie sich als Individuen fühlen und glauben können, dass alle aufgrund ihrer Leistung dort sind, wo sie sind". In diesem Sinn ist Adichies Roman eine Streitschrift, die im erzählerischen Schafspelz der zwei Jahrzehnte umspannenden Liebesgeschichte von Ifemelu und Obinze auftritt, um gegen Rassismus und die ihn beschönigenden gesellschaftlichen wie sprachlichen Konventionen aufzubegehren.

Das tut Adichie vor allem mit zwei Mitteln: Da ist zum einen Ifemelus immer wieder in die Handlung eingeblendeter Blog mit dem programmatischen Titel "Raceteenth oder Ein paar Beobachtungen über schwarze Amerikaner (früher als Neger bekannt) von einer nicht-amerikanischen Schwarzen". Darin geht es ebenso sehr um die offenen und versteckten Formen der Diskriminierung von Menschen nichtweißer Hautfarbe wie um die Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Hierarchien innerhalb einer Gruppe von Menschen, die nicht allein dadurch zu einer Gemeinschaft werden, dass sie nicht weißhäutig sind.

Das zweite Mittel ist die Figurenzeichnung. Adichie ist eine Meisterin des entlarvenden Dialogs und ihr Roman nicht zuletzt eine Abfolge von Schilderungen sehr unterschiedlicher Milieus. Glänzend ist etwa die Beschreibung der Familie, die Ifemelu als Babysitterin kennenlernt. Aber zugleich zeigt sich hier auch die Gefahr, in der Adichie von Anbeginn steckt: Ihre Milieuschilderungen sind oft allzu nahe am Klischee, ihre Figuren sind zwar nicht überzeichnet, aber die Autorin funktionalisiert sie zu sehr. Beinahe jeder Charakter steht für eine Haltung: Blaine etwa ist der politisch-korrekte Afro-Amerikaner, dem der Aufstieg durch Bildung gelungen ist, Curt, sein Vorgänger in Ifemelus Gunst, der lebensfrohe Sprössling einer Familie aus altem Ostküsten-Adel. Das ist zwar scharf beobachtet und glänzend beschrieben, aber man wird das Gefühl nicht los, dass Adichie die Schubladen, in denen sie das Personal ihres Romans einsortiert und aufbewahrt, mitunter recht skrupellos öffnet und wieder schließt. Ein Beispiel: Mirabelle und Joan, "kleine weiße Frauen mit übergroßen, dunkel gefassten Brillen", die in Shans Salon gehören. "Die Frauen passten perfekt in die Kategorie aufgeklärte, gut gebildete Mittelschicht: die Liebe zu Kleidung, die eher interessant als hübsch war, die Liebe zum Eklektischen, die Liebe zu dem, was zu lieben von ihnen erwartet wurde. Ifemelu glaubte, dass sie auf Reisen ungewöhnliche Dinge kauften und sie in ihrer Wohnung aufstellten, ungeschliffene Beweise ihres Schliffs." Mehr erfahren wir von ihnen nicht. Joan und Mirabelle werden kurz vorgeführt und mit einem Etikett versehen, das die Autorin nicht ohne Sorgfalt beschriftet hat. Aber es bleibt ein Etikett.

HUBERT SPIEGEL

Chimamanda Ngozi Adichie: "Americanah". Roman.

Aus dem Englischen von Anette Grube. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2014. 608 S., geb., 24,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensentin Katharina Granzin hat lange nicht mehr einen so wunderbaren Roman wie Chimamanda Ngozi Adichies neues Buch "Americanah" gelesen. Was für eine herrliche Mischung aus Lifestyle und Rassismuskritik, jubelt die Kritikerin, die sich darüber hinaus noch bestens unterhalten fühlt. Sie folgt hier der Geschichte um Ifemelu, die nach 15 Jahren in den USA wieder nach Nigeria zurückkehrt, nachdem sie als Bloggerin Erfolge gefeiert hat. Zugleich liest Granzin eine ebenso schöne wie traurige Liebesgeschichte: Ifemelu begegnet ihrer großen Liebe Obinze wieder, den sie in Nigeria zurückgelassen hatte und zu dem sie während ihrer Depression den Kontakt abgebrochen hatte. Während die Kritikern hier nicht zuletzt dank der klugen essayistischen Einschübe viel über das Lebensgefühl von Afroamerikaner und eingewanderten Afrikanern erfährt, sich nicht zuletzt auch köstlich amüsiert, hätte sie sich bisweilen einen tieferen Einblick in die Psychen von Adichies Romanfiguren gewünscht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.06.2014

Welche Farbe hat eigentlich Hautfarbe?
Chimamanda Ngozi Adichies neuer Roman handelt von einer Grenzgängerin zwischen den Welten der USA und Nigerias.
Leichtfüßig balanciert „Americanah“ auf dem schmalen Grat zwischen süffigem Erzählen und politischem Diskurs
VON DANA BUCHZIK
If your hair is relaxed, white people are relaxed“, hat der afroamerikanische Comedian Paul Mooney einmal gesagt. Tragen People of Color ihre Haare lang und kraus, wird das in Amerika nicht selten als Provokation gedeutet; wer gesellschaftlich akzeptiert und beruflich erfolgreich sein will, glättet sein Haar, auch wenn chemische Entkrausungsmittel im Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen, und Glätteisen eitrigen Schorf und Haarausfall verursachen können.
  Es hat also durchaus eine politische Dimension, wenn Ifemelu für einen Friseurbesuch die Stadt verlassen muss. Princeton, wo die junge Studentin ein Aufenthaltsstipendium hat, ist von Wohlstand durchwabert; man verhält sich im Straßenverkehr ausgesprochen rücksichtsvoll, kauft im Biosupermarkt ein und vor allem ist man, wie Ifemelu flapsig zusammenfasst, „weiß und schlank und dünn bekleidet“. Entkrausungsmittel mag es im Drugstore geben, wer sich die Haare hingegen traditionell afrikanisch flechten lassen will, muss dafür schon in einen Trentoner Stadtteil fahren, wo keine Weißen leben. Im heruntergekommenen Salon Mariama African Hair Braiding spricht Ifemelu das Unglaubliche aus: „Ich gehe nach Nigeria zurück.“ Von ihrer verdatterten Haarflechterin erntet Ifemelu das gleiche Unverständnis, das ihr auch engste Freundinnen entgegenbringen.
  Bereits in ihrem vorangegangen Erzählband „Heimsuchungen“ (2012) waren Chimamanda Ngozi Adichies Protagonistinnen Grenzgänger zwischen den disparaten Welten Nigerias und Amerikas. Ihr aktueller Roman „Americanah“ ist aus der Sicht von Ifemelu und Obinze erzählt, zweier Liebender im Lagos der Neunzigerjahre. Ifemelu lässt Obinze in Nigeria zurück, um in Amerika Kommunikationswissenschaft zu studieren. Der Neuanfang gerät zur Odyssee: In den wenigen bezahlbaren Wohnungen hausen Mäuse oder nicht stubenreine Hunde, auf dem Boden liegen Schimmelteppiche aus, und auch die Suche nach Arbeit oder neuen Freunden gestaltet sich schwieriger als gedacht. Ihre weißen Mitmenschen nehmen Ifemelus Hautfarbe zum Anlass, ihr mit gekünstelter Höflichkeit oder offener Verachtung zu begegnen; weil sie keinen amerikanischen Akzent hat, spricht man zudem mit ihr, als sei sie geistig zurückgeblieben. Alles an ihr scheint plötzlich defizitär zu sein: ihre Herkunft, ihr Aussehen und alles, was sie zu sagen hat. Ifemelu vereinsamt mehr und mehr; als ihre Geldnot überhand nimmt, erklärt sie sich bereit, einem Mann für hundert Dollar dabei zu helfen, „sich zu entspannen“, und bricht schamgeschüttelt den Kontakt zu Obinze ab.
  Obinzes Sicht wird in Adichies Roman nur wenig Platz zugestanden, obwohl er in seiner Verletzlichkeit, seinem trotzigen Optimismus und seiner tiefen Loyalität zu Ifemelu sehr plastisch und unmittelbar sympathisch gezeichnet ist. Auch Obinze versucht sein Glück im Ausland und geht nach England, findet dort jedoch weder Anschluss noch Hilfe und nutzt die Sozialversicherungskarte eines afroamerikanischen Bekannten („Für Weiße sehen wir alle gleich aus“), um unter falschem Namen Toiletten und Lagerhäuser zu putzen. Er will sich mithilfe einer Scheinehe sein Bleiberecht sichern, wird jedoch vor dem Standesamt festgenommen und ausgewiesen. Obinzes Verzweiflung in der Abschiebehaft und seine niederschmetternde Ankunft in Nigeria gehören zu den stärksten Stellen des Romans. Nachdem er wie ein Verbrecher abgeführt und als Mensch zweiter Klasse in Lagos abgeliefert worden ist, trifft er auf einen Einwanderungsbeamten, der sich um sein weiteres Schicksal kümmern soll: „,Willkommen zu Hause!‘ sagte er gutgelaunt. . . ,Und hast du was für die Jungs?‘ Obinze sah ihn einen Augenblick lang an, sein offenes Gesicht, seine schlichte Weltsicht; Deportationen erfolgten jeden Tag, und die Lebenden lebten weiter. Obinze zog einen Zehn-Pfund-Schein aus der Tasche. Der Mann nahm ihn lächelnd.“
  Nach dem Verlust Ifemelus und dem Trauma der Abschiebung muss Obinze feststellen, dass sich für ihn alles, in Nigeria jedoch nichts geändert hat. Er zieht seine eigene Konsequenz und nutzt den Wirtschaftsboom in Lagos als Immobilienbetrüger, um märchenhaft schnell reich zu werden. Ifemelu lernt unterdessen ihren ersten weißen Partner und Gönner kennen: Curt, gut aussehend und grundvergnügt, hilft Ifemelu über ihren finanziellen Engpass hinweg, verschafft ihr Arbeit und eine Green Card – was das Thema „Rasse“ für sie bedeutet, begreift er hingegen nicht: Für Curt war seine ethnische Zugehörigkeit nie ein Hindernis. Aus Ifemelus Gefühl des Unverstandenseins wird ihr Blog geboren: „Raceteenth oder Ein paar Beobachtungen über schwarze Amerikaner (früher als Neger bekannt) von einer nicht-amerikanischen Schwarzen“. Hier stellt Ifemelu Fragen, die sich festsetzen: „Wenn ihr das Mainstream-Fernsehen anschaltet oder eine Mainstream-Zeitung aufschlagt, erwartet ihr dann überwiegend Bilder von Menschen einer anderen Rasse? Macht ihr euch Sorgen, dass eure Kinder keine Bücher und Lernmaterialien haben, die von Menschen eurer Rasse handeln? Wenn ihr hautfarbene Unterwäsche tragt oder hautfarbene Pflaster benutzt, wisst ihr dann schon im Voraus, dass sie nicht zu eurer Hautfarbe passen werden? . . . Wenn ihr überwiegend mit Nein antwortet, dann herzlichen Glückwunsch, ihr seid weiß und privilegiert.“
  Chimamanda Ngozi Adichie verknüpft die verschiedenen Zeitebenen ihres Romans mithilfe der Blogeinträge, die Ifemelus Erlebnisse in Nigeria und Amerika unterfüttern. Auf Dauer ermüdet diese Erzählstrategie, da Ifemelu ohnehin mit Ethnologenaugen durch die Welt marschiert und ihre Gedanken permanent von einer Metaebene zur nächsten springen. Zudem arbeitet die Autorin häufig mit Dialogen, deren Ende scharf gestochene, raumgreifende Beobachtungen Ifemelus markieren, die ihrerseits wie Blogeinträge daherkommen. Viele Nebenfiguren scheinen von Adichie nur eingeführt zu werden, um ihrer Protagonistin neue Stichwortgeber zu liefern, die, von Ifemelus Brillanz mundtot gemacht, bald wieder im Dunkel verschwinden. Sie entstammen meist der Mittel- bis Oberschicht und ihre unreflektierten Wohlstandsdebatten werden gnadenlos ausgestellt: Seien es reiche Weiße, neureiche Nigerianer, zeitgenössische amerikanische Autoren, schwarze Autoren, die „Ghettomist mit reißerischen Umschlägen verzapfen“, oder Akademiker – in „Americanah“ kriegen alle ihr Fett weg.
  Hinter Ifemelus soziologischen Exkursen verschwimmen jedoch ihre eigenen Gefühle und Motive. Wiederholt lässt Adichie ihre Protagonistin betonen, dass ihrer inneren Taubheit tiefes Heimweh nach Nigeria und nach Obinze zugrunde liege – eine Gefühlsthese, die sich in Ifemelus Handlungen und Gedanken nicht einlösen lässt: Nigeria war für sie immer mit Frustration verknüpft, und schon nach der ersten, wilden Verliebtheit versuchte sie die Beziehung zu Obinze zu sabotieren, so wie sie es in Amerika bei Curt und ihrem späteren Freund Blaine tut, aus einem Gefühl der Leere heraus, das vielleicht einfach Misstrauen gegenüber allem Guten ist, das ihr im Leben zustößt. So hat das Happy End, auf das Adichie ihre Protagonistin zusteuern lässt, etwas Holzschnittartiges: Ifemelu lässt sich vor ihrer Rückkehr die Haare traditionell flechten, schließt ihr Blog und interessiert sich in Nigeria vor allem für Obinze, nicht mehr für das Thema Rassismus. In Lagos ist sie eine „Americanah“, eine Rückkehrerin aus den USA, deren Nimbus der Weitgereisten alle Kaprizen rechtfertigt. Fast achselzuckend klingt es, wenn sie ihrem Exfreund Curt am Telefon erzählt: „Mir kommt es vor, als wäre ich in Lagos aus dem Flugzeug gestiegen und hätte aufgehört, schwarz zu sein.“
  Chimamanda Ngozi Adichies dritter Roman, der mit dem renommierten National Book Critics Circle Award for Fiction ausgezeichnet wurde, strotzt vor scharfsinnigen Analysen, krankt jedoch an seinen thematischen Ambitionen. Die 36-jährige Autorin greift so viele Inhalte auf, dass sie nur wenigen gerecht werden kann: Postkoloniale Diskurse, die Macht des christlichen Glaubens in Nigeria, Depression, Lagos Girls, bestechliche Journalisten, Feminismus, Militärdiktatur und Wirtschaftsbetrug, Schwächen des Bildungssystems, Suizidversuch eines Familienmitglieds, alltäglicher Rassismus, Liebe und Verrat, und nicht zuletzt die Scheinheiligkeit zeitgenössischer Literatur.
  Am besten gelingen Adichie die Passagen, in denen sie sich Zeit lässt, Alltagsrassismus in seinen vielfältigen Facetten zu enttarnen. In ihrer Deutlichkeit geht die Autorin weit über die meditativ-assoziative Beobachterperspektive hinaus, die etwa der nigerianische Autor Teju Cole seinen Protagonisten einnehmen lässt. Inhaltlich fühlt man sich an Sefia Atta („Nur ein Teil von dir“) und Taiye Selasi („Diese Dinge geschehen nicht einfach so“) erinnert, deren aus Afrika stammende Protagonisten in England und Amerika leben und arbeiten und, oft vergeblich, nach ihrer Identität suchen. Die 34-jährige Selasi hat den Begriff „Afropolitan“ für Weltbürger mit afrikanischen Wurzeln erfunden, ein Wort, mit dem Adichie, wie sie in Interviews betont, nichts anfangen kann. Vielleicht erscheinen ihr Einordnungsversuche wie „globaler Roman“ oder „globale Diaspora“, mit denen ihr Buch in Kritiken überhäuft wird, ähnlich künstlich. Vielleicht erinnern sie Rezensionen, in denen sie dafür gelobt wird, dass sie ohne Zorn, ohne mahnend erhobenen Zeigefinger über Rassismus schreibe, an einen von Ifemelus Blogeinträgen: Die einzig sozial anerkannte Rolle für People of Color sei die des „magischen Negers“, konstatiert Ifemelu. „Er vergibt stets alle mögliche rassistische Scheiße. Er lehrt die Weißen, wie sie das betrübliche, aber verständliche Vorurteil aus ihrem Herzen reißen.“
In Princeton erscheint
der Stipendiatin aus Afrika
alles defizitär an ihr
Für das Feuerwerk an Themen,
das Adichie abbrennt, sind
600 Seiten fast zu wenig Platz
Chimamanda Ngozi Adichie, die 1977 in Nigeria geboren wurde und heute in Lagos und den Vereinigten Staaten lebt, gilt bereits als eine der großen Stimmen der zeitgenössischen Weltliteratur.
Foto: Fischer Verlage
        
    
  
  
Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah. Roman.
S. Fischer Verlag,
Frankfurt am Main 2014. 608 Seiten, 24,99 Euro, E-Book 21,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Adichie hat wahrhaft einen Weltroman geschrieben, der uns Begriffe einer Menschenkenntnis an die Hand gibt, die überall funktioniert, ohne je schablonenhaft zu sein. Ijoma Mangold Die Zeit 20140515