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Der neue Roman vom wichtigsten Autor Ägyptens
Ende der 1940er Jahre herrschen im Automobilclub von Kairo unter den surrenden Ventilatoren Extravaganz und Dekadenz: Paschas, Monarchen und Diplomaten gehen ein und aus. Auch der König zählt zu den Stammgästen, er kommt regelmäßig zum Pokerspielen und sucht die schönsten Frauen für die Nacht. Den Reichen zu Diensten steht eine Armada von schlechtbezahlten, schikanierten Dienern, Kellnern und Köchen - bis sie den Aufstand proben... In seinem Roman 'Der Automibilclub von Kairo' erzählt Alaa al-Aswani von Herrschaft und Diktatur und lässt einen…mehr

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Produktbeschreibung
Der neue Roman vom wichtigsten Autor Ägyptens

Ende der 1940er Jahre herrschen im Automobilclub von Kairo unter den surrenden Ventilatoren Extravaganz und Dekadenz: Paschas, Monarchen und Diplomaten gehen ein und aus. Auch der König zählt zu den Stammgästen, er kommt regelmäßig zum Pokerspielen und sucht die schönsten Frauen für die Nacht. Den Reichen zu Diensten steht eine Armada von schlechtbezahlten, schikanierten Dienern, Kellnern und Köchen - bis sie den Aufstand proben... In seinem Roman 'Der Automibilclub von Kairo' erzählt Alaa al-Aswani von Herrschaft und Diktatur und lässt einen Mikrokosmos lebendig werden, der für die Zerrissenheit eines ganzen Landes, seiner Heimat Ägypten, steht.
Sprachgewaltig, nuanciert und verblüffend nah an unserer Gegenwart.
Autorenporträt
al-Aswani, Alaa
Alaa Al-Aswani, geboren 1957, ist einer der bedeutendsten Autoren Ägyptens. Er ist in Kairo als Schriftsteller, Journalist und Zahnarzt tätig. Sein literarisches Debüt 'Der Jakubijân-Bau' zählt zu den meistbeachteten Romanen der arabischen Literatur und wurde zu einem internationalen Bestseller. Mit seinen literarischen und journalistischen Texten, u.a. für die 'New York Times', engagiert er sich für ein freies, demokratisches Ägypten. Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Bei Fischer erschien zuletzt sein Roman 'Der Automobilclub von Kairo'.

Hartmut Fähndrich, geb. 1944 in Tübingen, ist ein renommierter Kenner und Herausgeber arabischer Literatur, Träger des Hieronymus-Rings des deutschen Übersetzetzerverbandes und wurde mehrmals mit dem Übersetzerpreis der Stadt Bern ausgezeichnet. Harmut Fähndrich lebt in Bern. Er wurde 2016 mit dem "Schweizer Spezialpreis Übersetzung" ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2015

Der echte Diener ist nur ein Konsonant
Alaa al-Aswani hat einen großen Roman über Herrschaft und Knechtschaft im vorrevolutionären Ägypten geschrieben.
Sein neues Buch „Der Automobilclub von Kairo“ lässt diese Epoche in all ihrer Ambivalenz lebendig werden
VON BURKHARD MÜLLER
Kô – diese eine Silbe aus zwei Lauten ist Schlüssel und Symbol des ganzen Buchs. „Ein Luftstoß aus der Kehle bei Öffnung des Mundes und Rundung der Lippen, so wird es ausgesprochen.“ In Nubien bezeichnet es den Dorfältesten, aber hier, in Kairo, noch etwas viel Höheres, Schrecklicheres. Und doch ist es ein realer Mensch, ein alter Mann schon, von sehr dunkler Hautfarbe und mit blitzenden Zähnen. Seine offizielle Funktion als Garderobenverwalter des Königs lässt seine wahre Stellung nicht erahnen. Er ist die Person, die Seiner Majestät am nächsten steht, an der alle vorbei müssen, die eine Audienz begehren, selbst der Premierminister. Bereits als Säugling hat er den König im Arm gehalten, und so ist das Verhältnis geblieben.
  Wie kann ein so dunkelhäutiger und darum an sich verächtlicher Mensch eine solche Position einnehmen? Ganz einfach, je dunkler sein Diener, desto heller wirkt daneben der, dem er dient; und diese relative Helligkeit der Haut braucht der König sehr, denn noch heller als er sind die Engländer, die wahren Beherrscher Ägyptens. Vor ihnen muss auch der Kô katzbuckeln, selbst vor einer eigentlich subalternen Figur wie Mr. Wright, dem Vorsitzenden des Automobilclubs – es versteht sich von selbst, dass alles, was mit dieser Technik zusammenhängt, nur ein Europäer in die Hand nehmen kann; sogar der reichste Ägypter taugt nur dazu, sich in ein Auto hineinzusetzen, mehr kann er nicht. Auch die Macht des jungen dicken Königs hat ihre engen Grenzen, an die er besser nicht rührt, wenn er seine Position behalten will. Er hängt ganz vom Kô ab und begnügt sich, was seine Amtsführung betrifft, mit Kartenspiel und Liebesaffären. Wer in diesem Land einen Posten oder sonstigen Vorteil erlangen möchte, tut gut daran, ihm seine Tochter zuzuführen und ihn beim Kartenspiel im Club gewinnen zu lassen, denn das stimmt Majestät generös.
  Der Kô (einen anderen Namen hat er nicht) liefert auch die Lösung der schwierigen Frage, wie das Personal für diesen Kairoer Automobilclub beschaffen sein soll: Europäer sind zu teuer und nicht unterwürfig genug, Ägypter aber, wie jeder weiß, faul, verschlagen und diebisch – es sei denn, es sitzt ihnen die heilige Angst vor dem Kô im Nacken. Wenn er mit seinem schwarzen Cadillac vorfährt und herausspringt, seinen fetten Schergen Hamîd im Schlepptau, zittern alle: Wen wird es diesmal treffen? Den Unglücklichen müssen seine Kollegen festhalten, richtig fest (wehe wenn nicht!), und zwar so, dass dessen Fußsohlen reglos parallel liegen, damit nun eine vollgültige Bastonade erfolgen kann. Manchmal tun es auch ein paar Ohrfeigen, je nachdem, wie schwer der Kô die jeweilige Verfehlung einstuft – und irgendeine Verfehlung gibt es schließlich immer. Aber dann zeigt sich der Kô wieder versöhnlich gesinnt und sorgt wie ein Vater für die Seinigen. „Der echte Diener“, das vor allem haben diese sich einzuprägen, „ist ein Mitlaut, ein Konsonant: Er existiert zwar, aber er klingt nicht für sich allein; er darf keinerlei Aufmerksamkeit auf sich lenken.“
  Der ägyptische Autor Alaa al-Aswani, 1957 geboren und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, hat einen großen Roman der Dialektik von Herr und Knecht geschrieben. So gut ist ihm das gelungen, dass er es selbst offenbar nicht aushielt. Darum wählt er, obwohl Ägypten gewiss viele Jahrzehnte so funktioniert hat, als Zeitpunkt der Handlung die allerletzte Phase jener Ära englischer und königlicher Herrschaft, die Jahre um 1950 – wo doch jeder Leser, zumindest jeder arabische, weiß, dass es nicht mehr lang währt, bis der Umsturz König und Besatzer davonspülen und Gamal Abdel Nasser, charismatischer Präsident der neu gegründeten Republik, den Briten im Suezkrieg die schwerste Niederlage ihrer Kolonialgeschichte beibringen wird.
  Dem aussichtslos statischen Zustand ist insgeheim die andere Zukunft eingeschrieben; langsam, unter dem Eindruck sich überstürzender Ereignisse, erwachen die Diener des Automobilclubs zur Erkenntnis ihrer Lage, kleine Anzeichen der Rebellion stellen sich ein und gegen das Ende zu auch schon größere der Revolte. Der Abenddämmerung der alten Zeit stellt al-Aswani die Morgenröte entgegen, in Form der Parallelerzählung von den Geschwistern Kâmil und Sâliha, in den entsprechenden Kapiteln auch optisch durch eine sachlich serifenlose Schrift abgesetzt. (Was mag wohl im arabischen Original das Äquivalent zu dieser grafischen Unterscheidung sein?)
  Diese zwei, Kâmil und Sâliha, sind auch die einzigen Personen im Buch, die „Ich“ sagen dürfen, ein Privileg, das weder der Kô noch der König genießen, und Signal einer fortgeschrittenen Bewusstseinslage. Sie verkörpern die neue Zeit. Junge Leute mit den besten Absichten sind es, bildungsbeflissen trotz widriger ärmlicher Umstände, dann durch die inhärente Ungerechtigkeit des Systems in einen Wirbel hineingezogen, der sie von braven Untertanen in Revolutionäre verwandelt. Kâmil schließt sich einer Untergrundbewegung an und lanciert ein Foto vom König in der Öffentlichkeit, auf dem dieser mit Clownshut und europäischer Geliebter am Spieltisch zu sehen ist. Daraufhin kommt er natürlich ins Gefängnis, wo er schlimm verprügelt wird (aber nicht eigentlich gefoltert, das ist wichtig, denn seine Persönlichkeit darf nicht gebrochen werden). Treu zu ihm hält die Engländerin Mitzi, Tochter ausgerechnet Mr. Wrights vom Automobilclub, die sich ihrerseits gegen ihren heuchlerischen und egoistischen Vater empört und zur Familie Kâmils flieht. Ergriffen sieht sie dort, wie sich das unverstellte echte Leben des Volkes vollzieht – diese Passagen mit ihrem entschlossenen Optimismus tauchen ziemlich tief in die Sphären des Sozialkitschs ein; und der Leser kann es kaum erwarten, bis endlich wieder, kenntlich am veränderten Schrifttyp, die „richtige“ Geschichte einsetzt, die nämlich, in der eigentlich nichts geschieht und die doch so viel mehr Farbe und Wahrheit besitzt.
  Allein schon die Liste dessen, was der Club so alles in seinen Magazinen hortet! Toilettenpapier, Parfüm, Wein in allen drei Farben, Seife, Zigarren, Tischtücher, Spielkarten für den König mit Extra-Goldrand, Ersatzteile für sanitäre Einrichtungen – es liest sich wie das Inventar des Kolonialismus schlechthin. Und wenn es in einer der zahllosen Gassen in Kairo zu einem Spektakel kommt, klingt es so: „Die Bewohner der Sadd-Al-Gawwâni-Straße halten es für ihre moralische und religiöse Pflicht, Streitereien unter Eheleuten zu schlichten. Wenn irgendwo in irgendeinem Haus zu irgendeiner Zeit bei Tag oder Nacht ein Ehepaar zankt, kommen die Nachbarn gelaufen, lauschen aufmerksam der Art und Weise der Auseinandersetzung und schlagen dann eine Lösung vor. Dabei zitieren sie ausgiebig Koran und Hadîth und gehen erst, wenn sich alles beruhigt hat und der Fluss wieder in sein Bett zurückgekehrt ist. Die einzige Ausnahme bei dieser Regel sind Streitereien zwischen Ali Hamâma, dem Krämer, und seiner Frau Aischa.“ Und weiter heißt es dann noch: „Die beiden Eheleute hauen sich zwar böse, aber auch originelle Beschimpfungen um die Ohren und zeigen einander einfallsreiche obszöne Gesten, doch es sieht immer aus, als wollten sie einem Publikum, also ihren Nachbarn, eine Schau bieten, bei der es nicht um den wirklichen Ali Hamâma und nicht um die wirkliche Aischa geht. Nein, sie besaßen beide neben ihrer regulären Existenz noch eine zweite, die sie eher zu Figuren aus dem volkstümlichen Straßentheater als zu normalen Bewohnern des Viertels machte.“
  Alaa al-Aswani führt sein Kairo bis an die Schwelle des Umbruchs, aber nicht über sie hinaus. Das ist bei diesem Autor, der zu den bekanntesten der arabischen Welt gehört und während des Arabischen Frühlings jeden Tag auf dem Tahrir-Platz dabei war, sicher kein Zufall. Auch gelingende Revolutionen bieten keine Gewähr, dass nicht doch noch alles wird, wie es vorher war. Indem er, statt an die Folgen, an die Gefühle im Vorfeld des Aufstands erinnert, tut al-Aswani vielleicht das Einzige, was im gegenwärtigen Ägypten so etwas wie Hoffnung vermitteln kann.
Der Abenddämmerung
der untergehenden Epoche steht
die Morgenröte entgegen
      
      
Alaa al-Aswani:
Der Automobilclub von Kairo. Roman. Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015. 656 Seiten, 24,99 Euro. E-Book 22,99 Euro
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Auch wenn Angela Schader nicht alle politischen Äußerungen Alaa al-Aswanis unterschreiben würde, lässt sie keinen Zweifel daran, dass der Autor mit seinen Interventionen für die ägyptische Öffentlichkeit von enormer Bedeutung ist. Mit seinem Roman aus dem Kairo der vierziger und fünfziger Jahre geht es ihr ähnlich: Manches findet sie unglaubwürdig oder sogar krude, und auch die pralle Erzählweise ist nicht unbedingt ihre Sache. Aber wenn al-Aswani vom Aufstand der Bediensteten im Palast erzählt, die sich gegen die reine Willkür aufzulehnen versuchen, dann weiß Schader, wie wichtig dieser Roman für das heutige Ägypten ist. Und ihren Respekt gewinnt der Autor dadurch, dass er die Repressionsmaschinerie so perfekt schnurren lässt, dass er dem Leser beinahe "der Schneid abgekauft wird, sich mit den Widerständlern zu solidarisieren".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2015

Seifenopern aus dem alten Kairo

Sozialistischer Realismus mit postkolonialem Bewusstsein: Alaa al-Aswanis Roman "Der Automobilclub von Kairo" taucht in das Ägypten der vierziger Jahre ab. Aber wozu?

Als Ende 2013 der neue Roman von Alaa al-Aswani in Kairo erschien, war die Verwunderung der ägyptischen Kritiker groß. Ägypten hatte die turbulentesten drei Jahre seiner jüngeren Geschichte hinter sich, und der Autor, den man wie keinen anderen als Vordenker, ja literarischen Vorbereiter der Revolution bezeichnen könnte, legt einen historischen Roman über das Ende der ägyptischen Monarchie vor.

Für viele Ägypter war al-Aswani zu diesem Zeitpunkt bereits entzaubert. Als es 2012 um die Stichwahl für den ersten nachrevolutionären Präsidenten ging, plädierte der Autor dafür, dem Kandidaten der Muslimbrüder, Muhammad Mursi, eine Chance zu geben. Der sei immer noch besser als Ahmad Schafiq, der Kandidat der alten Garde. Die später erfolgte Wandlung zum Unterstützer von Sisi, dem General der Konterrevolution, war symptomatisch für die Verwirrung, die sich der ägyptischen Intellektuellen im Lauf der Umwälzungen bemächtigt hatte. Es wäre jedoch unfair, dies Autoren wie al-Aswani zum Vorwurf zu machen. Er hat nur wie ein Seismograph die Meinungswechselbäder der Ägypter selbst aufgezeichnet. Als Romancier einen Schritt zurück in die Vergangenheit zu tun scheint vor diesem Hintergrund ein Akt literarischer Klugheit.

Das neue Buch spielt also Ende der vierziger Jahre, kurz vor der Revolution der Freien Offiziere um Gamal Abdel Nasser von 1952. Die Parallelen zur Zeit vor 2011 sind offensichtlich: Der Willkürherrschaft einer kleinen, korrupten und dekadenten Elite, die mit dem Westen (im Roman vertreten durch die Engländer) im Bunde ist, stehen die Armut und Rechtlosigkeit der einfachen Leute gegenüber. Der Ort, an dem die diversen Schichten der ägyptischen Gesellschaft aufeinandertreffen und ihre Konflikte wie unter einem Brennglas austragen, ist der Automobilclub.

"Sollten Ägypter Mitglied werden dürfen?" Der Direktor gibt Antwort: "Das Auto ist eine Erfindung des westlichen Mannes, und so kann er allein Beschlüsse darüber fassen. Von einem Ägypter erwarte ich nicht mehr, als dass er sein Auto kauft und sich hineinsetzt." Der Club - "eine exakte Kopie des berühmten Carlton-Clubs in London" - ist im Roman (und war in Wirklichkeit) das bevorzugte Spielcasino des Königs Faruk, der von der CIA heimlich als "fat fucker" bezeichnet wurde. Das ist er auch im Roman: frauen- und fresssüchtig, dekadent bis zur Ekelhaftigkeit.

Sein allmächtiger Kammerdiener, Kô genannt, beaufsichtigt die Angestellten des Clubs und unterjocht sie erbarmungslos. Doch auf den Straßen, angeführt von der Wafd-Partei und einigen Kommunisten, formiert sich Widerstand gegen die englandhörige Monarchie. Als dann nach langen Diskussionen selbst die von der Untertanenmentalität zutiefst geprägten Angestellten des Automobilclubs von Kô verlangen, auf die Prügelstrafe zu verzichten, kommt es zum Showdown. "Wer bist denn du, dass du dem Kô vorschreiben könntest, was er tun darf und was nicht?" - "Ich bin ein Mensch!"

Al-Aswani schreibt mit postkolonialem Bewusstsein eine Art sozialistischen Realismus, der sich einer an die Telenovela erinnernden Erzähltechnik bedient. Jedes Kapitel ist aus der Sicht bestimmter Personen erzählt und endet mit einem Cliffhanger. Der Roman ist nicht nur schreibtechnisch vom Fernsehen inspiriert, er übt sich auch stilistisch in telephiler Komplexitätsreduktion. Die simple Erzählweise, die einfache Sprache und die erlebte Rede als einziges Mittel zur Schilderung der Personen nehmen Rücksicht auf das ägyptische Publikum, welches - jenseits einer kleinen Schicht Intellektueller - das Lesen mit Autoren wie al-Aswani überhaupt erst wieder entdeckt hat.

Wie ein schwerer, allzu langer Güterzug braucht das Buch eine ganze Weile, bis es mit seiner grob geschnitzten Erzählfracht an Fahrt gewinnt. Überraschenderweise fesselt es allmählich aber auch den skeptischen, anfangs zum Überblättern neigenden Leser, vor allem dank der eigenwilligen Charaktere und der zahlreichen, die Intimitäten der ägyptischen Gesellschaft ausleuchtenden Binnengeschichten.

Da mutiert der begriffsstutzige Machmud, von einer älteren Engländerin verführt, allmählich zu einem Callboy, der unter den Witwen der Kairoer High Society herumgereicht wird. Da versucht der englische Direktor des Automobilclubs seine Tochter zu einem Stelldichein mit dem König zu bewegen, um sich so dessen Gunst zu erwerben. Da wird die bildungsbeflissene, aber aus einem armen Elternhaus stammende Saliha an einen reichen Geschäftsmann verheiratet, der zum Geschlechtsverkehr gar nicht in der Lage ist, aber in die Scheidung partout nicht einwilligen möchte. Und da ist ihr Bruder, der Student Kamil, die Lichtgestalt des Romans, der am Ende - natürlich! - verhaftet und gefoltert wird.

Da "Der Automobilclub von Kairo" in den vierziger Jahren spielt und damit den erzählerischen Kosmos von Nagib Machfus tangiert, beschwört er den für al-Aswani ungünstigen Vergleich mit dem Werk des Literaturnobelpreisträgers herauf. Vor allem ein Roman von Machfus, "Das junge Kairo" ( F.A.Z. vom 9. Dezember 2011), schildert auf ähnliche Weise dieselbe Epoche, braucht aber nur zweihundertfünfzig Seiten dafür. Die eigentliche Absicht von al-Aswanis neuem Roman ist freilich nicht primär die Schilderung der vierziger Jahre, sondern verbirgt sich in dem, was die Ägypter aus dem Vergleich jener Zeit mit der Gegenwart lernen können: dass die in der Monarchie entstandenen unterdrückerischen Strukturen bis heute ununterbrochen fortwirken.

STEFAN WEIDNER.

Alaa al-Aswani: "Der Automobilclub von Kairo". Roman.

Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2015. 656 S., geb., 24,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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[...] hat Al Aswani auch mit dem Automobilclub wieder eine großartige Bühne geschaffen [...] Als Literat ist er von eminenter Bedeutung. Susanne Schanda NZZ am Sonntag 20151025