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Anna und Max, beide Mitte vierzig, sind miteinander zur Schule gegangen und viel später aus Bequemlichkeit ein Paar mit langweiligen Paarfantasien geworden. Doch dann verliebt sich Anna, geplagt von allen Begleiterscheinungen des Älterwerdens, zum ersten Mal in eine Frau, in die 27-jährige Lilly. Und Max verliebt sich in Lillys Mitbewohnerin Sue, die jedoch nur gegen Geld mit ihm ins Bett geht. Anna träumt von Lilly, schläft aber mit einem Filmstar. Lilly wiederum muss sich um ihren kleinen Bruder kümmern, der Eltern und Lehrer zur Verzweiflung treibt, doch Anna ist ihr keineswegs entgangen.…mehr

Produktbeschreibung
Anna und Max, beide Mitte vierzig, sind miteinander zur Schule gegangen und viel später aus Bequemlichkeit ein Paar mit langweiligen Paarfantasien geworden. Doch dann verliebt sich Anna, geplagt von allen Begleiterscheinungen des Älterwerdens, zum ersten Mal in eine Frau, in die 27-jährige Lilly. Und Max verliebt sich in Lillys Mitbewohnerin Sue, die jedoch nur gegen Geld mit ihm ins Bett geht. Anna träumt von Lilly, schläft aber mit einem Filmstar. Lilly wiederum muss sich um ihren kleinen Bruder kümmern, der Eltern und Lehrer zur Verzweiflung treibt, doch Anna ist ihr keineswegs entgangen. Psychoterror und Wahnsinn schleichen sich in die Geschichte, dennoch wird ein Happy End angepeilt.
Autorenporträt
Simone Meier, geboren 1970 in Lausanne, ist Autorin und Journalistin, früher bei der »Wochenzeitung« und beim »Tages-Anzeiger«, heute bei »watson« in Zürich. Sie hat diverse Preise und Stipendien gewonnen. Ihr Romanerstling »Mein Lieb, mein Lieb, mein Leben» erschien im Jahr 2000. Simone Meier lebt glücklich von Liebe, Fleisch und Fernsehen. Und vom Schreiben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.05.2017

Körpermasse,
verrutscht
Simone Meier schildert die
Vergnügungen der Wechseljahre
Die Wechseljahre. Keine Phase des menschlichen Lebens ist wohl ähnlich negativ besetzt wie diese, die Wechseljahre stehen für alles, was in einem Frauenleben furchtbar ist: hormonelle Beschwerden, schlechte Laune, Schweißausbrüche, die Zeit, in der man sich nicht mehr jung fühlen kann und sich noch nicht auf das Alter ausreden darf. Keine Frau spricht gerne groß darüber, die Wechseljahre sind etwas für Ratgeber, anonyme Internetforen oder Gespräche unter Freundinnen bei viel Rotwein.
Dass man mit den Wechseljahren einen ganzen Roman bestreiten kann, beweist die Schweizer Autorin und Journalistin Simone Meier. Meier war lange Jahre Theaterkritikerin beim Tages-Anzeiger in Zürich und arbeitet inzwischen beim Internetportal Watson, ihr Buch heißt nun „Fleisch“. Und um Fleisch geht es, sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinne. Die Hauptfigur Anna geht auf die 50 zu und sieht im Spiegel nicht mehr ihr eigen Fleisch und Blut, sondern nur mehr „Körpermasse“, die „als teigiger Klumpen auf ihre Hüften und Schenkel gerutscht“ ist und anderen Frauen ähnelt, ihrer Mutter, Tante, Oma. Der Frust darüber treibt Anna erst zum Schönheitschirurgen, dann in Spitzenrestaurants, wo sie sich mit Kalbstatar oder saftigem Entrecote tröstet, und am Ende verführt sie eine jüngere Frau, die selbst verzweifelt genug ist, um alles mit sich geschehen zu lassen. Schön ist das nicht. „Wäre ich ein Auto, dachte Anna, dann käme ich nicht mehr durch den TÜV.“
Eine gebrochene Heldin mittleren Alters in all ihrem Elend. Der Zug der Mutterschaft ist abgefahren, die erste Kreuzfahrt noch in weiter Ferne. Stattdessen Besenreiser, Brustkrebsvorsorge und eine belanglose Beziehung zu einem früheren Schulkameraden. Der Sex ist auch nicht prickelnd, beim Anblick eines Penis denkt Anna im besten Fall an „ein besonders schönes Stück Kalbfleisch“.
In der englischsprachigen Literatur würde man diese Anna „quirky“ nennen, was so viel heißt wie schrullig oder sonderbar, und eine ganz bestimmte Form weiblicher Figurenzeichnung meint. Die Meisterin der Quirkyness ist die amerikanische Filmemacherin und Schriftstellerin Miranda July, die seit Langem Frauenfiguren entwirft, die selbstbestimmt und von sich selbst eingenommen sind, zu deren Leben Kinder und Karriere genauso gehören wie Selbstmitleid und sexuelle Obsessionen. Alternde Frauen, so Julys Botschaft, haben in der Literaturgeschichte vielleicht keine Lobby, aber genauso ein Recht, in allen Facetten ihrer Körperlichkeit, in all ihrem Hadern über das Dasein wahrgenommen zu werden wie die jammernden Männer, die seit Philip Roth und Karl Ove Knausgård die Romane bevölkern.
Simone Meier erweist sich als gelehrige Schülerin Miranda Julys. Bis ins letzte Detail fächert sie Annas Psyche auf, fifty Shades of weibliche Selbstzweifel. Anna lebt im Ungefähren, zwischen angenehmer bürgerlicher Existenz und der Sehnsucht nach Exzess. Doch sie ist Beamtin in der städtischen Kulturverwaltung, und alles, was sie schafft, ist, eine Kellnerin in einem Café zu stalken und ihr tägliches Schwimmtraining mal in eine andere Badeanstalt zu verlagern (wo dann prompt die brotlosen Künstler verkehren, denen sie die Subventionen verweigert hat).
Auf fast barocke Art beschreibt Simone Meier den Verlust an Möglichkeiten. Je weniger Perspektive die Protagonistin im Leben hat, desto genauer wird ihr Blick nach innen, auf den Körper und dessen Funktionen. Jede noch so banale Beobachtung wird zum Hinweis auf die eigene Vergänglichkeit, die Sardelle, die sich in Butter auflöst, der graue Klecks in der Hallenbaddusche. „Sie fragte sich die ganze Zeit, woraus er bestehen könnte … aus welcher Körperöffnung war er gekommen?“ Das Ding entpuppt sich schließlich als Staubklumpen, doch Anna lässt der Gedanke daran nicht mehr los. Die Welt ist bei Simone Meier alles, was der Verfall ist.
Allerdings kippt der Roman ab der Hälfte etwas unvermittelt in eine boulevardtheaterhafte Situationskomik, wenn nämlich sowohl Anna als auch deren Partner sich zufällig in derselben Studenten-WG aufhalten, sie, weil sie dort einer Frau nachstellt, er, weil er mit einer Bewohnerin bezahlten Sex hat. Zusätzlich überfrachtet ist die Geschichte mit den Schicksalen von Nebenfiguren, die sich entweder selbst verletzten oder Suizid begehen. Man hat den Eindruck, als traue Simone Meier ihrer eigenen Frauenfigur nicht zu, einen ganzen Roman zu tragen.
Das ist schade, denn man folgt Anna gern auf ihren Abwegen. Zu jeder Situation fällt Anna eine literarische Referenz ein, ein Dialog aus einer Sitcom, eine spitze Formulierung, sie kann von einem alltäglichen Detail wie weißen Wänden abschweifen zu den poetischsten Gedanken über Auflösung und Tod.
Das Leben, das an ihr vorbeizieht, bleibt erhalten in der Reflexion, der Verlust der Kontrolle über den Körper wird ausgeglichen durch Sprachbeherrschung. Wenn das Fleisch schon verfällt, bleibt immer noch das Wort – das ist dann fast schon ein Happy End.
VERENA MAYER
Simone Meier: Fleisch. Roman. Verlag Kein & Aber, Zürich 2017. 256 S., 22 Euro. E-Book 17,99 Euro.
Wenn das Fleisch
schon verfällt,
bleibt immer noch das Wort
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