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An Peri zerrten schon immer gegensätzliche Kräfte: Ihre Mutter ist strenggläubig, ihr Vater ein trotziger Pragmatiker, und auch als Studentin in Oxford freundet sie sich sowohl mit der weltoffenen Shirin als auch mit der Kopftuch tragenden Mona an. Es ist eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen drei sehr unterschiedlichen Frauen mit muslimischem Hintergrund - Shirin, die Sünderin, Mona, die Gläubige, und Peri, die Verwirrte. Jahre später lebt Peri mit ihrer eigenen Familie in Istanbul. Als sie eines Tages auf offener Straße überfallen wird, holt sie schlagartig ihre Vergangenheit wieder ein.…mehr

Produktbeschreibung
An Peri zerrten schon immer gegensätzliche Kräfte: Ihre Mutter ist strenggläubig, ihr Vater ein trotziger Pragmatiker, und auch als Studentin in Oxford freundet sie sich sowohl mit der weltoffenen Shirin als auch mit der Kopftuch tragenden Mona an. Es ist eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen drei sehr unterschiedlichen Frauen mit muslimischem Hintergrund - Shirin, die Sünderin, Mona, die Gläubige, und Peri, die Verwirrte.
Jahre später lebt Peri mit ihrer eigenen Familie in Istanbul. Als sie eines Tages auf offener Straße überfallen wird, holt sie schlagartig ihre Vergangenheit wieder ein. Was ist in Oxford geschehen, warum hat sie sich mit ihren Freundinnen entzweit? Und welche Rolle spielte dabei das Bindeglied ihrer Freundschaft, der charismatische Professor Azur?
Elif Shafak lässt in ihrem neuen Roman moderne und traditionelle Wertesysteme meisterhaft kollidieren und zeigt auf, dass gegenläufige gesellschaftliche Phänomene ihren Kampf auch im Inneren eines jeden Menschen fortsetzen.
Autorenporträt
Shafak, Elif
Elif Shafak, in Straßburg geboren, gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Ihre Werke wurden in über fünfzig Sprachen übersetzt. Die preisgekrönte Autorin von siebzehn Büchern, darunter "Die vierzig Geheimnisse der Liebe" (2013), "Ehre" (2014) und "Der Geruch des Paradieses" (2016), schreibt auf Türkisch und Englisch. Mit ihren Artikeln und Auftritten wurde sie zum viel beachteten Sprachrohr für Gleichberechtigung und freiheitliche Werte zunächst in der Türkei, später in ganz Europa. Elif Shafak lebt in London. www.elifshafak.com
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2016

Das letzte Abendmahl des türkischen Großbürgertums

Identität, Sexualität und Feminismus, Türkei, Islam und Glaube: Elif Shafak befreit sich in ihrem Roman "Der Geruch des Paradieses" nicht nur aus dem engen Griff der Religionen.

Als türkischer Autor, sagt Elif Shafak, oder als nigerianischer, pakistanischer, ägyptischer Autor könne man sich den Luxus, unpolitisch zu sein, nicht leisten. Elif Shafak ist eine türkische Schriftstellerin. Der Nobelpreisträger Orhan Pamuk nennt sie, 1971 als Tochter einer Diplomatin und eines Soziologieprofessors in Straßburg geboren und heute in London und Istanbul zu Hause, die beste Autorin, die das Land in den Neunzigern hervorgebracht hat. Nationalisten indes erkennen sie nicht mehr als türkische Autorin an, seit sie vor dreizehn Jahren begann, ihre Romane zunächst in Englisch zu schreiben. Es ist nicht die einzige Anfeindung: Sie wurde wegen Verunglimpfung des Türkentums angeklagt, Erdogan-treue Medien werfen ihr vor, sie werde von westlichen Mächten als Kritikerin der türkischen Regierung gesteuert.

Jetzt ist ihr jüngster Roman, "Der Geruch des Paradieses", in deutscher Übersetzung erschienen: die Geschichte einer Frau, die im Frühjahr 2016 auf einem Fest in Istanbul an ihre Studienzeit in Oxford erinnert wird. Dort besuchte sie bei einem charismatischen Professor, den manche verehrten, andere verteufelten, kurz nach 9/11 ein Seminar über Gott, das nach einem Skandal abgebrochen werden musste. "Es ist die Aufgabe eines Autors, Fragen zu stellen", sagt Elif Shafak, "schwierige Fragen über schwierige Themen - um dann die Antwort dem Leser zu überlassen." Die Fragen im Roman drehen sich um Identität und Sexualität, um Feminismus, die Türkei, den Islam, um Glauben, Zweifel und Gott. Es sind drei junge Frauen, die Elif Shafak in Oxford zusammenführt: die Türkin Peri, deren Mutter sich immer weiter dem Glauben zuwendet, während ihr Vater den Alkohol vorzieht, Shirin, eine Britin mit iranischen Wurzeln, die sich über alle religiösen Gesetze und Moralvorstellungen hinwegsetzt, und Mona, halb Ägypterin, halb Amerikanerin, die amerikanischen Aktivismus und ägyptische Frömmigkeit, Feminismus und Kopftuch vereint. Sie landen nicht nur im selben exklusiven Seminar, sondern auch in einer Wohngemeinschaft, hinter der Peri jedoch bald ein Experiment ihres Dozenten vermutet.

Die spannungsreiche Freundschaft des Trios sowie die Streitgespräche in der Küche und dem Seminar, dessen Sitzkreis die Autorin mit satirischer Feinheit um eine Reihe höchst unterschiedlicher Kommilitonen - von der irischen Katholikin über den aggressiven Atheisten und die Mormonin bis zur Pantheistin - ergänzt, sind ein Herzstück des Romans. "Ich habe mich gefragt: Wenn ich ein Seminar über Gott geben sollte, wie würde ich drangehen?", sagt Elif Shafak. "Ich wollte die Religion außen vor lassen, weil Religion die Diskussion über Gott mit Beschlag belegt hat. Ich glaube, die faszinierendste Frage über Gott wird von Leuten gestellt, die sowohl Glauben als auch Zweifel in sich tragen." Die Mischung aus philosophischer Wendigkeit, Beharrlichkeit und Herausforderungslust, mit der Professor Azur die Diskussion in seinem Seminar immer wieder aus den Fängen und Vorgaben der kodifizierten Religionen zu befreien versucht, macht die Streitgespräche für die Leser zu einem intellektuellen Vergnügen. Daran, dass diese Auseinandersetzung für Frauen eine andere Bedeutung hat als für Männer, lässt die Autorin keinen Zweifel - in ihrem Roman wie im persönlichen Austausch: "Heute stellen Frauen in vielen Teilen der Welt die interessantesten Fragen zum Islam, dem Glauben, Reformen, Zweifel und Feminismus und Gleichberechtigung der Geschlechter", schreibt sie in einem E-Mail-Wechsel: "Vielleicht sprechen sie nicht sehr laut über diese Themen, aber sie sprechen darüber bei sich zu Hause, am Esstisch, beim Kaffee, an vielen Orten. Das ist kein Zufall. Wir Frauen müssen fragen, weil wir mehr zu verlieren haben. Wenn wir zurückgehen, wenn wir den Säkularismus verlieren, wenn Gesellschaften religiöser und fanatischer werden, werden Frauen eindeutig mehr verlieren als Männer."

Es ist der Blick als Frau, der Elif Shafaks politischer Haltung und Entschlossenheit zugrunde liegt. "Eines der wundervollen Dinge, die uns der Feminismus in der Vergangenheit gezeigt hat, ist, dass es in der Politik nicht nur um politische Parteien und Politiker geht. Politik ist in unseren Schlafzimmern. In unseren Küchen. Auf der Straße. In unserem Alltag und in den Geschichtsbüchern. Wo immer es Macht gibt, gibt es Politik. In diesem Sinn bin ich eine politische Autorin."

So sehr die Lage in der Türkei, die Menschenrechtsverletzungen dort, die Verfolgung von Schriftstellern, Journalisten und Intellektuellen, dazu verleitet: Wer die Romane Elif Shafaks mit denselben Augen wie ihre Essays und Interviews als politische Stellungnahme liest, verpasst die Frechheit und den Witz, mit denen die Autorin erzählt, die fein beschriebenen Momente, in denen sich Befremdung und Befreiung ihrer Figuren die Waage halten, die gesellschaftsgeschichtlichen Panoramen, die sie etwa hinter ihrer Heldin Peri aufzieht: Der ältere Bruder wird in den achtziger Jahren als kommunistischer Student verhaftet und gefoltert, der jüngere setzt 2001 noch in der Hochzeitsnacht seine Ehe aufs Spiel, indem er die Jungfräulichkeit seiner Frau anzweifelt und auf einer ärztlichen Untersuchung besteht. Im Frühling 2016 stellt Peri fest, wie sich die türkische Gesellschaft polarisiert: "Man war entweder ,streng religiös' oder ,streng säkular', und diejenigen, die sich noch irgendwie in beiden Lagern gesehen und mit dem Allmächtigen ebenso leidenschaftlich auseinandergesetzt hatten wie mit der Gegenwart, waren entweder verschwunden oder auf gespenstische Weise verstummt." Anders auf dem Fest, zu dem sie derangiert und deutlich verspätet eintrifft: Als Gemälde hätte sie es "Das letzte Abendmahl des türkischen Großbürgertums" genannt. Die elitäre Partygesellschaft diskutiert bei Wildreisrisotto und Lammbraten, ob die Demokratie nicht reine Zeit- und Geldverschwendung sei und gerade in der islamischen Welt völlig überflüssig. Es ist ein Nebeneinander von Szenen und Stimmen, in dem der Leser sich selbst zurechtfinden muss.

"Wenn ich ein Meinungsstück für eine Zeitung schreibe, sage ich klar und deutlich, was ich denke", sagt Elif Shafak, "und doch bin ich ängstlich, weil es immer schwieriger geworden ist, offen über die Türkei zu schreiben. In dem Moment, wenn man etwas Kritisches sagt, kann man als Verräter bezeichnet werden. Aber wenn ich Romane schreibe, vergesse ich die wirkliche Welt. Ich bleibe in meiner Vorstellung. Deshalb fühle ich mich in meinen Romanen immer freier. Wenn ich einen Roman beendet habe und ihn meinem Verleger gebe, fange ich an, mir darüber Sorgen zu machen, wie ich angegriffen werden könnte. Aber dann ist es zu spät. Das Buch ist abgeschlossen. Es hat sein eigenes Leben. Ich respektiere das. Deshalb bin ich beim Schreiben eines Romans frei und mutig, und in meinem Alltag bin ich eine Memme."

Jeder Journalist, Schriftsteller oder Dichter in der Türkei wisse, dass er wegen eines Essays, eines Interviews, eines Tweets oder eines Gedichts festgenommen, vor Gericht gestellt und in den regierungsfreundlichen Medien gelyncht werden könne. Woher die Angst der Politik vor dem geschriebenen Wort? "Die Sprache der Politik und die der Literatur sind sehr unterschiedlich", sagt Elif Shafak, "Politiker brauchen immer ein ,Uns' gegen ein ,Sie'. Für Schriftsteller gibt es nur Menschen. Gleiche. Politik fokussiert auf Unterteilungen, Literatur auf Einfühlung. Politik schätzt die Generalisierung, Literatur achtet auf Unterschiede. Sie sind also in ihrem Wesen sehr verschieden. Aber besonders autoritäre Politiker mögen keine Literatur. Das ist so, überall auf der Welt."

Wer den Umgang der Politik mit gesellschaftlichen Stimmungen kritisiert, muss jedoch aufpassen, die Gefühle der Bürger nicht geringzuschätzen. Das gilt auch für Europa: "Die Ängste der Menschen sind real, und ich möchte sie nicht kleinreden. Es ist ein Fehler von Teilen der Linken, auf die Ängste der Menschen herabzuschauen. Ich verstehe, dass viele Menschen Bedenken angesichts von Flüchtlingen haben, sie haben Bedenken über die Zukunft oder die Globalisierung. Aber wir dürfen uns nicht von unseren Ängsten leiten lassen." Und die Geschichte lehre, dass Gesellschaften große Fehler machten, wenn sie sich an ihren Ängsten orientieren.

"Wenn ich dich anschaue", muss sich Peri von ihrem ersten Freund am Ende der Schulzeit in Istanbul sagen lassen, "sehe ich schon die typisch orientalische Intellektuelle, die du später mal sein wirst - verliebt in Europa, im Konflikt mit den eigenen Wurzeln." Anders Elif Shafak, die, wie sie sagt, seit Kindertagen eine Nomadin sei: "Ich habe viele Zugehörigkeiten. Ich bin Istanbulerin, ich bin Londonerin. Ich bin mit dem Balkan verbunden, mit dem Mittelmeer. In meinen Geschichten gibt es Elemente aus dem Nahen Osten, der Ägäis, der Levante. Ich bin Europäerin, weil ich europäische Ideale und Werte teile. Ich habe also mehr als ein Zuhause. Ich träume in mehr als einer Sprache."

Warum Wurzeln im Verhältnis zu Blättern und Ästen mehr zählen sollen, will Peri in "Der Geruch des Paradieses" nicht begreifen.

FRIDTJOF KÜCHEMANN

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fridtjof Küchemann hat sich mit der türkischen Autorin Elif Shafak zum Gespräch getroffen, kommt in seinem Porträt aber auch wohlmeinend auf ihren neuen Roman zu sprechen. Seit dreizehn Jahren erscheinen Shafaks Bücher auf Englisch, die türkischen Nationalisten erkennen sie deshalb nicht mehr als eine der Ihren an, weiß Küchemann, der ahnt, dass damit auch gleich eine politisch unbequeme Autorin abgeschoben werden soll: Denn "Der Geruch des Paradieses" verhandelt Religion und Feminismus am Beispiel drei gebildeter Musliminnen in Oxford, die jeweils auf sehr unterschiedliche Weise Identitätskonflikte für sich lösen. Küchemann findet Shafak vor allem als politische Stimme bedeutend, schätzt sie aber auch sehr für ihren Witz und feine Figurenzeichnung.

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