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Im Paris der 20er-Jahre verliebt sich der junge Rigoberto Aguyar Montiel unsterblich in Consuelo, eine schöne Andalusierin, die für die Siegertrophäe der bevorstehenden ersten Fußballweltmeisterschaft Modell steht. Als die Angebetete kurz danach auf mysteriöse Weise verschwindet, schwört sich der verzweifelte Rigoberto, wenigstens den Pokal in seinen Besitz zu bringen. Eine Irrfahrt rund um den Globus beginnt: Als Sportjournalist getarnt, reist er von Weltmeisterschaft zu Weltmeisterschaft, gelangt vom faschistischen Italien der 30er-Jahre über das revolutionäre Kuba der 50er und das Swinging…mehr

Produktbeschreibung
Im Paris der 20er-Jahre verliebt sich der junge Rigoberto Aguyar Montiel unsterblich in Consuelo, eine schöne Andalusierin, die für die Siegertrophäe der bevorstehenden ersten Fußballweltmeisterschaft Modell steht. Als die Angebetete kurz danach auf mysteriöse Weise verschwindet, schwört sich der verzweifelte Rigoberto, wenigstens den Pokal in seinen Besitz zu bringen. Eine Irrfahrt rund um den Globus beginnt: Als Sportjournalist getarnt, reist er von Weltmeisterschaft zu Weltmeisterschaft, gelangt vom faschistischen Italien der 30er-Jahre über das revolutionäre Kuba der 50er und das Swinging London der 60er schließlich in das von Diktaturen gebeutelte Südamerika der 70er. Die Trophäe ist ein lebendiger Roman über die Abenteuer eines unbeirrbaren Rebellen, der sich mal im Spanischen Bürgerkrieg, mal im aufständischen Brasilien verausgabt, und ist zugleich eine Reise durch das 20. Jahrhundert ein Abgesang an eine Epoche, ihre Irrtümer, ihre Menschen, ihre Mythen.
Autorenporträt
Fabio Stassi, 1962 auf Sizilien geboren, lebt in Viterbo und arbeitet in einer Bibliothek in Rom.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2010

Anpfiff zum letzten Gefecht

Der Raub der Trophäe: Der Italiener Fabio Stassi erzählt in seinem Fußballroman von einer neunzigminütigen Revolution, die bald wieder alle kopfstehen lässt.

Vom Fußball kann man in Biographien und Essays, Hexametern und Hymnen singen, aber die epische Prosa sperrt sich gegen die Verdichtung des Raums auf ein hundert Meter langes Rechteck und der Zeit auf neunzig Minuten. Das Runde soll ins Eckige, aber Zuckerpässe und Zaubertore passen nicht recht in die Romanform, und was sonst noch zwischen Spielerfrauen, Präsidenten oder im Mannschaftsbus passiert, taugt nicht für Heldenepen. Fabio Stassi zäumt das Pferd daher vom Schwanz auf. Im Zentrum seines Fußballromans von 2007, der jetzt, rechtzeitig zur Weltmeisterschaft, auch auf Deutsch erscheint, steht die Coupe Jules Rimet, die Trophäe schlechthin. Der alte Fifa-Wanderpokal ist natürlich nur ein MacGuffin im Sinne von Hitchcock und Indiana Jones. Alle wollen das begehrte Objekt haben; dabei liegt sein Wert einzig in seiner erzählerischen Funktion, eine länder- und epochenübergreifende Jagd zu motivieren und voranzutreiben.

Der Jäger des verlorenen WM-Pokals heißt Rigoberto Aguyar Montiel und ist ein multikultureller Bastard mit vierzehn Pässen und vielen Gesichtern: Berufsrevolutionär, Weiberheld, Lügenbaron, Pornohändler, Rimbaud der Fußballreportage. Getarnt als Sportjournalist, Verleger oder auch brasilianischer "Schattentrainer", hat er alle Weltmeisterschaften und Fußballmythen zwischen 1930 und 1970 hautnah erlebt: José Leandro Andrade, den schwarzen Schuhputzer, der den Urus zum ersten Triumph verhalf, die knüppelharten Italiener, die 1934 und 1938 den Fußballhasser Mussolini verzückten und Matthias Sindelar, den österreichischen "Mozart des Fußballs", in Verzweiflung stürzten, den Sieg der (übrigens gedopten) Herberger-Deutschen über die tapferen aufständischen Ungarn und die Rache des Fußballgotts, das Wembleytor. Als die geflügelte "Göttin" 1970 endgültig in brasilianische Hände überging, war Rigoberto am Ziel seiner Träume - und weiter denn je davon entfernt. Als Freund des schönen Fußballs und der schönen Frauen wollte er nämlich nicht nur die Trophäe ganz für sich haben, sondern auch ihr Modell, die spanische Kartenabreißerin und Hemingway-Muse Consuelo.

Damals in Paris war er noch zu schüchtern. Die Dame verschwand nach einer Liebesnacht im Dunkel der Geschichte, obwohl sich Kommissar Maigret um den Fall kümmerte. 1966 stahl Rigoberto in London die vergoldete Göttin aus einer Ausstellung, aber der Hund Pickles zwang ihn zu einem überstürzten Rückzieher. Erst im dritten Anlauf, 1983 in Rio, gelang der große Coup: "Die Coupe Rimet zu rauben bedeutete, den Diktaturen der Welt eine Fratze zu schneiden. Und auf romantische Weise an den Widerstand zu erinnern. Ich wollte das brasilianische Volk wachrütteln und die Gendarmerien dieser Welt lächerlich machen. Die Utopien aus den Vitrinen holen und ihnen ihre verlorengegangene Bedeutung zurückgeben." Am letzten Tag des letzten Jahrhunderts, alt und müde geworden, will der Gralshüter des linken Fußballs seine geliebte "Diosa" am Südpol deponieren und mit der Trillerpfeife das letzte Gefecht anpfeifen: "Ich hoffe, dass mich jemand hören wird."

Der zweifache Trophäenraub ist historisch verbürgt; Garrincha, Didi, Vavà und Pelé haben tatsächlich gelebt. Der Rest ist das Geflunker eines notorischen Aufschneiders, der, ähnlich wie Forrest Gump und Woody Allens Zelig, heimlich die Geschicke der Welt-, Fußball- und Musikgeschichte gelenkt haben will. Rigoberto hat mit seinem Freund Django Reinhardt Nazi-Musiker aus Paris geblasen und Hitler als Charlie Chaplin lächerlich gemacht. Dora, das kommunistische Girl von Ipanema, war seine Geliebte, Hemingway sein bester Freund. Er kämpfte mit Ernest, Orwell und Durutti im spanischen Bürgerkrieg, befreite mit Fidel und Che Kuba und trat mit seinen Reportagen ("Die Idee, politische Botschaften mittels Sportberichterstattung zu transportieren, erschien mir durchaus interessant") 1968 die Mairevolte los. So hat er das "Band zwischen Fußball und Sozialismus", Frauen und Männersport immer enger geknüpft und die gute Sache der Freiheit, Anarchie und brasilianischen Ballkunst auch dann nicht verraten, wenn sie auf dem Platz verlor.

Schon in seinem preisgekrönten Schachroman "Die letzte Partie" (2009) hangelte sich Stassi sportlich durch die Zeitgeschichte. In vierundsechzig Bildern ließ er Dichtung und Wahrheit, Schwarz und Weiß gegeneinander antreten: Aljechin, der dämonische, opportunistische Russe, gewann mit Schwarz gegen die kubanische Lichtgestalt Capablanca. Schach war nur eine Metapher für die ideologischen Duelle, Revolutionen und Weltkriege des zwanzigsten Jahrhunderts, aber trotz einiger gewagter Züge und Schwächen im Endspiel war "Die letzte Partie" eine schöne Problemstudie über das Brett in und vor dem Kopf der Großmeister. "Die Trophäe" ist nach ähnlichem Muster gestrickt, aber weniger elegant erzählt: chaotisch und sprunghaft, pathetisch und süßlich sentimental, oft an der Grenze zum Kitsch. Einige Endspielreportagen und Spielerporträts sind Stassi durchaus gelungen, aber die linksfüßigen Dribblings durch die Trophäen aus fünfzig Jahren Fußball- und Revolutionsgeschichte sind so kurzatmig wie langweilig. Fußball ist ein Spiel für Memmen, höhnt der Boxer Hemingway. Man kann ihm kaum widersprechen. Stassi führt seinen Ersatzkrieg mit politisch korrekten Fouls, Tricks für die Galerie und südländisch temperamentvollen carajos, aber ohne zählbare Erfolge und literarische Fortune.

MARTIN HALTER

Fabio Stassi: "Die Trophäe". Roman. Aus dem Italienischen von Monika Köpfer. Kein & Aber Verlag, Zürich 2010. 284 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Martin Halter zeigt wenig Begeisterung für Fabio Stassis Roman "Die Trophäe", in der ein als Sportjournalist getarnter Schwindler dem legendären Fußballpokal "Coupe Jules Rimet" und seinem lebenden Modell nachjagt. Nach der Figur eines Forrest Gump findet sich der Protagonist in historisch verbürgten Situationen wieder, die er maßgeblich beeinflusst haben will, erklärt der Rezensent. Hier stützt sich der italienische Autor auch auf das bewährte Konzept seines Romans "Die letzte Partie", in dem er sich mit zwei Schachspielern ähnlich "sportlich durch die Zeitgeschichte hangelt", so Halter, der allerdings findet, dass es der vorliegende Roman an erzählerischer Eleganz nicht damit aufnehmen kann. Sprunghaftigkeit, Sentimentalität und mitunter gar Kitsch wirft er dem Buch vor, das ihn mit seinen Sprüngen von Ereignis zu Ereignis nicht in den Bann ziehen konnte und sogar gelangweilt hat, wie er zugibt.

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