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Lernen Sie Victor Strang kennen, den glücklosen Privatdetektiv, dem in einer Auseinandersetzung mit einem Ganoven hinterhältig ein Ohr abgebissen wird und der daraufhin vor Schreck völlig taub wird. Als er dieses Trauma und seinen bizarren Traum, in dem ihm Nacht für Nacht der Papst begegnet, mit Hilfe eines Psychologen klären will, muss er sich fragen, was eine Therapie bringt, wenn man den Therapeuten nicht hören kann? Oder begleiten Sie den Eichmeister Joe Gendreau, der in Geschäften prüft, ob die Kunden beim Wiegen der Waren betrogen werden, auf seinem Weg durch die "Falltür ins Paradies"…mehr

Produktbeschreibung
Lernen Sie Victor Strang kennen, den glücklosen Privatdetektiv, dem in einer Auseinandersetzung mit einem Ganoven hinterhältig ein Ohr abgebissen wird und der daraufhin vor Schreck völlig taub wird. Als er dieses Trauma und seinen bizarren Traum, in dem ihm Nacht für Nacht der Papst begegnet, mit Hilfe eines Psychologen klären will, muss er sich fragen, was eine Therapie bringt, wenn man den Therapeuten nicht hören kann? Oder begleiten Sie den Eichmeister Joe Gendreau, der in Geschäften prüft, ob die Kunden beim Wiegen der Waren betrogen werden, auf seinem Weg durch die "Falltür ins Paradies" - und direkt in die Hände der japanischen Mafia. Und freuen Sie sich einfach, dass Sie nicht mit zwei Söhnen zu einem höllisch-normalen Campingausflug unterwegs sind. Denn die lieben Kinder toben gerne tagsüber als Cowboys bei einem Indiander-Festspiel, trauen sich aber nachts für gewisse Bedürfnisse nicht alleine aus dem Zelt.
Autorenporträt
Ethan Coen, geboren am 21. September 1957 in Minneapolis, Minnesota, USA, ist ein Oscar-prämierter Filmregisseur, Produzent und Drehbuchautor. Er machte erstmals zusammen mit seinem Bruder Joel 1984 mit "Blood Simple", einer Hommage an den Film noir, auf dem US-amerikanischen Sundance Film Festival von sich reden. Seither etablierte er sich mit Filmen wie "The Big Lebowski" oder "O Brother, Where Art Thou?" als schräger Geschichtenerzähler abseits des Hollywood-Mainstreams. Ethan Coen veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten. Zusammen mit seinem Bruder Joel erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.2005

Der Mann, der gar nicht da war
Mafiose Ich-AG: Erzählungen des Filmemachers Ethan Coen

Er lächelt immer so jungenhaft-freundlich auf den Fotos, und wenn man Ethan Coen einmal zusammen mit seinem Bruder Joel erlebt hat, dann weiß man, daß das zur Arbeitsteilung im Brüderduett gehört. Die beiden spielen mit Interviewern die Umkehrvariante des Good-cop-bad-cop-Spiels: Joel ist einsilbig, eher lustlos und wirkt schnell ein bißchen genervt, wohingegen der drei Jahre jüngere Ethan den Konversationston hält und wortreich Antworten gibt, ohne allzuviel preiszugeben.

Obwohl er mittlerweile auch schon 47 und nach einem Dutzend Filmen fast ein Kinoveteran ist, wirkt er noch immer wie der späte Collegeboy, der nicht recht erwachsen werden kann, weil er so viele irrwitzige Ideen im Kopf hat. Er hat sie nicht nur in die Drehbücher der Coen-Filme eingespeist, die er gemeinsam mit Joel schreibt, er hat auch ein paar Kurzgeschichten verfaßt, die zunächst in großen amerikanischen Zeitschriften erschienen, bevor sie als Buch vor vier Jahren auch auf den deutschen Markt kamen und als Taschenbuch (und Hörbuch) ziemlich untergingen, wovor sie jetzt eine unveränderte Neuedition retten soll.

Das Cover dieser "Falltür ins Paradies" ist eindeutig schöner als beim ersten Mal - wer könnte schon einem Umschlagfoto von William Eggleston widerstehen, das wie eine minimalistische Skizze mit Tankstelle, Motel-Schild, schwarzweißem Polizeiauto und endloser Weite inklusive bläulich schimmernder Gebirgskette am Horizont das Allgemein-Amerikanische beschwört? Doch so ganz trifft das Bild die Stimmung der Geschichten nicht. Denn Ethan Coen hält es lieber mit Alfred Hitchcock, der François Truffaut gegenüber bekannte: "Den Sinn für das Absurde praktiziere ich wie eine Religion", was noch immer ein tolles Zitat ist, aber inzwischen auch einen Beiklang hat: daß es nämlich manchmal nur auf ein paar liturgische Formeln hinausläuft, wenn einer seine Religion praktiziert. Man braucht dabei gar nicht auf die Entwicklung zu schielen, welche die Brüder Coen in ihren letzten drei, vier Filmen genommen haben, deren stilistische Virtuosität nach und nach die jeweilige Story in eine Revue einander überbietender visueller und verbaler Pointen aufgelöst hat.

Wenn man heute auf die im Laufe der neunziger Jahre entstandenen Stories stößt, zeigt einem die Gnade der späteren Lektüre auch, warum das so kommen mußte. Doch zunächst sind da die üblichen Coen-Helden: Loser, Pechvögel, lauter dopes, wie die Brüder gerne sagen, Trottel oder Deppen also, denen nicht nur das Schicksal übel mitspielt, sondern die seine Schläge durch ihre Unbedarftheit geradezu herbeiflehen. Der Boxer, der sich unverdrossen verhauen läßt und der auch noch für einen Mafioso den Kopf hinhält; der Mann, der seine Frau erschlagen hat und so arglos davon berichtet, als würde man ihm Absolution erteilen; oder der Mafioso, der 1965 allen Ernstes in Minneapolis versucht, sich selbständig zu machen.

Minneapolis ist auch der Ort, an dem die Coen-Brüder geboren und aufgewachsen sind und dem sie in "Fargo" ihre Art von Denkmal gesetzt haben. Ethan Coen erzählt von seltsamen Begebenheiten zwischen Talmudschule und koscherer Küche, und es ist nicht schwer zu erkennen, daß es für einige dieser Geschichten offenbar ergiebiges biographisches Rohmaterial gab. Dann klingt es ein bißchen wie Woody Allen in der Provinz, und das sind die besten Stories.

Ethan Coen hat immer ein Auge für den Aberwitz der Details, fürs Bizarre. Über Kleidung, kleine Gesten und Macken wird eine Figur mit ein paar Strichen plastisch. Er hat bloß keine Geduld, diesen Figuren etwas mehr Aufmerksamkeit zu gönnen, egal, welche Form er wählt. Ob er die Story als reinen Dialog, als Monolog eines Namenlosen in einer Bar oder vergleichsweise konventionell anlegt - immer zieht er ganz rasch die Schraube an. Der Trick besteht darin, lakonisch und ohne große Geste ins Absurde zu driften, im Alltagston die größten Absonderlichkeiten und Schauerlichkeiten vorzutragen. Nahezu jede Geschichte funktioniert nach diesem Prinzip. Man könnte auch sagen: Ethan Coen taucht jede Szenerie in eine besondere Beleuchtung, die sie automatisch in ein Genrebildchen aus Coen County verwandelt.

So amüsant das phasenweise ist, es geht auf Dauer auf Kosten der Figuren. Von dem, was sie erlebt, erlitten und durchgemacht haben, bleibt nicht viel übrig. Die Pointen ziehen ihnen den Boden unter den Füßen weg, und so tritt nach der Lektüre der Effekt ein, daß man sich zwar an groteske Details erinnert, aber kein Gesicht, keine Gestalt, keine besondere Kontur vor Augen hat. Fast wie in dem Coen-Film "The Man who wasn't there". Den besten Eindruck hinterlassen die Stories noch, wenn man sie in kleinen, homöopathischen Dosen liest.

Aber man bedauert ihre kurze Haltbarkeit schon, weil bei Ethan Coen alles da ist: der Stoff, aus dem man grandiose Geschichten machen könnte, die erzählerische Technik, die präzise Sprache - es müßte halt nur gelegentlich auch mal der Wille dasein, der Religion des Absurden für ein paar Seiten abzuschwören und die Figuren aus ihrem Bann heraustreten und einfach durchatmen zu lassen, was in Filmen wie "Fargo" ja durchaus passiert. Wo andere Short-Story-Erzähler zwanzig Seiten krampfhaft nach dem einen, tollen Einfall suchen, prasseln die Einfälle bei Ethan Coen wie in einem Kugelhagel der Mafia - und durchlöchern die Geschichten wie ein Sieb.

PETER KÖRTE

Ethan Coen: "Falltür ins Paradies". Stories. Aus dem Englischen übersetzt von Detlev Ullrich. Kein & Aber Verlag, Zürich 2005. 256 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.07.2005

Menschen sind höllisch
Ethan Coens Kurzgeschichtenband „Falltür ins Paradies”
Wenn einer ein guter Drehbuchautor ist, heißt das noch lange nicht, dass er auch Kurzgeschichten schreiben kann. Bei Ethan Coen sind seine Qualitäten als Drehbuchautor unstrittig, seine Dialoge und Wortspielchen muss ihm erst mal einer nachmachen; er hat für sein „Fargo”-Drehbuch völlig zu Recht einen Oscar bekommen. Jetzt hat er einen Band mit Kurzgeschichten vorgelegt, und bevor man’s liest, beschleicht einen leise Angst: Wenn sich Frances McDormand als schwangere Polizistin mit ihrem Mann in der Spießeridylle einigelt, lässt sich das Komische daran nur schwer in Worte fassen. Es verhält sich mit Ethan Coens „Falltür ins Paradies” ganz anders. Die Erzählungen beschädigen die Filme nicht, sie vervollständigen sie.
Die Figuren, die allesamt in die Coen-Filme passen würden, sind nicht nur genauso komisch wie die Filmcharaktere - das, was er um sie herumschreibt, gibt ihnen sogar manchmal noch jene Anteilnahme und Verzweiflung mit, die den Coen-Filmen fehlt. Man kann nämlich vieles über die Coens sagen. Sie sind witzig, genial, phantasievoll. Aber menschenfreundlich sind sie nicht. Wer seine Figuren ungerührt ihre Co-Kriminellen in die Häckselmaschine stecken lässt, gerät leicht unter Zynismusverdacht.
Wenn also Ethan Coen beispielsweise in der Geschichte „Onkel Morty” beschreibt, wie der Ich-Erzähler und seine Freundin in New York von einem Verwandten aus dem heimischen Minnesota heimgesucht werden. Onkel Morty ist geschäftlich in der Stadt und übernachtet bei seinem Neffen, um das Geld fürs Hotel zu sparen. Er kommt nicht mit dem Badewannenabfluss zurecht und steht dann nackt da, mit Haaren um die Brustwarzen und Hängebauch. Er isst nur koscheres Fleisch und schläft schnarchend vor dem Fernseher. Und nervt seinen Neffen höllisch. Aber nicht dessen Freundin, deren Blicke immer kälter werden, wenn er seine Galle ausschüttet über den alten Onkel, ihn verlacht. Eine ganz beklemmende Atmosphäre entsteht in dieser Geschichte, während seine Abneigung langsam anfängt, auf ihn selbst zurückzufallen, und sich leise Wehmut einschleicht, weil er seinen Mitgeschöpfen gegenüber nicht milde sein kann und großzügig . . .
In anderen Geschichten geht es, was das betrifft, eher derb zu: Eine wunderschön giftige Ich-Erzählung eines großkotzigen Plattenproduzenten, der nur mal so überlegt, wer alles hinter der Morddrohung stecken könnte, die gegen ihn gerichtet wurde, fängt an mit dem Satz: „Ich kapier’s nicht.” Aber da ist er der Einzige. Und manchmal probiert Coen es mit bizarren Detektivgeschichten oder er stöbert in seiner Erinnerung wie in jener Story mit dem ewig unfertigen Kellergeschoss seines Elternhauses. Die „Falltür ins Paradies” ist die Hintertür zum Coen-Universum - ihre Filme werden zugänglicher, ihre Haltung zu den Figuren verständlicher, wenn man die Geschichten kennt - vielleicht kann man sich im Kino als Erzähler einfach leichter verstecken.
SUSAN VAHABZADEH
ETHAN COEN: Falltür ins Paradies. Stories. Kein & Aber, Zürich 2005. 256 Seiten, 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Susan Vahabzadehs anfängliche Angst, dass Ethan Coens Kurzgeschichten nicht an seine Drehbücher, unter anderem für "Fargo", heranreichen, stellte sich ihr schnell als unbegründet heraus. "Die Erzählungen beschädigen die Filme nicht, sie vervollständigen sie", wie sie zufrieden festellt. Der Drehbuchautor erschaffe nicht nur Figuren, die "genauso komisch" sind wie das Personal in seinen Filmen, sondern gibt ihnen darüber hinaus noch ein wenig "Anteilnahme und Verzweiflung" mit, die in den fast zynischen Umsetzungen der Drehbücher durch das Brüderpaar manchmal fehlt, frohlockt die Rezensentin. Ihr dienen die Geschichten, deren Spektrum von der "bizarren" Krimi-Story bis zu unheimlichen Erinnerungen aus der Kindheit reicht, als "Hintertür zum Coen-Universum", mit der nicht nur die Einstellung der Regisseure zu ihren Figuren besser nachvollziehbar wird, sondern auch die Filme insgesamt "zugänglicher" erscheinen.

© Perlentaucher Medien GmbH