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Seit dem Jahre 1964 befindet sich die Türkei auf dem Weg zur lange erhofften Vollmitgliedschaft, wie sie ihr im damaligen Assoziationsabkommen von den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in Aussicht gestellt worden war. Die heutige Europäische Union (EU) steht offiziell zu den damals geweckten Hoffnungen. Am 2. Oktober 2005 einigten sich die EU-Regierungen nach zähem Ringen auf ein Mandat zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Je näher der Beitritt der Türkei allerdings rückt, desto heftiger wird innerhalb der Unionsländer über dessen Machbarkeit gestritten…mehr

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Produktbeschreibung
Seit dem Jahre 1964 befindet sich die Türkei auf dem Weg zur lange erhofften Vollmitgliedschaft, wie sie ihr im damaligen Assoziationsabkommen von den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in Aussicht gestellt worden war. Die heutige Europäische Union (EU) steht offiziell zu den damals geweckten Hoffnungen. Am 2. Oktober 2005 einigten sich die EU-Regierungen nach zähem Ringen auf ein Mandat zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Je näher der Beitritt der Türkei allerdings rückt, desto heftiger wird innerhalb der Unionsländer über dessen Machbarkeit gestritten und der Ausgang der Beitrittsverhandlungen scheint höchst ungewiss zu sein. Angesichts der gegenwärtigen europäischen Türkeidiskussion fehlt bisher eine umfassende Analyse des innereuropäischen Entscheidungsprozesses während der Assoziierungsverhandlungen mit der Türkei in den Jahren 1959-1963. Eine Untersuchung dieser äusserst wichtigen Phase in den europäisch-türkischen Beziehungen aus der
Perspektive der EWG kann aber wesentliche Aufschlüsse über die grundlegenden Aspekte im Verhältnis Europas zur Türkei bringen. Ziel dieses Buches ist es, die nationalen Motivationen auf Seiten der EWG umfassend darzulegen, um damit einen Beitrag zum Verständnis der heutigen Probleme im europäisch-türkischen Verhältnis zu leisten. Im Zentrum der Untersuchung steht die Analyse von Dokumenten der EWG aus den Historischen Archiven der Europäischen Gemeinschaft in Florenz, die weitgehend als vertraulich eingestuft waren und erst seit kurzem der Forschung zugänglich sind. Die gegenwärtig in Europa oft mehr mit emotionalen Argumenten als mit fundiertem Wissen geführte Türkeidebatte kann damit an historischer Tiefe gewinnen, wodurch der Blick stärker für das Wesentliche geöffnet wird.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Hallsteins Versprechen
Eugen Krieger untersucht die Assoziierungsverhandlungen der EWG mit der Türkei / Von Hanns Jürgen Küsters

Nun sag, wie hast du's mit der Türkei?" Anstatt auf diese Gretchenfrage europäischer Erweiterungspolitik eine lautere Antwort zu geben, drücken sich die EU-Staaten seit über vierzig Jahren um das Bekenntnis zur Vollmitgliedschaft herum. Obwohl der Europäische Rat im Dezember 2004 grünes Licht für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen am 3. Oktober 2005 gab, ist das Ergebnis ungewiß. Je mehr sich islamische Fundamentalisten in Europa tummeln, Furcht vor kultureller Unterwanderung mit unabsehbaren wirtschaftlichen Folgen verbreitet wird und je weniger die Türkei Anstalten macht, westlichen Demokratiemaßstäben zu genügen, desto schwieriger wird die Einlösung des Versprechens, das die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) am 12. September 1963 gab. Bei Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens stellte Kommissionspräsident Walter Hallstein den Türken eines Tages die vollberechtigte Mitgliedschaft in der Gemeinschaft in Aussicht.

Ist die EU an ihrer Bredouille selbst schuld? Waren sich damals die sechs nicht der langfristigen Komplikationen bewußt, die aus einer solchen Absichtserklärung resultieren könnten? Hat die EU eine politisch-moralische Verpflichtung, die Türkei aufzunehmen, oder gar ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie es ablehnt? Eugen Krieger geht diesen Fragen nach, untersucht, was die EWG-Kommission zu derlei Avancen bewog, aus welchen Motiven und mit welchen Konzepten die nationalen Regierungen sie forcierten oder bremsten. Überzeugend zeigt der Autor anhand der ersten westeuropäisch-türkischen Assoziierungsverhandlungen die teils historisch geprägten Interessendivergenzen auf, die zu jener Zeit in Ministerien und EWG-Organen hinsichtlich der Anbindung der Türkei bestanden, allerdings nicht öffentlich bekannt wurden.

Angesichts ihrer geostrategisch exponierten Lage an der Nato-Ostflanke spielte die Türkei im Kalten Krieg eine besondere Rolle. Hohe Verteidigungslasten machten das Land anfällig für sowjetische Hilfsangebote. Washington drängte die Westeuropäer, die Nato-Partner Griechenland und Türkei mit ihren EWG-Assoziierungsanträgen gleich zu behandeln. Aufgabe der EWG sei es, mit wirtschaftlichen Maßnahmen die Türkei an den Westen zu binden und dadurch die Nato-Position im östlichen Mittelmeer zu festigen. Handelspolitische Erleichterungen sollten den Lebensstandard am Bosporus verbessern und politische Stabilität schaffen. Beides käme der westlichen Sicherheitspolitik gegen sowjetische Bestrebungen zugute. Aufgrund des hohen strategischen Stellenwerts der Türkei nahm der Westen den Demokratiemangel und die chronische Rückständigkeit als nachgeordnete Probleme in Kauf. Öffentliche Kritik an den türkischen "Waffenbrüdern" verbot sich.

Ziemlich vorbehaltlos unterstützten die EWG-Kommissare das amerikanische Assoziierungskonzept. Man wollte der Gefahr entgegenwirken, daß im globalen Wettbewerb mit dem kommunistischen Lager um die Gunst der nach Unabhängigkeit strebenden Dritte-Welt-Staaten diese Westeuropa mit seinen Kolonialmächten politischen Schaden zufügen könnten. Zudem zeigte sich die EWG offen für Beitritte. Schließlich, so die schlaue Überlegung, wären die Türken in kürzerer Zeit weder politisch noch wirtschaftlich in der Lage, die Voraussetzungen für den Beitritt zur Gemeinschaft zu erfüllen.

Aufgrund der traditionell guten Beziehungen setzten sich Bundeskanzler Adenauer und die Benelux-Staaten dafür ein, die Türken an die EWG heranzuführen. Sie bauten auf deren demokratische Entwicklungsfähigkeit. Der französische Staatspräsident de Gaulle hingegen erkannte zwar die Bedeutung der Region für die Sicherheit des Westens, doch widerstrebte ihm die enge türkisch-amerikanische Militärkooperation. Diese stärkte die Position der Vereinigten Staaten im Mittelmeerraum und unterminierte seine Ambitionen, den mächtigen Einfluß der beiden Supermächte dort zu begrenzen.

Nach Aufnahme der Assoziierungsverhandlungen wuchs in französischen Amtsstuben der Widerstand. Wie in Italien herrschten Sorgen vor türkischen Agrarausfuhren, die in Konkurrenz zur heimischen und algerischen Landwirtschaft auf dem Gemeinsamen Markt stünden. Für den erleichterten Zugang verlangte Frankreich die Begrenzung türkischer Getreideexporte. In Positionspapieren des französischen Außenministeriums wurden zudem grundsätzliche Vorbehalte geäußert: Es müsse im Assoziierungsprozeß ein Automatismus vermieden werden, der zum Beitritt führe, denn die Türkei gehöre kulturell nicht zu Europa - ganz im Gegensatz zu den Griechen, deren Assoziierungsgesuch Paris befürwortete. Die Türken sollten zunächst die Ernsthaftigkeit ihres Willens zur Annäherung an die EWG unter Beweis stellen.

Schon Anfang der sechziger Jahre existierten in der Gemeinschaft zwei Erweiterungskonzepte mit völlig verschiedenen Zielsetzungen: erstens die sicherheitspolitisch motivierte Annäherung mittels wirtschaftlicher Hilfe in der Hoffnung, die Türkei werde beizeiten das westliche Demokratiemodell adaptieren, zweitens die wirtschaftliche, politische und kulturelle Distanzwahrung, solange grundlegende innere Reformen ausblieben. Hallsteins Versprechen stellte einen Kompromiß dar, den alle EWG-Staaten trotz ihrer Uneinigkeit auf unbestimmte Zeit akzeptieren konnten. Auf türkischer Seite hinterließ die Erklärung den Eindruck, der Weg in Richtung Vollmitgliedschaft sei unumkehrbar. Das Dilemma besteht bis heute fort: Die Türkei erfüllt die Voraussetzungen nicht. Und die EU vermeidet jegliche Klarheit, ob sie ihr Wort halten oder sich nur zu einer "privilegierten Partnerschaft" bekennen wird. Diese vorzügliche Studie macht einmal mehr deutlich, wie gefährlich weltkluge Zusagen sind, wenn sie vornehmlich taktischem Kalkül und nicht ernsthaft politischer Überzeugung entspringen.

Eugen Krieger: "Die Europakandidatur der Türkei". Der Entscheidungsprozeß der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft während der Assoziierungsverhandlungen mit der Türkei 1959-1963. Chronos Verlag, Zürich 2006. 252 S., 32,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Hanns Jürgen Küsters lobt diese Studie Eugen Kriegers als "vorzüglich". Im Mittelpunkt sieht er die Verhandlungen von 1959 bis 1963, die die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit der Türkei geführt hat und an deren Ende die Zusage der Vollmitgliedschaft stand. Dem Autor gelingt es seines Erachtens überzeugend zu zeigen, was die EWG zu diesem Schritt bewogen hat. Dabei attestiert er dem Autor, die Interessenskonflikte in Ministerien und EWG-Organen über die Anbindung der Türkei, die damals allerdings nicht öffentlich wurden, herauszuarbeiten, und auch auf die Rolle der USA einzugehen. Diese hätten die Unionsländer dazu gedrängt, wegen der geostrategischen Bedeutung im Kalten Krieg der Türkei auf das Land zuzugehen. Für Küsters verdeutlicht die Studie schließlich die Gefährlichkeit von "weltklugen Zusagen", "wenn sie vornehmlich taktischem Kalkül und nicht ernst haft politischer Überzeugung entspringen."

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