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Scylla

Bewertungen

Insgesamt 17 Bewertungen
12
Bewertung vom 06.07.2021
Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1
Pötzsch, Oliver

Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1


sehr gut

Skurrile Suche nach einem Mörder

„Das Buch des Totengräbers“ fällt direkt durch seine schöne und interessante Cover-Gestaltung auf. Der erste Fall für Leopold von Herzfeld ist hoffentlich der Auftakt einer neuen Reihe, da ich einige Charaktere des Buches jetzt schon lieb gewonnen habe und sie noch viel Potential zur Weiterentwicklung haben. Dabei kam mir gerade am Anfang der Charakter der Hauptfigur Leopold recht bekannt und wenig spannend vor:
Ein junger Ermittler tritt seinen Dienst auf der Polizeiwache an und stößt direkt die Kollegen mit seinen „neumodischen“ Ermittlungsansätzen vor den Kopf. Es wird gemunkelt, dass es in seinem alten Tätigkeitsgebiet einen Vorfall gab, der ihn gezwungen hat, die Stadt zu verlassen. Um was es sich jedoch konkret handelt, bleibt zunächst im Dunkeln. Da er so erfrischend anders ist als die anderen Kollegen, werden schnell die Telefonistinnen auf ihn aufmerksam und er kommt in Kontakt mit einer der Damen. Dabei stellt sich heraus, dass auch sie erstaunliche Fähigkeiten für die Polizeiarbeit besitzt, die aber aufgrund ihres Geschlechtes nicht anerkannt werden. Nach ein paar eigenwilligen Ermittlungen bringt der Ermittler nun auch seine Vorgesetzten gegen sich auf und gerät mehr und mehr unter Druck…
Diese Storyline findet man in einigen historischen Krimis und deshalb war ich auch etwas enttäuscht, da ich mir eine innovativere Geschichte erhofft hatte. Allerdings haben mich zwei andere Aspekte über die anfängliche Ernüchterung hinwegsehen lassen. Zunächst ist da die wunderschöne Inszenierung von Technik und Fortschritt um die Jahrhundertwende (besonders die Fotografie und neue „halsbrecherische“ Fortbewegungsmöglichkeiten wie etwa das Fahrrad) werden überzeugend und witzig in die Handlung eingebunden. Aber auch der unglaublich sympathische Totengräber Augustin Rothmayer gibt der Geschichte das gewisse Maß an Spannung und unvorhergesehenen Wendungen zurück, die man in der eher klassischen Hauptstory um Leopold zunächst vermisst hatte. So baut sich ab der Mitte des Buches doch noch eine mitreißende Handlung auf und auch am Ende darf man sich noch über einige Wendungen freuen.
Das Buch hat mir vor allem wegen seiner gut ausgearbeiteten und teilweise innovativen Charaktere und der schönen Umsetzung des historischen Kontextes viel Freude bereitet. Sollte es noch weitere Fälle von Leopold von Herzfeld und natürlich dem schrulligen Totengräber geben, bin ich gerne wieder dabei!

Bewertung vom 17.04.2021
Johanna spielt das Leben
Falk, Susanne

Johanna spielt das Leben


sehr gut

Johanna, die exzentrische Schauspielerin

Johanna kommt aus ärmlichen Verhältnissen, schafft es aber schon in jungen Jahren eine erfolgreiche Theaterschauspielerin in Wien zu werden. Als sie den Beamten Georg kennenlernt und sich in ihn verliebt, scheint auch einem standesgemäßen Familienleben nichts mehr im Wege zu stehen. Dabei passen die beiden auf den ersten Blick gar nicht wirklich zusammen. Johanna ist kreativ, selbstbewusst und implusiv, Georg ruhig, ernst und traditionell. Jedoch scheint es genau dieser Gegensatz zu sein, der ihre Beziehung so wichtig für die beiden macht. Johanna erhält durch Georg Rückhalt und die Eintrittskarte in ein gutbürgerliches Leben, Georgs Leben erhält durch Johanna eine gewisse Prise Abwechslung und Abenteuer.

Die Geschichte von Johannas und Georgs Beziehung wird über einen Zeitraum von zirka 10 Jahren in den 1950-60er Jahren erzählt. Dabei gibt es immer wieder Sprünge zwischen der aktuellen Zeit, in der Johanna mit ihrer neugeborenen Tochter zu Hause ist und sich mehr und mehr in ihrer Rolle als Mutter eingeengt fühlt, und der Zeit des Kennenlernens und der Anfänge der Beziehung von Johanna und Georg. Man merkt sehr schnell, dass sich das Verhalten der Beiden und ihre Beziehung zueinander seit dem Kennenlernen deutlich verändert hat. Während man zunächst nur die aktuelle neue Situation mit dem Baby als Ursache vermutet, wird später klar, welche schreckliche Tragödie die beiden schon erleben mussten. Der ständige Wechsel zwischen diesen beiden Zeitsträngen macht die Erzählung spannend und abwechslungsreich. Teilweise sind sie aber auch so gut miteinander verwoben, dass man aufpassen muss, in welcher Zeitlinie man sich gerade befindet. Johannas Gedanken und ihr Verhalten werden überzeugend und nachvollziehbar geschildert und führen zum Teil zu sehr lustigen Situationen. Um wirkliche Sympathie zu erzeugen, ist sie mir doch etwas zu exzentrisch. Selbst wenn mir Georg genauso wenig sympathisch war, konnte ich jedoch seine Entwickung und sein Verhalten nach dem Schicksalsschlag besser nachvollziehen. Allerdings kam mir die ganze Zeit in den Sinn, warum man es hat so eskalieren lassen und nicht einfach mal in Ruhe miteinander geredet hat. Allerdings ist das auch ein sehr häufiges Problem in Beziehungen, sodass das Verhalten der Charaktere auf jeden Fall plausibel ist. Am Ende spitzt sich die Geschichte nochmal zu und Johanna und Georg merken, was ihnen wirklich wichtig ist. Die große Entüllung an Ende war für mich recht vorhersehbar, gibt der Geschichte aber nochmal einen schönen Twist.

Ich habe das Buch eher als einen Liebesroman empfunden, der den Umgang eines Paares mit einem einschneidenen Schicksalsschlag behandelt. Wirklich um Emanzipation ging es für mich weniger, denn Johanna hat schon von Anfang an gemacht, was sie wollte und sich von niemandem reinreden lasssen. Allerdings ist die Stimmung im Buch eher heiter und leicht als ernst. Daher ist es eine schöne, unterhaltsame Geschichte für zwischendurch.

Bewertung vom 14.02.2021
Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
Schröder, Alena

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid


sehr gut

Ein Buch wie ein Gemälde

Der Titel dieses Debütromans von Alena Schröder liest sich im ersten Moment etwas sperrig. Auf den zweiten Blick erkennt man jedoch schnell, dass hier auf den Titel eines Gemäldes angespielt wird, das im Buch eine zentrale Rolle spielen soll. Die Junge Hannah, eine bisher eher wenig erfolgreiche Doktorandin, findet bei ihren wöchentlichen Besuchen bei ihrer Großmutter Evelyn einen Brief, in dem diese als die Erbin eines verschollenen jüdischen Kunstvermögens ausgewiesen wird. Evelyn will jedoch nichts davon wissen und weigert sich vehement, Hannah mehr über ihre Vergangenheit zu erzählen. So lässt Hannah schließlich selbst Nachforschungen anstellen und kommt dabei mehr und mehr den Geheimnissen ihrer eigenen Familiengeschichte auf die Spur.

Anders als zunächst angenommen, spielt die Suche nach den verschollenen Gemälden im Buch nur eine untergeordnete Rolle. Es geht vielmehr um die Schilderung einer Familiengeschichte und das Schicksal von vier Frauen aus vier Generationen, die über alle Epochen hinweg mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Alle vier hadern mit ihren gesellschaftlichen Rollen und befinden sich im Spannungsfeld zwischen (ungewollter) Mutterschaft, schwierigen Beziehungen zu Männern und beruflicher Selbstverwirklichung. Die große Stärke des Buches liegt dabei in der emotional überzeugenden Schilderung der Ereignisse aus der Sicht der verschiedenen Figuren. Meist wird abwechselnd aus der Sicht von Hannah und ihrer Urgroßmutter Senta erzählt, teilweise kommen aber auch Nebenfiguren zu Wort und geben einen Einblick in ihre Sicht auf die Welt. Der Schreibstil passt sich dabei sehr deutlich der aktuellen Epoche an, aus der erzählt wird. Bei Hannah wirkt alles sehr modern, bei Senta spürt man dafür deutlich Konventionen der 1930er Jahre. Dabei sind beide Erzählstränge gleich interessant und spannend, sodass ich das Buch kaum aus der Hand legen wollte. Der Aufbau der Geschichte ist linear und flüssig und kann gut die sich über die Zeit entwickelnden Familienverhältnisse vor den Hintergrund des erstarkenden Nationalsozialismus einfangen. Der Fokus bleibt dabei aber immer auf das Leben und den sich verändernden Alltag der Frauen gerichtet. Besonders erfrischend fand ich dabei Hannahs Erzählperspektive, in der die Arbeit im akademischen Milieu sehr naturgetreu wiedergegeben wird. Ich musste schon das eine oder andere Mal schmunzeln und habe mich in ihren Zweifeln wiedererkannt.

Einzig am Ende war ich etwas überrascht, dass die Geschichte doch noch so einige lose Enden besitzt. An sich ist der Abschluss stimmig und nachvollziehbar und mehr gibt es vielleicht auch nicht zu sagen. Allerdings ist mir der Fokus auf die Suche der verschollenen Bilder dann doch etwas abhandengekommen. Trotzdem würde ich das Buch aufgrund der packenden Familiengeschichte und der tollen Erzählperspektiven auf jeden Fall weiterempfehlen.

Bewertung vom 14.02.2021
Fürchtet uns, wir sind die Zukunft
Oppermann, Lea-Lina

Fürchtet uns, wir sind die Zukunft


weniger gut

Theos Weg in die Zukunft

Theo Sandmann beginnt sein erstes Semester an der Musikakademie, sein erster Schritt in ein unabhängiges Leben als Musiker. Schnell knüpft der eigentlich recht schüchtere Junge neue Kontakte und schlittert Hals über Kopf hinein in eine geheime Widerstandsbewegung, geleitet von der charismatischen Aida. Dort findet er Gemeinschaft und Ziele, für die es sich zu kämpfen lohnt. Oder zumindest scheint es auf den ersten Blick so.

Das Buch hat mich bis ungefähr zur Hälfte bestens unterhalten. Ich konnte mich gut in Theos Gefühle hineinversetzen und ihn in seinem ersten Semester an der Musikakademie begleiten. Er lernt neue Unterrichtsmethoden und Freunde kennen und kann endlich sein eigenes Leben führen. Ein bisschen Emanzipation von seinem sonst so streng geregelten Leben mit seiner Mutter. Auch das erste Zusammentreffen mit der geheimnisvollen Aida macht Lust, mehr über sie und ihre Widerstandsorganisation, die „ZUKUNFT“ herauszufinden.

Nach Theos Eintritt in die „ZUKUNFT“ wird aber alles etwas konfus. Die Geschwindigkeit, mit der Theo sich in die vermeintlich radikalen Ideen der Bewegung hineinsteigert und all seine alten Ziele vergisst, ist etwas eigenartig und nicht sehr nachvollziehbar. Vermutlich spielt auch Verliebtheit eine Rolle, aber trotzdem werden seine Gedanken immer zusammenhangloser und seine Handlungen konfuser. Dazu kommt noch, dass mich der „revolutionäre“ Ansatz der Bewegung nicht wirklich überzeugen konnte. Ein bisschen Kritik an der Welt und der Gesellschaft, Umweltverschmutzung, Kommerz, Klimawandel, alles schön und gut, aber weder neu noch innovativ noch überzeugend. Auch Aidas Reden zu diesen Themen, im Buch als Inspiration für ihre Anhänger beschrieben, klangen für mich sehr platt und alles andere als inspirierend. Wie die meisten Revolutionsführer belügt und manipuliert sie für „die gute Sache“ und macht dafür natürlich auch vor ihren eigenen Anhängern nicht halt. Nach ein bis zwei vorhersehbaren Wendepunkten scheint Theo dann doch wieder auf den rechten Weg zurückzufinden. Doch dann ist das Buch schon zuende und man fragt sich verwundert, ob das jetzt wirklich schon alles war. Sicher, bei solch einer kurzen Geschichte kann man nicht viel Tiefgang erwarten, aber für mich war es am Ende sehr unausgegoren. Die Idee ist ganz nett, aber der eigentliche Kern der Geschichte hat mich nicht überzeugt. Für mich bleibt alles nur ein kurzer Ausflug in Theos Leben. Ein kurzweiliges Leseerlebnis, aber mit einigen Schwächen.

Bewertung vom 14.02.2021
Darling Rose Gold
Wrobel, Stephanie

Darling Rose Gold


sehr gut

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht

Rose Gold dachte, sie wäre schwer krank und müsste ihr Leben lang im
Rollstuhl sitzen, isoliert von allen Menschen außer ihrer Mutter Patty. Als sie herausfindet, dass ihre Mutter sie die ganze Zeit über vergiftet hat, um sie an den Rollstuhl zu fesseln, muss Patty ins Gefängnis und Rose Gold kann endlich ein eigenes Leben beginnen. Doch bald hat Patty ihre Gefängnisstrafe abgesessen und Rose Gold plant, es ihr ein für alle Mal heimzuzahlen.

Stephanie Wrobel greift in ihrem Roman das Münchhausen-Stellvertreter-Syndroms auf, das Rose Golds Mutter Patty dazu bringt, ihre Tochter seit ihrer Geburt zu vergiften, um sie von sich abhängig zu machen und durch die zahlreichen Arztbesuche Aufmerksamkeit zu generieren. Sie fühlt sich wohl in der Rolle als alleinerziehende Mutter eines kranken Kindes und hat es perfektioniert, ihr Umfeld und auch ihre Tochter zu belügen und manipulieren, um dieses Bild aufrecht zu erhalten. Erst als Rose Gold älter wird und anfängt, das Verhalten ihrer Mutter zu hinterfragen, kommt ihre Lüge ans Licht und auch ihre Nachbarschaft wendet sich von ihr ab. Rose Gold wird gerade zu Anfang als naiv und abhängig skizziert, versucht aber, nachdem ihre Mutter im Gefängnis gelandet ist, sich so schnell wie möglich zu emanzipieren und alles nachzuholen, was ihre Mutter ihr bisher verwert hat. Allerdings schreckt auch sie vor Lügen und Manipulationen nicht zurück, um zu bekommen, was sie glaubt verdient zu haben. Beide Charaktere sind sich doch ähnlicher als gedacht und leben von ihren verschiedenen Facetten, jede ist sowohl Opfer, als auch Täterin. Patty scheint sich beispielsweise ernsthaft Sorgen um Rose Gold zu machen, wenn es ihr schlecht geht, und verdrängt dabei scheinbar, dass sie selbst das Leiden ihrer Tochter verursacht. Sie betitelt sie als schwach, unzulänglich und abhängig, hat sie aber genauso erzogen. Rose Gold selbst ist schockiert von den Lügen und Intrigen ihrer Mutter, schreckt aber selbst nicht davor zurück, Menschen in ihrer Nähe zu belügen und manipulieren, um es ihrer Mutter am Ende heimzuzahlen.

Das Buch liest sich sehr flüssig und hat mich gleich zu Beginn in seinen Bann gezogen. Es ist unglaublich spannend, da man einerseits unbedingt die Hintergründe von Rose Golds Kindheit erfahren möchte und andererseits wissen möchte, was genau sie nach der Entlassung ihrer Mutter im Schilde führt. Dieser Spannungsbogen bleibt im gesamten Buch erhalten, da die Geschehnisse abwechselnd aus Pattys und Rose Golds Sicht erzählt werden. Patty beschreibt dabei die gegenwärtigen Ereignisse, Rose Golds Kapitel spielen in der Vergangenheit, sodass man bis zum Ende im Unklaren darüber bleibt, was Rose Gold nun genau vorhat. Erst nach und nach fügen sich die Erzählstränge zu einem vollständigen Bild zusammen. Das Ende ist logisch und passend, obwohl es für mich doch ein bisschen „zu perfekt“ aus Rose Golds Sicht funktioniert hat. Ein etwas überraschenderes Ende hätte das Buch für mich perfekt gemacht. Trotzdem hat das Buch mich gefesselt und ich würde es gerade wegen des ungewöhnlichen Themas und des spannenden Aufbaus gerne weiterempfehlen.

Bewertung vom 22.08.2011
Ich weiß, wer du bist
Strobel, Tatjana

Ich weiß, wer du bist


weniger gut

Unterhaltungslektüre mit wenig praktischem Nutzen

Irgendwie hatte ich mir unter diesem Buch etwas völlig anderes vorgestellt. Ich dachte eigentlich, dass es darum geht, wie man aus verschiedenen Gesichtsausdrücken Stimmungen oder versteckte Gedanken von Personen herauslesen kann. Der Ansatz, dass bestimmte Charaktereigenschaften sich in besonderen Körpermerkmalen wiederspiegeln, war mir neu, aber ich wollte mich gern auch darauf einlassen.
Letztendlich konnte mich die Autorin mit ihrer Theorie jedoch nicht wirklich überzeugen. Am Anfang führt sie das Thema mit Schilderungen ihrer persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Gesichterlesen ein. Von ihrem überschäumenden Enthusiasmus konnte ich mich aber leider nicht anstecken lassen. Gerade der Beginn wirkt eher wie eine übertriebene Selbstdarstellung als wie ein seriöser Ratgeber.
Im zweiten Teil des Buches werden dann sämtliche Gesichts- und Körpermerkmale präsentiert, die einen Menschen auf die eine oder andere Weise charakterisieren sollen. Dazu gibt es auch noch praktische Übungen wie man das „Erlernte“ erst auf Fotos und dann im Alltag ausprobieren kann. Da aber nicht immer zu allen vorgestellten Merkmalen auch Abbildungen zu finden waren, fiel es mir schwer diese konkret in den Übugnen anzuwenden. Es stellte sich außerdem heraus, dass das „Gesichterlesen“ am Ende doch nur eine Interpretationssache ist. Denn meine Interpretation des Gesichtes auf dem Foto unterschied sich jedes Mal grundlegend von der vorgeschlagenen Lösung, obwohl ich jedes Mal genau mit den vorher vorgestellten Merkmalen verglichen hatte. Mit der Zeit habe ich die Übungen deshalb auch einfach sein gelassen und im Alltag war mir das erst recht zu albern.
Da stellt sich natürlich die Frage nach der Verwertbarkeit dieses sogenannten „Wissens“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Autorin ihre Klienten so grundlegend mithilfe des Gesichterlesens durchschauen kann, wie sie es dem Leser im Buch weismachen will. Mag sein, dass sie Menschen gut einschätzen kann, aber da wird sicher auch eine große Portion Menschenkenntnis oder einfach eine gute Intuition mit im Spiel sein. Der praktische Nutzen ist für mich daher eher fraglich und ich sehe nicht ein, warum ich mir 300 Gesichtsmerkmale einprägen sollte, die ich am Ende sowieso eher intuitiv interpretiere.
Auch die Anwendungen, die die Autorin am Ende des Buches selbst liefert, überzeugen mich nicht wirklich. Vor allem, da der Zusammenhang zum eigentlichen Thema mehr und mehr verloren geht. Die Autorin präsentiert dort Persönlichkeitstests, Schminktipps und Ratschläge, wie man am besten mit seinem Partner umgehen sollte. Alles in allem bewegt sich das Buch am Ende also eher auf Frauenzeitschriftsniveau.
Fazit: Das Buch ist ganz unterhaltsam, die Tipps und Theorien haben aber kaum praktischen Nutzen. Wer sich wirklich für das Thema interessiert, sollte ruhig zugreifen, allen anderen kann ich das Buch eher nicht empfehlen.

8 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.03.2010
Zeit der Gespenster
Picoult, Jodi

Zeit der Gespenster


ausgezeichnet

Das Klimpern eines Pennys von 1932

Nachdem Ross Wakeman seine Frau Aimee bei einem Autounfall verloren hat, hat er nur noch ein Ziel: seiner Frau möglichst bald zu folgen. Doch wie durch ein Wunder kann Ross nicht sterben und so versucht er durch Geisterjagd mit seiner verstorbenen Aimee in Kontakt treten zu können. Schließlich erhält er den Auftrag im Heimatort seiner Schwester Shelby ein altes Grundstück zu untersuchen, auf dem ein Indianergeist spuken soll. Ross findet zwar keinen Geist, dafür jedoch eine neue Liebe. So scheint es jedenfalls...
Beim Lesen dieses Buches war ich immer wieder überrascht, wie die Autorin es schafft, so viele unterschiedliche Elemente und Themen in einer Geschichte miteinander zu verbinden. Am Anfang ist die große Anzahl von Personen, aus deren Sicht erzählt wird noch etwas unübersichtlich. Das gibt sich jedoch mit der Zeit. Der erste Teil des Buches spielt in der Gegenwart und beschäftigt sich mit Ross Vergangenheit und seiner Geisterjagd auf dem vermeintlichen Indianergrundstück. Im zweiten Teil springt die Autorin in die Vergangenheit, genauer gesagt in das Vermont des Jahres 1932. In diesem Teil wird die Geschichte von Cecelia Pike erzählt, deren Schicksal enger mit dem Eugenikprogramm ihres Mannes verknüpft ist, als sie selbst ahnt. Der letzte Teil spielt wieder in der Gegenwart. Die lange verschwiegene Vergangenheit holt die Bewohner von Comtoscook nun wieder ein. Ross muss die Wahrheit über Cecilia Pikes Schicksal aufdecken, ehe die Einwohner und auch er selbst endlich wieder Frieden finden können.
Jodie Picoult hat in ihrem Roman so viele unterschiedliche Themen miteinanderverknüpft, dass es mir erst unmöglich schien, wie sich alles das zu einer in sich schlüssigen Geschichte verbinden lassen würde. Doch es ist ihr gelungen. Es geht um Trauer und Einsamkeit, Leben und Tod, Geister und Menschen, die sich wie solche fühlen, gefährliche Wissenschaft und tragische Liebe, die Vergangenheit wie auch Gegenwart überschattet.
Ich habe lange kein Buch mehr so verschlungen wie dieses und ich musste unbedingt erfahren, wie Cecilia Pike nun wirklich gestorben ist. Durch die Ermittlungen der Umstände ihres Todes bekommt das Buch sogar noch einen leichten Krimicharakter, verlässt aber nie die traurige und geisterhafte Grundstimmung. Nachdem der Tod aufgeklärt wurde, flacht der Spannungsbogen jedoch etwas ab. Jeder Charakter muss seine Geschichte noch zuende führen und so zieht sich das Ende etwas sehr hin.

Fazit: Ich würde das Buch trotz des etwas langatmigen Endes jedem empfehlen. Das Buch war die ganze Zeit über sehr spannend und die Verbindung von Geistern, Wissenschaft, Liebe und Trauer ist einfach genial. Die Atmosphäre ist geisterhaft ohne gruselig zu sein und traurig ohne melancholisch zu werden. Ein Buch mit dem Hang zum Besonderen eben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.03.2010
Hochsaison / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.2
Maurer, Jörg

Hochsaison / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.2


weniger gut

Viel Alpendorfklatsch, wenig Krimi

Beim Neujahrsspringen stürzt ein dänischer Skispringer schwer und das vor den Augen tausender Zuschauer. Da außerdem die nächsten Olympischen Winterspiele vergeben werden sollen und bald über den Austragungsort entschieden wird, ist die Medienwirkung entsprechend groß. Als dann auch noch klar wird, dass der Skispringer eventuell sogar beschossen wurde und per Bekennerbrief weitere Anschläge angekündigt werden, ist der Bürgermeister des Ortes mit den Nerven am Ende. Kommissar Jennerwein muss den Täter so schnell wie möglich fassen, sonst war es das mit der Olympiabewerbung.

Hört sich spannend an, ist es aber nicht. Denn den „Krimi“ sucht man in diesem Alpenkrimi anfangs vergeblich. Nach 100 Seiten wurde noch nicht einmal ansatzweise mit einer vernünftigen Ermittlung begonnen. Dafür ergehen sich die zahlreichen Protagonisten in sinnlosen Dialogen über unwichtige Themen und machen sich gegenseitig über einander lustig.
Während ich den Schreibstil am Anfang noch witzig fand, wird der Humor im Verlauf des Buches immer flacher. Gekrönt wird der bemüht witzige Schreibstil noch von einigen Eigenheiten der bayrischen Sprache, über die wohl nur der eingefleischte Bayer wirklich lachen kann. Für mich waren die gewollt lustigen Beschreibungen der Landschaft und das klischeehafte fast schon dorftrottelige Verhalten der Einwohner nach einiger Zeit einfach nur nervig. Die Ortspolizisten haben in ihren Zeugenbefragungen nichts anderes zu tun als eine halbe Stunde lang über die Namen und Verwandtschaftsverhältnisse der Befragten zu philosophieren.
Aber nicht nur die Polizisten vor Ort zeichnen sich durch Unfähigkeit aus. Die Asiatischen „Attentäter“ sind auch eher damit beschäftigt, sich zu überlegen, wie sie sich gegenseitig im Falle eines Misserfolges umbringen können.
Nach den ersten 100 Seiten war ich ziemlich enttäuscht, dass ein so schönes und interessantes Thema so dermaßen ins Lächerliche gezogen wurde. Ich hatte mir mehr erhofft und auch etwas mehr erwartet.
Nachdem ich mich bis zur Seite 200 vorgekämpft hatte, wendete sich das Blatt aber dann überraschenderweise doch noch. Ernsthafte Ermittlungen wurden aufgenommen und verdrängten die „lustigen“ Passagen größtenteils. Der Humor stieg auf ein erträgliches Niveau und es kam sogar etwas Spannung auf. Richtiges Kriminiveau konnte der Roman jedoch trotzdem nicht mehr erreichen, dazu waren einige Wendungen des Geschehens zu skurril und die Identität des Täters viel zu offensichtlich.

Fazit: Wer auf der Suche nach einem spannenden Krimi ist, sollte von diesem Buch eher Abstand nehmen. Es eignet sich eher für Bayerncomedy-Freunde und eingefleischte Fans des Schreibstils von Jörg Maurer. Für mich war das Buch definitiv nichts.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.02.2010
Das Moskau-Komplott / Gabriel Allon Bd.8
Silva, Daniel

Das Moskau-Komplott / Gabriel Allon Bd.8


ausgezeichnet

Hauptberuf: Kunstrestaurator, Nebenberuf: Spezialagent

Oder ist es eher andersherum? Gabriel Allon möchte eigentlich nur in Ruhe seine Flitterwochen auf einem abgeschiedenen Landgut in Italien verbringen und ein Bild für den Papst restaurieren, doch als israelischer Spezialagent ist man leider immer im Dienst. Nachdem ein russischer Journalist in Frankreich ermordetet wurde und ein weiterer den Tod findet, bevor er mit Gabriel sprechen konnte, ist klar, dass seine Informationen mehr als wichtig gewesen sein müssen. Gabriel fliegt nach Moskau um der Sache auf den Grund zu gehen und schon ist er in seinen neuen Auftrag verwickelt.
Auf der Jagd nach den lebenswichtigen Informationen muss Gabriel vieles durchmachen und die Suche entwickelt sich zu einem Auftrag von internationalem Charakter. Gabriel reist durch Italien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Israel, die USA und natürlich Russland, frischt alte Beziehungen auf und holt sich Hilfe von ausländischen Geheimdiensten. Denn gegen einen russischen Waffenhändler muss man mit größter Vorsicht und Sorgfalt vorgehen.
Erstaunlicherweise liegt der Fokus in diesem Buch eher auf dem Auffinden der Informationen als auf der Verwendung der Informationen um einen Anschlag auf spektakuläre Weise abzuwenden. Actionreiche Szenen kommen, außer in Russland natürlich, der KGB ist schließlich für seine Methoden bekannt, nur selten vor. Das ist der Spannung aber nicht abträglich. Nervenaufreibende verdeckte Aktionen und Anwerbungen, Beschattungen und Ablenkungsmanöver stehen im Vordergrund, immer mit der Gefahr auf eine vorzeitige Entdeckung. Natürlich dürfen auch ein paar unvorhergesehene Wendungen, positive wie negative, nicht fehlen.
Einen besonderen Reiz erhält die Geschichte durch den Agenten Gabriel Allon, der durch seine Professionalität als Agent genauso wie durch sein unglaubliches künstlerisches Talent glänzt, das eine wichtige Voraussetzung zum Gelingen der Operation liefert. Auch sein ironischer Humor und sein vielschichtiger Charakter machen den Roman sehr unterhaltsam. Der Schreibstil des Autors ist ebenfalls sehr angenehm. Durch den hohen Anteil an Dialogen ist die Geschichte sehr lebendig und durch hier und da eingestreute kleine Kuriositäten und amüsante Eigenarten der Charaktere wird der Roman auch niemals langweilig.
Auch wenn die Handlung frei erfunden ist, stützt sie sich doch auf die eine oder andere Tatsache, was der Autor im Nachwort deutlich ausführt. Wer die Vorgängerbände nicht kennt, sollte ebenfalls einen Blick ins Nachwort werfen. Dort ist der Werdegang Gabriel Allons und seine früheren Aufträge kurz zusammengefasst.

Fazit: Das Moskau-Komplott ist weniger ein actionreicher als ein konspirativer Roman, der aber gerade deshalb sehr spannend ist. Der Roman ist ein typischer Agententhriller, hat aber noch ein paar Extras in Form interessanter Charaktere und spannender Verwicklungen zu bieten. Ich würde das Buch auf jeden Fall empfehlen.

Bewertung vom 25.11.2009
Das München-Komplott / Georg Dengler Bd.5
Schorlau, Wolfgang

Das München-Komplott / Georg Dengler Bd.5


ausgezeichnet

In „Das München-Komplott“ wird der Stuttgarter Privatdetektiv und ehemaliger BKA-Mitarbeiter Georg Dengler damit beauftragt, den Fall des Anschlags auf das Münchener Oktoberfest von 1980 wieder aufzurollen. Recht schnell entdeckt er zahlreiche Ungereimtheiten und muss feststellen, dass einige Zeugenaussagen in den Ermittlungen nicht berücksichtigt wurden. Es drängt sich ein ungeheurer Verdacht auf: War der deutsche Verfassungsschutz an dem Anschlag beteiligt und wurden die Berichte deshalb frisiert?
Je tiefer Dengler in die Sache eindringt, desto unvorstellbarer werden die Verstrickungen, die er zu Tage fördert. Denn dieser Anschlag war kein Einzelfall. Durch weitere Nebenhandlungen entsteht ein Bild von Lügen, Intrigen und Korruption, es geht um gegenseitige Spionage, Geheimdienste, verdeckte Operationen, Schuldzuweisungen und Sündenböcke und vor allem um eines: Macht. Der politische Aspekt spielt im Buch eine besonderer Rolle, denn man lernt den politischen Alltag durch die Augen einer Staatssekretärin kennen, die immer wieder in einen Konflikt zwischen Parteiprogrammen und eigenen Plänen und Anschauungen gerät. Der Weg zu Gerechtigkeit und persönlichem Glück ist steinig und teilweise gefährlich für ihre Karriere und ihr Leben.
Durch die meist sehr kurzen Kapitel liest sich das Buch sehr flüssig und es ist einfach zwischen den verschiedenen Protagonisten und Handlungsorten zu wechseln. Auch die Mischung von Denglers Ermittlungen, den Erfahrungen der Staatssekretärin und internen Streitigkeiten beim Verfassungsschutz lässt das Buch nie langweilig werden. Manchmal sind auch Abhörprotokolle anstelle von einfachen Beschreibungen eingefügt, die das Buch noch vielfältiger machen.
Alle Handlungsstränge fügen sich nach und nach zu einem komplexen Fall zusammen, der zum Ende hin immer gefährlicher wird. Das wahre Ausmaß der Verstrickungen ist wirklich unglaublich und man kann sich einfach nicht vorstellen, so etwas in einem Deutschland unserer Zeit wirklich möglich ist. Doch die Aktualität des Buches belehrt den Leser schnell eines besseren: Das Buch spielt im Jahr 2009. Politische Ereignisse wie die Bundestagswahl werden ebenso verarbeitet wie die Ursachen und Folgen der Finanzkrise, gesellschaftliche Probleme und sogar sportliche Ereignisse. Daher fühlt es sich so an, als würde man einen aktuellen Tatsachenbericht lesen, so ungeheuerlich er auch sein mag.

Fazit: „Das München-Komplott“ ist ein sehr aktueller politischer Krimi, der die Machenschaften der Geheimdienste skrupellos aufdeckt und uns vor Augen führt, wie wenig wir wirklich von unserem und anderen Staaten wirklich wissen. Aber nicht nur das Thema, sondern auch die Figuren sind trotz des relative geringen Umfangs des Buches überzeugend und interessant gestaltet, sodass sich ein rundum gelungenes Buch daraus ergibt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

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