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Winfried Stanzick

Bewertungen

Insgesamt 2354 Bewertungen
Bewertung vom 17.05.2018
Deutsch, nicht dumpf
Dorn, Thea

Deutsch, nicht dumpf


ausgezeichnet

Thea Dorn, deutsch, nicht dumpf. Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten, Knaus Verlag 2018, ISBN 978-3-8135-0810-9

Schon in ihrem damals zusammen mit Richard Wagner verfassten Buch unter dem Titel „Die deutsche Seele“ hat Thea Dorn darüber nachgedacht, ob man heutzutage überhaupt öffentlich sagen darf, etwas sei »deutsch« oder »typisch deutsch«? Kann man sich mit dem Deutschsein heute endlich versöhnen? Man muss es sogar, meinten Thea Dorn und Richard Wagner damals, lange vor den AfD-Zeiten. Sie verspürten eine große Sehnsucht danach, das eigene Land wirklich kennen zu lernen, und machten Inventur in den Beständen der deutschen Seele. Ihr Buch war eine erkenntnisreiche und unterhaltsame Reise an die Wurzeln unseres nationalen Erbes und ging durchaus ans Eingemachte.

Mittlerweile durch ihre Zugehörigkeit zum Literarischen Quartett auch einem großen Publikum bekannt, hat Thea Dorn in den vergangenen Jahren diese Position in vielen öffentlichen Debatten, Talkshows und Texten immer wieder vertreten und sich immer dabei jeweils von den Positionen der AfD auf der einen und denen der Linken und Grünen etwa auf der anderen Seite abgegrenzt.

Da sie findet, man dürfe kontroverse Themen wie Heimat, Leitkultur, Nation nicht den Rechten überlassen, hat sie ein neues Buch verfasst mit dem Titel „deutsch, nicht dumpf“. Ein „Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“ soll es sein.
Ja, einen aufgeklärten Patriotismus hält sie für genauso möglich wie nötig. Der Auftritt der AfD und anderer hat die Frage, ob die Rede von Heimat und Patriotismus nicht letztlich dazu führen wird, dass neuer Chauvinismus, Rassismus und Nationalismus eine Renaissance erfahren. Oder ist es nicht so, wie Thea Dorn und immer mehr andere, die sich in die rechte Ecke stellen lassen wollen, deutlich machen, dass in Zeiten von Migration und Globalisierung das Beharren auf unseren kulturellen und historischen gewachsenen Besonderheiten die Bedingung dafür ist, dass wir jene Liberalität und Zivilität bewahren können, auf die Deutschland seit langem wirklich stolz sein kann?
Im neuen Buch, das ein leidenschaftliches Plädoyer für den Nationalstaat ist und gleichzeitig eine Absage an den „pöbelnden Muffhaufen, der Ressentiments schürt“. Sie grenzt sich Thea Dorn gegenüber Rechten gleichermaßen ab wie gegenüber denen, bei dem Stichwort „Nation“ nur in alten, längst überholten linken Reflexen verharren. In einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk sagt die Philosophin: "Ich glaube, es muss uns gelingen, eine positive Identität, einen positiven Bezug zu diesem Land zu finden. Was natürlich nicht heißt, dass jemals relativiert werden darf, was dieses Land an Verbrechen auf dem Kerbholz hat. Aber ich glaube, dass der Gründungsmythos der Bundesrepublik, dass man seine Identität einzig daraus bezieht, zu sagen: 'Nie wieder die Verbrechen!' - Das reicht alleine nicht."

Sie befürchtet, dass sich immer mehr Menschen aus dem bürgerlich-liberalen Milieu Positionen zuwenden, wie sie die AfD vertritt oder wie sie abgeschwächt, aber doch sehr kritikwürdig, Henryk M. Broder und viele andere Intellektuelle in der jüngsten „Erklärung 2018“ vertreten, die das größte Problem in der massenhaften Zuwanderung sehen.

Ihr lesenswerter Leitfaden positioniert sich dazwischen, plädiert für einen aufgeklärten Patriotismus (ähnlich wie in letzter Zeit etwa Robert Habeck von den Grünen) und ist deshalb ein sehr wichtiger Beitrag in der gegenwärtigen kulturellen Debatte in unserem Land.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.05.2018
Der Preis des ewigen Lebens
Brown, Peter

Der Preis des ewigen Lebens


ausgezeichnet

Peter Brown, Der Preis des ewigen Lebens. Das Christentum auf dem Weg ins Mittelalter, Philipp von Zabern 2018, ISBN 978-3-8053-5150-8

Der protestantisch geprägte aus Irland stammende Historiker Peter Brown gilt nicht nur der Fachwelt als einer der renommiertesten Experten für das frühe Christentum und die Spätantike. Er war es hauptsächlich, der nach 1970 diese Epoche zu einem Hauptarbeitsfeld der althistorischen Forschung gemacht hat. Durch seine verständlichen Darstellungen hat er diese Epoche einem breiten Publikum nahe gebracht, ebenso wie die Theologie des Augustinus von Hippo, als dessen bester Kenner er seit seinem inzwischen in einer überarbeiteten Fassung vorliegenden Buch aus dem Jahr 1967 gilt.

Auch sein neues bei Philipp von Zabern erschienenes Buch zeichnet sich durch eine hohe Verständlichkeit auch für historischen und theologischen Laien aus.
Den sich zwischen 250 und 650 n. Chr. vollziehenden grundlegenden Wandel in der jungen christlichen Kirche beschreibt Brown in „Der Preis des ewigen Lebens“. Das Geld begann eine immer wichtigere Rolle zu spielen in der Beziehung zwischen Gott und den Gläubigen sowie den Lebenden und den Toten. Die auch gesteuerte und gepuschte Sehnsucht der einfachen Menschen nach Erlösung ließ sie für ihr Seelenheil immer mehr Geld ausgeben, mit dem dann Kirche und Klöster reich wurde und bis heute zeugen von steingewordenem damaligem Glauben.

Gekonnt und verständlich schildert Brown der grundlegenden Wandel antiker Wertvorstellungen und das Aufkommen neuer Gesellschaftsideale im historischen Übergang vom Römischen Reich zu einer neuen Epoche. Eine konfliktreiche Zeit, in der neue christliche Ideale auf eine spätantike Lebenswirklichkeit prallen.

Der Autor lässt seine Leser hautnah teilnehmen an den Debatten der Zeitgenossen über ein neues Verständnis von Reichtum und Geld in einer Gesellschaft, deren wohlhabender Teil durch einen tiefen Graben von der großen Mehrheit der Armen getrennt war. Der Autor bringt dem Leser die Lebensformen der einfachen Menschen wie der Oberschichten nahe, und lässt ihn Zeuge werden von deren Nöten und materiellen Alltäglichkeiten. Vor diesem Hintergrund schildert Brown den welthistorisch bedeutsamen Prozess, der das Ende des Römischen Reiches einleitete und durch den eine ursprünglich der Armut verpflichtete Kirche zu einer wohlhabenden Institution wurde. Ein nuancenreiches und grandioses Panorama einer faszinierenden Epoche, die unsere Wertvorstellungen bis heute prägt und in der die meisten Menschen eine Frage bewegte: „Wie kann ich bereits zu Lebzeiten dafür Sorge tragen, dass meine Seele im Jenseits Frieden findet?“

Inwieweit diese damals mit viel Geld gestillte Sorge heute in säkularisierten Formen den Gang unseres Lebens und unserer Gesellschaft bestimmt, darüber wäre es sicher einmal wert, nachzudenken. Denn auch die Reformation im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit hat dieses weit verbreitete Denken nicht auslöschen können, man könne als Mensch durch gute Werke (oder Spenden) seiner Seele und seinem Gewissen etwas Gutes tun.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.05.2018
Polka für Igor
Paul, Iris Anemone

Polka für Igor


ausgezeichnet

Iris Anemone Paul, Polka für Igor, Kunstanstifter Verlag 2018, ISBN 978-3-942795-70-8

Dieses kunstvoll gestaltete Bilderbuch für Kinder ab 5 Jahren der Künstlerin Iris Anemone Paul beruht auf tatsächlichen Erfahrungen, die die Autorin mit einem kleinen Hund gemacht hat, der im wahren Leben Murfi hieß. Er war schon sehr alt, als Iris Paul ihn bei sich aufnahm um ihm einen schönen Lebensabend zu schenken. Sie wusste, dass er einmal ein polnischer Zirkushund gewesen war und dass er vermutlich Balkan-Musik mochte. Die Erfahrungen mit diesem Hund inspirierten sie zu diesem außergewöhnlich schönen Bilderbuch.

Darin wird erzählt von Ola und ihrer Lieblingstante. Die liest eines Tages einen struppigen Hund an einer Bushaltestelle auf und nimmt ihn mit nach Hause. Sie nennen ihn Igor und halten ihn für einen alten polnischen Zirkushund. Igor liebt es laut schnarchend zu schlafen, aber wenn Ola Schallplatten mit Polkamusik auflegt, wird Igor munter und beginnt zu erzählen. Und in Olas Phantasie reisen die beiden auf einem Ohrensessel durch seine Vergangenheit: mit Schmortopf und Sauerkraut, Seiltänzerinnen, so zart wie Putenschnitzel, mit russischen Blockflötistinnen, bengalischen Tigern und nach Wiesenschaumkraut duftenden Schafen – begleitet von Akkordeonklängen und knisterndem Kaminfeuer.
Iris Anemone Paul hat ihrem Buch einen Satz von Elias Canetti vorangestellt, der die Liebe zu einen Haustier gut beschreibt:
„Immer wenn man ein Tier genau betrachtet, hat man das Gefühl, ein Mensch, der drin sitzt, macht sich über einen lustig.“

Franziska Walther zeichnete für die beeindruckende Buchgestaltung verantwortlich.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.05.2018
Verrückt nach Garten
Bender, Klaus;Lucenz, Manfred

Verrückt nach Garten


ausgezeichnet

Manfred Lucenz, Klaus Bender, Verrückt nach Garten. Ideen und Erfahrungen kreativer Gärtner, Callwey 2018, ISBN 978-3-7667-2345-1

Es gibt unzählige, meist großzügig als voluminöse Bildbände ausgestatte Bücher über mehr oder weniger berühmte Gärten und Gartenanlagen. Das ist für den Garten – und Naturfreund zum Anbschau8en schön, bringt ihm aber meist recht wenig für die Gestaltung und die Pflege seines eigenen meist sehr viel kleineren Gartens oder Grundstücks.

Das ist bei dem vorliegenden Buch aus dem Callwey Verlag anders.
Es vereint, mit wunderbaren Fotos von Marion Nickig, den jahrelangen Erfahrungsschatz der beiden Autoren Manfred Lucenz und Klaus Bender sowie zahlreicher leidenschaftlicher Gärtner und zeigt an praktischen Beispielen alles, was man wissen muss, um mit Freude und Erfolg auch unter schwierigeren Gartenbedingungen zu gärtnern.

Zehn Gärten mit unterschiedlicher Biografie (d.h. Alter und Gestaltungsveränderungen) vermitteln dem Leser eine Vielzahl von Informationen, aber auch kleine Gartentricks erfahrener Mitgärtner. Obwohl die vorgestellten Gärten zum großen Teil parkähnliche große Flächen haben, können Ausschnitte davon auch in kleineren Gärten etwa in der Stadt oder in den flächenarmen Neubaugebieten auf dem Land sehr wohl praktisch umgesetzt werden.
Jeder Leser wird in diesem schönen Buch Inspirationen für eigene Planungen oder konkrete Lösungen finden, und hat dabei mit der Liste der Pflanzenempfehlungen dabei eine große Hilfe.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.05.2018
Ein anderes Brooklyn
Woodson, Jacqueline

Ein anderes Brooklyn


ausgezeichnet

Jaqueline Woodson, Ein anderes Brooklyn, Piper 2018, ISBN 978-3-492-05865-0

Die 1963 geborene amerikanische Schriftstellerin Jaqueline Woodson ist seit vielen Jahren eine der bekanntesten Jugendbuchautorinnen ihres Landes. Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden zwei Bücher von ihr in Deutschland veröffentlicht, ansonsten ist ihr hier vorliegender Roman „Ein anderes Brooklyn“ ihr erster literarischer Auftritt in Deutschland. Neben Jesmyn Ward (vgl. zuletzt Ihren Roman „Singt ihr Lebenden und Toten, singt“ bei Kunstmann) darf sie zu den herausragendsten jüngeren schwarzen Autorinnen in den USA gelten, die irgendwann einmal in die Fußstapfen einer Toni Morrison oder Alice Walker treten können.

In knappen Sätzen und kurzen Kapitel aber mit umso eindringlicherer Sprache lässt Jaqueline Woodson ihre Ich-erzählende Protagonistin August nach einem langen Auslandsaufenthalt als Anthropologin zurückkehren nach Brooklyn n New York. Ihr Vater ist an Leberkrebs gestorben und August hat die letzten Lebenstage an seiner Seite verbracht.

Und während sie alles Nötige veranlasst, denkt sie zurück an die Zeit ihrer Kindheit in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als sie zusammen mit ihren Freundinnen Angela, Gigi und Sylvia auf den Straßen Brooklyn in einer unzertrennlichen Beziehungen lebte und glücklich war. Schon damals war eine Entwicklung unübersehbar, als Weiße in zunehmendem Masse das Quartier verließen und Drogendealer und traumatisierte Vietnamveteranen in die leer werdenden Häuser und Wohnungen zogen.

Damals schienen die vier unverwundbar und nichts konnte ihrer Freundschaft etwas anhaben.

In einer eigenen, knappen und sehr poetischen Sprache schafft es Woodson, die in den USA mit diesem Buch lange auf den Bestsellerlisten stand und begeistert dafür gelobt wurde, diese jugendliche Unbeschwertheit, den Lebenshunger und das Glück dieser vier Mädchen erfahrbar zu machen, ebenso wie das Leid, das sie jeweils in ihrem privaten Umfeld zu erleiden haben und bei dem sie sich gegenseitig zur Seite stehen.
August fehlt die Mutter. Sie hat sich umgebracht. Sylvia muss sich mit ihren strengen Eltern arrangieren. Es geht um Armut, Kindesmissbrauch, Alkohol und Drogen und zu frühe Schwangerschaften –all das sind ständige Begleiter in Brooklyn.

Als die Mädchen nacheinander ihre erste Menstruation haben und zunehmend ihre Sexualität entdecken, beginnt die zuvor unzerbrechliche Freundschaft zu bröckeln. Später werden sie alle weggehen und /oder ihr eigenen Leben beginnen.

Als sie fast 40 Jahre später zur Beerdigung ihre Vaters nach Brooklyn zurückkehrt, sieht und erlebt sie „ein anderes Brooklyn“:
„Irgendwann“ so erkennt sie schmerzhaft, „wurde das ganze Leben, alles und jeder, Erinnerung.“


Ein dicht erzählter Roman, der mit seiner besonderen Atmosphäre und seiner großen sprachlichen Kraft überzeugt. Von dieser Autorin möchte man in den nächsten Jahren mehr ins Deutsche übertragene Bücher lesen. Auch auf Übersetzungen ihrer vielen Jugendbücher wäre ich gespannt.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.05.2018
Selbstfreundschaft
Schmid, Wilhelm

Selbstfreundschaft


ausgezeichnet

Wilhelm Schmid, Selbstfreundschaft. Wie das Leben leichter wird, Insel 2018, ISBN 978-3-458- 17750-0

Mit seiner „Philosophie der Lebenskunst“ hat sich der Philosoph Wilhelm Schmidt ein Projekt vorgenommen, in dem er mit kleinen handlichen Büchern versucht, seinen Lesern nicht nur Elemente philosophischen Denkens und Handelns nahezubringen, sondern sie auch zu einem Leben zu motivieren, in dem sie selbst wieder ein entscheidende Rolle spielen. Das ist in der Vergangenheit oft als Lob des Narzissmus diskreditiert und so absolut missverstanden worden.
Nach seinem Bestseller „Gelassenheit“ aus dem Jahr 2014 führt Wilhelm Schmid in seinem neuen Buch „Selbstfreundschaft“ diesen Fokus auf das Selbst fort. Für ihn ist die Basis der Gelassenheit die freundliche, verlässliche Beziehung zu sich. Sie begründet ein Selbstvertrauen, das einen besseren Umgang mit sich selbst ermöglicht und auch ein besseres Miteinander.

In insgesamt 10 Kapiteln zeigt er auf wie die Selbstfreundschaft für eine Pflege des Selbst steht. Durch ihre Pflege wird das Leben leichter und man selbst damit auch umgänglicher für andere. Es ist jene freundliche Beziehung zu sich selbst, die auf die Länge ein dauerhaftes Selbstvertrauen begründet

Menschen, die erschöpft und ausgebrannt sind, Menschen , die nur Pflichten und Selbstverzicht für andere kennen in ihrem Leben, die können mit diesen leicht verständlichen Anleitungen zur Selbstfreundschaft in 10 Kapiteln erfahren, dass sie sich sehr wohl auch um sich selbst kümmern dürfen. Dass man für sich selbst sorgen kann, ohne den Blick ausschließlich darauf zu richten, dass man Selbstfreundschaft und Selbstliebe praktiziert ohne den nächsten Mitmenschen aus dem Fokus zu verlieren, das zeigt Wilhelm Schmidt in seinem kleinen philosophischen Werk auf eine überzeugende und nachahmenswerte Weise.

Bewertung vom 17.05.2018
Kater Kamillo geht zum Arzt / Kater Kamillo Bd.3
Scotton, Rob

Kater Kamillo geht zum Arzt / Kater Kamillo Bd.3


ausgezeichnet

Rob Scotton, Kater Kamillo geht zum Arzt, Esslinger 2018, ISBN 978-3-480-23438-7


Rob Scotton absolvierte sein Studium am Leicester Polytechnikum und schloss dieses mit Auszeichnung ab. In England schon bald mit Bildern in seinem unverwechselbaren Stil für Grußkarten, Drucke, Schreibwaren und Keramiken bekannt geworden, überraschte er den Buchmarkt 2006 mit dem Bilderbuch „Russell the Sheep“, (dt. bei Esslinger 2015 unter dem Titel „Russel, das Schaf“ erschienen), welches sofort auch international erfolgreich war. Es folgten weitere Bilderbücher mit Schaf Russell als Protagonist, zuletzt konnte Scotton mit seiner Bilderbuchreihe „Splat the Cat“ ein breites Bilderbuchpublikum begeistern.

Während von Russel noch keine weiteren Bilderbücher erschienen sind, bringt Esslinger nun nach „Kater Kamillo geht zum Arzt“ nun schon das dritte Bilderbuch mit dieser felligsten und schwärzesten Katze der Welt auf den Markt.

Konnte er im ersten Buch mit Hilfe seiner Eltern und Freunde seine Ängste und Bedenken vor seinem ersten Schultag überwinden, ging es im zweiten um Kamillos Angst vor dem Wasser. Und wie sein Mäusefreund Hugo, der Schwimmflügel und ein Schwimmring ihm dabei helfen.

Im nun hier vorliegenden Bilderbuch steht Kater Kamillo erneut ein angstbesetztes Abenteuer bevor, vor dem auch viele Kinder sich fürchten. Dabei hat sich Kamillo noch in der Schule sehr darauf gefreut, auch weil er heute wegen dem Arztbesuch früher nach Hause darf. Doch seine Schulkameraden haben da ihre eigenen Erfahrungen gemacht und erzählen, jeder schlimmer als der andere, Kamillo davon. Der wird durch diese Schauermärchen so ängstlich, dass ihn seine Mama kurze Zeit später regelrecht zu Dr. Hasenpfeffer ziehen muss.

Doch dort sieht es ganz anders aus, als erwartet. Andere Katzenkinder spielen ausgelassen mit dem bereitgestellten Spielzeug und auch Dr. Hasenpfeffer stellt sich als sympathisches Wesen heraus. Und bald schon hat Kamillo seine Untersuchungen mit Auszeichnung überstanden.

Eine witzige Geschichte, die Kindern die Angst vor dem ersten Kinderarztbesuch nehmen kann.

Rob Scottons Illustrationen sind für Erwachsene möglicherweise gewöhnungsbedürftig. Doch ich bin sicher, Kinder werden sie lieben mit ihrem Witz und ihrer Ausgefallenheit.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.05.2018
Die Weisheit der Alten
Gronemeyer, Reimer

Die Weisheit der Alten


ausgezeichnet

Reimer Gronemeyer, Die Weisheit der Alten. Sieben Schätze für die Zukunft, Herder 2018, ISBN 978-3-451-60043-2

Unter dem Stichwort „demographische Entwicklung“ wird seit vielen Jahren unserem Land das Thema Alter und Altwerden abgehandelt. Da geht es um den steigenden Bedarf an Heim-und Pflegekräften, um die Kosten dafür und das alles generationengerecht finanziert werden kann, ohne die Jungen unverhältnismäßig zu belasten. Dabei wird mit Methode die alte Generation ausgegrenzt und an den Rand gedrängt, um sich nur schnell anderen Problemen der Gesellschaft widmen zu können.

Dabei sind die Alten schon immer Hüter längst vergessener Schätze, deren permanente Missachtung die Gesellschaft teuer zu stehen kommen wird. Der Theologe und Soziologe Reimer Gronemeyer, Jahrgang 1939, und damit selbst zu jener Gruppe der Alten zählend, „die Ausgesonderten einer neuen Apartheit, die in kostspieligen Homelands untergebracht sind“ (S.18) begibt sich in dem vorliegenden Buch auf die Suche nach jenen Schätzen. Auf faszinierende Weise stößt er auf das widerständige Potenzial, die Kunst des Andersseins, den kostbaren Starrsinn der Alten, auf ihre Fähigkeit zum Staunen und ihr produktives Abweichlertum. Auf Qualitäten also, die unsere Gesellschaft mehr denn je benötigt.

In sieben Kapoiteln beschriebt er jene Qualitäten der Alten:
1. Mut
2. Liebe
3. Erinnerung
4. Früchte
5. Gelassenheit
6. Tradition
7. Wíssen und Nichtwissen

Zusammenfassend schreibt er:

„Die Schätze der Alten sind nicht wie eines dieser bunten Ostereier, die als ‚Kinder-Überraschung‘ angepriesen werden. Auch nicht wie eine Wundertüte. Die Schätze der Alten konzentrieren sich in ihren Erfahrungen – und die sind manchmal bitter und sogar fürchterlich. Wenn man nach diesen Schätzen der Alten sucht, stößt man nicht unbedingt auf eine Kiste mit Goldbarren, sondern womöglich auf Erfahrungen, die Schuld, Unglück, Leid und Hass offenbaren. Keine süße Schokolade, keine blauen Plastik-Schlümpfe, sondern Abgründe. Verstörendes. Aber gerade darin kann dann mehr Weisheit, mehr Erfahrung und mehr Tiefe zu finden sein als in platter Positivität. Die Schätze der Alten sind nicht eine Ressource, die sich zur Ausbeutung anbietet. Sondern im besten Fall ein ‚Lebensmittel’ ein Mittel, das den Jüngeren Lebensanlässe bietet. Die Erinnerungen der Alten sind kein Kitschparadies, sondern harte Wirklichkeiten. Die im Leben der Alten gesammelten Erfahrungen können den Nachkommen als Wegweisung dienen, als Trost, als Ermutigung.“

Seine zornige Sprachgewalt, die nicht nur in jenem oben angeführten Zitat von den „Ausgesonderten einer neuen Apartheid“ deutlich wird, zeigt auf eine für mich schmerzlich Weise, wie wenig er letztlich selbst daran glaubt, dass seine „Schätze der Alten“ von den nachfolgenden Generationen wirklich angenommen und beherzigt werden.

Wenn ich mit Menschen meines Alters (Jg. 1954) spreche, gehen die meisten ganz nüchtern davon aus, irgendwann in einem Altenheim zu verkümmern. Und mir fällt wenig dazu ein, was ihnen für eine andere Zukunft Hoffnung machen könnte.

Bewertung vom 17.05.2018
Schnorchelnde Schafe
Braune, Anne Marie

Schnorchelnde Schafe


ausgezeichnet

Anne Marie Braune, Schnorchelnde Schafe und andere Tierhobbys, Kunstanstifter Verlag 2018, ISBN 978-3-942795-62-3

Was machen eigentlich Tiere in ihrer Freizeit? Kann man sich vorstellen, dass Hamster gerne Schach spielen, oder Schafe schnorcheln?

In diesem außergewöhnlichen Bilderbuch des ambitionierten Kunstanstifter Verlags aus Mannheim, wartet eine kunterbunte Welt fantastischer Tierhobbys darauf, von seinen kleinen Lesern entdeckt zu werden.
Da gibt es seiltanzende Insekten, achterbahnfahrende Vögel, briefmarkensammelnde Faultiere und schachspielende Hamster beim Kaltgetränk. Die kunstvollen Illustrationen sind randlos doppelseitig und in satten Farben gestaltet

Die Detailfülle lässt nicht nur immer wieder neue Einzelheiten entdecken, sondern versteckt auch die Protagonisten der jeweils anderen Seiten erneut. Auf der letzten Doppelseite sind schließlich alle vereint zum gemeinsamen Eisessen und es kommt im Betrachter das Gefühl auf, man säße direkt mit dabei.

Ein fantasieanregendes Bilderbuch, das Lebensfreude vermittelt und zum weiteren Fantasieren einlädt.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.