Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
thoralb
Wohnort: 
Sittensen

Bewertungen

Insgesamt 11 Bewertungen
12
Bewertung vom 12.01.2024
Essex Dogs
Jones, Dan

Essex Dogs


ausgezeichnet

Eigentlich lese ich historische Romane eher selten. Beim Buch „Essex Dogs“ habe ich eine Ausnahme gemacht und diese nicht bereut.
Dan Jones gelingt es, den Leser durch seinen flüssigen und lebendigen Schreibstil unmittelbar in die Geschichte zu ziehen. Das Thema ist erfrischend unverbraucht: eine englische Söldnertruppe landet im 14. Jahrhundert an der Küste Frankreichs, um von dort für den englischen König in den Kampf um den Thron zu ziehen. Es folgt ein Feldzug durch Frankreich. Die zehn Mitglieder der namensgebenden Essex Dogs müssen sich den Herausforderungen der Eroberungen und Plünderungen und der damals alltäglichen Erschwernisse stellen. Das gelingt nicht jedem.
Bereits von den ersten Seiten des Buchs an, erweckt Jones die Figuren der Geschichte so interessant zum Leben, dass der Leser jedes Mitglied der Truppe wie auch die anderen Charaktere vor Augen hat. Der Stil ist rau, die Schilderungen wirken authentisch, fast als wäre man live ins Geschehen zugeschaltet. Dass die Geschichte auf einem tatsächlichen geschichtlichen Hintergrund basiert, in welchem zahlreiche Personen auch wirklich existierten, verleihen der Erzählung zusätzlichen Reiz. Zumal der Autor ein anerkannter Historiker ist, der sich durch zahlreiche Sachbücher einen Namen gemacht hat. Das vorliegende Buch beweist: er kann auch Fiktion!
Nicht jedem werden die teilweise sehr detailliert beschriebenen Brutalitäten gefallen, die sich bei den Kämpfen ereignen. Aus meiner Sicht sind sie durch die Geschichte gerechtfertigt und tragen auch dazu bei, dass sich das Geschehen echt anfühlt. Es macht Spaß, sich ein lebendiges Bild der damaligen Menschen und des seinerzeitigen Geschehens zu machen. Es entsteht das Gefühl: so wird es gewesen sein. Das ist lebendige Geschichte.
Auch wenn die Handlung im weiteren daraus bestand, dass der Heereszug Stadt für Stadt durch Frankreich zog, empfand ich keine Längen. Das Buch ließ sich geschmeidig durchlesen. Das bunte Personal des Romans – vom unfähigen Prinzen bis zum raubeinigen Grafen von Northampton, vom jungen Bogenschützen bis zum durchgeknallten alten Geistlichen – trug seinen Teil dazu bei.
Die Geschichte fand keinen richtigen Abschluss. Das liegt aber sicher daran, dass zwei weitere Bände folgen sollen.
Fazit: gute Unterhaltung mit geschichtlichem Wissensgewinn. Zu empfehlen.

Bewertung vom 21.02.2012
Das Schwein unter den Fischen
Ramadan, Jasmin

Das Schwein unter den Fischen


ausgezeichnet

Es ist länger her, seit mich ein Buch so richtig begeistert hat. Jetzt ist es wieder soweit: Jasmin Ramadans Roman ist vom ersten Satz an ein Lesegenuss. „Es war an meinem dreizehnten Geburtstag, als Ramona eine Tiefkühltorte föhnte …“ Herrlich!

Gekonnt verbindet die Autorin den eigentlich tragischen Hintergrund der Erzählerin Celestine – genannt Stine oder Stint – mit einem humorvollen und flüssigen Erzählstil.

Ramadan hat ein überragendes Gefühl für absurde Szenen. Wenn etwa Stines Vater Ramona verfällt, als diese sich einen Mett-Rest hinters Ohr reibt und säuselt: Eau de Schwein. Diese Momente genieße ich als Leser. Ich würde ständig innehalten, um diesen Genuss länger wirken zu lassen. Wenn der lebendige und fesselnde Stil mich nicht ständig zum Weiterlesen drängen würde.

Eine brillante Tragikomödie mit intelligentem Witz und ernstem Hintergrund. So absurd manches Detail anmutet, bleiben die Charaktere doch glaubwürdig. Und das ist die Stärke von Ramadan: Sie beobachtet genau und schildert ihre Figuren immer wohlwollend. Unabhängig davon, wie sie handeln. Der Leser spürt, dass die Autorin ihre Figuren als Menschen ernst nimmt. Sie weckt das Gefühl, die Personen könnten jeden Moment um die nächste Straßenecke kommen.

Deshalb folgen wir auch der schrägen Entwicklung der Geschichte, ohne sie in Zweifel zu ziehen. Jemanden erpressen, um einen Job bei einem Pflegedienst zu bekommen? Kann passieren. Ein Mettbrötchen mit einem lachenden Gesicht als väterlicher Liebesbeweis? So ist das Leben.

Unbedingt wollen wir mehr erfahren über Stines schräge Familie: Vater Reiner mit seiner Gefährtin Ramona, Oma Senta und Tante Trixi, die von der Mutter verstoßen wurde, weil sie lesbisch ist. Wird Stine ihre Mutter Colombe kennen lernen?

Der Roman erzählt von einer jungen Frau, die ihren Platz in der Welt sucht. Von eigenwilligen und ehrlichen Menschen. Er sticht heraus aus dem Meer der Bücher. Eindeutig etwas Besonderes. Für mich ist Jasmin Ramadan DIE Entdeckung. Dieses Buch muss gelesen werden. Da gibt es keine Alternative.

Bewertung vom 02.02.2012
Emmas Angst
Freveletti, Jamie

Emmas Angst


sehr gut

Jamie Freveletti beginnt ihren Thriller „Emmas Angst“ temporeich. In flüssigem Schreibstil wirft die Autorin den Leser in die Geschichte. Die mit Emma Caldridge eine ungewöhnliche Protagonistin hat – eine Chemikerin, die auch für ein Sicherheitsunternehmen arbeitet.
Schon nach wenigen Worten kommt Spannung auf. Das Beste: Freveletti kann Tempo und Spannung bis zum Schluss halten. Endlich einmal wieder ein Thriller, der sich in Windeseile liest und am Ende ein zwiespältiges Gefühl hinterlässt: Die Freude, ein gutes Buch gelesen zu haben und das Bedauern, dass es nun zuende ist.
Die Handlung ist originell aber nicht abgefahren. Rätsel gibt die mysteriöse Krankheit auf, die Freund und Feind mal schneller, mal langsamer befällt. Und bis hin zum Tod führt.
Zu Beginn der Geschichte gerät Emma in die Hände einer Drogenbande. Sie gerät in das Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Flucht und dem Ehrgeiz, den Hintergrund der Krankheit aufzuklären - und Menschen zu retten.
Sie trifft auf Oswald Kroger, einer Intelligenzbestie auf Abwegen. Der hofft, mit einem Marihuana-Transport über die mexikanische Grenze schnelles Geld zu machen. Emma stellt fest, dass er keiner der Bösen ist.
Es folgt eine Geschichte mit knallharter Action, abenteuerlichen Entwicklungen und farbigen Charakteren. In kurzen Sätzen bringt Freveletti die Handlung auf den Punkt und entwickelt so eine Dynamik, die den Leser mit sich reißt.
Sie verbindet ungewöhnliche Charaktere mit einer zwielichtigen Welt der mexikanischen Drogenbanden und einem flotten Schreibstil. Das macht Spaß! Das Ergebnis: Feinste Thriller Unterhaltung.

Bewertung vom 30.11.2011
Ewig Böse
Ransom, Christopher

Ewig Böse


gut

Christopher Ransom erzählt mit klaren, direkten Worten. Seine Sprache ist energiegeladen, die Sätze plätschern nicht dahin, sie schlagen ein - einer nach dem anderen. Wortgewaltig sind seine Bilder, wenn etwa die Zeit dahin fetzt.


Dieser ungestüme Ton und die Authentizität, erreicht durch die Erzählung aus der Ich-Perspektive, verleihen dem Text eine Wucht, die den Leser zu Beginn unweigerlich mitreißt. Der Stil von Ransom ist plastisch und eindringlich. Der Erzähler hält seine Geschichte fest, weil er nicht leben kann "mit den schwarzen Löchern in meiner Erinnerung." Er muss sich erinnern. An seine Frau Stacy. Und kündigt an, die Geschichte eines Geistes zu schildern.


Ransom baut seine Geschichte in Szenen auf. Sie erscheinen dem Leser als Bilder vor dem inneren Auge. Wir erfahren von James' Vergangenheit als Double für den Rapper Ghost. Und vom Tag, als James seine Frau tot in der Gasse auffindet. Von Annett, die ins Nachbarhaus einzieht und Stacy immer ähnlicher wird.


Zunehmend verschwimmen Realität und Vorstellung. Die Verwirrung der Hauptperson überträgt sich auf den Leser. Die anfängliche Wucht des Textes kann Ransom nicht durchhalten. Dennoch bleibt das Buch spannend und der Drang des Lesers erhalten, immer weiter zu lesen.
"Ewig böse" ist kein klassischer Thriller. Er hat einen Anklang von Horror, auch was die Schilderungen von Gewalt anbetrifft. Ransom schreibt fesselnd. Der Leser fühlt sich unmittelbar im Geschehen.

Für mich kommt die Verwirrung jedoch zu authentisch herüber. Ab einem bestimmten Punkt wusste ich auch nicht mehr, woran ich eigentlich bin. Das war mir zu unübersichtlich. Und auch nachdem ich das Buch fertig gelesen habe, bleibt das Gefühl zurück, nicht alles wirklich verstanden zu haben.
Dennoch ist dieses Buch lesenswert. Ransom erreicht den Leser mit seinem Schreibstil. Dies ist kein 08/15-Text. Stimmungen werden gekonnt aufgebaut. Ein Thriller mal anders.

Bewertung vom 30.11.2011
Tabu
Hill, Casey

Tabu


sehr gut

Das Setting ist ein Klassiker: Eine gut aussehende, taffe Ermittlerin kommt neu in eine Stadt und in ein Team und muss sich dort behaupten. Die alten Hasen sind zunächst skeptisch, aber jüngere Kollegen sind von den Fähigkeiten der Neuen bereits überzeugt.
Aber dieser Text ist ein gutes Beispiel dafür, warum diese Konstellation so erfolgreich ist. Reilly Steel wechselte von Kalifornien nach Dublin, Irland. Dort soll sie die Garda Forensic Unit aufbauen. Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung soll sie die Kriminaltechnik wieder auf den aktuellen Stand bringen. Sie kann sich nicht nur gegen die alteingesessenen Ermittler durchsetzen, sie gewinnt sie trotz anfänglicher Skepsis auch für sich.. Dass Steel nicht zimperlich ist, zeigt sich bereits, als die Detectives Pete Kennedy und Chris Delaney nicht sofort in das Zimmer eingelassen werden, in dem sich die Tötung eines jungen Paares zutrug. Weil der wachhabende Polizist eine Anweisung von Steel hat und offensichtlich so viel Respekt vor ihr, dass er Ärger nicht riskieren will.
Die unterschiedlichen Hintergründe der Amerikanerin und der Iren, die potentiellen Konflikte zwischen den traditionellen Ermittlungsmethoden und modernster Kriminaltechnik machen die Geschichte abwechslungsreich.
Gute Unterhaltung durch eine Prise Humor und skurrile Eigenschaften von Steel, die etwa den Tatort mit geschlossenen Augen und ausgebreiteten Armen erfühlt.
Der Text ist flott geschrieben, die Charaktere sind glaubwürdig. Es bleibt leichte Unterhaltung. Denn zwar sind die Motive der durch den Mörder nachgestellten Tabus durchaus originell. Psychologisch wird das Motiv aber nicht weiter unterfüttert. Es wird eher als Schock-Moment genutzt. Da hätte man mehr daraus machen können.
Auch wundert man sich gelegentlich über die Kenntnisse der GFU-Ermittler, die mitunter geringer zu sein scheinen als die des durchschnittlichen Krimifreundes.
Trotzdem: Die Geschichte ist spannend geschrieben, hat zum Ende eine Entwicklung, die nicht vorherzusehen war. Zweifelsohne gute Krimi-Unterhaltung.

Bewertung vom 18.09.2011
Cut / Keye Street Bd.1
Williams, Amanda Kyle

Cut / Keye Street Bd.1


sehr gut

Mit Keye Street präsentiert die Autorin Amanda Kyle Williams eine ungewöhnliche Ermittlerin: Eine promovierte Psychologin, früher Spezialistin beim FBI, heute Privatdetektivin. Schillernd ist aber nicht nur der berufliche sondern auch der private Hintergrund: Sie ist trockene Alkoholikerin, hat asiatische Wurzeln, wurde adoptiert und hat einen afroamerikanischen Adoptivbruder.
Beim FBI ist sie gescheitert und auch ihr Privatleben verlief nicht geradlinig. Ohne weiteres wird ein Kind nicht zur Adoption freigegeben.
Spannend schildert Williams den Alltag von Keye Street aus deren Sicht. Streets Tätigkeit oszilliert zwischen dem handfesten Job als Detektivin, die Kautionsflüchtige jagt, und der Beratung von Rauser bei der Aufklärung einer Mordserie.
Aaron Rauser, Lieutenant im Morddezernat von Atlanta, ist Streets bester Freund - und vielleicht auch mehr. Er vertraut ihrem Urteil. Als der Serienmörder, von der Presse "Wunschknochen-Mörder" genannt, in Kontakt mit dem Ermittler tritt, zieht er Street hinzu. Bis die Vergangenheit Street einholt und sie sich zurückziehen muss. Zumindest offiziell. Denn es versteht sich, dass sie von diesem Fall nicht lassen kann.
Zwischendurch erledigt sie ihre Jobs als Detektivin, unter anderem für die Anwältin, für die ihre Freundin Diane arbeitet. Und Street ist nicht zimperlich. Mittels Sprengstoff überwältigt sie einen Flüchtigen. Aber auch für ungewöhnliche Aufträge ist sie sich nicht zu schade: Sie ermittelt auch im Fall einer verschwundenen Kuh..
Durch den ambivalenten Charakter der Hauptfigur zwischen Action-Heldin und genialer Psychologin, zwischen beruflicher Koryphäe und trockener Alkoholikerin wirkt die Geschichte glaubhaft und facettenreich.
Die Figuren bekommen Tiefe. Der Leser lernt auch das Umfeld von Keye Street kennen: Ihre Familie und Freunde. Alle Bereiche werden von Williams geschickt verwoben. Dies auch dadurch, dass Street selbst und die Menschen um sie herum ins Visier des Täters geraten.
Die Geschichte wartet dabei mit einigen unerwarteten Wendungen auf, die den Thriller eine Liga aufwerten. Die ersten Seiten lassen einen Thriller erwarten, der gut unterhält. Durch den Reichtum an Facetten und Charakteren und der nicht vorhersagbaren Handlung sticht Williams Buch jedoch weit über die Durchschnittsware hinaus. Für mich ist dieser Thriller ein Volltreffer!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.09.2011
Böses mit Bösem
Hall, Elliott

Böses mit Bösem


gut

Der Thriller von Elliott Hall beginnt mit einer Verhörszene, in der klar wird: Hier geht es um harte Typen, klare Worte und eine dunkle Welt.
Wir erfahren, dass „die Ältesten“ die Macht haben und die Geschicke des Landes lenken. Gefahr droht von der Erweckungsbewegung. Es gibt eine Moralpolizei und Menschen, die einen Kreuzzug führen.
In dieser Welt bewegt sich Felix Strange, ehemaliger Soldat, Detektiv mit Verbindung zum FBI. Unklar bleibt, welche Position er einnimmt. Er untersuchte den Mord an Isaiah White, einem Prediger und Bruder des Chefs der Moralpolizei. Strange verhandelt aber auch mit einer Frau über eine mögliche Erpressung.
Als er vom Verschwinden seines früheren Armee-Kameraden Isaac Taylor erfährt, nimmt er Kontakt mit Benny auf, der jetzt beim FBI in New York ist.
Hall zeichnet das düstere Bild eines Staates, in dem eine Gruppe christlicher Fundamentalisten an der Macht ist und Demokratie allenfalls auf dem Papier existiert. Eine brilliante Idee, sich eine Machtergreifung christlicher Fanatiker auszumalen. Deutlich wird, dass der Autor die Hintergründe gründlich recherchiert hat - vor allem die tatsächlichen Geschehnisse im Irak. Authentisch schildert er daher die Einsätze der Einheiten im Iran, den Zustand in Kriegsgefängnissen und die Rolle privater Sicherheitsunternehmen.
Hall baut eine komplexe und düstere Welt auf. Der unheilvolle Charakter wird durch die rauhe und direkte Sprache verstärkt. Jedoch enthält der Text immer wieder Andeutungen, die sich erst später oder auch gar nicht wirklich auflösen. Bei aller Ambition im Hinblick auf die Hintergründe fehlt jedoch eine klare Struktur der Geschichte. Hall arbeitet viel mit Zeitsprüngen und parallelhandlungen. Es fällt schwer, ihm dabei immer zu folgen. Zwar klingt immer wieder Spannung an. Jedoch kommt diese durch die komplexe Struktur der Geschichte nur begrenzt auf. Die Handlung ist dafür nicht vorhersehbar und abwechslungsreich.
Hall bietet einen politischen Thriller, der über die reine Unterhaltung hinaus zum Nachdenken anregt. Die Grundidee und die Beschreibung der Welt ist herausragend. Abzug gibt es jedoch für die zu komplex geratene Handlung. Dadurch schöpft der Autor das Potential seiner Idee nicht voll aus. Dennoch ein lesenswertes Buch.

Bewertung vom 19.08.2011
Die toten Gassen von Barcelona
Kremser, Stefanie

Die toten Gassen von Barcelona


sehr gut

Stefanie Kremsers Buch gehört in die Reihe der erzählerischen Krimis, wie sie auch Hakan Nesser beispielsweise schreibt. Wenn da nicht der Prolog wäre, in dem ein Sohn im Konflikt mit seiner Mutter steht, könnte die Geschichte zunächst auch einfach vom Besuch einer deutschen Journalistin nach Spanien handeln. Das ändert sich freilich bereits im zweiten Kapitel.

Die Hauptfigur Anna Silber reist nach Barcelona, um einen Reiseführer zu schreiben. Dort trifft sie auf ihren alten Bekannten Rafael, einen Journalisten, und dessen Mann Quim, Polizist in der Mordkommission.

Sofort wird dem Leser deutlich, dass dieses Buch etwas Besonderes ist und sich von der üblichen Krimiware unterscheidet. Kremser legt Wert auf das Erzählen. Sie schafft es, mit wenigen Worten einen Einblick in die Stadt Barcelona und das dortige Leben zu geben. So erfährt der Leser neben der Handlung auch allerhand über die spanische Großstadt und ihre Bewohner, die Entwicklung der alten Stadtviertel und die Immobilienspekulanten, die in der Stadt ihr Unwesen treiben. Dabei schwingt ein gesellschaftskritischer Ansatz mit – eine weitere Parallele zum skandinavischen Krimi.

Bereits auf dem Weg vom Flughafen zur Wohnung wird Anna Silber mit einer Leiche konfrontiert. Kurz darauf erfährt sie, dass es in den vergangenen zwei Monaten insgesamt sieben Morde gab. Die Opfer waren Menschen mit unterschiedlichen Nationalitäten und Berufen. Ein Zusammenhang ist nicht erkennbar.

Schritt für Schritt nimmt die Geschichte Fahrt auf. Die Figuren mit ihren unterschiedlichen Berufen gewähren unterschiedliche Blickwinkel; die mysteriösen Morde lassen Spannung aufkommen, wenn sich der Leser fragt: Gibt es eine Verbindung zwischen den Taten? Denn diese scheinen zuerst nichts miteinander zu tun haben. Und nicht zuletzt die örtliche Komponente: Die Stadt gibt der Geschichte eine eigene Stimmung.

Daneben verläuft die Parallel-Handlung mit Mutter und Sohn. Nicht erst seit Psycho ist bekannt, dass eine gestörte Mutter-Sohn-Beziehung fatale Folgen haben kann. So wird klar: Diese Beziehung wird kein gutes Ende nehmen.

Geschickt verbindet Kremser die Schilderung Barcelonas und seiner Bewohner mit der Reihe von Serienmorden, die sich nach und nach aufklären. Gegen Ende wird der Krimi richtig spannend. Zuvor hat er einen erzählerischen Schwerpunkt, der sicher nichts für Thriller-Freunde ist. Anhänger guter Kriminalliteratur kommen jedoch auf ihre Kosten. Besonders wenn sie einen Krimi nicht nur auf den Täter und dessen Verfolgung beschränkt sehen wollen sondern auch von den Figuren und deren Privatleben lesen wollen. Kremser bietet glaubhafte Figuren, einen flüssigen Schreibstil und eine Geschichte mit Anspruch.

Ein gelungener Krimi.

Bewertung vom 29.05.2011
Das Leben und Schlimmeres
Ringsgwandl, Georg

Das Leben und Schlimmeres


ausgezeichnet

Ringsgwandl legt eine Sammlung von Kurzgeschichten vor, in denen er seine Umwelt unterhaltsam schildert, gerne mit einer Prise Ironie. Er betrachtet die Menschen genau. Mit seinem bissigen Unterton bezieht er Position. Er lässt den Leser nicht etwa im Unklaren darüber, dass er beispielsweise kein Anhänger des Nullenergiehauses ist.

Ringsgwandls Geschichten sind teils umgangssprachlich formuliert und dadurch gewürzt mit einen guten Schuss bayerischer Direktheit und derben Humors. Der Autor geht mit seinen Figuren nicht zimperlich um, wenn er deren Eigenheiten etwa ätzend schildert.

Sympathisch macht ihn die Selbstironie. Er nimmt sich selbst nicht aus von der kritischen Betrachtungsweise. Und er nimmt sich nicht zu ernst. So sinniert er darüber, wie die Samenbank seine umfangreiche Spende behandeln werde; dass sein „höchstklassiges Genmaterial“ für ein „Heidengeld“ verkauft würde, was sich heraus stelle, wenn in einigen Jahren „reihenweise kleine Holländer und Belgier mit Riesennasen durch die Gegend laufen“ würden.

Ungewöhnlich sind die surrealen Wendungen, wenn zum Beispiel der einzige Zugang zum Ferienhaus ein Otter-Eingang ist. Oder wenn sich der Kampf-Hund in die Hüfte des Erzählers verbeißt und eine Maulsperre bekommt. Dann muss ihn seine Frau mit dem Hund an der Hüfte zum Notarzt fahren, was solche Probleme aufwirft, wie die nicht zu schließende Beifahrertür des Autos. Wegen des von der Hüfte abstehenden Hundes muss mit offener Tür gefahren werden.

Mit der Bissigkeit seines Humors, den surrealen Einschlägen und mit seinem bayerisch-direkten Schreib- und Sprachstil setzt Ringsgwandl sich von anderen Autoren ab, die ihre Umgebung humorvoll schildern. Ringsgwandl ist eine Spur bissiger und seine Einfälle außergewöhnlicher. Nichts für jedermann. Aber wem Ringsgwandls Humor liegt, findet ein unterhaltsames Buch, das sich auch unterwegs oder im Liegestuhl flüssig lesen lässt. Ich kann es nur empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

12