Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Hartmut Zimmer
Wohnort: 
Alzenau

Bewertungen

Insgesamt 49 Bewertungen
Bewertung vom 29.07.2012
Träume
Kast, Verena

Träume


ausgezeichnet

Lesenswertes Werk zur Traumpsychologie

Der Autorin ist ein sehr gut strukturiertes und inhaltlich weit über das Traumthema im engeren Sinn hinausgehendes Werk gelungen. Träume versteht Verena Kast als Instrumente zur Selbstregulierung der Psyche und zur Entwicklung der Persönlichkeit. Sie stellten wichtige Wegmarken zur Konfliktbewältigung dar.

Verena Kast arbeitet die besondere Bedeutung des Traums innerhalb der Psychologie nach C.G. Jung heraus. Darüber hinaus vermittelt sie einen guten Gesamtüberblick über die Jung'sche Psychologie, die sie in einigen Punkten von den Ansätzen Freuds abgrenzt (Ausführlich eingeordnet werden zum Beispiel gebundene und freie Assoziation sowie der Begriff des kollektiven Unbewussten und der Archetypen).

Nicht zuletzt zeigt Verena Kast die engen Verbindungen der Psychologie zu anderen Disziplinen auf, wie etwa zur Neurobiologie (u.a. Damasio), zur Philosophie (z.B. Seneca und Foucault) und zur Kunst (z.B. Chagall und Goethe).

Unbedingt lesenswert.

Bewertung vom 24.06.2012
Hamlet
Shakespeare, William

Hamlet


ausgezeichnet

Sein oder Nichtsein: Der Kampf der Vernunft gegen Leidenschaft und Gewohnheit

Das 1600/ 1601 entstandene und 1602 uraufgeführte Drama Shakespeares behandelt einige der Abgründe, in die menschliches Handeln durch Skrupellosigkeit und Leidenschaft zu gelangen vermag.

Die Vernunft, die die Leidenschaft überwinden könnte, steht allerdings in einem Spannungsverhältnis zu Gewohnheiten und Sitten, Zufall und Natur (Hamlet II,2).

Die Gewohnheit führe zu unserer Neigung, aktuelle Übel lieber zu ertragen, als zu unbekannten zu fliehen (Hamlet III,1):

Vernunftorientiert größerer Abstand zu den -gewohnheitsmäßig akzeptierten- herrschenden Verhältnissen und etwas weniger Hinnehmen vorgefundener Umgebungen und Rollenvorgaben: Die Fähigkeit zu dieser kritischen Distanz macht wohl letztlich die Qualität unseres Seins oder Nichtseins aus.

Bewertung vom 28.05.2012
Othello
Shakespeare, William

Othello


ausgezeichnet

Geradlinigkeit gegen Intrigantentum

Geradlinigkeit gegen Intrigantentum, das ist eine der zentralen Fragen der 1604 erstaufgeführten Tragödie Shakespeares. Dieses Gegensatzpaar macht Othello zu einem auch heute unverändert aktuellen Werk. Intrigen führen zu einer Fehlleitung von Macht und schließlich in die Katastrophe. "Geradheit ist eine Törin, die das verfehlt, wonach sie strebt." (Jago III,3)

Seinen Protagisten Jago lässt Shakespeare auch das Primat der auf freiem Willen beruhenden Vernunft verkünden. (I,3)

Bewertung vom 22.05.2012
Macbeth
Shakespeare, William

Macbeth


ausgezeichnet

Die Macht und das Böse

Auch im 1606 uraufgeführten Macbeth zeigt Shakespeare dunkle menschliche Eigenschaften.

(Ein nicht zuletzt von vorgegebenem gesellschaftlichen Rollenverständnis begünstigter und geförderter) Ehrgeiz und unbedingter Machtwille führen dazu, dass der zunächst positive Protoganist Macbeth zum Erreichen des Zwecks (Herrschaftsausbau und Sicherung derselben) schließlich bereit ist, alle erreichbaren Mittel bedenken- und skrupellos einzusetzen. Der Zweck heiligt jedes Mittel.

"Leben ist nur ein ... Schattenbild" (Macbeth V,5). Die Macht ist aber noch weniger als das: Sie erscheint zu häufig nur noch als verachtenswertes Trugbild, zu dessen Sklaven Machthungrige werden, ohne sich dessen zunächst bewusst zu sein.
Arm(selig)e, von System und falschen Ratgebern verführte Verbrecher erkennen wie Macbeth zu spät, dass der Verkauf ihrer Seele der Preis ist, den sie für dieses Trugbild der Macht zu bezahlen haben.

Zu oft herrscht im Namen der Macht abscheuliche Niedertracht. Gibt es -als einzigen Ausweg- nur den individuellen Rückzug, um eigenem Frevel und fremden Frevlern zu entgehen?

Bewertung vom 20.05.2012
König Lear
Shakespeare, William

König Lear


ausgezeichnet

Über die Zerrissenheit und das Leid menschlicher Existenz

Mit seiner 1606 uraufgeführten Tragödie "King Lear" beschreibt Shakespeare Zerrissenheit und Leid menschlicher Existenz. Er zeichnet ein negatives Menschenbild, das von Wankelmut und Unzuverlässigkeit, Verrat und Hinterhältigkeit dominiert wird.

"Was mir nützt, ist gute Beute" (Edmund I,2). Über die Zeiten hinweg vermutlich unverändert herrschende Meinung.

"Weisheit und Tugend scheinen dem Schlechten schlecht." Wer könnte schon behaupten, er habe für sich Weisheit und Tugend gepachtet? Doch gibt es nicht solche, die eben dies für sich -in Shakespeare abstoßender absoluter Weise- in Anspruch nehmen? Und für genau diejenigen mag dann wohl gelten: "Schmutz riecht sich selbst nur gut" (jeweils Albanien V,3).

"Dem Hunde im Amt gehorcht man" (Lear IV,6). Bis in den Untergang. Zweifelt jemand ernsthaft daran?

Bewertung vom 21.04.2012
Die Psychoanalyse nach Freud
Schmidbauer, Wolfgang

Die Psychoanalyse nach Freud


sehr gut

Gute Einführung in die Psychoanalyse nach Freud

Wolfgang Schmidbauer gibt eine gute Übersicht über Grundlagen und Vorgehensweisen der Psychoanalyse nach Freud, beginnend mit ihrer Entstehungeschichte (u.a. auch Darstellung des Gegensatzes zu historisch früheren, z.B. hypnotischen Behandlungsmethoden).

Darüber hinaus grenzt er die Psychoanalyse von anderen Behandlungsrichtungen ab (insbesondere derjenigen nach C.G. Jung und Melanie Klein) und ordnet sie nach Denkrichtungen und Weltanschauung "zwischen Geistes- und Naturwissenschaften, Technik und Kunst" sowie -in der Nachfolge der Aufklärung- in das Spannungsfeld zur Religion ein.

Geeigneter Adressat dieses Buches ist eher das Fachpublikum der Analytiker, weniger die Zielgruppe der Analysanden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.04.2012
Der Schatten in uns
Kast, Verena

Der Schatten in uns


sehr gut

Wo Licht ist, da ist auch Schatten

Diese Buch Verena Kasts scheint eher von (nur) ergänzender und vertiefender Bedeutung, auch wenn es -eigentlich fast unvermeidlich- etliche interessante Hinweise enthält:

In anderen Werken Verena Kasts ausgearbeitete Gedanken werden hier unter dem speziellen Blickwinkel des "Schattens" zusammengefasst ("Schatten" verstanden als "diejenigen Persönlichkeitszüge" eines Menschen, "die auf ... keinen Fall offen gesehen werden sollen.").

Das isolierte oder prioritäre Lesen gerade dieses Buches erscheint daher weniger sinnvoll.
Zielt die Suche des Lesers auf die Erarbeitung von grundlegenden Erkenntnissen, empfiehlt sich zunächst die Erarbeitung eines Überblicks zu C.G. Jung oder zu Themen wie Ängsten und Opferrolle sowie ferner auch zur -von Kast in anderen ihrer Bücher gut dargestellten- psychologischen Bedeutung von Träumen und Märchen.

Bewertung vom 16.02.2012
Die Kunst, einen Drachen zu reiten
Moestl, Bernhard

Die Kunst, einen Drachen zu reiten


sehr gut

Wirklichkeitsnahe Erkenntnisse oder realitätsfremde Illusionen?

Bernhard Moestl beschreibt die zentrale Bedeutung der Macht der Gedanken und gibt darauf aufbauende Ratschläge zur Lebensgestaltung. Gut gegliedert und angenehm leicht lesbar, enthält sein Buch nicht bloß Allgemeinweisheiten, sondern einige nachdenkenswerte Einsichten.

Der Autor betont einen gegenüber den Gefühlen bestehenden Primat der Gedanken. Nur mit Denken lasse sich etwas verändern. Der Sprache, der Macht der Worte komme eine besondere Bedeutung zu.

Gedanken solle man niemals von Gefühlen leiten lassen (was in -zunächst überraschendem- Gegensatz zu dem häufig zu hörenden Vorrang des Gefühls steht - vertreten allerdings wohl vor allem dort, wo auf eine Manipulation anderer durch gezielte Ansprache der Gefühlswelt gesetzt wird.)

Mancher Leser wird sich unvermittelt fragen, auf welchem fernöstlichen Stern der Autor wohl lebt? Sind seine -sicherlich gutgemeinten- Ratschläge außerhalb ostasiatischer Meditationskultur denn auch nur ansatzweise praktikabel? Träumt er nicht in einer realitätsfremden Welt seichter Illusionen?:

Die Grenzen unseres Denkens solle man kontinuierlich erweitern, sagt Moestl (anspruchsvoll -zumindest innerhalb einer Dominanzkultur mit arbeitsteilig angelegten Beschränkungen).

Der Autor fordert Mut, "Nein" zu sagen, wo der Einzelne spüre, dass er gegen sein Gefühl handele (wohl besser in Alltag und Arbeitswelt nicht allzu unbegrenzt und unbedacht..).

Selbstbestimmung bedeute, die eigenen Gedanken zu beherrschen (Hinderlich ist leider nur die häufig genug durch Fremdbestimmung festgefügte Realität).

Es sei wichtig, die Unersättlichkeit zu beenden (Klingt gut - aber im Rahmen einer beherrschenden Kultur der Unersättlichkeit? Herkules hätte seine Freude an einer solchen "Herausforderung".)

Der einzige Weg zu (wirklicher) Macht führe über Lob und positive Worte (Nun ist unser Autor aber allzu mutig: Hört er nicht das schallende Gelächter der Sklaventreiber?)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.02.2012
Über die Kriegskunst
Sun Tsu

Über die Kriegskunst


weniger gut

Bewahre das Leben, so häufig wie möglich

Zweifellos können viele der Ratschläge Sun Tsus nicht mehr wörtlich genommen, sondern müssen in unsere Zeit "übersetzt" werden, auch wenn seine Leitsätze sicherlich nicht in grundsätzlichem Widerspruch zu heutiger (militärischer) Taktiklehre stehen. Sun Tsu kann -in positiver Weise- als Ratgeber für den bestmöglichen Einsatz der eigenen Kräfte und für das effiziente Haushalten mit den eigenen Mitteln verstanden werden.

Mit Moral aber haben die Gedanken Sun Tsus ausdrücklich kaum etwas zu tun: Es geht ihm darum, mit eben allen zur Verfügung stehenden Mitteln den "Sieg" zu erreichen. Als höchste Kunst erscheint danach diejenige des Täuschens und Betrügens, um zum Ziel, zum "Sieg" zu gelangen.

Dies aber ist doch eine sehr punktuelle, genauer gesagt: eine allzu oft skrupellose Weltsicht.
Der Zweck ("der Sieg") heiligt jedes Mittel, jede Hinterhältigkeit, jede Rücksichtslosigkeit, jede Brutalität. Das aber hat der Weltgeschichte schon mehrmals nicht besonders gut getan.

Der (militärische) "Sieg" hat bei Sun Tsu den Anklang einer Ersatzreligion (aber verdient es Sun Tsu deshalb schon, zum Philosophen geadelt zu werden?). Und was sich bei ihm zunächst einmal in rein militärischer Dimension zeigt, findet sich 2500 Jahre später in anderen Ersatzreligionen wieder: etwa in der glaubensartigen Verehrung des (ökonomischen) Quartalsergebnisses, das häufig genug im Zentrum allen Denkens und Zielens steht und das mit allen Mitteln verfolgt wird, selten jedoch mit den Mitteln irgendeiner Moral.

Die wahre "Feinde" des Gemeinwesens sind auf Dauer diejenigen morallosen Technokraten, denen am Ende jedes Mittel zur Zielerreichung recht ist. Heil dir, oh Skrupellosigkeit.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.