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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Reggie
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 18 Bewertungen
12
Bewertung vom 03.06.2012
Mit herzlichen Grüßen
Bajani, Andrea

Mit herzlichen Grüßen


ausgezeichnet

Der anonym bleibende Ich-Erzähler wird nach der Entlassung eines Verkaufsleiters mit dem Verfassen von Kündigungsschreiben beauftragt. Diese sollen nicht trocken und böse sein, sondern eben mit „herzlichen Grüßen“. Doch nicht nur das. Ansonsten wird der Erzähler zum aufstrebenden Stern in seinem Unternehmen, macht Führungsseminare mit und bekommt gesagt, er solle sich etwas nach vorne spielen. Neben seiner neuen Aufgabe bittet der ehemalige Verkaufsleiter ihn um Hilfe. Er muss ins Krankenhaus - ein Leberleiden, seine Exfrau weilt bei ihrer Mutter und er braucht jemanden für seine Kinder. So wechselt der Killer (so nennt ihn sein Personalleiter) von nun an von Büro zur Wohnung von seinem ehemaligen Kollegen, schreibt Kündigungsschreiben und ist abends bis nachts Ersatzvater, bekommt von den Kindern Namen wie „Grünlurch“ und erzählt uns Szenen seines Alltags.
„tagsüber Killer – abends Grünlurch“

Im Unternehmen werden die Angestellten an der Nase herumgeführt mit Tennisplätzen für die Mittagspause und Jobrotation der besonderen Art: nicht der Job ändert sich jeden Tag, sondern der Sitzplatz. Und freitags darf man in Klamotten seiner Wahl kommen. Der Leser fühlt sich teilweise unglaubwürdig verwirrt und die immer wieder dazwischen geschobenen Kündigungsschreiben unterstreichen die absolute Ironie der ganzen Szenerie. Die Sprache ist trocken und total ironisch – das unterhält und regt zum Nachdenken an. Die Kündigungsschreiben sind so schmeichelhaft, dass man schon denkt, was kommt jetzt – und dann völlig verdreht, soll die Kündigung das Beste sein, was dem Betroffenen passieren kann. Die Zeit mit den Kindern ist nicht weniger trocken beschrieben, aber ich habe dennoch Zärtlichkeit, Rührung, Traurigkeit und Liebe gespürt. Der Leser spürt den Zweispalt des Erzählers und wartet auf den Moment, der alles ändern wird. Und dann geht dieser fast unter, was aber zum Buch passt – den die Story ist nur etwas für aufmerksame Leser.
Verständlich trocken

Die Geschichte kann überall spielen, da weder Land noch Sprache eine Rolle spielen. Die Schreibweise des Autors ist sehr ausgefeilt und wird auch – vermutlich dank der Übersetzerin – in keinster Weise unverständlich oder durch Fremdwörter unleserlich. Alles wirkt für den Außenstehenden mit viel Abstand geschrieben. Man fühlt sich nicht mitten drin, sondern eher wie ein Zuschauer, der ohne jede Wertung die Szenen verfolgt. Die 129 Seiten verlesen sich im Fluge. Die Satire kommt in jedem Absatz über die Firma zum Vorschein und ist der absolute Gegenpart zu dem Leben, welches der „Killer“ abends führt als „Grünlurch“.
Die Idee finde ich genial – das ist nunmehr das zweite Buch, welches ich der Art gelesen habe und ich bin bereit für weitere – auch wenn ich nicht ständig so trockene Bücher lesen könnte. Und auch wenn es wieder italienisch trocken ist (wie schon bei meinem letzten Krimi) – passt es dieses Mal zur Lektüre.

Bewertung vom 03.06.2012
Tagsüber dieses strahlende Blau
Mühldorfer, Stefan

Tagsüber dieses strahlende Blau


gut

Gähn … endlich hab ich es geschafft. Länger hätte das aber auch nicht mehr dauern dürfen. Schließlich ist der Roman nur 238 Seiten lang und hält mich seit einem Monat davon ab, interessante Literatur zu lesen und mich mal wieder entführen zu lassen.

Wer will schon auf diese Art und Weise vor Augen geführt bekommen, wie vergänglich das Glück ist. Wer will schon miterleben, dass der Alltag so berechenbar ist, dass man sich so sehr an ihn gewöhnt und aus den Augen verliert, dass man immer an seinem Glück arbeiten muss. Und das ohne jeglichen Humor. Dies schaffen andere Bücher mit Feuer und Begeisterung, Leidenschaft.

Robert Ames streitet sich mit seiner Frau, liebt sein Kind, erlebt das Wiederaufleben von Gefühlen für eine andere, die Realität derer Ablehnung und glücklichen Familienlebens, den Untergang der Ehe seines Chefs, den Abschied seiner Sekretärin von ihrer unglücklichen Liebe und Erkenntnisse über sich selbst. Toll - realistisch. Aber nicht unterhaltsam. Zu langatmig ohne wahre Emotion, Höhen und Tiefen – gleichmäßig – eintönig. Die Ich-Perspektive lässt dies nicht einmal mit Abstand geschehen. Gut, es kann sein, dass ich gerade nicht aufnahmefähig für die Schicksale männlicher Mitmenschen bin – und schon gar nicht aufnahmefähig für deren Gedankengänge. Aber vermutlich liegt dies gar nicht an meiner derzeitigen Gefühlslage, vermutlich ist es immer so, dass Frauen und Männer aneinander vorbeireden. Die Wiedergabe eines Erlebnisses in Worten völlig anders dargestellt wird, als das des anderen. Dafür sind es auch zwei Menschen. Aber diese Entscheidung überlasse ich den Wissenschaftlern.
Andere Rezensoren schreiben begeistert über das Romandebüt des Autors – „grandios – feinsinnig“. „Leicht lesbarer Roman, der berührt.“ „Man müsste in der Kirche eine Kerze für dieses Buch anzünden.“ Wem dem so ist, sollte ich über mein Leben ein Buch schreiben – das wird nicht schlechter.

Was ich total widersinnig finde, dass die Geschichte in Kanada am Ontario-See spielt – dann aber von Burgersemmeln die Rede ist. Was soll die Story in Amerika – hatte der Autor etwa die grandiose Idee, ein Gegengewicht zu den sonstigen Hollywoodstreifen mit ewigem Happy-End zu schaffen? Schauplätze und Figuren könnten genauso in Deutschland spielen – halt Stopp – stimmt nicht: die Gartenidylle findet in Deutschland ja hinter dem Haus statt und nicht davor. Aber dennoch – es machte mir gleich die Geschichte von Anfang an mürbe, dass sie nicht an einem deutschen Ort spielte. Oder wollte sich der Autor damit von der möglicherweise authentischen Geschichte distanzieren? Wenn, dann ist es ihm meiner Meinung nach nicht gelungen. Ich kann mit dem Roman nichts anfangen, er berührt mich überhaupt nicht.
Wie finde ich mich selbst – Anleitung für Männer – nicht für Frauen geeignet. Männer, liest dieses Buch, es warnt Euch davor, Euer Leben Euch entgleiten zu lassen und alles als selbstverständlich zu betrachten. Ich glaube sogar, dass Ihr Euch angesprochen fühlt und denkt, von Euch selbst ist die Rede. Frauen, lasst das Buch im Regal, ihr wäret frustriert von der Resignation und der Schwäche des Mannes, wo wir doch immer hoffen, dass sie Stärke beweisen und das nicht erst, wenn es zu spät ist.

Vielleicht lese ich den Roman noch einmal, wenn mein eigenes Stimmungsbild ein anderes ist und erlebe es dann neu - andernfalls: Es muss auch Literatur für Männer geben, mit denen die Frauen nichts anfangen können. Andersrum ist dies schließlich ständig der Fall.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.06.2012
Das Haus an der Elbchaussee
Hoffmann, Gabriele

Das Haus an der Elbchaussee


ausgezeichnet

Das Buch handelt hauptsächlich von der Geschichte der inzwischen in Hamburg tot geschwiegenen Familie namens Godeffroy, die über mehrere Generationen ihre Reederei ausweiteten und sich fest in Hamburg etablierten. Aber auch die Geschichte des Stadtstaates und die Entwicklung der Politik – des Bürgertums spielen eine große Rolle.
Die Autorin beginnt im Jahre 1813, als der 3. Cesar Godeffroy geboren wurde, welcher das fast liquide Geschäft seines Großvaters Joh. Ces. Godeffroy & Sohn wieder zum Laufen bringt und weitaus mehr daraus entstehen lässt und endet 1913, als der Name des Unternehmens aus dem Handelsregister gelöscht wird. Ein Grund hierfür ist der Kampf zwischen dem liberalen Bürgertum und Bismarck, den das Unternehmen nicht übersteht. Cesar macht sich nicht nur einen Namen als Reeder, sondern auch als „König der Südsee“, wohin er seine Geschäfte ausweitet. Des Weiteren sorgt er für Wälder in Hamburg, wie z. B. Iserbrook und für die Gründung des ersten Ruderclubs in Hamburg. An vielen Firmen und gesellschaftlichen Einrichtungen, die in der damaligen Zeit entstanden sind, hat Godeffroy Anteil, wie z. b. der Horner Rennbahn oder des fortschrittlichsten Stahlwerks Deutschlands, dem Eisen- und Stahlwerkes zu Osnabrück. Godeffroy ist auch Mitbegründer von der modernsten Werft an der Elbe, der Reiherstiegswerft und noch einiges mehr.

Die Autorin hat es geschafft ein Sachbuch zu schreiben, das so gar nicht langweilig und trocken ist und dabei tatsächlich völlig ohne fiktive Handlungen auskommt. Hierzu hat Gabriele Hoffmann eine Menge Quellen bezogen, die sie im Anhang aufführt. Briefe, Reden, Des Weiteren findet man hier eine Übersicht über die Generationen der Familie und nähere Informationen zu Orten und Personen der im Buch behandelten Zeitgeschichte.
Da ich in Hamburg wohne, habe ich die Informationen nur so in mich aufgesogen. Natürlich kann man nicht alles vertiefen und verinnerlichen. Aber das Buch ist mehr als ein guter Anfang, um sich mit der Geschichte seiner Stadt zu befassen. Zudem kann man es immer wieder nachlesen, was man vergessen hat. Ich war und bin total überrascht von den vielen Namen um mich herum – und sie kommen alle in diesem Buch vor: Carl Petersen, die Familie Sieveking, Caspar Vogt, Georg Friedrich Vorwerk, Gottfried Semper, Heinrich Merck. Aber auch die politischen Entwicklung und die der Kaufmänner in Hamburg haben mich in ihren Bann gezogen. So ziemlich jeder in meinem Umfeld darf sich ständig Informationen aus meiner neuen Errungenschaft anhören. Ich habe schon einiges nachrecherchiert, z. B. den großen Brand im Jahre 1842 in Hamburg. Ich hatte großes Interesse daran, die Straßenzüge nachzuvollziehen, die dabei zerstört worden sind. Oder auch die neue Architektur, die daraufhin in Hamburg angewendet worden ist. Wunderbar finde ich die Informationen über die Parkanlagen an der Elbe, die es nicht gäbe, hätten die feinen Herrschaften, die dort wohnten, diese nicht angelegt. Wie oft ich dort schon spazieren war! Oder etwa das Jenisch-Haus… Auch wenn der Name des Kaufmanns Godeffroy in der Hamburger Wirtschaft totgeschwiegen wird, hat die Familie doch einiges hinterlassen. So auch das „Hansen-Haus“ an der Elbchaussee, welches heute noch steht und den Hirschpark, der wie auch der Jenischpark für Besucher zugelassen ist.
Einzig schade finde ich, dass die 33 Bilder, die das Buch enthält nicht die Familie selbst zeigen, sondern die Schiffe. Schön sind die Bilder der Häuser und Elbansichten. Wer hier mehr sucht, wird aber im Internet fündig.
Also wer sich mit der Geschichte Hamburgs auseinander setzen möchte, dem kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.06.2012
Ohne Miese durch die Krise
Meyer, Chin

Ohne Miese durch die Krise


gut

Autor ist Chin Meyer alias Siegmund von Treiber – ich hatte noch nie vorher von ihm gehört, obwohl er schon lange auf den deutschen Kabarett-Bühnen unterwegs ist. Für seine Figur Siegmund von Treiber hat Meyer jahrelang recherchiert und konnte dank zahlloser Experten wertvolle Einblicke in die Steuer- und Finanzwelt gewinnen. In Berlin lebend tritt Chin Meyer auf Kabarett-Bühnen sowie im Fernsehen auf. Er hat bereits mehrere Kleinkunstpreise gewonnen und schreibt regelmäßig für den „Berliner Kurier“ und „Super-Illu“.

Nunmehr lässt Chin Meyer sein Alter Ego Siegmund von Treiber das Buch „Ohne Miese in die Krise“ schreiben und der Leser ist live dabei. Treiber wurde von seinem Chef nach mehreren Verfehlungen in das unterste Geschoss der Finanzbehörde verbannt, wo er Akten archivieren soll. Dabei kommen ihm so einige Gedanken und Ideen. Da er nicht mehr praktisch und aktiv arbeiten darf, schreibt er seine Finanztipps auf. Und nicht nur das. Der Leser erhält nebenbei noch Mantras und soll Yoga-Übungen für jedes Thema absolvieren. Zu jeder Übung gibt’s auch ein Foto, damit auch jeder versteht, was gemeint ist.

Allerdings sind die Yoga-Übungen nicht wirklich Yoga-Übungen und die Finanztipps keine wirklichen Finanztipps. Naja, irgendwo schon, es sollte jeder für sich entscheiden, ob er die Tipps ernst nimmt oder einfach als satirische Verpackung ansieht. Außen als Tagebuch getarnt ist das Buch neben den täglichen Eintragungen innen in 26 Kapitel unterteilt. Die Kapitel tragen die Titel des behandelten Themas, so z. B.: „Wie man ohne Miese eine Frau aufreißt“ oder „wie man ohne Miese Schuhe kauft und seiner Frau die Börse erklärt“. In den einzelnen Kapiteln spart Meyer nicht mit Thesen und Provokationen gegen Politik und Wirtschaft. So bezeichnet er Banker wie Josef Ackermann als „Hypotheken-Junkies“ macht sich darüber lustig, dass „Nebeneinkünfte“ Merz und „Nerz-Lizzy“ Maria-Elisabeth Schaeffler Teile des „Frankfurter Zukunftsrats“ sind und die Gier nach Geld eindämmen sollen, wobei sie selbst ihre eigene nicht im Griff haben. Der Leser wird auf alles vorbereitet - vor allem darauf, wie man mit der nötigen mentalen und körperlichen Einstellung und auch Stellung zu Wohlstand, Freundschaft und tollem Sex kommt - oder das Wichtigste von allem - wie man die Kaffeemaschine wieder zum Laufen bringt.
Zunächst ein Lesevergnügen durch provokative Aussagen langweilt mich das Thema des Buches sehr schnell. Liegt vielleicht daran, dass ich zwar was mit politischer Satire anfangen kann, aber mich nicht wirklich interessiert, dass man für tote Esel einen ermäßigten Steuersatz zahlt, für lebende aber der volle Satz angesetzt wird. Sicherlich interessante Tatsachen, die aberwitzig verpackt sind – aber dennoch konnte mich das Buch nicht begeistern und schon gar nicht fesseln. Eher hab ich mich durch die 224 Seiten gequält. Vor allem die kaputte Kaffeemaschine wird definitiv zu oft erwähnt.

Wieder ein Buch, zu dem ich sagen muss, dass ich das Lesevergnügen der anderen nicht teilen kann und die Genialität wieder an mir vorbeigegangen ist. Vielleicht bin ich für Intellektuelles einfach grad nicht geschaffen…

Bewertung vom 03.06.2012
Blutstein / Jahreszeiten Quartett Bd.3
Theorin, Johan

Blutstein / Jahreszeiten Quartett Bd.3


gut

Schon auf der ersten Seite geht es so hoch her, dass ich dachte, eher einen Thriller als Kriminalroman erwischt zu haben. Jemand wurde angezündet – am lebendigen Leibe. Doch die folgenden Seiten sind voll mit Familienleben in verschiedenster Weise. Sehr sanft wird der Leser an die Geschichte herangeführt. Die Sorge um Nillas Krankheit, die Verrücktheiten von Pers Vater. Die Tagebuchgeschichten von Gerlof‘s Frau. Die Elfen- und Trollgeschichten aus Vendelas Kindheit und ihre Ehe. Doch ich blieb am Ball, was auch nicht schwer war, denn der Autor schreibt flüssig, und hält sich nicht lange mit Beschreibungen auf, die die Geschichte langatmig werden lassen. Ein wenig nerven die Trolle und Elfen, da ich nicht an so etwas glaube und es für mich einfach unrealistisch ist. So recht einlassen konnte ich mich auf diese Szenen nicht. Da muss es doch logische Erklärungen für geben, oder meint der Autor das im Ernst? Die Kindheit von Vendela hingegen fasziniert und macht neugierig auf mehr. Meine Gier nach schlimmen Geschichten macht sich bemerkbar. Aber wie geht es mit dem Kriminalfall voran? Auf etwas unglaubwürdige Weise lässt die Polizei es trotz einzelner Ermahnungen zu, dass Per selbst ermittelt, was es mit der Vergangenheit seines Vaters auf sich hat. Auch nach dem Anschlag auf seinen Vater lässt er nicht davon ab weiter zu machen. Die Elfengeschichten nerven immer mehr und nun scheint noch ein öde Liebesgeschichte hinzuzukommen, ich warte darauf, dass endlich mehr passiert. Und tatsächlich lässt der Autor sich dann auch nicht mehr lange bitten, und löst die vielen Rätsel auf.
Auch wenn der Beginn und das Ende des Buches sehr aufregend sind und ich den Eindruck hatte, dass es heftig werden würde, heißt das nicht, dass ich mich während dessen gelangweilt habe. Irgendwie hat der Autor es geschafft, die Figuren und Informationen so zu platzieren, dass es nicht langweilig wird. Auch wenn die Elfen nerven, ist eine Atmosphäre vorhanden, die den Leser durch die Seiten zieht und die Stimmung nicht sinken lässt.
Der Roman unterhält auf sanfte Weise. Der Leser wird nicht mit unrealistischen Dingen ala Stephen King. konfrontiert. Die Fantasien von Vendela über Elfen und Trolle sind romantisch – auch wenn ich dafür nicht zu haben bin – und unterstützen viele Rätsel des Buches.
Zwei Stränge ziehen den roten Faden durch den Roman: die Kindheit und Familie von Vendela und die Gegenwart von Pers Familiengeschichte und deren aktueller Ereignisse.
Die Auflösung ist nicht unglaubwürdig, sondern hilft, den Glauben an den Ernst des Autors wieder zu finden. Allerdings ist der Auslöser alles Bösen nicht sehr originell. Das könnt Ihr aber selbst beurteilen. Die Themenwahl hat mir gut gefallen – nicht jeder hat Lust, sich mit dem Pornogeschäft und dessen Gefahren auseinander zu setzen. Und es eignet sich natürlich gut als Grundlage für einen Kriminalfall.

Es gibt zwar sogar zwei Familiengeheimnisse, und eines ist auch erschütternd. Aber von dunkler mythischer Insel kann hier nicht die Rede sein. Als psychologische Hochspannung kann ich nur die erste und die letzten Seiten bezeichnen. Es ist kein Roman, den ich nie wieder vergessen werde oder der vor Genialität nur so strotzt. Aber eine unterhaltsame Lektüre ist es allemal – wenn auch nicht finster genug - aber wenn man nach ein paar Seiten in Ruhe einschlafen kann, ist das ja nicht verkehrt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.06.2012
Bad Banker
Will, Markus A.

Bad Banker


sehr gut

Banken, Banker, Journalisten, ein Toter – das sind die Darsteller dieses Romans. Es gibt sympathische Figuren und die Bösen. Es gibt die Gierigen und die, die das Beste für das Unternehmen wollen. Und es gibt viel Bankwissen zu verstehen. Über drei Jahre wird das Bankenleben beschrieben inklusive vieler Informationen über Zertifikate, Derivate, Risikoberechnungen und Verwicklungen, Hintergründe und Zusammenhänge. Die Gier hat die Banker erfasst, um wirkliches Geld der Wirtschaft geht es nicht mehr. „Die Banken sind die Wirtschaft“, so Mitch Lehmann, eine der Hauptfiguren. Die Banker handeln mehr untereinander als für/mit den Anlegern. Gelder werden aus der Bilanz der Bank genommen und in Zweckgesellschaften gepackt, damit sie nicht nachvollzogen werden können. Es werden Sicherheiten vorgegaukelt, die keine sind. Der Bankkunde wird zerstückelt in Kreditkarten, Immobilienkredite und Versicherungen. Normalerweise kann man Risiken „berechnen“ – doch die Risiken, die die Figuren in Wills Roman eingehen, sind unberechenbar und als die Bombe kurz vor dem Platzen ist, gibt es kein Zurück mehr.
Gott sei Dank handelt nicht das ganze Buch nur von bankinternem Wissen. Es gibt auch Zwischenmenschliches, Liebe, Hass, Gier, Bewunderung, Familie, Eifersucht, Neid. Die Figuren werden gut in das Geschehen eingewoben. Es gibt die junge Journalistin Carla Bell, die das Bankwesen erforscht, Ihren Chef Simon Trent, der ein Knotenpunkt des Romans ist durch seine vielen Beziehungen. Mitch Lehmann ist der Banker, der andere für sich arbeiten lässt und dabei abkassiert – seine Rakete und bestes Pferd im Stall ist Isabella Davis, natürlich nur, bis alles beginnt zu schwanken. Carl Bensien ist die väterliche Figur, der die Aufgabe hat, das Risiko zu kontrollieren und zu minimieren. Sein Chef Donald Kramer (späterer Toter) ist jedoch gierig geworden und segnet teilweise ab, was Lehmann und Davis fabrizieren, ohne zu wissen, welche Steine Davis dabei ins Rollen bringt. Am Rande der Bank gibt es Familienkrisen und –verwicklungen aller Figuren – Gott sei Dank nicht ineinander – die das trockene Bankleben auflockern und einige Möglichkeiten bieten, dem Geschehen mehr Spannung zu verleihen. Der Selbstmord Bells Mutter, der Absturz der Privatbank der Familie Bensien und deren Familienfehden, die Vergangenheit von Mitch Lehmann. Alles Geheimnisse, die es in dem Roman neben der Finanzkrise zu entdecken gilt.Das Verstehen der Hintergründe ist am schwierigsten an dem Roman. Die ersten hundert Seiten sind die schlimmsten – dann kommt man langsam rein und nach vierhundert Seiten hat man es drauf. Nach vierhundert Seiten ist auch der Tote von Beginn des Romans vergessen, taucht natürlich am Ende wieder auf. Das angehäufte Wissen reicht natürlich nicht aus, um als Trader in einer Bank anzufangen (oder man wäre dann zumindest ein berechenbar hohes Risiko), doch versteht man dann, wovon die Rede ist und weiß vermutlich mehr als jemals zuvor über Bankenrisiken und –verwicklungen. Ich blauäugiges naives Wesen bin jedenfalls total überrascht worden von dem eigentlich großen Ganzen, wovon der kleine Kreditmensch überhaupt keine Ahnung hat. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass ich jemals eine Ahnung davon bekommen könnte, was in Deutschland und anderswo passiert ist, als man plötzlich überall von Betrug gesprochen hat. Des Weiteren habe ich gelernt, welche Zusammenhänge und Auswirkungen verschiedene Verwicklungen haben. Ich bin ja ein Mensch, dem man immer alles aufmalen und drei- und viermal erklären muss – und dann macht es durch ein praktisches Beispiel „Klick“ – so erging es mir in diesem Buch mehrmals.Die ganzen englischen Begrifflichkeiten werde ich wieder vergessen bzw. verdrängen, aber ich habe ein besseres Verständnis für die Vorgänge in einer Bank erhalten, ohne ein Sachbuch darüber in die Hand genommen oder auch nur das Gefühl zu haben, dass ich eines gelesen habe. Teilweise sind die Seiten tatsächlich überladen und das Thema ist auch sehr komplex.

Bewertung vom 03.06.2012
Als der Tag begann
Murray, Liz

Als der Tag begann


ausgezeichnet

In Amerika würde man sagen: Vom Tellerwäscher zum Millionär. Wobei in dieser Geschichte die Probleme nicht in der Armut stecken sondern in der Drogensucht der Eltern, die es nicht möglich machte, der Hauptprotagonistin des Buches eine normale Kindheit zu verschaffen.
Liz Murray erzählt ihre Lebensgeschichte. Sie ist die Tochter drogensüchtiger und später auch Aidskranker Eltern. Ihre Schwester entscheidet sich schon früh, sich um sich selbst zu kümmern und mit der Schule weiterzukommen, um diesem Leben zu entkommen. Liz hingegen ist besorgt um ihre Eltern und hat keine Zeit für die Schule, da sie ihren Eltern helfen muss, durch den Tag zu kommen. Wenn es den Eltern schlecht geht, fühlt sie sich verantwortlich. Sie bleibt stets solange auf, bis beide wieder zu Hause sind. Völlig selbstvergessen gibt sie sich für alles Schlechte die Schuld, nicht nur für die Drogensucht, sondern auch die spätere Krankheit der Eltern. Mutter und Vater verbrauchen stets den Großteil des vom Sozialamt zur Verfügung stehenden Geldes für Drogen, so dass meist nicht mehr zu Essen da ist, als Eier. Selbst die Termine, an denen ihre Kinder kostenloses Essen bekommen könnte, verpasst die Mutter meist, da sie ihren Rausch ausschläft. Mühevoll versuchen die Kinder, ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Liz geht zum Beispiel Einkaufstüten packen, doch auch von diesem Geld nehmen die Eltern. Die Zustände in der Wohnung sind ekelerregend, wenn man nur darüber liest, allein schon das Bad, in das niemand mehr hineingeht, weil der Abfluss verstopft ist und sich niemand drum kümmert.

Ich will hier gar nicht das gesamte Elend der Kindheit beschreiben, sondern möchte eher deutlich machen, welcher psychische Druck in dieser Kindheit herrschte. Wie kann sich ein Kind für die Eltern verantwortlich fühlen? Wie können Eltern so etwas zulassen? Liz Murray schafft es auf grandiose Weise die Herbeiführung des Gefühls und ihre große Liebe zu den Eltern zu beschreiben. Auch ihr weiterer Lebensweg, wie sie sich später für die Schule entscheidet und auch Hilfe bekommt, bis hin zu ihrem Stipendium für das College, ihre Zeit der Obdachlosigkeit – Verlust von Freunden, der Kampf mit sich selbst und die Entscheidungen für weitere Schritte, die jeden Morgen zu treffen waren.
Das Buch ist wirklich nichts für schwache Gemüter. Gerade vor dem Einschlafen kann ich es nicht empfehlen, da es doch manche Bilder im Kopf entstehen lässt. Man spürt die Kälte draußen auf der Parkbank, die Beklemmung des Annehmens von Hilfe, die Angst entdeckt oder abgelehnt zu werden – das Gefühl des Andersseins. Aber es ist absolut lesenswert und lässt einem bewusst seine eigenen Schwächen und Stärken bewusst werden. Es gibt Mut, ohne eine Anleitung für Selbsthilfe zu sein. Die Sprache ist lebendig und macht die Herkunft deutlich – die Einfachheit des Lebens. Doch eben das macht das Lesen leicht. Trockene Darlegung von Tatsachen ist hier unangebracht. In den Beschreibungen der ersten Kinderjahre spürt man deutlich die kindlichen Eindrücke – ich finde es eine große Leistung der Autorin, dass sie diese ihr aus ihrer Erwachsenensicht falsch erscheinenden Ansichten nicht ausgetauscht hat. Die knapp 480 Seiten sind nicht sehr klein geschrieben, so dass es ein kurzweiliges Vergnügen ist. Doch der Roman hallt lange nach. Die Eindrücke sind groß und ein Griff zum nächsten Buch war für mich in den nächsten Tagen nicht möglich.

„Egal, ob Obdachloser oder Unternehmer, Arzt oder Lehrer, egal, welche Vorgeschichte man hat – eine Sache trifft auf uns alle zu: Das Leben bekommt die Bedeutung, die man ihm gibt.“
Ein offenes, ehrliches, ergreifendes Buch, was den empfindsamen Leser unter Euch Tränen in die Augen treibt und dem ein oder anderen vielleicht Mut gibt.

Ich wünschte mehr Menschen hätten die Willenskraft der Autorin.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.06.2012
Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick
Hackl, Erich

Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick


sehr gut

Die Geschichte ist schnell erzählt, da der Autor eine direkte Art hat, orientiert sich an Tatsachen, versetzt mit eigenen Gedanken zu den Lücken oder Fragen, die beim Leser entstehen könnten. Dieser Tatsachenbericht einer Liebesgeschichte ist völlig anders, als alles, was ich bisher gelesen habe, gerade auch wohl, weil von einem Mann geschrieben. Ja, da sind sie wieder meine Vorurteile. Aber gerade mir als Frau geht es manchmal mächtig auf die Nerven, wenn weibliche Autoren alles umschreiben, statt mal auf den Punkt zu kommen. Das ist bei Hackl völlig anders. Die Sprache ist nüchtern, dennoch fehlt es ihm nicht an romantischen Gedanken und Eindrücken. Die wenigen Seiten umfassen 70 Jahre Leben, drei Lebensläufe – das ist nur möglich ohne Schnörkel. Eine Autorin hätte ohne Probleme aus dieser Geschichte 300 Seiten – ach was sag ich: 700 – entworfen, um die Leserinnen in Phantasien und romantischen Gefühlen schwelgen zu lassen. Doch das war nicht der Sinn dessen, diese wahre Begebenheit niederzuschreiben.

Es geht um Karl Sequens und seine Frau Herminia Roudière und ihre Liebesgeschichte, aus der die Tochter Rosa Mario hervorging. Ohne viel Aufheben zu machen berichtet der Autor die Tatsachen, die er aus schriftlichen Quellen und Berichten teilnehmender Personen gesammelt hat. Eine Liebesgeschichte aus dem Krieg, wie es wohl viele gegeben hat. Nach kurzer Kennenlernzeit heiraten der österreichische Spanienkämpfer und die französische Krankenschwester 1937 – der Krieg lässt dies zu und trägt auch Sorge dafür, dass ein richtiges Familienleben nie stattfinden kann. Die folgenden Seiten beschreiben die Wege der Liebenden ohneeinander mit den Gedanken stets bei dem anderen – jedoch ohne Wiederkehr einer gemeinsamen Zeit, das Leben auf der Flucht, ein Leben ohne Mann, Vater - Familie. Damit verrate ich nichts, denn das steht schon in anderer Form auf dem Buchrücken. Wie gesagt, ist es nicht Ziel der Seiten, romantische Hoffnungen aufkommen zu lassen, sondern das wahre Leben kleiner Leute zu erzählen. Eine Geschichte von vielen – was ich sehr begrüßt habe, da ich der Meinung bin, dass wenn auch das manchmal eher bedrückende und trostlose Leben mancher Menschen wichtiger zu erzählen wäre, als immer wieder die gleichen romantischen Schmachtbücher zu schreiben, deren Inhalt sich nur noch durch die Namen von Personen und Städten unterscheiden.
Das „Heft“ ist für mich eine gelungene Abwechslung. Für manche unter Euch sicherlich eine zu trocken dargelegte Story ohne Schmalz und Happy End.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

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