Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
westeraccum
Wohnort: 
Sauerland

Bewertungen

Insgesamt 201 Bewertungen
Bewertung vom 03.04.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


ausgezeichnet

Leider hatte ich das erste Buch von Trude Teige "Als Großmutter im Regen tanzte" nicht gelesen, aber ich kam gut in diesen Band hinein und man muss das erste Buch nicht gelesen haben.
Während es im Vorgängerband um die Geschichte von Tekla, der Großmutter der Erzählerin, geht, beschäftigt sich das neue Buch vor allem mit Konrad, dem Großvater.
Er war Seemann und sein Schiff wurde im 2. Weltkrieg im Indischen Ozean von den Japanern zerstört. Er überlebte nur knapp und kam dann in diverse Lager der Japaner auf der Insel Java. Dort lernte er die Krankenschwester Sigrid kennen und lieben, doch sie wurden getrennt und versuchten unter schwersten Umständen zu überleben. Für die Japaner zählten Menschenleben nicht, sie verhielten sich grausam und oft sehr brutal gegenüber den Europäern. Nicht alle überlebten diese schwierigen Umstände.
Das Buch ist hervorragend lesbar geschrieben, die Charaktere authentisch und man fühlt mit den Menschen. Manche Szenen sind schwer zu verkraften und gehen unter die Haut, manche sind aber auch sehr berührend. Teige schafft es, dass man mit fiebert und mit hofft, aber auch die Verzweiflung und Not der Menschen fühlt.
Dabei hält sich Teige ganz nah an die Vorgänge während des Krieges auf Java und sie hat erstklassig recherchiert. Auch wenn viele Vorfälle sehr bedrückend sind, so schimmert doch immer der Wert von Mitmenschlichkeit durch, die sich durch nichts beirren und unterdrücken lässt. Dadurch macht das Buch Hoffnung.
Es gibt eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 22.03.2024
Lichtjahre im Dunkel
Ani, Friedrich

Lichtjahre im Dunkel


sehr gut

Die Bücher von Friedrich Ani sind für mich immer Höhepunkte des Lesejahres, nur bei diesem Buch war es leider anders.
Schon der Aufdruck "Roman" auf dem Schutzumschlag weist darauf hin, dass es sich nicht um einen Krimi mit dem Privatermittler Tabor Süden handelt, den man aus vielen Büchern von Friedrich Ani kennt.
Als Leo Ahorn verschwindet, wartet seine Frau Viola ein paar Tage, bevor sie Süden einschaltet, um Leo suchen zu lassen. Doch Süden hat keinen Erfolg. Stattdessen wird Leos Leiche in einem Kofferraum entdeckt, Fariza Nasi (auch eine alte Bekannte) ermittelt. Süden verschwindet damit von der Bildfläche.
Das Buch liest sich sehr zäh, manchmal fielen mir wirklich die Augen zu. Verspricht der Anfang des Buches noch so etwas wie Spannung, dümpelt der Text später sehr langatmig vor sich hin und ich musste mich fast zwingen weiterzulesen.
Positiv sind wieder die wunderbaren Formulierungen, die sensible Herangehensweise und das tiefe Verständnis, das Ani für seine Figuren aufbringt. Er verurteilt nicht, er beobachtet und beschreibt sehr genau. Sätze wie "Ihr maßlos hilfloser Blick barmte ihn." findet man heute nicht mehr in Büchern, sie begeistern mich immer wieder. Ähnliche Formulierungen findet man oft und man muss sie eigentlich mehrfach lesen. Diese Qualität ist Anis großer Pluspunkt.
Leider hat mich das Buch insgesamt enttäuscht. Zu Anis unbestreitbarer schriftstellerischer Qualität findet sich in diesem Buch leider keine Geschichte, die mich erfreute. Wirklich schade!

Bewertung vom 18.03.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

Perceval Everett hat Mark Twains Geschichte von Tom Sawyer und Huckleberry Finn aus einer anderen Perspektive erzählt und die hat es in sich.
Der Sklave Jim spielt in dem Originalbuch nur eine Nebenrolle, hier wird er zur Hauptperson. Er kann lesen und schreiben, was für Sklaven streng verboten ist, er lehrt die Kinder heimlich die Hochsprache zu sprechen und nicht nur das verstümmelte "Nigger-Englisch", das die Weißen von den Sklaven erwarten. Als er verkauft und von seiner Familie getrennt werden soll, flieht er auf eine Insel im Mississippi und Huck Finn folgt ihm. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg in die Freiheit, aber der ist schwer zu finden.
Nachdem ich vor einigen Jahren das Buch "Underground Railroad" gelesen hatte, glaubte ich, dass mich nichts mehr erschüttern kann. Aber dieses Buch ging mir an die Nieren. Die Sklaven wurden in den Südstaaten der USA nicht wie Menschen behandelt, sie waren nichts als Kapital, das man nach Belieben und Laune foltern, verkaufen oder töten konnte. Diese Einstellung bemerkt man ja noch heute. So erlebt es auch James und er entkommt nur mühsam den Sklavenjägern. Das Buch ist erstklassig geschrieben und faszinierte mich von der ersten bis zur letzten Seite. Dabei hat es auch leichte und heitere Seiten.
Ein besonderes Lob verdient der Übersetzer Nikolaus Stingl, dem es gelang die Atmosphäre des Buches auch in deutscher Sprache zu vermitteln.
Manchmal ist das Buch sehr brutal, aber es ist unbedingt lesenswert.

Bewertung vom 18.03.2024
Der Lärm des Lebens
Hartmann, Jörg

Der Lärm des Lebens


ausgezeichnet

Ein echter Ruhri auf der Suche nach der weiten Welt - so könnte man das Buch des bekannten Schauspielers Jörg Hartmann zusammenfassen.
Aufgewachsen ist er in Herdecke am Südrand des Ruhrgebiets, dann zog es ihn zur Schauspielerei und er bewarb sich an verschiedenen Schauspielschulen, bevor er in Stuttgart angenommen wurde. Doch sein großer Traum war die Schaubühne in Berlin und mit fast kindlicher Naivität jagt er diesem Ziel nach.
Hartmann beschreibt das alles so witzig und eindrücklich, manchmal aber auch sensibel, dass mich das Buch von Anfang an fasziniert und begeistert hat. Erinnerungen an die Kindheit in den 1960er Jahren decken sich mit meinen eigenen Erfahrungen, dabei hört man die Menschen im Pott in ihrer direkten Art sprechen und taucht tief in ihr Leben ein. Aber auch die weite Welt hat ihre Reize und Probleme und der junge Jörg muss sich ihnen stellen.
Das Buch ist eine Zeitreise in die Vergangenheit und dabei wirklich gut geschrieben und sehr gut lesbar. Und dazu auch noch amüsant!

Bewertung vom 18.03.2024
Die Entflammten
Meier, Simone

Die Entflammten


sehr gut

Es ist das Verdienst von Simone Meier, die mir und vielen anderen Leserinnen und Lesern sicher bisher unbekannte Jo van Gogh-Bonger mit diesem Buch ins Rampenlicht geholt zu haben.

Vielleicht würde heute niemand mehr Vincent van Gogh kennen, hätte diese Frau nicht nach seinem Tod dafür gekämpft seine Bilder an Museen und Sammlungen zu verkaufen und Vincent damit einem großen Kreis bekannt zu machen.

Schon das Titelbild stelllt die Beziehung zu dem großem Künstler her, seine Sonnenblumen sind unverkennbar. Allerdings erfordert das Buch einige Konzentration, denn zwei Frauen stehen im Mittelpunkt der Geschichte, neben Jo ist es die Kunsthistorikerin Gina, die eine Arbeit über Jo schreiben will. Unvermittelt wechselt Meier zwischen den beiden Frauen und auch das fast vollständige Fehlen von wörtlicher Rede macht das Buch nicht einfach zu lesen. Es spricht eher die Sachebene an als die Emotionen, darauf muss man sich einstellen und es weißt auch auf Meiers Herkunft aus dem Journalismus hin.

Jo Bonger lernt Theo van Gogh durch seine Schwester kennen und heiratet ihn, aber zugleich "heiratet" sie auch Theos Bruder Vincent, der im Grunde eine verkrachte Existenz ist. Er malt wie im Wahn, schneidet sich irgendwann ein Ohr ab und landet im Irrenhaus. Theo hilft ihm, wo er kann, finanziell, emotional, im Grunde ist es eine Ehe zu dritt. Tragischerweise stirbt Theo nur ein Jahr nach Vincent und Jo muss sich und den kleinen Sohn allein durchbringen. Dabei helfen ihr die Bilder, die sie geschickt an Museen und Kunsthändler verkauft. Sie wird eine wohlhabende Frau, aber privat scheitert ihre zweite Ehe und sie wird nie wieder so glücklich wie mit Theo.

Mir hat es beim Lesen des Buches geholfen, dass ich viel über Vincent van Gogh wusste und auch schon einige der Orte besucht habe, an denen er gelebt hat. Dadurch konnte ich alles gut einordnen und der sachliche Stil, der in anderen Rezensionen beklagt wurde, hat mich nicht gestört. Für mich gab das Buch viel Hintergrundwissen, das ich sehr spannend fand.

Insgesamt fand ich das Buch gut, es entsprach meinen Erwartungen und ich vergebe vier Sterne.

Bewertung vom 07.03.2024
Wir werden jung sein
Leo, Maxim

Wir werden jung sein


ausgezeichnet

Wie wäre es, plötzlich wieder acht Jahre jünger zu sein? Diese Erfahrung machen die vier Probanden einer Medikamentenstudie der Berliner Charité, die an Herzproblemen leiden und deren Leben nicht mehr wirklich lebenswert ist. Der sechzehnjährige Jakob wird wieder zum achtjährigen Kind und bekommt Probleme mit seiner Freundin. Die Lehrerin Jenny wird plötzlich schwanger, obwohl sie längs die Hoffnung aufgegeben hatte. Die Schwimmerin Verena bricht alle Rekorde und der alte Immobilienmakler Wenger verspürt zum Leidwesen seiner Kinder plötzlich wieder neuen Elan.
Als die Wirkung des Medikaments ans Licht der Öffentlichkeit gelangt, werden natürlich gleich Begehrlichkeiten geweckt. Darf man das? Welche ethischen Probleme kommen auf die Menschheit zu?
Maxim Leo hat ein lesenswertes Buch zu einem heißen Thema geschrieben. Es ist spannend, manchmal lustig und oft genug tragisch. Es regt zum Nachdenken an und zeigt, dass alles viel schwieriger wird, wenn der Mensch in die Natur eingreift. Der Traum der Menschheit von ewiger Jugend sollte also lieber ein Traum bleiben.

Bewertung vom 08.02.2024
Die Königin
Conrad, Sebastian

Die Königin


sehr gut

Nofretete - allein bei diesem Wort hat man gleich das Bild der wunderschönen ägyptischen Königin in ihrem Glasschrein vor Augen. Sie ist eine Symbol - für was denn eigentlich? Schönheit? Feminismus? Kolonialismus? Kulturelle Aneignung?
Das alles spielt mit bei der präzisen Analyse des Mythos, den Sebastian Conrad in diesem Buch zu ergründen versucht. Dabei geht er aus von der Entdeckung der Büste durch Heinrich Borchardt in Tell el Amarna im Jahr 1912 bis hin zu modernen Adaptionen wie der von der Sängerin Beyoncé.
Mit akribischer Recherchearbeit und einem profunden Wissen um die Zusammenhänge begleitet uns Conrad durch die mehr als hundert Jahre von Nofretetes neuer Geschichte.
Das Buch ist ein Sachbuch auf wissenschaftlicher Grundlage, kein Roman, und deshalb auch teilweise etwas anspruchsvoll zu lesen. Auch der umfangreiche Anhang verweist auf den wissenschaftlichen Charakter. Trotzdem fand ich es spannend und es hat mir neue Zusammenhänge vor Augen geführt, die ich bisher noch nicht im Fokus hatte.
Hervorzuheben ist auch das sehr gelungene Cover, das Nofretete zwar modern, aber auch sofort erkennbar präsentiert.
Ein lesenswertes Buch!

Bewertung vom 24.01.2024
Die Hoffnung der Chani Kaufman
Harris, Eve

Die Hoffnung der Chani Kaufman


ausgezeichnet

Das ist mal wieder so ein Buch, das man kaum aus der Hand legen kann.
Ich hatte schon vor einigen Jahren "Die Hochzeit der Chani Kaufman" gelesen und so kannte ich die meisten der handelnden Personen des Buches schon. Nun entwickeln sie sich weiter in unterschiedliche Richtungen und es gibt einige überraschende Entwicklungen in der streng orthodoxen jüdischen Gemeinde in London. Und auch in Israel ändert sich etwas.
Chani Kaufman hat in dem ersten Buch ihren geliebten Baruch Levy geheiratet, lebt mit ihm in Jerusalem und wartet nun auf den Kindersegen, doch es tut sich nichts. Verzweifelt wendet sich das Paar an die wohlhabenden (Schwieger-)Eltern, die sich bereit erklären Untersuchungen in einer Fruchtbarkeitsklinik in London zu finanzieren. Mrs. Levy hat allerdings böse Hintergedanken und möchte die ungeliebte Schwiegertochter gern gegen eine "passende" Frau für Baruch austauschen. Zur selben Zeit hat sich Rivka Zilberman aus der frommen Gemeinde verabschiedet, sie lebt allein und ist hin und her gerissen zwischen ihrem Freiheitsdrang und der Sehnsucht nach ihren Kindern.
In diesem Buch taucht man tief ein in den Alltag orthodoxer Juden ein. Man erfährt viel über die zahlreichen strengen Vorschriften, denen sich die Menschen unterwerfen müssen, um HaSchem zu genügen. Bald stellt sich aber heraus, dass alle diese Vorschriften von Männern gemacht sind und nicht unbedingt im Sinne Gottes. Vor allem die Frauen haben darunter zu leiden.
Besonders habe ich Rivka bewundert, die ihren eigenen Weg sucht und sich vielen Problemen stellen muss, seit sie die Gemeinschaft verlassen hat. Dagegen bleibt Chani etwas blass, sie gehorcht den Vorschriften bis auf einen einzigen Punkt und macht sich viele Sorgen, dass sie den Ansprüchen der strengen Umgebung nicht genügen kann.
Das Buch ist sehr intensiv und als "Goj" kann man kaum nachvollziehen, welchen Vorschriften man sich in der strengen jüdischen Gemeinde unterwirft. Trotzdem ist das Buch nie voyeuristisch, sondern es weckt Verständnis und Mitgefühl für die Frauen, die in diesem Buch die Hauptrolle spielen.
Ich finde das Buch unbedingt lesenswert. Hilfreich ist es allerdings, wenn man auch den ersten Band kennt.

Bewertung vom 13.01.2024
Pilgrim / Oxen Bd.6
Jensen, Jens Henrik

Pilgrim / Oxen Bd.6


ausgezeichnet

Der sechste und vermutlich letzte Band der Oxen-Reihe "Pilgrim" von Jens Henrik Jensen löst endlich alle Fragen auf, die sich aus den vorigen Bänden ergaben, besonders zu dem vorigen Band, "Noctis". Deshalb empfiehlt es sich zumindest Band 5 vorher zu lesen, denn ohne das Hintergrundwissen wird es schwer, die Handlung richtig zu verstehen.
Oxen ist nach seiner Befreiung aus dem Keller auf Wanderschaft gegangen, entlang des Heerweges von Nordjütland bis nach Norddeutschland. Manchmal hat ihn sein Sohn Magnus begleitet und sie sind sich näher gekommen. Durch das eintönige Gehen verarbeitet Oxen die schlimmen Erlebnisse, doch die Sorgen lassen sich nicht ganz verdrängen. Sein ehemaliger Chef Mossmann braucht Hilfe und zusammen mit Margrethe Franck und Sally Finsen zögert er nicht lange.
In diesem Buch steht nicht so sehr Oxen im Mittelpunkt, sondern das ganze Team rund um Mossmann. Das macht das Buch zwar etwas verwirrender, aber auch sehr spannend von der ersten bis zur letzten Seite.
Jensen schreibt differenziert und sehr gut lesbar, immer wieder ergeben sich neue und überraschende Wendungen. Die Personen sind in ihrer ganzen Zwiespältigkeit und Zerrissenheit sehr gut geschildert.
Ein unbedingt lesenswertes Buch!

Bewertung vom 06.01.2024
Healthy Habits
Zöllner, Fionna

Healthy Habits


sehr gut

Wer möchte nicht zum neuen Jahr hin schlanker und schöner werden? Die Zeitschriften sind voll von Diätvorschlägen für jede Geschmacksrichtung, aber meist funktionieren diese Blitzdiäten nicht, nach kurzer Zeit ist man schwerer als je zuvor.

Dieses Buch verfolgt einen anderen Ansatz. Das neudeutsche Modewort "Habits" im Titel hat mich zwar gestört, aber der Inhalt des Buches regt zum Nachdenken über das eigene Verhalten und über die Ernährungsgewohnheiten an. Mit sehr kleinen Schritten sollen neue Gewohnheiten fest etabliert werden, ungesunde Ernährung aus dem Leben weitgehend verschwinden und besseren Gewohnheiten Platz machen.

Fionna Zöllner beschreibt das sehr gut lesbar und nachvollziehbar. Es ist der erste Schritt zu mehr Gesundheit und einem besseren Leben, wenn man diese kleinen schritte geht.

Zwar richtet sich das Buch teilweise an Kochneulinge , besonders im zweiten Leseabschnitt, und es enthält eine Menge Tabellen und Vorlagen, aber das kann man locker überblättern und die Punkte für sich selbst auswählen, die relevant sind.

Ich habe mir jedenfalls zuerst einmal einige kleine Schritte vorgenommen, die einfach umzusetzen sind, um dann auch schwerwiegendere Probleme anzupacken.