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Das Böse kommt nachts. -Das Herz stirbt zuletzt.
Liseys berühmter Mann ist tot - und sein Nachlass weckt albtraumhafte Erinnerungen und Ahnungen in ihr, die bald grausame Gewissheit werden ... In Stephen Kings vielleicht dichtestem und persönlichstem Roman geht es um die Geheimsprache der Liebe und die Allgegenwart des Wahnsinns.
Lisey ist seit zwei Jahren Witwe. Bereits lange vor seinem Tod hat ihr Mann Scott Landon - ein hochangesehener Romanautor - für sie eine Spur mit Hinweisen ausgelegt, die sie nun immer tiefer in seine von Dämonen bevölkerte Vergangenheit führt. Stück für Stück
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Produktbeschreibung
Das Böse kommt nachts. -Das Herz stirbt zuletzt.

Liseys berühmter Mann ist tot - und sein Nachlass weckt albtraumhafte Erinnerungen und Ahnungen in ihr, die bald grausame Gewissheit werden ...
In Stephen Kings vielleicht dichtestem und persönlichstem Roman geht es um die Geheimsprache der Liebe und die Allgegenwart des Wahnsinns.

Lisey ist seit zwei Jahren Witwe. Bereits lange vor seinem Tod hat ihr Mann Scott Landon - ein hochangesehener Romanautor - für sie eine Spur mit Hinweisen ausgelegt, die sie nun immer tiefer in seine von Dämonen bevölkerte Vergangenheit führt. Stück für Stück werden sorgsam verdrängte Erinnerungen in ihr wach: an eine andere Welt, die sie einst mit Scott besucht hat, tagsüber ein märchenhaftes Paradies, während nachts überall das Böse lauert. Ob Scott dort auf sie wartet, damit sie ihn ins Leben zurückholt? Plötzlich tritt ein Verrückter auf den Plan, der sich Zack McCool nennt und es auf Scotts schriftstellerischen Nachlass abgesehen hat. Und um seine Forderungen zu bekräftigen, verletzt er Lisey auf bestialische Weise ...
Autorenporträt
Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen. Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.
Rezensionen
"Ein großer Wurf!" Spiegel

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2006

Angst und Nähe
Stephen Kings "Love" ist der anrührende Roman einer Ehe

Stephen und Tabitha King sind seit 1971 verheiratet - Kings Weltruhm als Autor scheint der Verbindung nichts anhaben zu können. Sein Roman "Love", der heute weltweit erscheint, setzt ihr nun ein Denkmal.

"Es ist eine Liebesgeschichte mit Monstern. Einige davon sind Menschen." Wenn ein alles andere als maulfauler Schriftsteller wie Stephen King eine Lesung unveröffentlichter Romanpassagen so wortkarg ankündigt, darf man sich auf einen Text gefaßt machen, an dem selbst für die Verhältnisse dieses notorisch arbeitswütigen Menschen außergewöhnlich ernsthaft gefeilt worden ist.

Als King im Juni letzten Jahres auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten des von seinem Freund John Irving und dessen Frau gegründeten "Maple Street School"-Projekts in Manchester, Vermont, nach dieser nüchternen Ankündigung aus "Lisey's Story" las, fiel Kennern im Publikum auf, daß da ein Tonfall wiedergefunden war, den man, was immer King als Schriftsteller seither sonst an Kunstfertigkeit und Reife dazugewonnen haben mochte, seit "The Shining" (1977) von ihm so nicht mehr hat erleben dürfen: dicht, vorsichtig, als ob jemand mit ruhiger Hand langsam ein Tuch von etwas wegzieht, von dem man nicht weiß, ob man bereit ist, es anzusehen oder gar zu berühren. "Zu wissen, daß es gleich nebenan eine weitere Welt gibt . . . und daß die Trennwand so dünn ist . . ."

"Lisey's Story", der Roman, der heute unter dem Titel "Love" auf deutsch bei Heyne erscheint, erzählt von Lisey, der Witwe des hochproduktiven, vielseitigen und sehr erfolgreichen Schriftstellers Scott Landon. Sie weiß, was sonst niemand ahnt: Seine Kindheit durchlitt Scott als Opfer eines Familienunheils, das unter anderem seinen geliebten älteren Bruder und den psychotischen Vater getötet hat. In manischen Schüben haben nahe Angehörige dem späteren Autor sowohl buchstäbliche wie seelische Verletzungen zugefügt, von denen er nie genesen ist. Er hat diese Wunden mit in die Ehe genommen: "Finanziell werden wir ein ziemlich reiches Ehepaar sein, glaube ich, aber emotional bleibe ich bestimmt mein Leben lang bettelarm. Ich habe eine Menge Geld zu erwarten, aber was den Rest betrifft, besitze ich so gerade eben genug für dich, und das werde ich nie durch Lügen beschmutzen oder verwässern."

Als Scott starb, hat er das, was ihn beschädigt und geschaffen hat, seiner Frau gleichsam vererbt; jetzt muß sie damit zurechtkommen, ebenso wie mit den Nachlaßjägern. Ein unberechenbarer Irrer macht das Anliegen eines blasierten Gelehrten - Scott Landons unveröffentlichte Arbeiten müssen seiner Witwe irgendwie entwunden werden - zu seiner heiligen Rächerpflicht. Der Rest ist Terror.

Die grellen Schrecken, die daraus folgen, schildert King aus der Sicht der Frau, die man gleichwohl nicht "Opfer" nennen kann. Denn ihr Kampf mit dem mal gestaltlosen, mal in banalsten Alltagsgegenständen und -erfahrungen punktförmig aufglühenden Schmerz, aber auch ihr Trotz und ihr Mut, kurz: der ganze Resonanzreichtum dieser Figur läßt sich nicht unters Regiment eines polizeilichen und moralischen Begriffs zwingen, der ihr die bloße passive Rolle eines Objekts von Furcht und Mitleid zuweist.

Lisey wehrt sich, gegen das Greifbare und das Unbegriffliche. Dabei helfen ihr die Lebenden - vor allem ihre Schwestern - und die Toten. Daß letztere in dieser Lage manchmal mehr ausrichten als erstere, verrät viel von Kings Wissen darüber, wie Trauer entsteht - und über das, was sie überwindet.

Scott Landon ist nicht Stephen King, auch wenn die literarischen Vorlieben, Auszeichnungen und sonstigen Lebensumstände der beiden einander in vielem berühren, ja sich decken. Lisa "Lisey" Landon, geborene Debusher, ist nicht Tabitha "Tabby" King, geborene Spruce, auch wenn ihre seinerzeit breit publizierte gefährliche Begegnung mit einem durchgeknallten Bewunderer ihres Mannes im gemeinsamen Haus 1991 bis ins Detail der Bedrohungskonstellation von "Love" entspricht.

Die echten und die erfundenen Menschen sind also nicht identisch - das ist Grundschülerwissen über Literatur. Aber ebenso sicher ist die Wahrhaftigkeit dieses Romans, das Anrührende und Zärtliche, was darin über die harte Arbeit zu lesen steht, die es bedeutet, eine Liebe als Kraftzentrum, Widerstandsnest, Katastrophenschauplatz, Haus der wechselseitigen Heilung, Herausforderung und Belohnung über viele Jahre am Leben zu halten, von King wirklich erfahren worden: an der Seite seiner Frau. Das zeigt nicht nur die Widmung - "für Tabby" -, sondern auch der schlichte Tatbestand, daß dieser Multimillionär seit 1971 alle seine beispiellosen Erfolge, die Erziehung dreier Kinder, die Überwindung einer Drogenkrise und eines lebensbedrohlichen Unfalls mir ihr zusammen erlebt hat.

Um künstlerisch zu gestalten, was dieser erstaunliche Tatbestand bedeutet, hat King seinen bildschöpferischen Vorrat und seinen Sprachwitz in "Love" so freigiebig verfeuert wie selten. Ob da, in Kinderperspektive, Blut im Mund "wie das Innere eines Sparschweins" schmeckt, nämlich kupfern, ob die nahtlose Überblendung mehrerer Zeitebenen die cinematische Unmittelbarkeit des Kingschen Stils von der elegantesten Seite zeigt oder Popmusik und phantastische Literatur Zitate für eine dezent, aber eben deshalb ungeheuer effektiv gestreute Leitmotivik liefern - der Roman zeigt den Autor durchgängig so sehr auf der Höhe seines Könnens, daß sich die "New York Times" gar an James Joyce erinnert fühlte.

Da greift sie freilich nicht sosehr zu hoch als vielmehr daneben - die passendere Referenz wäre wohl Alfred Bester gewesen, der große Trickster unter den Science-fiction-Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts. Wenn in "Love" das Brüllende und Mordlüsterne, das aus Besessenen faucht, vokalmalend als "bad-gunky" vorkommt - von Wulf Bergners Übersetzung sehr schön mit "Bösmülligkeit" wiedergegeben -, dann denken Leute, die mit denselben Büchern aufgewachsen sind wie King, eben nicht an Leopold Bloom und Tim Finnegan, sondern an Besters Sprachfeuerwerke in "Der brennende Mann" (in "Love" von Scott Landon zitiert) oder "Demolition". King kann, was er zu sagen hat, nun mal am besten und triftigsten im Idiom der Phantastik sagen - gut, daß er die erschöpfte Ankündigung, nach Vollendung des "Dark Tower"-Zyklus 2004 vom Romanhandwerk Abstand zu nehmen, nicht wahr gemacht hat.

Daß die beiden wichtigsten Bücher in den phantastischen Genres im Jahr 2006, Mark Z. Danielewskis "Only Revolutions", die Geschichte zweier sechzehnjähriger Liebender unter einem Unstern auf der Flucht durch die Zeit, und Kings "Love", von Paaren und deren mythischem Format handeln, verrät eine Grundtatsache über die unwirklichen Künste: Sie waren von frühesten Dichtungen an Austragungsorte von Veränderungen, die sich persönlich anfühlen, aber wesentlich historischen Charakter haben.

Ehen und Familien zum Beispiel: Sie sind zwar einerseits etwas, in das man hineingeboren wird, samt dem "Gewicht der toten Geschlechter" (Marx), das daran hängt; aber sie sind andererseits auch etwas, das man gründen kann, um die Welt, in die man hineingeboren wird, zu verlassen oder zu verändern. An dieser Grenzscheide zwischen "immer schon" und "von uns erst zu erschaffen" entsteht Phantastik. Dort spielt alles, was King schreibt.

DIETMAR DATH

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2006

Ein Faden im Netz der Liebe
Aufgegeben hatte man ihn ja ohnehin nie: Mit „Love” hat Stephen King jenseits von Horror und Fantasy seinen seit langem besten Roman geschrieben Von Burkhard Müller
Stephen King hat eine Muse, die küsst wie ein MG. Zweitausend neue Druckseiten pro Jahr können als Schnitt gelten, und das seit mehr als dreißig Jahren, und was ein Writer’s Block ist, weiß King offenbar gar nicht. Kings Schreiben scheint sich in den ruhigen, vegetativ gesicherten Rhythmen einer Stoffwechselfunktion zu vollziehen. Er selbst sagt dazu – er selbst oder, wieder einmal, eines seiner Alter Egos, ein Romanheld, der als Schriftsteller im dünnbesiedelten nordöstlichen Bundesstaat Maine zu Hause und mit ebensolcher Emsigkeit am Werk ist wie der, der ihn erschaffen hat: „Er hatte behauptet, wenn er ein Buch schreibe, nehme er einen im Gras liegenden leuchtend bunten Faden auf und folge ihm, um zu sehen, wohin er führe. Manchmal riss der Faden, sodass man mit leeren Händen dastand. Aber manchmal – wenn man Glück hatte, wenn man kühn war, wenn man nicht lockerließ – führte er einen zu einem Schatz.”
Der bunte Faden im Gras, der einlädt, ihm zu folgen, ist ein schönes Bild für das Gefundenhaben schon im Suchen, für die Neugier sozusagen auf sich selbst, durch keine Routine je abgeschwächt: So schreibt King, vom Geschenk dieses langen Atems leben seine Bücher, und lebt auch dieses letzte wieder, das den schlichten monumentalen Titel führt: „Love”.
Der Dauerleser, jener „Constant Reader”, den Stephen King als sein wahres Publikum im Blick hat, wie er auf langen Flügen oder nachts auf dem Korridor eines Krankenhauses gierig und doch geduldig die Seiten wendet, wird die meisten der Figuren, die hier auftauchen, aus früheren Büchern wiedererkennen: das kaum verhohlene Selbstporträt natürlich; die bisher behütet lebende Frau mittleren Alters, die in einer Notlage plötzlich Mumm entwickelt; die liebenswerten Tolpatsche von der Landpolizei, die völlig nutzlos sind, sobald es drauf ankommt. Ja, und es gibt natürlich auch wieder das Shining, das starke besondere Band, das zwei Personen, wenn sie sich wirklich nahe sind, befähigt, zusammen in ein wunderbares schauerliches Märchenland zu reisen.
Lisey, um die fünfzig, ist die Witwe des Schriftstellers Scott Landon, der nicht nur exorbitant erfolgreich war, sondern auch (und hier spürt man den leisen Sehnsuchtsschmerz des Autors King) den Pulitzer-Preis und andere hochliterarische Auszeichnungen bekommen hat. Seit zwei Jahren kann sie sich nicht dazu entschließen, den Nachlass in Angriff zu nehmen, und sieht sich mit der wachsenden Begehrlichkeit der Anglisten und der Fans konfrontiert, die nicht davor zurückscheuen, sie mit Yoko Ono zu vergleichen. Während sich jedoch die erste Gruppe auf die anmaßende Belästigung beschränkt, erwächst aus der zweiten – der Dauerleser ahnt es – der ominöse „Deep Space Cowboy”, der einem mit seiner leisen, fast charmanten Art die Nackenhaare aufstellt und mit ausgeklügelter Gemächlichkeit den Schatten seiner Drohung über Liseys Leben zu werfen beginnt.
Aber dieses lineare Geschehen dient als Schrittmacher einer ganz anderen Geschichte, die den bunten Faden zu einem Netz zerfächert. Dieses Netz fasst in sich nichts Geringeres als die Liebe – die Liebe in ihren drei wichtigen Erscheinungsformen der ehelichen, der schwesterlichen und der Liebe zwischen Vater und Söhnen. Die Maschen dieses Netzes liegen da in unscheinbarer Schlaffheit – solange, bis plötzlich etwas an ihm reißt: Dann strafft es sich, und es zeigt seine Kraft, indem es hält. Das gilt auch für die Erzählung, trotz aller kleinen losen Enden im einzelnen. Nicht weniger als vier Schwestern hat Lisey, die, wie in einem Sternbild, mit unterschiedlicher Distanz und Strahlkraft um sie stehen Am engsten ist das Band zur ältesten, Manda, die als psychischer Borderline-Fall zunächst ganz passiv scheint, in Katatonie verloren – aber dann organisiert Lisey für sie die Flucht, halbnackt, aus der geschlossenen Anstalt, und auf dieser Flucht verwandeln sich die zwei nicht mehr ganz jungen Damen auf übermütige Weise zurück in kleine Mädchen. Es ist ein Moment des reinen Glücks. Von diesem „Schwesternding” hat sie immer ihrem Ehemann abgegeben (wie auch Stephen King es nicht verschweigt, wie viel er hier seiner Frau Tabby und ihren vier Schwestern verdankt). Dass sie es konnte, war das Fundament ihrer Ehe mit dem düster brillanten Scott, welcher seinerseits aus einer Familie stammt, deren grauenhafte Geschichte sich im Lauf des Buchs nur nach und nach enthüllt.
Doch auch in dieser verwahrlosten Männer-Familie gab es die Liebe, „eine hässliche, aber starke und wahre Liebe”, wie es heißt. Scotts älterer Bruder Paul wird vom alten Erbübel der „Bösmülligkeit” gepackt, einer bestialischen Raserei, er muss von Vater und Bruder im Keller mit Traktorketten an den Stahlpfeiler gefesselt werden, den er dennoch mit übermenschlichen Kräften verbiegt; und wie King den verzweifelten Kampf mit diesem in Dreck und Wahnsinn versackten Monstrum schildert, das gehört, in all seiner Brutalität und seinen widerlichen Details, zu den anrührendsten Dingen, die er je geschrieben hat.
Das Genre des Horrors, das sich durch einen äußerst schmalen Vorrat an Themen und möglichen Verläufen auszeichnet, hat dem unerschöpflich produktiven King nicht lang genügen können. Darum hatte er sich das weite neue Feld der Fantasy erschlossen. Aber die Fantasy in ihrer stumpfsinnigen Episodenhaftigkeit, aus der nie etwas folgt als immer noch eine weitere Episode, musste dem strömenden Talent dieses Autors durch ihre Uferlosigkeit gefährlich werden. Nunmehr jedoch hat er zu einer Art Crossover gefunden. Vieles aus den zwei alten Genres bleibt darin präsent und ist doch in der Stabilität des Biografischen gebunden. Nachdem die gigantomanische Serie des „Schwarzen Turms” ihren Abschluss gefunden hat, nimmt man diese Wendung der Dinge mit einiger Erleichterung zur Kenntnis – fast wie wenn man einen Freund, dessen Leben in Chaos zu versinken drohte, eine glückliche zweite Ehe schließen sieht: Man hat ihn nie aufgegeben, aber gerade deshalb freut man sich, dass die neugefundene Festigkeit der Form dem Guten und dem Besten an ihm zur Geltung verhilft.
Worin besteht das Beste an King? Nun, zum Beispiel in seinen Metaphern und Vergleichen, die immer der Anschauung entspringen. Jemand weiß einfach, wie spät es ist, „wie der Hund eines Jungen weiß, dass es Zeit ist, beim Briefkasten zu warten, weil der Schulbus gleich vorbeikommen wird”. Sieht man in diesen zwei Zeilen nicht das ganze ländliche Amerika, wie jeder Amerikaner es träumt? Oder in den Namen und Leitmotiven: Das Ungeheuer, das Scott bedroht, wird „Long Boy” genannt, und über viele hundert Seiten erfährt man nichts von ihm, als dass es eine lange, purpurne, gescheckte Seite habe – das übermächtig Unheimliche seiner Existenz nistet nirgends als in der Vieldeutigkeit dieser paar Wörter, die die Phantasie anregen, ohne ihr je die Beruhigung der Gestalt zu schenken.
Das verlangt auch dem Übersetzer Einiges ab. Man gewinnt den Eindruck, dass Wulf Bergner im Lauf des Buchs an seiner Aufgabe gewachsen ist, bis er endlich ganz auf ihrer Höhe stand. Am Anfang findet man noch die typischen linkischen Wendungen, etwa die Liste, „auf der Sternchen jene Stücke bezeichneten, von denen sie glaubte, sie behalten zu sollen”. Diese Sprache schmeidigt sich allmählich und gewährt zum Schluss hin kaum noch derartige Durchblicke aufs Original. Manche Dinge indessen werden immer knifflig bleiben. Wenn eine Fünfzigjährige sich Courage einredet und (mutmaßlicherweise) sagt: „A girl got to do what a girl got to do”, dann merkt man zwar, dass bei der deutschen Wiedergabe, „ein Mädchen muss tun, was ein Mädchen tun muss”, irgendwas hakt, aber könnte doch nicht angeben, wie es besser zu machen wäre.
Als einen Sonderfall dieser Problematik darf man den Titel betrachten. „Lisey’s Story” heißt er bei King. „Liseys Geschichte” wurde zurecht verschmäht. Auch „Liebe” wäre nicht gegangen – sieht man so was auf dem Buchdeckel, fällt einem spontan bloß Fried oder Fromm ein, irgendein Erich jedenfalls. Ja, es scheint, dass „Love” hier das beste deutsche Wort gewesen ist.
„Das Genre des Horrors hat dem unermüdlich produktiven King nicht lange genügen können.”
Stephen King
Love
Roman. Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner. Heyne Verlag, München 2006. 733 Seiten, 22,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Mit Sympathie hat Rezensentin Kristina Graf den vierzigsten Roman von Stephen King gelesen, aus ihrer Sicht sein bisher ambitioniertestes und persönlichstes Buch. Grafs Inhaltsskizze klingt schwer autobiografisch: die Witwe eines Horror-Schriftstellers räumt nach dessen Tod sein Arbeitszimmer auf und dringt noch einmal tief ins gemeinsame Leben, aber auch in die Psyche des Verstorbenen ein. Auf eine äußere Handlung werde so gut wie verzichtet. Die Rezensentin findet das Buch experimental und voller Wortspiele und -erfindungen. Allerdings scheinen ihr gerade dadurch die Grenzen von Kings literarischen Fähigkeiten recht deutlich zu werden. Doch das tut ihrer Sympathie keinen Abbruch, weil diese Schwächen den authentischen Charakter des Buchs unterstreichen. Trotzdem wäre die Rezensentin nicht unglücklich, wenn sich King nach diesem "Freischreibversuch" wieder seinem populären eigentlichen Metier zuwenden würde.

© Perlentaucher Medien GmbH