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Der Roman spielt während des Dritten Reiches. Erzählt wird hier von zwei jüdischen Schwestern, die von ihren Eltern aus Wien nach Schweden, in Sicherheit, geschickt werden. Steffi, die ältere der beiden, tut sich mit ihren Pflegeeltern schwer. Aber nach einiger Zeit wachsen Respekt und Zärtlichkeit zwischen dem Mädchen aus großbürgerlichem Haus und den armen Fischersleuten. Und eines Tages erkennt Steffi, wieviel Glück sie und ihre Schwestern gehabt haben.

Produktbeschreibung
Der Roman spielt während des Dritten Reiches. Erzählt wird hier von zwei jüdischen Schwestern, die von ihren Eltern aus Wien nach Schweden, in Sicherheit, geschickt werden. Steffi, die ältere der beiden, tut sich mit ihren Pflegeeltern schwer. Aber nach einiger Zeit wachsen Respekt und Zärtlichkeit zwischen dem Mädchen aus großbürgerlichem Haus und den armen Fischersleuten. Und eines Tages erkennt Steffi, wieviel Glück sie und ihre Schwestern gehabt haben.
Autorenporträt
Annika Thor, geb. 1950 in Göteborg und dort aufgewachsen. In Schweden bekannt geworden als Film- und Fernsehkritikerin, darüber hinaus schreibt sie selbst Theaterstücke und Drehbücher, auch für Kinder und Jugendliche. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis sowie nominiert für den renommierten August-Preis.

Angelika Kutsch, geb. 1941 in Bremerhaven, ist Autorin mehrerer Kinder- und Jugendbücher und Übersetzerin aus dem Schwedischen. Für beides wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Angelika Kutsch lebt in Hamburg und Schweden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.1998

Die Verehrer der peinlichen Sorte
Brombeeren und Ostseewind: Der beeindruckende Debütroman von Annika Thor

Vorher haben sie mitten in Wien gewohnt, mit Hausmädchen und Klavierstunde. Alles war in Ordnung. Nun stehen sie fröstelnd an der Reling einer Fähre, die auf eine karge kleine Insel zusteuert. Die zwölf Jahre alte Steffi und ihre kleine Schwester Nelli gehören zu den jüdischen Kindern, die noch vor Ausbruch des Weltkrieges nach Schweden in Sicherheit gebracht werden können. Die Luft riecht salzig, es stinkt nach Fisch und verrottetem Tang. Steffi wird übel. So hat sie sich ihr neues Zuhause nicht vorgestellt. Ihre Inselträume, die sie der vertrauensvollen Schwester in den leuchtendsten Südseefarben ausgemalt hatte, werden vom scharfen Ostseewind weggefegt.

Der erste Roman der schwedischen Autorin Annika Thor liest sich, als sei er im Freien geschrieben worden. Nicht nur, weil das skandinavische Klima immer mit hineinspielt in das Geschehen, mit Wind und Eis und dem hellen Sommer. Diese eigentlich schwierige, ernste Geschichte wird leicht und einfach erzählt, als hörte man sie während eines langen Strandspazierganges, unter klarem Himmel und bei guter Fernsicht, mit frischem, salzigem Wind. Die deutsche Übersetzung von Angelika Kutsch gibt dies alles mit großer Ruhe und Stilsicherheit weiter.

Auf der Insel fühlt sich Steffi unwohl. Sie hat das Gefühl, selbst eine Insel zu sein, abgeschnitten vom sicheren Festland ihrer alten Welt und von ihren Eltern, die in Wien - wie es scheint, vergeblich - auf die Ausreisegenehmigung warten. In der neuen Umgebung ist Steffi einsam. Ausgerechnet bei der freudlosen Tante Märta ist sie untergekommen, in deren Haus es immer nach Putzmitteln riecht. Bei der wortkargen Frau kann sie nur wenig Schwedisch lernen. Die sieben Jahre alte Nelli dagegen ist zu einer fröhlichen Familie mit kleinen Kindern gekommen. Ihr fällt es leichter, sich einzuleben, vielleicht auch, weil sie nicht wirklich versteht, warum sie hier ist.

Annika Thor erklärt es nicht. Weder wird es innerhalb der Geschichte den Kindern klargemacht, noch wendet sich die Autorin zwischendurch oder abschließend an die Leser. Kein Nachwort, kein Glossar, statt dessen scheinbar absichtsloses Erzählen im schlichten, herben Nach-und-nach. Der Wissensstand ist der eines Kindes von 1939 in Schweden, mit allen Ahnungslosigkeiten, Angstphantasien und Fehlinformationen. In diesem Erzählen ist die beste Erklärung für die Frage, warum die Kinder nach Schweden mußten, enthalten: eine, auf die man selber kommt und die man nachfühlen kann. Nur die Erlebnisse der Kinder fügen ein Bild dieser Zeit zusammen, um so eindrücklicher, je weniger eine Lösung bereitsteht.

In der neuen Schulklasse hat Steffi einige strahlende Feindinnen und einen Verehrer von der peinlichen Sorte, einen ungepflegten, pickeligen, nicht sehr intelligenten Jungen. Einmal schenkt er ihr ein Hitlerbild. "Ich hab' gedacht, es würde dir gefallen. Du bist doch aus Deutschland, oder?" Da schreit sie ihn an, nennt ihn einen Idioten. Auf dem Heimweg kränkt sie dann die einzige in der Klasse, die zu ihr hält, eine strenggläubige Verlegenheitsfreundin: "Jesus gibt es nicht. Jesus ist tot. Du und ich sind ihm ganz egal, alle sind ihm egal." Krank vor Heimweh und Selbstmitleid läuft sie lange am Strand herum und holt sich eine dicke Erkältung.

Von Steffis Schwierigkeiten wird nüchtern und ungerührt erzählt. Die Autorin hat sich viel mit dem Theater beschäftigt: Sie läßt Gesten, Blicke und Raumkonstellationen sprechen, statt Gefühle zu benennen. Es sind viele unmerkliche Einzelheiten, aus denen sich Steffi langsam die Insel zusammensetzt und wieder festen Boden gewinnt. Das vorsichtige Winken einer Klassenkameradin gehört dazu, die später zur Freundin wird, das Schwimmen im klaren Meer, der Geschmack der Brombeeren oder ein Schneelicht. Und die Erfahrung, daß sie nicht allein ist. Die hat mit Tante Märta zu tun, einer dieser erstaunlichen und zwiespältigen Figuren, die man zwar manchmal im richtigen Leben findet, aber kaum einmal in einem Kinderbuch. MONIKA OSBERGHAUS

Annika Thor: "Eine Insel im Meer". Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch. Carlsen Verlag, Hamburg 1998. 224 S., geb., 24,90 DM. Ab 11 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.04.2006

Band 31
Nimm mich hier weg
Annika Thor: „Eine Insel im Meer”
Nein, dies ist kein fröhliches Buch - der Titel von Annika Thors Roman führt in die Irre. „Eine Insel im Meer”, das klingt nach Sommer, Sonne und großen Ferien; und tatsächlich hatte Steffi während ihrer Reise von Wien ins ferne Schweden ihrer kleinen Schwester Nelli von Palmen, Sandstränden und Eisverkäufern erzählt. Als Steffi jedoch vor ihrem neuen Zuhause steht, einem einsamen Haus auf einem Hügel, umgeben von Meer, da fühlt sie sich am Ende der Welt.
„Die ursprüngliche Heimat ist eine Mutter, die zweite Heimat eine Stiefmutter”, lautet ein russisches Sprichwort. „Eine Insel im Meer” erzählt von der Erfahrung des Exils, aus der Perspektive einer Zwölfjährigen. Steffi und ihre Schwester stammen aus einem großbürgerlichen jüdischen Haushalt; die Mutter war Opernsängerin, der Vater hat vor der Machtergreifung der Nazis als Arzt gearbeitet. Verwöhnte Stadtkinder sind die beiden, die nun plötzlich auf eine Insel geworfen sind, wo der Geruch von Salz und Fisch in der Luft hängt, die Menschen schlichte, praktische Kleidung tragen und sparsam sind, auch mit Worten. Steffi und ihre Pflegemutter, Tante Märta, bleiben lange stumm füreinander, was nicht nur an Steffis kläglichem Schwedisch liegt.
Annika Thor, die als Kind jüdischer Eltern in Göteborg aufwuchs, zeichnet in ihrem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Buch eine schmerzliche Verwandlung nach. „Nimm mich hier weg”, betet Steffi; und da weiß sie schon nicht mehr, zu wem sie betet: ihrem jüdischen Gott; Jesus, zu dem sie bekehrt werden soll; zu Mama oder Papa. Beeindruckend ist die schlichte Sprache dieses Buches, in der sich die herbe Schönheit der Landschaft entfaltet, die auch dem einfachen Leben auf der Insel entspricht. Annika Thor spielt nicht die erste Heimat der Mädchen gegen ihre zweite aus; nicht zuletzt sind Tante Märta und ihr Mann auf ihre Weise großartige Menschen. So viel Neues und Schönes die Mädchen in Schweden aber auch erleben - das Exil erscheint als persönliche Katastrophe. Und es bedarf schon eines Tricks, dass am Ende des Buches nicht allen Beteiligten zum Heulen zumute ist.
Die Frage, wie viel Leid ein Kinderbuch verträgt, stellt sich, wenn Jugendliteratur sich mit den historischen Katastrophen vor allem des vergangenen Jahrhunderts beschäftigt. Annika Thor verharmlost die Geschichte nicht, von den Gräueltaten der Nazis in Wien erzählt sie, aus Steffis Perspektive, mit der nötigen geografischen und zeitlichen Distanz. Klarsichtig beschreibt die Autorin auch die Motive der Menschen, die Steffi und Nelli aufgenommen haben: die wattige Freundlichkeit von Nellis Pflegemutter Alma zum Beispiel, die bei dem Gedanken, auch den Eltern der beiden zu helfen, barsch abblockt.
Schweden ist nicht das Ende der Welt; manchmal scheint der Faschismus nur einen Steinwurf weit entfernt. Nein, dies ist keine unbeschwerte Sommerlektüre. Aber ein so mitreißendes Kinderbuch wie nur wenige.
MARTINA KNOBEN
Das Meer am Ende der Welt
Illustration: Bernhard Oberdieck
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