9,99 €
Statt 25,90 €**
9,99 €
inkl. MwSt.
**Preis der gedruckten Ausgabe (Gebundenes Buch)
Sofort per Download lieferbar
payback
0 °P sammeln
9,99 €
Statt 25,90 €**
9,99 €
inkl. MwSt.
**Preis der gedruckten Ausgabe (Gebundenes Buch)
Sofort per Download lieferbar

Alle Infos zum eBook verschenken
payback
0 °P sammeln
Als Download kaufen
Statt 25,90 €****
9,99 €
inkl. MwSt.
**Preis der gedruckten Ausgabe (Gebundenes Buch)
Sofort per Download lieferbar
payback
0 °P sammeln
Jetzt verschenken
Statt 25,90 €****
9,99 €
inkl. MwSt.
**Preis der gedruckten Ausgabe (Gebundenes Buch)
Sofort per Download lieferbar

Alle Infos zum eBook verschenken
payback
0 °P sammeln
  • Format: ePub

1 Kundenbewertung

Orhan Pamuk, der 2006 den Nobelpreis für Literatur erhielt, ergründet in Istanbul die Geheimnisse seiner eigenen Familie und führt uns an die verlorenen Paradiese der sagenhaften Stadt. Er beschreibt die verwunschenen Villen und verwilderten Gärten, die Wasserstraßen des Bosporus und des Goldenen Horns und die melancholischen Gassen der Altstadt. "Istanbul" ist ein Porträt der legendären Stadt an der Schnittstelle zwischen Ost und West und zugleich ein Selbstbildnis des Schriftstellers als junger Mann

  • Geräte: eReader
  • ohne Kopierschutz
  • eBook Hilfe
  • Größe: 37.74MB
  • FamilySharing(5)
Produktbeschreibung
Orhan Pamuk, der 2006 den Nobelpreis für Literatur erhielt, ergründet in Istanbul die Geheimnisse seiner eigenen Familie und führt uns an die verlorenen Paradiese der sagenhaften Stadt. Er beschreibt die verwunschenen Villen und verwilderten Gärten, die Wasserstraßen des Bosporus und des Goldenen Horns und die melancholischen Gassen der Altstadt. "Istanbul" ist ein Porträt der legendären Stadt an der Schnittstelle zwischen Ost und West und zugleich ein Selbstbildnis des Schriftstellers als junger Mann

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Orhan Pamuk, 1952 in Istanbul geboren, studierte Architektur und Journalismus. Für seine Werke erhielt er u. a. 2003 den Impac-Preis, 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2006 den Nobelpreis für Literatur. Auf Deutsch erschienen zuletzt Der Koffer meines Vaters (2010), Cevdet und seine Söhne (Roman, 2011), Der naive und der sentimentalische Romancier (2012), der Katalog Die Unschuld der Dinge. Das Museum der Unschuld in Istanbul (2012), Diese Fremdheit in mir (Roman, 2016) und Die rothaarige Frau (Roman, 2017).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2006

Nun schaut auf diese Stadt
Welch ein Glück, dass Orhan Pamuk so unbescheiden ist: Istanbul, als Geschichte, Kultur und Schauplatz einer Selbstfindung betrachtet Von Lothar Müller
Als er jung war, erzählt der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk, wollte er Maler werden. Stets hatte die Familie sein zeichnerisches Talent gelobt und gefördert, aber dass er das Architekturstudium aufgeben wollte, um sich ganz der Kunst zu widmen, stieß auf unmissverständliche Ablehnung. Leidenschaft für die Kunst sei gut und schön, sagte die Mutter, aber es sei besser, seine Leidenschaft darauf zu verwenden, ein fleißiger, unauffällig-guter Mensch zu werden. Um das zu bekräftigen, erklärte sie dem Sohn, warum sie den Namen Orhan für ihn ausgesucht habe: der Sultan Orhan sei ihr unter allen Osmanenherrschern immer der liebste gewesen, da er sich nie zu großen Taten aufgeschwungen und ein unauffälliges Leben ohne Verschrobenheiten geführt habe. So werde er in den Geschichtsbüchern zwar beiläufig, aber dafür ehrenvoll erwähnt.
Selten sind die Hoffnungen, die eine Mutter mit der Namenswahl für ihren Sohn verband, gründlicher enttäuscht worden. Das magische Amulett, das seinen Ehrgeiz hätte dämpfen sollen, hat Orhan Pamuk früh abgestreift, immer internationaler wurde das Publikum des Romanschriftstellers, der aus dem angehenden Maler heraustrat, Auszeichnung um Auszeichnung hat er erfahren, in diesem Jahr gar die höchste, den Literaturnobelpreis.
Orhan Pamuk ist 1952 in Istanbul geboren. Sein jüngstes Buch hat er in den Jahren 2002 und 2003 geschrieben, als Mann von fünfzig Jahren. Es ist kein Roman, sondern ein autobiographischer Rückblick auf Kindheit und Jugend. Seine Leser wird es nicht verwundern, dass Pamuk sein Porträt des Künstlers als junger Mann als Hommage an seine Heimatstadt schreibt. Denn Istanbul ist der Ort, an dem die Fäden seiner Romane zusammenlaufen, ob in „Das schwarze Buch” (1990, deutsch 1995) der Anwalt Galip auf der Suche nach seiner verschwundenen Frau die Stadt durchstreift, oder in „Schnee” (2002, deutsch 2005) der aus dem Exil zurückgekehrte Held in Istanbul Station macht, um von dort ins ferne Kars aufzubrechen.
Nun tritt der Erzähler aus seiner Romanwelt heraus und berichtet, wie es überhaupt geschehen konnte, dass er zum Erzähler wurde. Denn selbstverständlich war es nicht. Das zeigt schon ein flüchtiger Blick auf die Theorie, mit der Pamuks Mutter untermauert, warum sie dem Sohn einen Namen gab, der ihn vor zu großem Ehrgeiz schützen sollte. Nicht individuelle Verzagtheit ist ihr Motiv, sondern eine abgrundtiefe historische Resignation, die Überzeugung, einem Volk anzugehören, dessen kulturelle Produktivität erloschen sei. Nur Europäer könnten es sich erlauben, sich ernsthaft auf Kunst, Malerei, schöpferische Tätigkeit zu konzentrieren: „Wir, die wir in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts Istanbul bewohnten, seien dagegen Produkte einer Kultur, die ihren Reichtum, ihre Kraft und ihren Willen eingebüßt habe.”
Soweit die Mutter. Wenn Orhan Pamuk nun sein Porträt des Künstlers als junger Mann mit dem Ziel schreibt, „durch mich über Istanbul und durch Istanbul über mich zu berichten”, dann hat diese Formel einen präzisen Sinn. Die Geschichte, die dieses Buch erzählt, dementiert die mütterliche Theorie der kulturellen Erschöpfung, sie handelt davon, wie der junge Mann sich mit der Stadt, der er entstammt, verbündet, wie er sie entdeckt und durchstreift, wie er ihrer Gegenwart und den Spuren ihrer Geschichte die Stoffe und Energien abgewinnt, aus denen entsteht, was im Weltbild der Mutter nicht vorgesehen war: eine türkische Kunst, die der des Westens gewachsen, ja ebenbürtig ist.
Alles beginnt mit der Geschichte vom Kind, das glaubt, einen imaginären Zwilling und Doppelgänger zu haben, dessen Foto in der Wohnung des Onkels und der Tante hängt. Der doppelte Orhan ist ein Tagtraumwesen, ein Akrobat der Einfühlung in fremde Räume und in die Geheimnisse der eigenen, einer, der mit sich selbst zugleich den Ort verdoppelt, an dem er lebt. Er ist der Rivale einer Großfigur, die in Romanen wie Autobiographien häufig aus begabten Kindern herauswächst: junge Männer, die früh das Elternhaus verlassen, auf eigene Faust, und als gemachte Leute oder vom Schicksal zerzaust zurückkehren. Der doppelte Orhan, schreibt Pamuk, erlaubte es ihm, den Wohnungen, Orten und Straßen der Kindheit treu zu bleiben, er war die Alternative zum Weggehen in die Fremde, indem er die Herkunfstwelt selbst verfremdete.
Aufs engste ist diese Herkunftswelt mit der Geschichte der modernen Türkei verknüpft. Der Großvater verdankte das Fundament seines Reichtums der Energie, mit der die junge Republik Atatürks in den zwanziger Jahren den Eisenbahnbau als Leitsektor technisch-zvilisatorischen Fortschritts förderte. Die Fabrik, in der er Schnüre und Taue zum Trocknen von Tabak produzierte, brachte ihm ein Vermögen ein. Der Vater des doppelten Orhan ist Nutznießer und Totengräber des ererbten Wohlstands in Personalunion. Seine immer neuen Unternehmungen und immer neuen Konkurse schmälern das Vermögen, ohne es je vollkommen ruinieren zu können. Es bedarf häufiger Umzüge, gelegentlich muss der Vater eine Stelle im fernen Genf antreten, aber nie ist die Zugehörigkeit zu den wohlhabenden Kreisen Istanbuls grundsätzlich gefährdet.
Der doppelte Orhan wächst in einer Welt mit Kindermädchen und westlichem Lebensstil auf, in der die Erosion der ökonomischen Fundamente – neben den ständigen Geliebten des Vaters – eine der Hauptquellen der Familienquerelen und zumal der Ehezwistigkeiten ist. Auf seltsame Weise verbindet sich in dieser Welt des ein wenig heruntergekommenen Geldadels der jungen Republik die ökonomische Erosion mit einer Tendenz zur kulturellen Erstarrung und Verödung. Das Interieur der elterlichen Wohnung – eine Ansammlung unberührter Klaviere, nie benutzter Turbanhalter, kaum je geöffneter Bücher und mit allerlei Silbergeschirr vollgestopften Vitrinen. Symbole von Wohlstand und Westlichkeit vermischen sich in Wohnzimmern, die man nur an Feiertagen und für besondere Gäste aufschließt, mit Überresten aus älteren Zeiten.
Seiner eindringlichen Schilderung dieser „Museen nicht gelebter Kultur” stellt Pamuk die (noch an der Hand der Mutter unternommene) Entdeckung der Straßen und Plätze Istanbuls, der Geschäfte und Auslagen, des Verkehrs und der öffentlichen Gebäude gegenüber. Der doppelte Orhan, der in den Interieurs seiner Herkunftswelt den Tod und Zukunftslosigkeit wittert, wird sich der Verlebendigung der erstarrten Kultur widmen. Die Luft der Straße wird dabei zu seiner Hauptverbündeten. Die Stadt öffnet ihm die Augen, sie wird, kaum hat er sein Talent zum Zeichnen entdeckt, der Gegenstand, an dem er es bildet. Mit der Fülle ihrer Reklamen, Anschläge, Plakate und Mauerinschriften ist sie zugleich das größte und reichhaltigste Buch, in dem die Lesemaschine im Kopf des Jungen immer neue Nahrung findet.
So erzählt es der erwachsene Orhan Pamuk im Rückblick, und er folgt dabei einer Logik, die dem westeuropäischen Leser aus der Geschichte seiner Familienromane nicht unbekannt ist. Wenn die vorangegangene Generation im Ökonomischen gescheitert ist – wie hier der Vater an dem Versuch, seinem weltmännisch-westlichen Lebensstil als Geschäftsmann gewachsen zu sein –, dann schlägt bei den Nachkommen die Stunde der Kunst. Sie wird es nun, die alle Leidenschaften bündelt, Bilder und Bücher an die Stelle ökonomischer Projekte setzt. Im Fall des doppelten Orhan wird dies dadurch begünstigt, dass der ältere Bruder, ansonsten ein verlässlicher Widerpart, das Terrain der Kunst kampflos preisgibt.
Es wächst bei den Fahrten zum Fußballstadion oder an den Bosporus im Auto des Vaters ein leidenschaftlicher Großstädter heran, der die Schule und später die Universität schwänzt, um ziellos irgendeinem Omnibus zuzusteigen. Es wächst zugleich ein junger Mann heran, der Istanbul mehr und mehr mit den Augen des Westens sieht. Denn die Kunst und Literatur, an der er sich orientiert, stammt aus dem Westen. Wenn der junge Mann Interieurs malt, ähneln sie denen von Pierre Bonnard, wenn er sich von den Postkartenmotiven seiner Kindheit verabschiedet, um der Stadt originelle Perspektiven abzugewinnen, dann malt er wie Utrillo. Seinem inneren Istanbul ist im Paris der Impressionisten und durch die französischen Romane seit Balzac das Maß gesetzt.
Wie die Mutter blickt er auf Istanbul, nur dass ihn der Maßstab der westlichen Kultur nicht entmutigt, sondern anstachelt. Aus einer Quelle der Resignation und Bescheidung wird er zu einer Quelle der Selbstentdeckung und der ehrgeizigen Erneuerung.
Nicht nur mit diesem Buch arbeitet Pamuk an der Aufhebung einer Asymmetrie: dass das Bild Istanbuls in Kunst und Literatur sehr viel stärker von den Besuchern aus dem Westen als von den Einheimischen geprägt wurde. Ganze Kapitel widmet er den Istanbul-Beschreibungen von Gustave Flaubert, Pierre Loti, Théophile Gautier und Gérard de Nerval. Nicht lediglich, um die französischen Reisenden ihres Orientalismus und ihrer Klischees zu überführen, sondern zugleich und vor allem, um literarische Techniken der Stadtbeschreibung zu gewinnen. Selbstbewusst setzt er ihnen sein eigenes Istanbul gegenüber, etwa das hinreißende Porträt des Bosporus als Meer inmitten der Stadt, die Ausflüge in die Vorstädte oder die Hommage an die Vielfalt der Rauchwolken über den Dampfschiffen. Überhaupt die Schiffe – sie ziehen die Katastrophen und Unfälle an wie die alten Holzhäuser das Feuer, in dem sie aufgehen, von schnell zusammengeströmten Menschenmengen voller Angstlust betrachtet.
Den Ausweg aus der Asymmetrie weist in der bildenden Kunst Anton Ignaz Melling mit seinen Istanbul-Ansichten aus dem späten 18. Jahrhundert, ein deutscher Künstler italienischer und französischer Abstammung, der aber so lange in Istanbul ansässig war, dass er es aus der Einheimischen–Perspektive festhielt. Seine Stiche werden zum Vorläufer des Fotografen Ära Güler, dessen Aufnahmen aus dem Istanbul der fünfziger Jahre, ergänzt von Bildern aus dem Familienalbum des Autors, dieses Buch illustrieren. Diese Schwarzweißfotografien sind für Pamuks Istanbul, was die impressionistische Malerei für das Paris des 19. Jahrhunderts war.
Zur Hommage an das Schwarzweiß tritt die Hommage an vier einheimische Autoren, die im frühen zwanzigsten Jahrhundert, geprägt von westlichen Vorbildern, Istanbul aus der Binnenperspektive zu beschreiben begannen. Der Dichter Yahya Kemal, der Populärhistoriker
„Alles beginnt mit der Geschichte vom Kind, das glaubt, doppelt zu sein”
„Die Schiffe im Bosporus ziehen Katastrophen an wie die alten Holzhäuser das Feuer”
Fortsetzung auf Seite 2
Orhan Pamuks Buch „Istanbul” ist mit zahlreichen Schwarz-weiß-Fotografien versehen. Die meisten stammen von Ara Güler: Bilder, sagt Pamuk, „als hätte jemand meine Erinnerung auf einen Film gebannt”.
Foto aus dem bespr. Band
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2006

Der bittersüße Honig der Mutlosigkeit

Das neue Buch des türkischen Schriftstellers Orhan Pamuk, der in wenigen Wochen in Stockholm mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wird, ist zugleich Autobiographie, Porträt seiner Heimatstadt Istanbul und eine Geschichte vom Zerfall einer Familie. Mit seinen Stadtansichten und den vielen privaten Familienfotos der Pamuks ist dieses reiche Istanbuler Lesebuch auch der Versuch, das prägende Lebensgefühl der Metropole am Bosporus zu erfassen.

Von Hubert Spiegel

Was ist "Hüzün"? Hüzün ist ein Lebensgefühl, das man zu allen Zeiten und an vielen Orten unter dem Namen Melancholie kannte, das aber an keinem anderen Ort der Welt soviel Einfluß gewinnen konnte wie in Istanbul. Hüzün streicht durch die Stadt wie ein unaufhörlich wehender Wind, der noch durch die schmalste Gasse fegt, durch Fenster, Türen und alle Ritzen in die Häuser dringt und nicht aufzuhalten ist, bevor er sich in den Seelen ihrer Bewohner eingenistet hat. Hüzün kommt über die Stadt und ihre Bewohner und kommt zugleich aus der Stadt und aus den Menschen. Mit jedem Atemzug atmen die Istanbuler Hüzün ein und mit jedem Atemzug stoßen sie Hüzün aus, so daß niemand zu entscheiden vermag, wie sich die Sache wirklich verhält: Ist es die Stadt, die Kummer über ihre Bewohner bringt? Oder ist es der Hüzün der Istanbuler, der die ganze Stadt in süßem Schmerz versinken läßt?

Im Leben des türkischen Nobelpreisträgers Orhan Pamuk ist Hüzün die große Konstante: "Seit ich denken kann, ist die Stadt von Armut gekennzeichnet, von Untröstlichkeit über den Verfall des Reiches, von der Melancholie, die von den Überresten aus großer Zeit ausgeht. So bin ich von jeher damit beschäftigt, diese Melancholie zu bekämpfen oder mich dann doch, wie alle Istanbuler, ihr endlich hinzugeben."

Drei Wochen bevor er in Stockholm den Nobelpreis erhält, erscheint nun das ursprünglich für das kommende Frühjahr angekündigte Erinnerungsbuch Pamuks: "Istanbul. Erinnerungen an eine Stadt" ist die Autobiographie der frühen Jahre, ein Porträt der Stadt, in der Pamuk seit fünf Jahrzehnten lebt und die er wohl niemals auf Dauer verlassen wird, und es ist eine Übung in Hüzün, die aufs Papier bannt, was in immer neuen Anläufen erklärt, beschrieben und beschworen wird. Zunächst einmal aber ist dieses Buch die hinreißend erzählte Geschichte vom Verfall einer Familie.

Sorglose Untergangsstimmung.

Orhan Pamuks Großvater war ein Ingenieur, der mit dem Geld, das er beim Bau der türkischen Eisenbahn verdient hatte, eine Fabrik errichtete, einen profitablen Zulieferbetrieb für den Tabakanbau. Seine Söhne werden ihr Leben damit verbringen, das Vermögen des Vaters in unrentable Unternehmen zu investieren, sie gründen oder übernehmen Firmen, bekleiden Direktorenund Geschäftsführerposten und müssen ein Grundstück des umfangreichen Immobilienvermögens nach dem anderen verkaufen, um ihre Pleiten zu kaschieren. So wachsen Pamuk und sein Bruder in sorgloser Untergangsstimmung auf, unternehmen mit Vater und Onkel immer wieder fröhliche Ausfahrten mit dicken westlichen Autos, um gemeinsam der Familienfestung zu entkommen, dem im modernen Baustil errichteten Appartmenthaus "Pamuk Apartmani" im Stadtviertel Nisantasi, in dem die Großfamilie gemeinsam unter einem Dach lebt, bis Zwist, Vermögensstreitigkeiten und westliche Lebensart den Familienverbund gesprengt haben.

Pamuk beschreibt das Haus, in dem er mit Unterbrechungen seit seiner Geburt im Jahr 1952 gelebt hat, als Museum eines Lebensstils im Übergang von der türkisch-osmanischen Kultur zu westlicher Lebensart. Die dunklen Räume, von der Großmutter so gut wie nie, von den Kindern nur selten verlassen, werden dem kleinen Orhan zum unergründlichen Mikrokosmos. Wo andere Kinder ein Wäldchen oder ein paar Büsche in der Nachbarschaft als Urwald erleben, muß Orhan sich mit dem floralen Muster im Teppich begnügen. Den Rest besorgt die Phantasie, von der er soviel hat, daß er zeitlebens in selbst geschaffenen Parallelwelten zu verschwinden fürchtet.

Pamuk berichtet ausführlich von Kinderspielen und Bruderzwist, von den häufigen Ehekrächen der Eltern, dem strengen Regiment der Großmutter, von Tanten, Nachbarinnen, Gesellschaftsdamen, von seiner Streberkarriere in der Schule (Orhan zeigte immer auf, sogar dann, wenn er die Frage der Lehrerin über seinen Tagträumen gar nicht gehört hatte), er schildert Pubertätsnöte und die erste Liebe zu seiner "Schwarzen Rose", einem langbeinigen Reh, das unverzüglich ins Schweizer Internat verfrachtet wird, als ihr Vater erfährt, das sie einem Knaben namens Orhan Modell steht. Denn damals wollte Pamuk noch Maler werden.

Schon der Fünfjährige zeichnete nicht nur gern, sondern auch gut, obwohl Pamuk sich noch heute nicht sicher ist, welches Talent größer war: das eigene oder das des Vaters, das vor allem darin bestand, die Leistungen seiner Söhne rückhaltlos zu bewundern und über den grünen Klee zu loben. Ein kleines Denkmal hat Pamuk seinem Vater Güzdün bereits in seinem letzten Buch gesetzt: "Der Blick aus meinem Fenster", im letzten Frühjahr im Hanser Verlag erschienen, versammelt Essays, Betrachtungen, Reiseskizzen und Porträts von Dostojewki bis Patricia Highsmith, von denen viele zuerst in dieser Zeitung erschienen sind. Damals nahm Pamuk auf sechs Seiten Abschied vom 2003 verstorbenen Vater; jetzt ist ihm das neue Buch gewidmet.

Porträt einer Metropole.

Aber "Istanbul" ist nicht nur die Kindheits- und Familiengeschichte eines Nobelpreisträgers, sondern auch das Porträt einer einzigartigen Metropole. Was für unser Leben zutrifft, gelte auch für die Stadt, in der wir dieses Leben verbringen, sagt Pamuk zu Beginn seines Buches: Deren wahre Bedeutung erfahren wir von anderen. Es ist dieser Überzeugung zu verdanken, daß Pamuks eigenen Beobachtungen und Reflexionen über seine Heimatstadt mindestens ebensoviel fremde Gedanken beigestellt sind.

Im fremden Blick, etwa von Flaubert, Nerval oder dem Architekten und Aquarellisten Anton Ignaz Melling, entdeckt Pamuk den eigenen und umgekehrt. Denn neben die berühmten Schriftstellertouristen vor allem aus Frankreich treten die großen Dichter Istanbuls, die ihr Leben und ihre Werke ihrer Heimatstadt gewidmet haben. Sie tragen Namen, die hier niemand kennt und die auch in der Türkei in Vergessenheit geraten sind. Für Pamuk aber sind Yahya Kemal, Resat Ekrem Kocu, Abdülhak Sinasi Hisar und der Romancier Tanpinar unsterblich als die vier einsamen, melancholischen Istanbul-Chronisten.

Kocu hatte sich dem Projekt der "Istanbul Ansiklopedisi" verschrieben, einer vielbändigen Stadt-Enzyklopädie, die im Verlauf des Unternehmers immer abseitiger und skurriler wurde, nicht zuletzt weil ihr Herausgeber die Seiten seiner Enzyklopädie zunehmend nutzte, um seiner Neigung zu schönen Knaben jenen Raum zu geben, der ihr in der Öffentlichkeit versagt war. Heute ist dieses längst vergriffene Werk das vergilbte Monument einer Vergangenheit, die unwiederbringlich dahin ist und doch nicht vergehen will.

Denn was immer Pamuk in diesem wunderbaren Istanbuler Lesebuch beschreibt, was immer verloren ist - der Zusammenhalt der Familie, der leichtfüßig-lebenslustige Vater oder die herrlichen Holzvillen am Bosporus -, zwei Konstanten gibt es, die unvergänglich sind: Hüzün und der taumelnde Stillstand der Stadt zwischen ihrer osmanisch-türkischen Vergangenheit und den Anziehungskräften der Modernisierung und der Verwestlichung. Dieser Stillstand hat mit dem Untergang des osmanischen Reiches begonnen und sein Ende ist nicht abzusehen. Er zerreißt die Stadt in zwei Teile, und auch der Dichter selbst fühlte sich oft in einer Jekyll-und-Hyde-Situation gefangen: "Einerseits wollte ich damals wie ein radikaler Anhänger westlicher Reformen die Stadt und mich selbst vollkommen verwestlicht sehen und andererseits voll und ganz dem Istanbul angehören, dem ich von meinem Instinkt, meinen Gewohnheiten und meinen Erinnerungen her so zugetan war."

Wir blättern in diesem überaus reich illustrierten Buch wie in einem doppelten Familienalbum. Der abwesende Großvater ist durch die Stadt Istanbul ersetzt, ein Familienmitglied, das immer schon war und immer sein wird, der mythische Stammvater der Sippe und der mißratene kleine Vetter in einer Person. Was beide verbindet, ist nichts anderes als Hüzün, der bittersüße Honig einer Mutlosigkeit, die alle Zeiten überdauert und dazu nichts anderes braucht als die Schönheit des Bosporus und die Fähigkeit, jede noch so kleine Erinnerung mit der Patina vergangener Schönheit und Größe zu überziehen.

Orhan Pamuk: "Istanbul. Erinnerungen an eine Stadt". Aus dem Türkischen übersetzt von Gerhard Meier. Hanser Verlag, München 2006. 420 S., geb., zahlr. Abb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lothar Müller sieht sich mit den Jugenderinnerungen Orhan Pamuks in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückversetzt. Wie schon die Romane sind de Kindheits- und Jugenderinnerungen des Autors eng mit seiner Heimatstadt verknüpft, erkennt der Rezensent, der deshalb auch gerade die Schilderungen der Streifzüge des jungen Pamuk durch die Stadt als leidenschaftliche "Hommage" zu schätzen weiß. Intensiv beschäftige sich der Autor in seinem autobiografischen Buch auch mit den Istanbul-Beschreibungen von Gustave Flaubert, Pierre Loti, Theophile Gautier und Gerard de Nerval, nicht allein um ihnen so manches "Klischee" über den Orient nachzuweisen, sondern auch, um sich Stadtbeschreibungs-Techniken anzueignen, so Müller. "Schlüsselbegriff" der Erinnerungen aber ist laut Rezensent der "hüzün", das türkische Äquivalent zum englischen "spleen", das die spezielle Atmosphäre im Istanbul dieser Zeit prägt. Vergnügen bereitet Müller offenbar auch die Anekdote, nach der Pamuk deshalb Orhan genannt wurde, damit er einem für seine Unauffälligkeit berühmten Sultan gleicht. Ein Glück sei es allerdings, dass Pamuk auch mit diesem Buch wieder einmal wesentlich "unbescheidener" und herausragender ist als sein Namenspatron.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein "wunderbare(s) Istanbuler Lesebuch: Nicht nur die Kindheits- und Familiengeschichte eines Nobelpreisträgers, sondern auch das Porträt einer einzigartigen Metropole." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.06

"Orhan Pamuks Erinnerungsbuch ist ein Doppelporträt von hinreißender Melancholie. Der türkische Nobelpreisträger erzählt darin die Autobiografie seiner frühen Jahre und die Geschichte seiner vom Glanz vergangener Epochen niedergedrückten Heimatstadt Istanbul - eine faszinierende Reise in die Welthauptstadt der Schwermut." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Orhan Pamuk hat Istanbul, dieser Weltstadt, ein wunderbares Denkmal gesetzt." Joachim Sartorius, Die Zeit, 27.10.05

"Die Geschichte, die dieses Buch erzählt, dementiert die mütterliche Theorie der kulturellen Erschöpfung, sie handelt davon, wie der junge Mann sich mit der Stadt, der er entstammt, verbündet, wie er sie entdeckt und durchstreift, wie er ihrer Gegenwart undden Spuren ihrer Geschichte die Stoffe und Energien abgewinnt, aus denen entsteht, was im Weltbild der Mutter nicht vorgesehen war: eine türkische Kunst, die der des Westens gewachsen, ja ebenbürtig ist." Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung, 21.11.06

"Pamuk hat eine Homage an seine Heimatstadt geschrieben und dabei die Wiedersprüche seiner Biographie virtuos ausgefaltet. ... In dieses Zwischenreich entführt Pamuk durchs Hin- und Hergleiten zwischen Erlebnis und Topographie, Empfindung und Historie. (...) Man sollte Istanbul als einen fesselnden Liebesroman lesen. Um das Porträt als Geliebte ist die türkische Metropole zu beneiden." Jörg Plath, Frankfurter Rundschau, 22.11.06

"Er analysiert die Psychologie einer ganzen Stadt und beschreibt gleichzeitig die eigene Persönlichkeitsentwicklung. Istanbul zeigt, wie Pamuk später zu dem werden konnte, was er heute ist: die Stimme der modernen Türkei." Jobst-Ulrich Brand, Focus, 13.11.06"Jedes Wort, das er schreibt, ist durchdrungen vom Leuchten dieser Stadt, jede Geschichte, die er erzählt, birgt die Geschichte eines ganzen Landes in sich, jedes Buch, das er verfasst, enthält den Wissensschatz eines ganzen Kontinents, und jedes Wissen, das er weitergibt, malt uns historische Miniaturen der ganzen Welt in all ihrer Schönheit, ihren Verflechtungen, ihren Schmerzen und ihrer Trauer ... Wer Pamuks Werke gelesen hat, wird nicht mehr davon ablassen können, sich jenseits von Europa, auf der anderen Seite des Bosporus, auf die Suche zu begeben." Najem Wali, Frankfurter Rundschau, 21.11.06

"Pamuks Istanbul-Buch (regt dazu an, dass) man sich denn noch tiefer in den großen Zusammenhang dieses erinnerten Lebens mit der erinnerten Stadt begeben will." Gerrit Bartels, Tagesspiegel, 17.11.06

"Der autobiografische Band Istanbul ... gehört zu den Highlights im Schaffen Orhan Pamuks. ... Was Pamuk ausmacht, ist sein Talent als Geschichtenerzähler, sein ungeheurer Ehrgeiz, ... sein Fleiß, seine Ausdauer, aber auch seine ... Menschlichkeit." Dilek Zaptcioglu, Die Tageszeitung, 18./19.11.06

"Sein Leben wird immer mehr zu einem Leben mit seiner Stadt." Henning Ritter, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 12.11.06

"In einem bezaubernden Erinnerungsband erkundet der Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk seine Heimatstadt. Istanbul ... ist eine wunderbare poetische und zugleich analytische Liebeserklärung an eine Stadt und ihre Widersprüche." Sven Boedecker, SonntagsZeitung Zürich, 12.11.06
…mehr
Ein "wunderbare(s) Istanbuler Lesebuch: Nicht nur die Kindheits- und Familiengeschichte eines Nobelpreisträgers, sondern auch das Porträt einer einzigartigen Metropole." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.06 "Orhan Pamuks Erinnerungsbuch ist ein Doppelporträt von hinreißender Melancholie. Der türkische Nobelpreisträger erzählt darin die Autobiografie seiner frühen Jahre und die Geschichte seiner vom Glanz vergangener Epochen niedergedrückten Heimatstadt Istanbul - eine faszinierende Reise in die Welthauptstadt der Schwermut." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung "Orhan Pamuk hat Istanbul, dieser Weltstadt, ein wunderbares Denkmal gesetzt." Joachim Sartorius, Die Zeit, 27.10.05 "Die Geschichte, die dieses Buch erzählt, dementiert die mütterliche Theorie der kulturellen Erschöpfung, sie handelt davon, wie der junge Mann sich mit der Stadt, der er entstammt, verbündet, wie er sie entdeckt und durchstreift, wie er ihrer Gegenwart und den Spuren ihrer Geschichte die Stoffe und Energien abgewinnt, aus denen entsteht, was im Weltbild der Mutter nicht vorgesehen war: eine türkische Kunst, die der des Westens gewachsen, ja ebenbürtig ist." Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung, 21.11.06 "Pamuk hat eine Homage an seine Heimatstadt geschrieben und dabei die Wiedersprüche seiner Biographie virtuos ausgefaltet. ... In dieses Zwischenreich entführt Pamuk durchs Hin- und Hergleiten zwischen Erlebnis und Topographie, Empfindung und Historie. (...) Man sollte Istanbul als einen fesselnden Liebesroman lesen. Um das Porträt als Geliebte ist die türkische Metropole zu beneiden." Jörg Plath, Frankfurter Rundschau, 22.11.06 "Er analysiert die Psychologie einer ganzen Stadt und beschreibt gleichzeitig die eigene Persönlichkeitsentwicklung. Istanbul zeigt, wie Pamuk später zu dem werden konnte, was er heute ist: die Stimme der modernen Türkei." Jobst-Ulrich Brand, Focus, 13.11.06 "Jedes Wort, das er schreibt, ist durchdrungen vom Leuchten dieser Stadt, jede Geschichte, die er erzählt, birgt die Geschichte eines ganzen Landes in sich, jedes Buch, das er verfasst, enthält den Wissensschatz eines ganzen Kontinents, und jedes Wissen, das er weitergibt, malt uns historische Miniaturen der ganzen Welt in all ihrer Schönheit, ihren Verflechtungen, ihren Schmerzen und ihrer Trauer ... Wer Pamuks Werke gelesen hat, wird nicht mehr davon ablassen können, sich jenseits von Europa, auf der anderen Seite des Bosporus, auf die Suche zu begeben." Najem Wali, Frankfurter Rundschau, 21.11.06 "Pamuks Istanbul-Buch (regt dazu an, dass) man sich denn noch tiefer in den großen Zusammenhang dieses erinnerten Lebens mit der erinnerten Stadt begeben will." Gerrit Bartels, Tagesspiegel, 17.11.06 "Der autobiografische Band Istanbul ... gehört zu den Highlights im Schaffen Orhan Pamuks. ... Was Pamuk ausmacht, ist sein Talent als Geschichtenerzähler, sein ungeheurer Ehrgeiz, ... sein Fleiß, seine Ausdauer, aber auch seine ... Menschlichkeit." Dilek Zaptcioglu, Die Tageszeitung, 18./19.11.06 "Sein Leben wird immer mehr zu einem Leben mit seiner Stadt." Henning Ritter, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 12.11.06 "In einem bezaubernden Erinnerungsband erkundet der Literatur-Nobelpreistäger Orhan Pamuk seine Heimatstadt. Istanbul ... ist eine wunderbare poetische und zugleich analytische Liebeserklärung an eine Stadt und ihre Widersprüche." Sven Boedecker, SonntagsZeitung Zürich, 12.11.06…mehr
"Ulrich Noethen trifft genau den richtigen Ton für die Wanderungen durch Orhan Pamuks Leben."