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Der persönlichste Roman des Nobelpreisträgers KENZABURÔ ÔE
Während ihre Eltern für ein halbes Jahr in Kalifornien leben soll sich Ma-Chan zu Hause in Tokyo um ihre beiden Brüder kümmern, besonders um I-Ah, der geistig behindert ist. Eine ungeahnte Verantwortung für das Mädchen. Ihre Sorgen, aber auch Freuden vertraut sie ihrem Tagebuch und ihrer Mutter in zahlreichen Briefen an. Kenzaburô Ôe legt seine »persönliche Erfahrung« in die Hände der heranwachsenden Ma-Chan, die ein ganz anderes Licht auf das Leben mit einem geistig Behinderten Kind und Bruder wirft.

Produktbeschreibung
Der persönlichste Roman des Nobelpreisträgers KENZABURÔ ÔE

Während ihre Eltern für ein halbes Jahr in Kalifornien leben soll sich Ma-Chan zu Hause in Tokyo um ihre beiden Brüder kümmern, besonders um I-Ah, der geistig behindert ist. Eine ungeahnte Verantwortung für das Mädchen. Ihre Sorgen, aber auch Freuden vertraut sie ihrem Tagebuch und ihrer Mutter in zahlreichen Briefen an. Kenzaburô Ôe legt seine »persönliche Erfahrung« in die Hände der heranwachsenden Ma-Chan, die ein ganz anderes Licht auf das Leben mit einem geistig Behinderten Kind und Bruder wirft.
Autorenporträt
Kenzaburô Ôe, geboren 1935 auf der Insel Shikoku, Romanistik-Studium an der Tokyo University mit einer Abschlussarbeit über Sartre. Er schrieb Essays, Geschichten und Romane. Mit 23 Jahren erhielt Ôe den renommierten Akutagawa-Preis, es folgten zahlreiche weitere Auszeichnungen - darunter 1994 der Nobelpreis für Literatur. Zu seinen wichtigsten Büchern zählen die Romane »Reißt die Knospen ab...«, »Der stumme Schrei«, »Stille Tage« und »Sayonara, meine Bücher«. In »Tagame. Berlin-Tokyo« schreibt er über seine Zeit als S. Fischer Gastprofessor in Berlin; in »Der nasse Tod« spricht er über das Trauma seines Lebens: der Tod seines Vaters 1944. Über das Zusammenleben mit seinem Sohn Hikari, der mit einer Schädelanomalie geboren wurde, berichtet er in »Licht scheint auf mein Dach. Geschichte meiner Familie«. Bis zu seinem Tod am 3. März 2023 lebte Ôe in Tokyo.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2015

Düsternis und Licht
Ein Buchgeschenk zum 80. Geburtstag von Kenzaburō Ōe
Zum achtzigsten Geburtstag Kenzaburō Ōes hat sein deutscher Verlag zwei kleinere, in Japan Mitte der Neunzigerjahre erschienene Werke des Literaturnobelpreisträgers zusammengefasst und durch eine Taschenbuchausgabe des 1994 bei Insel erschienenen Romans „Stille Tage“ ergänzt. Das ist eine weise Entscheidung, die freilich der Erläuterung bedarf. „Familie in Genesung“ (1995) und „Lose Bande“ (1996) liefern Schlüssel zum Thema, um das Ōes Werk seit 1963 kreist. Geboren am 31. Januar 1935 in einem Walddorf der japanischen Südinsel Shikoku, war Ōe damals ein noch junger, aber schon hoch geehrter Schriftsteller, der in seinen frühen Werken Japans unbarmherzige Kriegs- und Nachkriegsgesellschaft anprangerte. Nun wurde er Vater eines „Monsterbabys“.
  „Als ich ihn zum ersten Mal sah, sah es so aus, als hätte er zwei Köpfe“, beschreibt Ōe in „Stille Tage“ seinen Erstgeborenen, dem die Ärzte auch nach einer lebensrettenden Operation nur ein „pflanzenhaftes“ Dasein prognostizierten. Voller Scham gesteht der Sechzigjährige sein Zögern, dem Eingriff zuzustimmen: „Manchmal denke ich, dass, sollte es ein höheres Wesen geben, ich ihm allein aufgrund dieser Tatsache nicht offen ins Gesicht werde sehen können.“ Und er zitiert den englischen Barockdichter Robert Herrick: „So kam das Glück, und Licht schien auf mein Dach“.
  Der Name Hikari bedeutet „Licht“. Und Ōes Sohn entwickelte sich auf erstaunliche Weise. Schon als Baby liebte Hikari Vogelstimmen und Musik. Wie er seinen Vater während eines Urlaubs am Shogetsu-See mit dem ruhig und bestimmt ausgesprochenen Satz „Das ist eine Wasserralle“ verblüffte, wie er später mit dem Komponieren anfing, kann man in „Licht scheint auf mein Dach“ nachverfolgen. Ōe porträtiert darin auch Menschen, die seiner Familie Mut machten. Hikaris langjährigen Arzt Dr. Moriyasu und den Mediziner Fumio Shigeto, der in Hiroshima als Erster den scheinbar aussichtslosen Kampf gegen den Strahlentod aufgenommen hatte, aber auch Musiker, die Hikaris Kompositionen aufführten. Die Genesung seiner Familie steht für eine „Genesung des Humanen“, von der Ōe angesichts der Schrecken von Hiroshima spricht.
  „Wir müssen da durch“ lautet ein Mantra, mit dem Ōes Familie gegen Hikaris Behinderung ankämpfte. Ōes bis zur Selbstentblößung und Selbstanklage vorangetriebene autobiografische Obsession steht in der Tradition des japanischen „Ich-Romans“. Seine Familiengeschichte verdeutlicht, wie dieses manische Umkreisen einer persönlichen Erfahrung in wechselnden Perspektiven und Variationen japanische Denktraditionen um christlichhumanistische erweitert.
  Vor einem Konzert in der Tokioter Suntory Hall mit Hikaris Kompositionen hielt Ōe eine kleine Ansprache: „Die Musik unseres Sohnes Hikari, die Sie heute hören werden, stammt von einem Menschen, der noch nie geweint hat. Und der nicht träumt.“ Und der sich mit dem Sprechen schwer tut. Wenn man etwas erzähle, müsse man „den Strom der Zeit berücksichtigen, also Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft“. Das könne Hikari nicht mit Worten, doch mit seiner Musik „auf so lebendige Weise, dass er bei seinen Zuhörern eine stille Vertrautheit erweckt, an der Geschichte teilzuhaben.“ Wenn er seine bisher publizierten Bücher ansehe, bekannte Ōe in der Suntory Hall, „stelle ich mit Erschrecken fest, dass ich fast mein ganzes Leben damit zugebracht habe, über düstere Dinge zu schreiben.“ Seine Erkundungen dieser düsteren Dinge wurden in den Neunzigerjahren von den Gedichten William Blakes über Seelen geprägt, „die zuerst bei Gott im Himmel sind, von wo aus sie auf die Erde niedersteigen, sich einen Körper zulegen und das Leben gefallener Wesen führen“.
  Die Wesen der Erde, schreibt Ōe, angelehnt an Blake, „werden im Land der Trauer und des Wehgeschreis mit für Krankheiten anfälligen Körpern geboren“. Jenes Trauer- und Wehgeschrei, das seinerzeit auch seinen an Krebs sterbenden Bruder umgeben habe, bilde den „Grundton der Welt“. Persönliche Erfahrung beglaubigt hier barockes Vanitas-Denken. Aber auch dessen Gegenteil, denn – den sterbenden Bruder vor Augen – erinnert sich Ōe: „Doch als fürchteten wir uns nicht davor, haben wir seit unserer Kindheit zusammen gelacht und gesungen.“
  So spaltet sich Ōes Werk in zwei Pole auf. In ein Memento mori und etwas, was man, an einen seiner Vortragstitel anknüpfend, Gebete eines Ungläubigen nennen könnte. Das Ringen um einen Religionsersatz, einen Trost für ungläubige Seelen und eine „Genesung des Humanen“ prägt auch seine Anfang der Neunzigerjahre entstandene Trilogie „Grüner Baum in Flammen“. In „Stille Tage“ ist ein Kapitel Andrej Tarkowkijs Film „Stalker“ gewidmet. Dessen Held hat eine Tochter, die vielleicht behindert und vielleicht wundersam begabt ist. Die Verzweiflung des Stalkers, der Erlösung nicht nur für sich allein sucht, findet sich auch bei Ōe. „Licht scheint auf mein Dach“ zeichnet ein Selbstporträt des Dichters als alternder Vater, den die Erfolge seines Sohnes glücklich machen, aber nicht unbesorgt.
ULRICH BARON
Kenzaburō Ōe : Licht scheint auf mein Dach. Die Geschichte meiner Familie. Aus dem Japanischen von Nora Bierich. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 296 Seiten, 19,99 Euro.
Kenzaburō Ōe : Stille Tage. Aus dem Japanischen von Wolfgang E. Schlecht und Ursula Gräfe. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 236 Seiten, 9,99 Euro.
Kenzaburō Ōe
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Foto: dpa
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