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Das gebrochene Herz der Witwe Nishki, das Glück der schwangeren Miyu und die Kraft, die einem Reiskorn innewohnt: Franka Potente schlägt in ihrem ersten literarischen Erzählungsband unterschiedlichste Töne an, weiche, dunkle melancholische und präzise helle. Sie gewährt dabei sensible Einblicke in das alltägliche Japan.
Was wird, wenn die schwangere Ikuko die Einzige in ihrer Familie ist, die sich eine Tochter wünscht? Warum gibt sich die Witwe Frau Nishki so oft der liebevollen Zubereitung ihres Lachs-Eintopfs hin? Wo endet es, wenn sich Miyu, die heimlich in einem Nachtclub tanzt, in
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Produktbeschreibung
Das gebrochene Herz der Witwe Nishki, das Glück der schwangeren Miyu und die Kraft, die einem Reiskorn innewohnt: Franka Potente schlägt in ihrem ersten literarischen Erzählungsband unterschiedlichste Töne an, weiche, dunkle melancholische und präzise helle. Sie gewährt dabei sensible Einblicke in das alltägliche Japan.
Was wird, wenn die schwangere Ikuko die Einzige in ihrer Familie ist, die sich eine Tochter wünscht? Warum gibt sich die Witwe Frau Nishki so oft der liebevollen Zubereitung ihres Lachs-Eintopfs hin? Wo endet es, wenn sich Miyu, die heimlich in einem Nachtclub tanzt, in einen schüchternen Polizisten verliebt? In ihren genauen, sensiblen Stories eröffnet uns Franka Potente den Blick auf die japanische Kultur und die Menschen, denen sie dort begegnet ist. Und wenn sie von dem Stolz einer Zeichnerin oder dem peinlichen Missgeschick eines jungen Ehepaars erzählt, lässt sie uns auf bestechende Weise an den Empfindungen und Gedanken ihrer unverwechselbaren Figuren teilhaben.
Autorenporträt
Franka Potente, geboren 1974, studierte nach dem Abitur an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Mit der Titelrolle in "Lola rennt" hatt sie ihren nationalen und internationalen Durchbruch. Seitdem dreht sie Filme im In- und Ausland. 2005 wechselte sie zum ersten Mal ins Regiefach. Seit einiger Zeit lebt sie wieder in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.08.2010

So sei es
Franka Potente erzählt in ihren japanischen Stories „Zehn“ von der Sehnsucht nach einer untergegangenen Welt und von der Verlorenheit in der Moderne
Das deutsche Publikum kennt Franka Potente vor allem als rothaarige, flippige, schwer zu fassende Lola – als jene Lola, die für Regisseur Tom Tykwer viel und schnell unterwegs war. Dass die heute 36-Jährige nach „Lola rennt“ ein Hollywood-Star wurde, dass sie mit Matt Damon, Johnny Depp und Elija Wood und den Regisseuren Oskar Roehler und Steven Soderbergh drehte, dass sie Drehbücher schreibt und selbst Regie führt, Preise über Preise anhäuft, das wissen Cineasten. Nun legt sie – nach dem Briefwechsel „Los Angeles – Berlin“ und „Kick Ass“, in dem sie Fitnesstipps für Faule gibt – auch noch ein drittes Buch vor. Und zeigt: Sie kann, sie will erzählen.
Ihre zehn kurzen Geschichten spielen in Japan. Es ist nicht das Japan von Sofia Coppola, in dem Scarlett Johansson sich aus der Tristesse eines modernen Hotelturms heraus in das schrille, laute, geschichtslose Tokio wirft, in dem Schülerinnen mit gelbgefärbtem Haar und besoffene Studenten, Hippis und Flippis sich gegen die rigide Traditionen und die strenge Hierarchie des japanischen Sozialgefüges auflehnen. Ihr Japan ist still, demütig, ergeben. Oft traurig, weil das Schicksal Vorgaben macht, die der Mensch zu ertragen hat. Oft einsam, weil jene, die das alte Japan leben, im neuen Japan verloren sind. Franka Potente kennt das Land, seit sie 2005 für den Dokumentarfilm „Underground Art“ nach Tokio gereist war, und offensichtlich haben es ihr gerade Rigidität und konservativer Traditionalismus angetan, die in Kalifornien oder Berlin nie existiert haben oder längst untergegangen sind.
Sie nennt viele ihrer Protagonisten nur beim Nachnamen – das ist insofern konsequent, als sie bewusst jene Distanz zu ihnen hält, die ihre Kleinhändler und Hausfrauen, Angestellten und Gattinnen auch selbst erwarten würden; körperliche Nähe, offene Worte, nach außen getragene Gefühle gelten in dieser Welt als unangemessen. Frau Michi zum Beispiel: Sie hat einen kleinen Laden für traditionelle Fächer, ist viel allein, und selbst der Tourist, Herr Schreiber, der zwei Mal bei ihr auftaucht, spürt schnell, wann er die nötige Distanz verletzt. Oder Herr Masamori, der ein Geschäft für Zori, japanische Schlappen, führt – auch er lebt allein, seit seine Frau tot ist. Nun ist er sehr krank, will es aber nicht wahrhaben, und als sich die Wahrheit nicht mehr leugnen lässt, als Herr Masamori eine schwere Entscheidung trifft, da sagt Herr Ogawa, der ihn zum Arzt fährt, nur leise: „So sei es.“
Potentes Figuren stolpern durch die Moderne, und sie sind sich nicht sicher, ob sie diese Moderne mögen, sie ertragen, ertragen können. Miyu arbeitet als Bedienung in einem Lokal, in dem sich Männer nach der Arbeit amüsieren. Sie ist keine Prostituierte, aber, um etwas hinzuzuverdienen, jobbt sie manchmal als Tänzerin in einem Club, mehr oder minder nackt. Einmal begegnet sie Seiji, einem Polizisten, und sie „lachte mit ihm. Ohne die Hand vor den Mund zu halten“, wie es anständige japanische Mädchen lernen. Oder Mariko: Sie erwartet ein Baby und tut alles, was ihr Mann und ihre Schwiegereltern erwarten, sie beschallt den Fötus mit Brahms und Joan Baez, mit Haikus, traditionellen Versen, und mit Englisch, sie sitzt dabei, wenn die Familie, lange vor der Geburt des Kindes, debattiert, welcher Kindergarten, welche Schule die richtigen wären, und sie weiß: Sie soll einen Jungen kriegen. Aber sie will ein Mädchen, sie fühlt, dass es ein Mädchen ist. „Aber sie sagte nichts. Sie freute sich einfach.“
Als Tadaski und Haruka bei Tadaskis Chef zum Abendessen eingeladen sind, bringen sie ein sonderbares Geschenk mit, aus Versehen, denn es kam zu einer peinlichen Verwechslung zweier Päckchen. Das Geschenk könnte ein Kündigungsgrund sein. Was aber tut die Ehefrau des Chefs? Sie lächelt. Und lügt, aus Höflichkeit: „Ein schönes Geschenk“.
Potentes Sprache ist schlicht, schmucklos, sie mag keine Adjektive, sie mag keine Emotionen. Gefühle kommen auf Filzpantoffeln daher, sie werden über Kotatsus, beheizten Tischen, auf kleiner Flamme genährt, und wenn sie dann doch mal einen der Protagonisten zu übermannen drohen, wenn plötzlich eine laute, unkomplizierte Ausländerin einem schüchternen, sehnsüchtigen japanischen Jungen zu nahe kommt, dann zieht der die Reißleine. „Er stand nur da, überrascht und erstarrt. Freiwillig einer fremden Person so nah zu sein, war in Japan undenkbar.“
Gut möglich, dass da viele Klischees aus einer Zeit aufscheinen, die lange schon hinter hohen Glasfassaden und überfüllten Shinkansens, hinter gestapelten Schlafcontainern und millionenfachem Handyklingeln untergegangen ist, gut möglich, dass Potente, die regelmäßig nach Japan kommt, aber eben keine Japanerin ist, einem Traum nachhängt, der ebenso oft ein Albtraum ist. Aber ganz offenbar zielt sie auch auf ihre eigene, auf unsere Welt, wenn sie Tetsuo, den schüchternen japanischen Jungen, denken lässt: „Er hatte sich übernommen.“ CATHRIN KAHLWEIT
FRANKA POTENTE: Zehn. Stories. Piper Verlag, München 2010. 176 Seiten, 16,95 Euro.
Sie kann, sie will erzählen: Franka Potente Foto: Dennis Gundlach/ddp
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.2010

Die gehaltvolle Nudelsuppe, der beheizte Tisch

Die Schauspielerin Franka Potente hat ein Buch über ihre Eindrücke aus Japan geschrieben. Dabei will die Autorin nichts unerklärt lassen und nimmt so dem fremden Land den Zauber.

Ein paar Japaner, so beginnt eine der Erzählungen aus Franka Potentes neuem Buch "Zehn", gehen mit einem schwedischen Gast in Tokio essen. "Sie saßen auf Tamamimatten in einem kleinen Ramenrestaurant in Shinjuku, an einem großen ,Kotatsu', einem beheizten Tisch, unter den man seine Füße streckte." Tamamimatten, Ramenrestaurant, Kotatsu: Mehr landeskundliche Informationen gingen offenbar nicht in diese kleine Szene. Oder doch? "Alle schlürften die gehaltvolle Nudelsuppe und tranken Sake dazu", heißt es zwei Sätze später. Die gehaltvolle Nudelsuppe, der beheizte Tisch: so erläuternd und enträtselnd zieht sich das eigentlich durch alle japanischen Geschichten, die Franka Potente hier geschrieben hat.

Der Blick, den die Schauspielerin in ihrem Buch auf dieses Land wirft, das sie, man kann es sehr gut verstehen, faszinierend und eng und wunderschön und fremd findet, fällt von außen auf Rituale, auf Liebeskonstellationen, auf Familien und Speisen. Das ist klar, denn die Autorin ist keine Japanerin. Aber wollte dieser Blick tiefer vordringen in diese fremde Welt, dann dürfte er sich wahrscheinlich nicht aufhalten mit den Details, müsste über sie hinweggehen, um Tempo zu kriegen, etwas Drama. Welches Kammerspiel aus der bayerischen Provinz, nur als Beispiel, würde per Fußnote erklären, was ein Herrgottswinkel ist? Die Intimität zerfällt oft, bevor sie überhaupt entstehen kann. Der Zauber verfliegt - weil man die gehaltvollen Nudelsuppen von Franka Potente eben nicht einfach vorgesetzt, sondern immer gleich erklärt bekommt. Statt sie also einfach zu essen, um zu sehen, was man davon hat.

Manchmal, wie gleich in der ersten Episode des Erzählungsbandes, "Götterwinde", die von einer Fächerherstellerin und ihrem deutschen Kunden erzählt, oder in der eingangs zitierten scheiternden Liebesgeschichte zwischen der Schwedin Ingeborga und dem jungen Japaner Tetsuo, ist der fremde Blick automatisch eingebaut in die Erzählung: Ausländer als Unwucht in einem strengen Regelsystem. Aber den didaktischen Ton verändert das nicht. Im Gegenteil, die Irritationen dürfen nicht im Text haken bleiben oder Reibung erzeugen, Unruhe, Abstoßung, alles ja Empfindungen, die legitim wären - in jeder sozialen Beschreibung einer jeglichen sozialen Welt. Aber so ein Risiko hat Franka Potente offenbar in ihren Erzählungen gescheut. Ingeborga kommt Tetsuo einmal zu nahe. "In Japan gab es keine Umarmungen", heißt es dann. "Er umarmte nicht einmal seine Mutter." Hätte nicht einer der beiden Sätze gereicht? Vielleicht am besten der zweite?

Die scheue Fächerherstellerin. Der junge Angestellte, der seinem Chef, typisch Japan, ein Geschenk kaufen muss. Die Tänzerin im Herrenclub. Reispapier. Feng Shui. Die Stille, die Verbeugungen, die Shiitakepilze, überhaupt die vielen Gerichte, und all das geschrieben in bleistiftfeinen Sätzen, die keine Fehler machen wollen und mit denen eine Welt erzählt wird, ohne wirklich zu verraten, warum der Leser in sie eintreten sollte (und nicht besser in einen Korrespondentenbericht). An den schönsten Stellen rühren die Storys schon, eine Frau mit gebrochenem Herzen, ein alter Vater, der stirbt und mit dem Fernsehen träumt von Amerika, eine junge Mutter, gequält vom eigenen Sohn, rauchend an der Dunstabzugshaube, während der kleine Junge droht, aus dem Fenster zu springen. Aber oft, beim verlorenen letzten Reiskorn zum Beispiel, das (wieder was gelernt!) in Japan Unglück bringt, aber dann in höchster Not doch noch auf der Augenbraue des jungen, nervösen Bewerbers entdeckt wird - und zwar von der jungen Sekretärin der Firma, bei der er sich bewirbt, in die er sich gleich verguckt -, da liest sich das wie Kitsch. Unpeinlich aufgeschrieben zwar, bleistiftfein also und sparsam, aber doch.

Franka Potente, bekannt geworden mit dem Film "Lola rennt", heute lebt sie in Amerika, dreht mit Matt Damon, gastierte auch schon in der erfolgreichen Fernsehserie "Dr. House", hat in Japan an einem Dokumentarfilm gearbeitet, 2005 war das. Seitdem sei sie oft nach Japan gereist, heißt es im Klappentext des Buchs. Was bliebe von ihren Erzählungen, wenn man Japan einfach herausstreichen würde? Es blieben Liebesgeschichten, die gerade erst anfangen und schon weh tun. Familiengeschichten, die zu Ende gehen und immer weh taten. Es könnte sein, dass mehr bliebe als vorher. Mehr an Möglichkeiten, einfach nur, als Erstes, in einem literarischen Debüt vor allem, Geschichten zu erzählen, die packen und bewegen oder stören, die den Leser irgendwie angehen wollen. Tourismus stört da nur.

TOBIAS RÜTHER.

Franka Potente: "Zehn". Storys. Piper Verlag, München 2010. 176 S., geb., 16,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Cathrin Kahlweit ist sich fast sicher: Franka Potente kann erzählen. Das sagt ihr nicht nur der Umstand, dass nunmehr bereits das dritte Buch Potentes vorliegt. Potentes schmucklose, adjektivarme Sprache scheint ihr ebenfalls zu gefallen und vor allem: zu passen zu ihrem Sujet. Emotionen und körperliche Nähe nämlich sind hier eher nicht gefragt, dafür ringen vor allem die älteren Japaner, Händler und Hausfrauen mit der Moderne. So bei Potente. Nur eines fragt sich die Rezensentin: Dieses Japan, von dem die kurzen Geschichten erzählen, gibt es das noch, oder sind das Klischees oder Momente eines Traums der Autorin?

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