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Dieses Buch enthält zehn Erzählungen, jede eine Offenlegung inneren Lebens, jede voller überraschender Wendungen, jede in dem geschliffenen Stil und der kompromisslosen Aufrichtigkeit, für die Nadine Gordimer berühmt ist.

Produktbeschreibung
Dieses Buch enthält zehn Erzählungen, jede eine Offenlegung inneren Lebens, jede voller überraschender Wendungen, jede in dem geschliffenen Stil und der kompromisslosen Aufrichtigkeit, für die Nadine Gordimer berühmt ist.
Autorenporträt
Nadine Gordimer, 1923 in Transvaal geboren, beschäftigte sich in ihren Erzählungen mit dem Leben in Südafrika unter den Bedingungen der Apartheidpolitik. Bekannt wurde sie durch Romane wie "Fremdling unter Fremden", "Der Ehrengast", "Burgers Tochter" oder "Julys Leute". 1991 erhielt Nadine Gordimer den Nobelpreis für Literatur. Die Autorin verstarb im Juli 2014.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen zwiespältigen Eindruck hat dieser Band mit Kurzgeschichten von Nadine Gordimer bei Rezensentin Maike Albath hinterlassen. Die zehn Geschichten handeln zumeist vom Tod, sein Mysterium werde "raunend umkreist und weihevoll heraufbeschworen". In dem achtteiligen Geschichten-Reigen "Karma" etwa, in dem eine Erzählerstimme jedes Mal in eine andere Seele hineinkriecht, entblöße Gordimer ihren "Hang zu mystischen Welterklärungsmodellen", was der literarischen Prägnanz der Geschichte eher abträglich ist, befindet Albath. Auch handwerklich kann die Geschichte nicht immer überzeugen. So hält Albath der Autorin vor, immer wieder die dramaturgische Klammer aus den Augen zu verlieren. Am stärksten findet sie das Buch, wenn Gordimer zwischenmenschliche Beziehungen beschreibt. Anhand von Gesten und Ritualen gelängen ihr immer wieder "Verdichtungen der gesellschaftlichen Atmosphäre, markante Übersetzungen eines diffusen Empfindens". Ein ausdrückliches Lob zollt sie in diesem Zusammenhang der Erzählung "Leitsätze", für Albath die besten Geschichte des gesamten Bandes, die zeigt, "wie tief der Rassismus in die Psyche der Menschen hineinragt".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.01.2004

Ich bin ein altes Sein
„Beute”: Nadine Gordimer legt einen neuen Band mit Kurzgeschichten vor
Nadine Gordimer hat immer das richtige Bewusstsein besessen. Die weiße Südafrikanerin jüdischer Abstammung hat gegen die Apartheid gekämpft, in ihren Romanen die Deformationen des institutionalisierten Rassismus geschildert und auf Repressionen nie mit Verstummen reagiert. Sie wurde für ihre künstlerische Leistung und ihre unnachgiebige Haltung 1991 mit dem Nobelpreis gewürdigt, und sie erlebte die Befriedigung, ihre Sache siegen zu sehen. Gerade wegen ihrer Integrität geriet die literaturkritische Auseinandersetzung mit Nadine Gordimer mitunter zum Eiertanz: Es war unangenehm, jemandem mit der richtigen Gesinnung literarische Unzulänglichkeiten nachzuweisen. Neben einigen beeindruckenden Romanen und Kurzgeschichten – „Julys Leute” (1981) oder die Erzählungen „Spring”, „Genossen” und „Sünden des dritten Alters” gehören dazu – schrieb Nadine Gordimer mehrere kitschtriefende Bücher voller stilistischer Entgleisungen wie „Ein Spiel der Natur” (1987) oder „Die Geschichte meines Sohnes” (1991), die mit ihren erotisch vor Attraktivität berstenden schwarzen Helden und rassenüberschreitenden Liebesgeschichten an Kolportage gemahnten.
Die letzten Dinge
Ähnlich widersprüchlich nimmt sich auch der jüngste Erzählband aus. „Beute” versammelt zehn Geschichten, die ihrem vor drei Jahren verstorbenen Ehemann Reinhold Cassirer gewidmet sind. Der Tod ist der basso continuo der meisten Erzählungen – sein Mysterium wird raunend umkreist und weihevoll heraufbeschworen. Vielleicht war es der Verlust des geliebten Lebensbegleiters, der Nadine Gordimer zu einem Experiment mit der Vorstellung der Wiedergeburt anregte. „Karma” heißt eine achtteilige Geschichtenserie, verknüpft durch eine Erzählerstimme, die jedes Mal in eine andere Seele hineinkriecht und dabei die Erfahrungen früherer Leben mitnimmt. Mal schlüpft sie in einen schwarzen Jungen, der bei einer waghalsigen Fahrradfahrt tödlich verunglückt, mal dockt sie an das ungeborene Kind einer lesbischen Südafrikanerin an oder an einen 14-jährigen Russen, der im Zweiten Weltkrieg von Wehrmachtssoldaten erschossen wird. „Ich bin ein altes Sein”, lässt dieses körperlose Etwas bedeutungsschwer verlauten und orakelt zwischen den Stationen der verschiedenen Inkarnationen über den Sinn der Wiederkehr. Die Geschichten sind durch eine thematische Grundidee miteinander verbunden. Variiert wird nämlich das Motiv der verstümmelten Biographie: das Leben der Helden bricht unvermittelt ab, verliert sich oder erfährt eine radikale Ummünzung.
Die überzeugendste der acht „Karma”-Variationen handelt von dem, was Nadine Gordimer immer am besten zu schildern wusste: die moralische Verwahrlosung der weißen Mittelschicht. Die frühere Untergrund-Aktivistin Norma gelangt durch den Regierungswechsel an eine Schaltstelle der Macht, bedient sich skrupellos alter Netzwerke und ermöglicht ihrer Familie einen beispiellosen gesellschaftlichen Aufstieg, bis man ihr eines Tages auf die Schliche kommt. Eine subtile Abrechnung mit der Verlogenheit der pseudoaufgeklärten weißen Akademiker liefert Gordimer in einem weiteren Teil der „Karma”-Serie, einer Geschichte über ein Frauenpaar, das sich ein Kind wünscht, von der künstlichen Befruchtung aus Angst vor dem Samen eines Schwarzen dann aber absieht. Irritierend ist hier allerdings der Schlussakkord, in dem das Ungeborene selbst zu Wort kommt. Gordimer entblößt in „Karma” ihren Hang zu mystischen Welterklärungsmodellen, was ihrer literarischen Prägnanz eher abträglich ist. Das Gemurmel über das Fortleben der Seelen wirkt wie eine armselige metaphysische Notlösung – so als habe Nadine Gordimer, die katholisch erzogen wurde, aber seit jeher ihre atheistische Haltung betonte, doch noch eine neue Rechnung mit den letzten Dingen aufmachen müssen.
Der Geschichten-Reigen vermag auch handwerklich an vielen Stellen nicht zu überzeugen. Immer wieder scheint die Schriftstellerin die dramaturgische Klammer aus den Augen zu verlieren, die Erklärungen zu der frei flottierenden Seele entwickeln sich nicht organisch aus dem Geschehen heraus, sondern scheinen nachträglich hinzuerfunden, und die Episoden, die im Ausland spielen, stehen in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang.
Doch Nadine Gordimers Stärke liegt in der Beschreibung zwischenmenschlicher Beziehungen: anhand von Gesten und Ritualen gelingen ihr immer wieder Verdichtungen der gesellschaftlichen Atmosphäre, markante Übersetzungen eines diffusen Empfindens. Wie tief der Rassismus in die Psyche der Menschen hineinragt, leuchtet sie in der Erzählung „Leitsätze” aus, der besten Geschichte des gesamten Bandes. Die Engländerin Roberta Blayne, erfahrene Mitarbeiterin einer internationalen Hilfsorganisation, klug, weltgewandt und nicht mehr ganz jung, schließt Freundschaft mit einem schwarzen Politiker namens Gladwell Chabruma. Dieser redliche Familienvater steht für das neue Zeitalter: ausgebildet an einer amerikanischen Universität, arbeitet er mit Leidenschaft für den Fortschritt in seinem Land.
Die Entrüstung der Zweitfrau
Als sich die respektvolle Freundschaft zu einer Liebesbeziehung wandelt, erzählt Roberta ihrem Freund eines Tages von ihrem Großvater. Der altenglische Gentleman besaß just in der Nähe von Gladwells Farm eine Kupfermine, schickte Woche für Woche seinen Boy zu Fuß in die Stadt und zwang ihn zum Transport einer Kiste Whiskey auf dem Kopf über eine Entfernung von fünfzig Meilen, um diese Geschichte dann bei seinen Dinnerpartys zum Besten zu geben: „Das ist mein Mann – was für Köpfe sie haben, was, dick wie ein Holzklotz”. Indem er die Sklavenhaltermanieren des Großvaters auf die historischen Umstände zurückführt, befreit Gladwell seine Geliebte von Scham und Schuldgefühlen. Kurz bevor Roberta Blayne erneut ins Ausland versetzt wird, macht er ihr einen Heiratsantrag und bietet ihr den Status als Zweitfrau an. Dass die aufgeklärte Europäerin das Ansinnen als Beleidigung empfindet, legt kaum reflektierte Schattenseiten der westlichen Wahrnehmung frei. Ihre Empörung bringt eine versteckte Verachtung für die Herkunft des Schwarzen zum Ausdruck: Roberta hielt ihren Freund für „zu kultiviert” für ein derartiges Arrangement, wobei sie einen abendländischen Wertmaßstab als geltend anlegt. Auch das ist eine Form von Imperialismus. Da kennt Nadine Gordimer sich aus.
MAIKE ALBATH
NADINE GORDIMER: Beute und andere Erzählungen. Aus dem Englischen von Barbara Schaden. Berlin Verlag, Berlin 2003. 252 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2003

Haupt- und Nebenfrauen
Moskitoflug in den Tod: Erzählungen von Nadine Gordimer

Kurz nachdem das englischsprachige Original "Loot" in New York erschienen ist, liegt bereits die deutsche Übersetzung vor. Es ist der erste Erzählband, den Nadine Gordimer seit 1991, dem Jahr, in dem sie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, veröffentlicht. Die leidenschaftliche Kämpferin gegen die Apartheidpolitik der südafrikanischen Regierung hat wenig später die Genugtuung erlebt, ihre Sache siegen zu sehen. Der Afrikanische Nationalrat forderte sie 1994 auf, als Abgeordnete für das neue Parlament zu kandidieren. Sie lehnte ab, wollte Schriftstellerin bleiben. Was blieb, war die Frage, ob Gordimer mit der Abschaffung der Rassendiskriminierung ihr Thema verloren habe. Die Autorin hat dies stets vehement verneint. Angesichts dieser Erzählungen stellt sie sich jedoch aufs neue. Die alten Themen wirken nach; sie hängen wie Nebelschwaden in der Luft, doch werden sie von einem neuen überlagert: dem Tod. Die Schriftstellerin hat vor zwei Jahren ihren Mann verloren. Ihm, Reinhold Cassirer, einem Sproß aus der Familie der Berliner Kunsthändler, mit dem sie fast fünfzig Jahre lang verheiratet war, ist das Buch gewidmet.

Die Titelerzählung ist eine Parabel auf die Gier der Menschen nach Besitz und die Vergeblichkeit allen Strebens, weil der eigentliche Beutegeier, der Tod, sich nicht besiegen läßt. Er schlägt zu, wenn "die orgiastische Freude" der Raffer auf dem Höhepunkt ist. Selbst ein einsamer Alter, der nur einen kleinen Spiegel an sich nimmt - Symbol einer möglichen Selbsterkenntnis -, hat keine Chance zu entkommen. So weit, so schlüssig. Doch offenbar traut Gordimer ihrem Einfall nicht, sie spickt den knapp vier Seiten umfassenden Text mit Anspielungen auf Auden, Eliot, Shakespeare, beschwert ihn mit politischen Verweisen, die den Charakter der Parabel sprengen.

Hat die Schriftstellerin etwa nicht nur ihren Gegenstand, sondern auch ihre Sicherheit als Erzählerin verloren? Auf weite Strecken gewinnt man diesen Eindruck. "Karma", die längste Erzählung des Bands, handelt von abgebrochenen Lebensläufen - "Unfinished Lives" heißt sie im Original -, von Menschen, die vor der Zeit starben. Da ist ein kleiner Junge, der unter einen Lastwagen gerät; ein Russe, der während des Kriegs von Deutschen erschossen wird; mehrere totgeborene, abgetriebene oder gar nicht gezeugte Kinder, denen hier seltsame und oft peinliche Überlegungen in den Mund gelegt werden. Es sind Erwachsene, deren Tod nicht erklärt wird, der aber offensichtlich auf die alten Rassengesetze zurückgeht. In diesen acht biographischen Andeutungen gibt es immer wieder überzeugende Passagen: jene, die von Erlebtem, Erlittenem handeln.

So wird von einer ehemaligen Widerstandskämpferin berichtet, die sich der Raffgier, Korruption, dem Betrug der neuen Zeit hingibt; von einem lesbischen Paar, das gern ein Kind hätte, aber von der künstlichen Insemination absieht, weil man nicht weiß, ob der Samen von einem Schwarzen oder einem Weißen stamme; von einer jungen Frau, die, als weißes Findelkind von einem schwarzen Paar aufgezogen, ins absurde Räderwerk der Rassengesetze gerät.

Doch Nadine Gordimer scheint diesen Eindrücken aus dem Leben nicht mehr zu trauen. Jeder Geschichte stellt sie ein dunkles Zitat voran, jede taucht sie in das Licht eines Nachdenkens über das Thema wechselnder Identitäten, mehrfacher Ichs, ewiger Wiederkehr. Nachdenken freilich ist ein zu hoch gegriffenes Wort. In falschen Feststellungen, hilflosen Fragen tut sich ein philosophischer Analphabetismus, eine Metaphysik von erschreckender Dürftigkeit kund. Der Verweis, daß sich hier "Körperlose" äußern, von denen man weder richtiges Handeln noch richtiges Denken verlangen könne, ließe freilich die gesamte Konstruktion des Textes zusammenbrechen. In der Erzählung "Eine Abgesandte" wird gar eine Moskitofliege zur Abgesandten des Todes. Dennoch propagiert das Buch weder den Buddhismus noch irgendeine andere Religion, nicht einmal den Atheismus, zu dem sich Gordimer vor Jahren bekannt hat.

In den beiden besten Erzählungen des Bandes greift sie auf Themen zurück, die ihre Stärke waren: familiäre Verwicklungen und die Liebe zwischen den Rassen. In "Generationenlücke" befassen sich erwachsene Kinder mit der plötzlichen Liebesaffäre ihres siebenundsechzigjährigen Vaters. In Begegnungen und Telefonaten zeigt sich ein Familiengeflecht, das, offiziell liberal, nicht frei von Rassismus war. Nicht ohne Humor wird vom Griff des Alten nach einem Fetzen Glück erzählt, von der Verlegenheit der Kinder, der sich zurückziehenden Mutter. "Leitsätze" handelt von der Liebe einer jungen Engländerin, die für eine Entwicklungsorganisation arbeitet, zu einem schwarzen Politiker. Episch gelassen entwickelt die Erzählerin ihre Geschichte, kunstvoll zeichnet sie die Protagonisten, die nicht mehr junge Frau, die die Vorgaben ihrer Organisation gewissenhaft befolgt, den distanzierten, ehrgeizigen Afrikaner - bis zum überraschenden Eklat: Der Schwarze will die Weiße, die in seinen Armen über ihren sklavenhaltenden Großvater geweint hat, heiraten, zu seiner Nebenfrau machen. Die Geliebte ist empört - und läßt sich von ihrer Organisation versetzen. Wer etwas über den Zusammenprall der Kulturen erfahren möchte, sollte diese meisterhafte, alle Klischees meidende, von Zwischentönen geprägte Geschichte lesen. Hier zeigt sich Nadine Gordimer auf der alten Höhe ihrer Möglichkeiten.

RENATE SCHOSTACK.

Nadine Gordimer: "Beute und andere Erzählungen". Aus dem Englischen übersetzt von Barbara Schaden. Berlin Verlag, Berlin 2003. 252 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Die Kollision von persönlichen und politischen Zielen und Idealen wird mit der strahlenden Präzision und dem Witz analysiert, die für Gordimer typisch sind. Dies sind bewundernswerte, unwiderstehliche Erzählungen ... Gordimer kann einen immer noch so genau auf den Solarplexus treffen wie kaum ein anderer Autor. Vielleicht sollte man ihr den Nobelpreis noch einmal geben." (Booklist)