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Der weltweite Ruhm des Nobelpreisträgers Ivo Andric geht zurück auf die beiden großen Chroniken, die er während des Zweiten Weltkriegs schrieb: "Brücke über die Drina" und "Wesire und Konsuln". Weniger bekannt ist, dass Andric auch kürzere Prosatexte geschrieben hat, die in seiner Gegenwart, in der Ära der beiden Jugoslawien nach 1918 und nach 1945 spielen. Diese nuancierten, abgründigen und unerbittlichen Erzählungen gehören zum Besten, was Andric geschrieben und was die Prosa des 20. Jahrhunderts zu bieten hat. Die von Karl-Markus Gauß besorgte Auswahl zeigt Andric als meisterhaften Diagnostiker des modernen Lebens.…mehr

Produktbeschreibung
Der weltweite Ruhm des Nobelpreisträgers Ivo Andric geht zurück auf die beiden großen Chroniken, die er während des Zweiten Weltkriegs schrieb: "Brücke über die Drina" und "Wesire und Konsuln". Weniger bekannt ist, dass Andric auch kürzere Prosatexte geschrieben hat, die in seiner Gegenwart, in der Ära der beiden Jugoslawien nach 1918 und nach 1945 spielen. Diese nuancierten, abgründigen und unerbittlichen Erzählungen gehören zum Besten, was Andric geschrieben und was die Prosa des 20. Jahrhunderts zu bieten hat. Die von Karl-Markus Gauß besorgte Auswahl zeigt Andric als meisterhaften Diagnostiker des modernen Lebens.
Autorenporträt
Ivo Andric, geb. 1892 in Travnik/Bosnien, gestorben 1975 in Belgrad gestorben, studierte Slawistik und Geschichte in Zagreb, Wien, Krakau und Graz, wo er auch promovierte. 1921 trat er in den diplomatischen Dienst ein. Er vertrat sein Land in Rom, Bukarest, Triest, Genua, Madrid und Berlin. 1939 war er jugoslawischer Botschafter in Berlin. Im Ersten Weltkrieg saß er wegen seiner politischen Tätigkeit in einem österreichischen Gefängnis, im Zweiten Weltkrieg haben ihn die Deutschen interniert. Seine berühmten Romane "Wesire und Konsuln" (I945) und "Die Brücke über die Drina" (I945) schrieb er während seiner Internierung im Zweiten Weltkrieg.
In Belgrad arbeitete er später zurückgezogen an seinen großen Romanen. 1961 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.11.2003

Dies, damit man es weiß
„Die verschlossene Tür”: Erzählungen von Ivo Andric
Ivo Andric aus Travnik in Bosnien gehört bei uns nicht zu den vergessenen Dichtern des klassischen Realismus. Außer den beiden Hauptwerken „Die Brücke über die Drina” und „Wesire und Konsuln”, die dem langjährigen jugoslawischen Diplomaten 1945 den Durchbruch und 1961 den Literatur-Nobelpreis einbrachten, sind auf deutsch verschiedene Sammlungen kürzerer Prosastücke lieferbar, die sich zum Teil mit der nun von Karl-Markus Gauß bei Zsolnay vorgelegten überschneiden. Aber man kann natürlich nicht genug von ihm bekommen. Seine Stimme hat große Kraft und ist von einer Bestimmtheit, die uns heute beinahe rätselhaft erscheint.
Ein typisches Element der kürzeren Prosastücke ist ihr überraschendes und verfrühtes Ende. Wir werden aus dem Leben der Figuren, sie aus unserem gerissen, bevor das ihre sich runden konnte. In der Erzählung „Am Kessel” stellt Andric uns sehr gründlich den Mönch Fra Marko vor, zeichnet uns eine kleine Geschichte seiner intellektuellen und spirituellen Entwicklung, die ihre Grenzen in seiner Einfalt findet, nur um den lieben Mann dann beim Schnapsbrennen vom dummen Kumpan eines nicht unsympathischen türkischen Kriegers erschießen zu lassen – gerade, als der Türke ihn mit Erzählungen von den Sinnesräuschen des weltlichen Lebens versuchen wollte. Der letzte und eigentliche Akt des Menschlichen aber ist der des Aufschreibens, der Überlieferung: Ein freundliches altes Mönchlein kritzelt dem kurzen, nichtssagenden Nekrolog der Franziskaner die Worte hinzu: „Er hat das Kloster geliebt wie seine Seele.” Und: „Dies, damit man es weiß.” Der Satz könnte das Motto aller Bücher Ivo Andrics sein. Die Überlieferung besiegt den Tod.
Andrics Miniaturen suchen nach den absurden Widersprüchen im Verhalten der Menschen und nach der Schönheit, die in ihnen liegt. Dieser Autor behauptet noch im Horror eines Amoklaufs (in „Mustafa Magyar”, der vielleicht erschütterndsten Geschichte des Bandes) ein Idyll, in dem alles Menschenmögliche aufgehoben ist. Die Weltgeschichte rollt über die Figuren seiner Erzählungen hinweg wie die jährlichen Hochwasser der Drina über die Einwohner Wischegrads. Weder Geschichte noch der reißende Strom sind um die Schmerzen bekümmert, die sie den Menschen bereiten. Darin scheint für Andric ein seltsamer Trost zu liegen. Er schreibt im Einverständnis mit einer höheren Instanz, die keine Gnade und keine Barmherzigkeit kennt. Es ist eine Knochenhand, mit der Andric die Seiten seiner bosnischen Chroniken umblättert und mit der er seine Sujets und Figuren liebevoll entleibt. Besessen vom Tod, hat er einige der schönsten Leichen der Weltliteratur erschaffen.
Reinheitswahn
Seine Methode hat neben vielem anderen auch etwas Bürokratisches. Ihre große Leistung liegt darin, uns Grauen und Gewalt als der Schönheit gleichberechtigt vorzuführen und uns zu bitten, diese Abgründe und Widersprüche auszuhalten. Oft handeln seine Geschichten von tragischen Versuchen der Reinigung. Wo Andrics Figuren die Unreinheit des Menschenlebens nicht mehr ertragen, beginnen Wahnsinn und Massaker zu wüten, auf dem fruchtbaren Boden der in drei Religionen gespalteten bosnischen Identität. Die ethnischen Säuberungen der Neunzigerjahre hätten den 1975 verstorbenen Katholiken Andric nicht überrascht. Er hat sie im Voraus beschrieben und erklärt. Und er ist ihnen postum selbst zum Opfer gefallen: Karl-Markus Gauß erinnert in seinem Nachwort an die Geschichte von der Sprengung seines Denkmals an der Brücke über die Drina durch muslimische Extremisten im Jahr 1992.
Ansonsten hat die Präsentation dieser Geschichten durch den Herausgeber etwas unmarxistisch Ahistorisches. Das Buch ist für westliche Genussmenschen gemacht, Endverbraucher, die von den Entstehungsbedingungen der literarischen Gänseleberpastete nichts wissen wollen. Dabei wäre nicht viel Druckerschwärze verschwendet worden, wenn man wenigstens im Inhaltsverzeichnis das Entstehungsjahr der Geschichten dokumentiert hätte. Gerade die Disziplin, mit der Andric sich zurücknimmt, befeuert die Neugier. Gibt es eine Entwicklung in seinem Werk? Wenn er in einer Erzählung aus dem Nachlass liebevoll den Sturz eines türkischen Provinzherrschers Mitte des neunzehnten Jahrhunderts beschreibt, seine Demütigung und schließliche Ermordung – schöpft er dann nur aus der Geschichte Bosniens, oder enthält die Geschichte Verweise auf Palast- und Parteiintrigen im Jugoslawien Titos oder im großen Sowjetreich? Wenn er selbst darin auftaucht als demütiger Protokollant, der nachts von Gestalten aus der bosnischen Geschichte besucht wird und ihnen verständnisvoll lauscht, steht dieses Selbstporträt dann in irgend einem Verhältnis zu Andrics eigener Rolle als gefeierter Staatsdichter? Wenn ja, wie? Und wenn nicht, warum nicht? Andrics Projekt war die Überführung dunkler Legenden in moderne Psychologie und Schriftsprache. Bei allem Fatalismus war er am Ende doch ein der Aufklärung verpflichteter Autor. Jede weitere Ausgabe seiner Texte müsste sich der Aufklärung über Andric verpflichtet fühlen.
ROBIN DETJE
IVO ANDRIC: Die verschlossene Tür. Erzählungen. Hrsg. von Karl-Markus Gauß. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2003. 302 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2004

Das Gymnasium der Gottlosigkeit
Gesammelte Erzählungen des Nobelpreisträgers Ivo Andric

Als muslimische Extremisten 1992 sein Denkmal an der Viegrader Brücke über die Drina in die Luft sprengten, hatten sie immerhin begriffen, daß Ivo Andric (1892 bis 1975) nicht für Nationalismus und Fanatismus in Anspruch zu nehmen ist. Von seiner Herkunft her katholisch getaufter Kroate, zog er es in den Zeiten des Ustascha-Regimes vor, in Belgrad zu leben, und ging sogar zur serbischen Variante des Serbokroatischen über. Im bosnischen Travnik ist er jedoch aufgewachsen, lange hat er in Sarajevo gelebt; in Bosnien spielen viele seiner Romane, dem Islam begegnete er mit Sympathie. Ein seltener Fall von multipler Identität also? Eher ein Mensch, der jugoslawische Multikulturalität verkörperte.

Als Erzähler orientierte er sich an Tolstoi und Thomas Mann. Ein Realist also, für den die Begabung des Schriftstellers darin bestand, den "Leser mit etwas Bekanntem zu überraschen". Er hatte nicht das Verlangen, der Wirklichkeit eine erfundene, phantastische Welt entgegenzusetzen, schreibt Karl-Markus Gauß im Nachwort des vorliegenden Erzählbandes. Gewiß, nur daß sich seine Geschichten und Romane vom Balkan heute ziemlich phantastisch und exotisch ausnehmen: Bosnien im Spannungsfeld zwischen osmanischem und habsburgischem Reich, Schnittstelle von Okzident und Orient, der bis weit hinein nach Mitteleuropa vorgedrungenen war - erst 1872 hatte die türkische Herrschaft hier geendet.

Bisweilen will sich für das heutige Ohr ein orientalischer Märchenton einschleichen - wenn sich nicht immer wieder der Realist Andric mit verstörenden Details zu Wort melden würde. Berühmt sind jene drei Seiten in der "Brücke über die Drina", die in allen gräßlichen Einzelheiten beschreiben, wie ein Mensch gepfählt wird - wer das gelesen hat, wird es nie vergessen. Ähnlich wirkt in diesen Geschichten der hartnäckig erwähnte Gestank einer Wunde oder das kehlige Geschrei eines unter der Durstfolter stehenden Gefangenen, das aus dem improvisierten Gefängnis im Keller hinauf ins Gemach einer schlaflosen Dame dringt.

Andric Sache ist jedoch nicht nur die literarische Geschichtsschreibung, sondern auch - wie diese Sammlung zeigen will - die Diagnose des modernen Lebens. Er ist einer jener literarischen Psychologen, wie sie nach Nietzsche die europäische Literatur prägten. Man mag diese Nervenkunst um so mehr bewundern, als Autoren heute oft dafür gelobt werden, wenn sie ihre Figuren möglichst unverstanden vor den Leser hinstellen.

Klarheit, Genauigkeit, Anschaulichkeit bestimmen den Stil. Dabei mußte sich Andric die Objektivität des klassisch souveränen Erzählers gegen diverse Anfechtungen erkämpfen. Er war ein leidenschaftlicher Leser "subjektiver" Literatur, von Erinnerungen und Autobiographien. Aber er hegte einen Verdacht gegen solches Schreiben, eigene Aufzeichnungen inbegriffen: den der Selbstgefälligkeit und Selbsttäuschung. Gleich die erste Geschichte ("Die Autobiographie") schildert, wie der Erzähler von einem pensionierten Richter behelligt wird, der ein für die Menschheit vermeintlich außerordentlich bedeutendes Werk verfaßt hat: die umfangsstarke Geschichte seines eigenen Lebens. Er zeigt einen in der Lebenslüge verfangener Mann, der seiner Durchschnittsexistenz verzweifelt Bedeutung abpressen will. Wie hier begegnet dem Schriftsteller in der Rahmenhandlung oft ein Mensch, der unter Beichtzwang seine Lebensgeschichte mitteilt. Dieser Bericht wird scheinbar unbearbeitet (in Wahrheit kunstvoll komponiert) wiedergegeben, so daß sich die Person in ihren Illusionen und verfehlten Ansprüchen selbst entlarven kann.

Einige Geschichten schildern die Ehe als Fassade, hinter der sich das Unglück und der Wahn häuslich eingerichtet haben. In "Die Mißhandlung" heiratet ein Bürstenfabrikant (von kümmerlicher Gestalt, aber "bekannt angenehmer Art") eine viel jüngere Frau. Die fühlt sich bald "auf eine scheinbar harmlose und erlaubte, in Wirklichkeit aber herzlose und tückische Weise mißbraucht". Der Mann hält ihr endlose Monologe über seine Geschäftserfolge, seinen Einfluß und die Art und Weise, wie er die Probleme dieser Welt lösen würde, wenn er das Heft nur erst ganz in der Hand hätte. Als die Frau aus dieser verbalen Ehehölle ausbricht, findet sie als "übergeschnappte Durchbrennerin" nicht einmal Aufnahme bei den eigenen Eltern. Keine der Geschichten ist zu Ende, wenn der letzte Satz gelesen ist. Die Kunst des Finales, im entscheidenden Moment die Dinge im Ungesagten zu lassen, beherrscht Andric virtuos. Einwenden ließe sich, daß er die Problematik seiner Gestalten manchmal ins pittoresk Sonderlingshafte überpointiert.

In der berühmten Erzählung "Brief aus dem Jahr 1920" ist suggestiv vom "bosnischen Haß" die Rede: Nirgendwo gebe es "mehr Menschen, die aus verschiedenen Motiven und mit den verschiedensten Ausreden in den Ausbrüchen dieses unbewußten Hasses bereit sind zu töten". Solche Sätze wurden vor zehn Jahren gerne zum Verständnis des jugoslawischen Krieges herangezogen. Übersehen wurde, daß dies nur eine Facette in Andric' vielgestaltiger Darstellung des Landes ist - und daß es sich um Figurenrede handelt, deutlich durch die Form des Briefes markiert. Übersehen wurde auch die tödliche Ironie am Ende der Erzählung. Der Mann, der vor dem bosnischen Haß flieht, stirbt als Arzt im spanischen Bürgerkrieg.

Melancholischen k.u.k.-Schmelz wird man bei Andric kaum finden. Statt dessen Kolonialismus mitten in Europa. In der Geschichte "Liebe in der Kleinstadt" klagt ein adliger österreichischer Beamter, daß "die Menschen hier das bißchen Hirn, das sie besitzen, dazu benützen, um sich gegen jeden Zivilisationsversuch aufzulehnen". Deshalb muß sein Liebesleben leiden: "Hier bleibt mir nichts anderes übrig, als den Bäuerinnen zuerst den Dreck herunterzuwaschen, und doch erinnert das Ganze noch schrecklich an Sodomie."

Ivo Andric, der schreibende Diplomat, war der Sohn eines Kupferschmieds. Als Schüler wurde er Mitglied in der sozialrevolutionären Jugendorganisation "Mlada Bosna" (Junges Bosnien), aus der auch der Mörder Franz Ferdinands kam, weshalb er während des Ersten Weltkriegs von den Österreichern in Haft genommmen wurde. Später war er Botschafter seines Landes, zuletzt bis 1941 in Berlin. Nach dem Überfall auf Jugoslawien wurde er von den Deutschen interniert. Wieder in Belgrad, widmete er sich zurückgezogen seiner schriftstellerischen Arbeit - um 1945 gleich vier Hauptwerke auf einen Schlag zu veröffentlichen.

Indes betrieb er keine literarische Flucht aus der Kriegsgegenwart. "Buffet Titanic", die längste und eindringlichste Erzählung, spielt im Sarajewo der Jahre 1941/42. Der Titel bezieht sich auf die Kaschemme von Mento Papo, einem heruntergekommenen sephardischen Juden. Mit der kroatischen Besetzung beginnt die Verfolgung. Mentos Lokal wird plötzlich von allen Stammkunden gemieden. Statt dessen bekommt er eines Tages den mit Bangen erwarteten Besuch: "Als wollte er die Tür auseinandersprengen, trat breit und grob ein Mann in Ustascha-Uniform ein."

Nun wird erst einmal ausführlich die Geschichte dieses Mannes erzählt, der gekommen ist, um sich einen Juden gründlich vorzuknöpfen. Auch er ist ein Gedemütigter, der Anspruch und Wirklichkeit in seinem Leben nie zur Deckung bringen konnte, ein Mann, dem keine Rolle glücken will. Zwischen den halb so alten mordlustigen Raubtieren der Ustascha macht er keine gute Figur: "Er versuchte bei Haussuchungen in jüdischen Häusern selbst jemanden anzuschreien, mit den Stiefeln aufzustampfen, aber das alles ging ihm nicht von der Hand . . . Seine Bewegungen waren nicht schnell und furchterregend genug, seine Worte waren nicht scharf, nicht einmal die Pistole klickte überzeugend in seiner Hand. Vor anderen Ustasche erstarben die Juden vor Angst, an ihn aber wandten sie sich mit tränenreichem Vertrauen . . ."

Der dritte Teil der Erzählung schildert das gespenstische Verhör, dem Mento Papo nun unterworfen wird - eine traurige Schmierenkomödie mit zwei ungeschickten, verunsicherten Darstellern, die aber dennoch mit fataler Konsequenz auf ihr mörderisches Ende zuläuft. Eine Meistererzählung, die man Aleksandar Tismas "Schule der Gottlosigkeit" an die Seite stellen kann. Tisma hat Andric beerbt - seine Kunst, Zeitgeschichte zu Literatur zu machen, auch seinen Pessimismus, allerdings nicht die freundliche Humanität, den sich der Nobelpreisträger von 1961 noch bewahrte.

WOLFGANG SCHNEIDER.

Ivo Andric: "Die verschlossene Tür". Erzählungen. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl-Markus Gauß. Aus dem Serbokroatischen übersetzt von Milo Dor, Reinhard Federman, Werner Creutziger und anderen. Zsolnay Verlag, Wien 2003. 302 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine uneingeschränkte Empfehlung für die gesammelten Erzählungen des Nobelpreisträgers Ivo Andric gibt Wolfgang Schneider in der FAZ ab. "Klarheit, Genauigkeit, Anschaulichkeit bestimmen den Stil" des Bewunderers von Tolstoi und Thomas Mann. Das gilt gleichermaßen für die Beschreibung des Gestanks einer Wunde beschreibt mit "verstörenden Details" wie für die psychologische Durchdringung der Figuren: "Man mag diese Nervenkunst um so mehr bewundern, als Autoren heute oft dafür gelobt werden, wenn sie ihre Figuren möglichst unverstanden vor den Leser hinstellen", schreibt Schneider. Obwohl Andric sich als Realist verstanden hat, nehmen sich seine Geschichten aus dem Grenzgebiet von habsburgischem Okzident und osmanischem Orient für uns Heutige "ziemlich phantastisch und exotisch aus", räumt der Rezensent ein, und auch thematisch gehe es bunt zu: Von der Ehe über ethnische Spannungen bis zum "Kolonialismus mitten in Europa" lässt Andrics politisch nicht zu vereinnahmende Kunst nichts unverwandelt. Nur eines findet Schneider an dem Autor auszusetzen: "Einwenden ließe sich, dass er die Problematik seiner Gestalten manchmal ins pittoresk Sonderlingshafte überpointiert." Aber das war?s auch schon an Kritik.

© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung, 07.01.97 "Der Nobelpreisträger Ivo Andric gilt bis heute als die literarische Stimme Bosniens schlechthin." Ekkehard Kraft, Neue Zürcher Zeitung, 01./02.04.00 "Ohne Ivo Andric zu lesen, kann man den Balkan nicht verstehen." Karl-Markus Gauß